Zitat: er schenkte uns das richard - wagner festspielehaus und angagierte sich für die kultur ...was will man mehr von einem könig ?
Ja, das Festspielhaus. Und außerdem wunderschöne Parkanlagen und Schlösser, und er riß den Mächtigen im Hintergrund (Schattenregierung) durch seinen Tod die Maske vom Gesicht. Der Kini hat wirklich eine vielfältige, wunderschöne Hinterlassenschaft.
Die Promis stehen Schlange und werden vom Patriarchen persönlich begrüßt. Regierungschefs da, Schriftsteller dort, berühmte Musiker dazwischen. Sehen und gesehen werden bei der Premiere auf dem Grünen Hügel. Wer wegen der Musik kommt und wer wegen des Glamours, das weiß keiner so genau. Jedenfalls war es nicht schwer, an Karten zu kommen.
So war das Anno 1876 bei den ersten Bayreuther Festspielen. Geändert hat sich seitdem eigentlich nichts. Damals kam der Kaiser, heute kommt die Kanzlerin. Damals hieß der Chef noch Richard, heute heißen sie Katharina und Eva, der Nachname blieb.
Sogar das Programm ist (seit den 1880er Jahren) das gleiche. Welches Festival kann das schon von sich behaupten. Nur die Sache mit den Karten hat sich geändert. Auf die muß man bekanntlich lange warten.
Die Bayreuther Festspiele, die eigentlich "Richard-Wagner-Festspiele" heißen, sind eines der begehrtesten Klassik-Festivals der Welt. Das Festspielhaus ist für Wagner-Fans nichts anderes als Mekka, wenigstens einmal im Leben muß man dort gewesen sein. Zu anderen Festivals fährt man, nach Bayreuth pilgert man. Aber warum eigentlich? Wagner-Opern kann man ja auch woanders hören.
Es gibt ein paar sachliche Gründe. Die Akustik in Bayreuth gilt als einzigartig. Der Saal ist aus Holz, und unter dem Fußboden ist ein Hohlraum. Das ganze Haus schwingt wie der Resonanzkörper einer Geige.
Auch die Musiker sind außergewöhnlich. Das Orchester setzt sich aus allen Orchestern Deutschlands zusammen, ist also eine Art Nationalmannschaft. Es gilt als Auszeichnung, dorthin berufen zu werden, und die Musiker opfern für die Proben und Konzerte ihren Urlaub. Auf der Bühne stehen oft die besten Wagner-Sänger der Welt.
Wichtiger für die Fans sind aber die irrationalen, die emotionalen Gründe für den Weg zum Grünen Hügel. Es ist der Kult des Genies. Um keinen anderen Komponisten haben Zeitgenossen wie Nachgeborene so einen Zirkus gemacht wie um Wagner. Es ist kein Zufall, daß es für seine Verehrer eine eigene Bezeichnung gibt, "Wagnerianer". Von "Mozartanern", "Beethövlingen" oder "Bachanten" hat noch niemand etwas gehört.
Wagners Musik kann Menschen überwältigen. Sie ist mal wild, mal tragisch, manchmal kitschig, immer emotional. Es ist Filmmusik mit Anspruch. Dazu kommt die Person Wagner. Arrogant, opportunistisch und jähzornig, konnte er trotzdem Menschen in Bann schlagen, nach sich süchtig machen.
Wo aber kann man den Personenkult besser feiern, als an seiner alten Wirkungsstätte? In Bayreuth hat Wagner gewohnt (in der "Villa Wahnfried"), hier hat er seine Werke erklärt und dabei seine Wutanfälle bekommen, hier liegt er begraben. Bayreuth ist die Graceland-Ranch der Klassik. Das Beste dabei ist, daß die Festspiele kein späterer Einfall der städtischen Marketing-Abteilung waren. Sie gehen auf den Maestro persönlich zurück.
Wagner hielt sich für den Erlöser der Musik. Dazu schuf er das größte Opernwerk, das es je gab: Den "Ring des Nibelungen", einen Werkzyklus aus vier eigenständigen Opern. Von der ersten abgesehen, sind sie alle schon für sich genommen länger als die meisten anderen Stücke der Geschichte. Insgesamt dauert der "Ring" rund 16 Stunden.
Es wurde wirklich ein neuartiges Werk. Die Sänger haben keine Arien mehr mit Anfang und Ende, sondern die Musik fließt ohne Unterbrechungen vom Vorhangaufgang bis zum Untergang. Im "Ring" geht es um germanische Mythen, er erzählt vom Tod des Helden Siegfried, vom Machthunger des Gottes Wotan und von der magischen Kraft des Rheingoldes.
Die Sprache der Texte, die Wagner selbst geschrieben hat, sollte zum alten Mythos passen. Die Verse reimen sich nicht am Ende, sondern bestehen aus Wörtern mit demselben Anfangsbuchstaben (Alliteration). Wenn sich Siegmund in seine Zwillingsschwester Sieglinde verliebt, singt er: "Winterstürme wichen dem Wonnemond, in mildem Lichte leuchtet der Lenz." Schon Zeitgenossen haben sich über Wagners Kauderwelsch lustig gemacht.
Der Meister muß von dem Projekt besessen gewesen sein. Er arbeitete mit Unterbrechungen 26 Jahre lang daran. Für sein großes Werk war ihm keine Bühne der Welt gut genug. Er träumte von einem eigenen Opernhaus, das nur für seinen "Ring" erbaut werden sollte und neue Standards in Akustik und Bühnentechnik setzte.
Mit finanzieller Hilfe von Ludwig II., dem Märchenkönig von Bayern, konnte Wagner seinen Traum verwirklichen, 1872 war Grundsteinlegung in Bayreuth. Ludwig hätte den Standort München bevorzugt. Aber Wagner zog es aufs Land. Seine Zuschauer sollten sich ganz dem Zauber seiner neuartigen Musik hingeben und nicht durch die Versuchungen einer Großstadt abgelenkt sein.
Nach dem Tod Wagners führten seine Erben die Festspiele fort. Zum Programm zählen seitdem zehn Wagner-Opern, nur seine drei Frühwerke werden auf dem Grünen Hügel nicht gespielt. Die Leitung der Festspiele übernahm zunächst die Witwe Cosima Wagner, dann nacheinander Richards Sohn Siegfried und dessen Witwe Winifred, zuletzt die Enkel Wieland (gestorben 1966) und Wolfgang. Mit dieser neuen Saison steht mit Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier erstmals die Urenkel-Generation an der Spitze der Festspiele.
Was man will – nicht was man wünscht – empfängt man.
Cosima Wagner