15.12.12008, 20:42
Zitat:http://www.mdr.de/mdr-info/3533247.html
02. Oktober 1911: Schulstunde 45 Minuten lang
Sendung am 02. Oktober 2006
von Markus Escher
Heute vor 95 Jahren, am 02. Oktober 1911 wurde in Preußen die 45-Minuten-Schulstunde eingeführt. Sie war das Ergebnis einer schon lange währenden Diskussion und diverser Entwicklungen.
Ansichten wie die des Professor Crey, genannt Schnauz, aus der Feuerzangenbowle galten als überholt und unzureichend: "Mit der Schule ist es wie mit dör Medizin: Sie muss bätter schmecken, sonst nutzt sie nichts."
Doch dieser Nutzen wurde immer mehr angezweifelt. Unterrichtete man doch noch vor 100 Jahren 60 Minuten - und zwar vormittags und nachmittags. Die Konsequenzen für die Schüler waren kaum zu übersehen. Schon im Lexikon der Erziehungs- und Unterrichtslehre von 1842 hieß es: "Junge Pferde spannt auch kein guter Wirth zu anhaltend an; und wahrlich, dass wir in manchen Zweigen unsers Lebens so schlecht fahren, rührt wirklich daher, dass wir ganz abgetriebene Pferde besitzen."
Als Folge dieser Erkenntnis wurden schon ab 1890 an den höheren Schulen Preußens wissenschaftliche Fächer nur noch vormittags unterrichtet. Der Nachmittag galt als minderwertig. In einem Artikel der "Allgemeinen Deutschen Lehrerzeitung" aus jener Zeit heißt es dazu: "Welch bleierne Schwere ruht über der Klasse! Unaufmerksamkeit, Zerstreutheit und geringe Aufnahmefähigkeit der Kinder sind wohl allgemein die Begleiterscheinungen des Nachmittagsunterrichts, die ihre Erklärung hauptsächlich in den physiologischen Veränderungen - die durch die Verdauung des Mittagsmahles bewirkt werden - finden."
Weil man das ändern, gleichzeitig aber den Unterrichtsstoff nicht reduzieren wollte, wurde dann 1911 in Preußen die Schulstunde von 60 auf 45 Minuten verkürzt. Zuerst an den höheren Schulen, ab 1920 dann auch in allen anderen im preußischen Einzugsbereich. Damit ließ sich der gesamte Unterricht in den Vormittagsstunden unterbringen.
Das Ganze wurde damals als Kurzstunde bezeichnet und brachte die alt gewohnten Ansichten durcheinander. So heißt es im Lexikon der Pädagogik von 1912: "Diese Kurzstunde ist kein Ideal." Ergab sich doch daraus faktisch eine Art Halbtagsschule. "Und so ist die Halbtagsschule als das anerkannt, was sie wirklich ist, nämlich ein übler Notbehelf."
Zudem ergab sich daraus ein praktisches Problem, weil die Kinder den Vätern das Mittagessen nicht mehr zur Arbeit bringen konnten. Die Lehrer wiederum argwöhnten, dass die 45-minütige Kurzstunde die Schüler zu militärischer Pünktlichkeit, wenn nicht gar zu übereilter Hast antreiben würde.
Und hatte nicht schon Professor Crey aus der Feuerzangenbowle augenzwinkernd in seinem angeblich berühmten Buch "Die Gerechtigkeit des Lehrers unter besonderer Berücksichtigung der höheren Lehranstalten" ausgeführt: "...dass das wissenschaftliche Streben, um den vorgeschriebenen Lehrstoff getragen werden muss, einerseits: Vom Verständnis und dör Vörsorge des Lehrers gegenüber dem ihm anvertrauten Schöler und andererseits von der Ehrfurcht und unbedingten Hochachtung des Schölers vor seinem Lehrer."
Wie dem auch sei: Die 45-Minuten-Einheit hat sich am Ende durchgesetzt und gilt grundsätzlich bis heute. Wobei mittlerweile immer mehr Schulen zum 60-Minuten-Modell zurückkehren. Dies entspreche eher dem Tagesrhythmus. Die Schüler müssten zudem Fachräume weniger wechseln und könnten konzentrierter arbeiten. Am Ende solle dadurch mehr Ruhe in den Tagesablauf kommen.
Hundert Jahre hats gehalten, nun verfällts das alte Werk.
Die Ausrede, daß dadurch weniger Streß für die Schüler entsteht, wird schon dadurch widerlegt, daß sie aus 13 Schuljahren 12 machen.
Wie lang noch hält das eh kaputte Schulsystem? Wann gibt es nur noch einen Einheitsbrei?
Grüße vom Benu