Gestern war es schließlich soweit, und ich habe mir Tal der Wölfe angesehen.
Donnerstag abend hatte mich zunächst das Gerücht erreicht, der Film sei bereits abgesetzt worden, was sich jedoch in einem klärenden Anruf beim UFA-Palast nicht bestätigte; O-Ton des Kino-Mitarbeiters: »Wir werden den Film so lange zeigen, wie wir dürfen, erstmal bis nächste Woche Mittwoch. Der Film läuft in unserem größten Saal, und es kommen auch immer mehr Deutsche, die sich ein eigenes Bild machen wollen.«
Allerdings wurde die Altersfreigabe von 16 auf 18 Jahre hochgesetzt, und der Film heißt jetzt offiziell:
Kurtlar Vadisi - Irak (Original mit Untertiteln)
Heißt das »Tal der Wölfe« auf türkisch? Auf deutsch scheint der Film tatsächlich gar nicht (mehr?) zu laufen.
Zum Film selbst:
Nun, gerade in der Alt-BRD sind wir von Kindesbeinen an mit amerikanischen Produktionen geradezu indoktriniert worden:
Die guten Angloamerikaner kämpfen gegen die bösen Deutschen, die bösen Russen, die bösen Asiaten, die bösen Außerirdischen, die bösen sonstwer - und insbesondere seit den 1990er Jahren auch gegen die bösen Araber. Eingespielte Feindbilder werden auf perfide Weise auch in vermeintlich harmlosen Filmdetails immer wieder aufgefrischt und gepflegt.
Und jetzt kommt ein Spielfilm - da ist das auf einmal alles umgekehrt! Und damit wäre eigentlich schon alles gesagt...
Die Amerikaner sind die bösen - sie erniedrigen ihre Verbündeten, zerschießen eine turkmenische Hochzeitsgesellschaft, machen willkürlich Gefangene (»Terroristen«), die dann ebenfalls zerschossen werden, Erniedrigung & Folter, Mißachtung von Kultur & Religion und so weiter. Da gibt der Film wirklich alles - und die Reaktionen hierzulande waren ja auch entsprechend
Auch die Kurden kommen - wie zu erwarten - nicht besonders gut davon, da der Kurdenführer als williger Lakai des verhaßten amerikanischen Oberbefehlshabers dargestellt wird. (Der Ami auf einer Jubelveranstaltung zum Kurden: »Die Turkmenen sind erledigt, und jetzt sind die Araber dran...«) Immerhin zeigt der Kurdenführer schließlich Charakter und weigert sich, sich mit seinen Leuten an einem Angriff gegen den allseits geachteten Turkmenen-Scheich zu beteiligen. Gegen Ende entpuppt sich einer der drei türkischen Filmhelden selbst als (wenn auch türkisierter) Kurde.
Doch zeigt der Film nicht nur Kampf und Haß gegen die chr. Besatzer, sondern gibt ebenso einen interessanten Einblick in die türkische Kultur und den Stolz, mit dem die Menschen ihre Traditionen leben - etwas, das es hier fast nicht mehr gibt, weil es den Deutschen mit großem Erfolg über die Jahrzehnte aberzogen wurde.
Weitere »lustige« Details:
- Der böse Oberami heißt Sam - in Anspielung auf »Uncle Sam«, die Verkörperung der gesamten USA bzw. der US-Regierung.
- Ein skrupelloser Gefängnisarzt entfernt den Gefangenen Organe und packt diese in Kühlkisten - adressiert nach: Tel Aviv, London & New York (hierüber haben sich die bundesdeutschen Medien am lautesten echauffiert).
- Eine Folterszene mit einer amerikanischen Soldatin, welche die gefangenen Moslems (alles Terroristen!) erniedrigt, kam einem sehr bekannt vor...
- Ungewohnt für unsere Ohren war zudem, daß Amerikaner türkisch sprechen
Bemerkenswert jedenfalls, daß es ein türkischer Film ist. Offiziell sind die Türken immerhin säkularisiert und Freunde der Amerikaner, zudem Nato-Partner. Einen Film dieser Art hätte man eher aus der arabischen oder iranischen Ecke vermutet, das läßt also tief blicken (siehe auch den ersten Beitrag hierzu von Nuculeuz). Aber sonst hätten wir bestimmt in Deutschland nichts davon. Eine deutliche Mehrheit der Kinobesucher waren Türken, und von diesen kam auch hier und dort Szenen- und schließlich Schlußapplaus, was ich noch nie in einem Kino erlebt habe. Auch davon war bereits in »entsetzten« deutschen Kritiken zu lesen. Der »Kampf der Kulturen« wird also auch bei uns weiter angeheizt.
Fazit:
Ein hochinteressanter Film - in jeder Beziehung!