Die Geschichte des Glaukos
#2
Wie so oft der Fall, so auch hier: Die Glaukos-Sage ist nicht korrekt wiedergegeben. Die Details stimmen vorne und hinten nicht, und im Laufe der Jahre und durch Übersetzungsfehler (alleine die deutsche und englische Fassung stimmen nicht mehr überein) ist der Sinngehalt entstellt. Ich habe aber eine alte Version dieser Sage (von 1805) und stelle sie hier zur Verfügung. Danach ist es möglich, über eine Interpretation zu sprechen, aber nicht mit der entstellten Wikipedia-Version. Die Sage ist recht umfangreich, daher stelle ich nur den wichtigsten Teil zur Verfügung. Polyidios heißt die Sage und ist übrigens eine Tragödie (wie ungewöhnlich für eine Griechische Sage Lächeln )

Minos (Zweite Strofe):

Entzücken und Schaam
theilt mir im Innern das Herz.

Ich sehe von neuem belebt
die liebliche Blüthe des Kindes,

aber mich schrecket der Ernst
auf des Sehers ehrwürdigem Angesicht.

Polyidos:

Ernst ist, wer in der Zeiten ewges Antlitz schaut,
das, wie der ruhnden Todten stilles Angesicht,
nicht frohes Lächeln und nicht herber Schmerz umschwebt.

Minos:

So zürnst du nicht, und gibst mir den geliebten Sohn?

Polyidos:


Nicht ich, die Götter geben dir den Sohn zurück.
Im tiefen Grabe saß ich stumm auf einem Stein;

da wälzt' ein schwarzer schuppger Drache rasselnd sich
hin nach dem frischen Leichnam des geliebten Kinds. –
Fóbos Apollon sandt' ihn, wie ich sicher weiß! –

Zu schützen vor dem giftgen Biß den theuren Leib,
faßt ich die harten Scherben eines Aschenkrugs,
und sicher treffend tödtet' ich den giftgen Wurm,
daß zuckend er, in wilden Schmerz sich ringelnd, starb.

Ein zweiter Drache kroch nun langsam auch hervor,
umkreiste zorngeschwollen den Erschlagenen,
oft mit gespaltner Zunge prüfend, ob er todt.

Bald wälzt er sich in weiten Ringeln zischend fort,
und von dem Moose, das die lichtberaubte Gruft
aus Steinen, feucht, von der Verwesung Duft erzeugt,
brach er, und trug es sorgsam zu dem Todten hin.

Und plötzlich, wie des Drachen Haupt das Moos berührt,
zuckt neues Leben ihm durch den erstarrten Leib;
er sträubt die Schuppen, schüttelt rasselnd sich und wälzt
sich fort zu seiner finstern Höhle giftger Kluft.

Föbos Apollons und der ewgen Götter Gunst
erkannt' ich dankend, und des Mooses trug ich schnell
die weißen Blätter auf des theuren Sohnes Haupt,
beschwörend aller unterirdschen Götter Macht.

Da stieg des alten Minos göttliche Gestalt
herauf in erderschütterndem Gewittersturm,
und Glaukos Leib erhob sich in dem Sarkofag,
den Geist zurückempfangend aus des Ahnherrn Hand.

Auf seines Herrscherrufes schallenden Befehl
sprang rasselnd aus den Riegeln das eherne Thor,
und frey durch deiner Hüter graunerfüllte Schaar
führe ich den Sohn durch des Palastes Thor zu dir.

Du aber fürchte weiter nicht die Weissagung;
sie ist erfüllt, ich war in deiner Marmorgruft,
und Königsehre gab mir deines Sohnes Tod.


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Nachrichten in diesem Thema
Die Geschichte des Glaukos - von Erato - 07.10.12018, 14:28
RE: Die Geschichte des Glaukos - von Hernes_Son - 09.10.12018, 23:29
RE: Die Geschichte des Glaukos - von Paganlord - 10.10.12018, 09:50
RE: Die Geschichte des Glaukos - von Hælvard - 10.10.12018, 18:40
RE: Die Geschichte des Glaukos - von Hernes_Son - 10.10.12018, 20:32
RE: Die Geschichte des Glaukos - von Hernes_Son - 10.10.12018, 23:43

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