07.07.12008, 09:49
Wie Preußen zu seinem Namen kam
Die Könige Widewuto und Bruteno
Es waren in alten Heidenzeiten zwei Brüder im Lande Preußen, bevor es noch diesen Namen führte, die herrschten über den kimbrischen Volksstamm und waren auf Flößen an das Ostseegestade gefahren gekommen. Sie hatten das Land eingenommen und sich mit ihrem Volke Wohnsitze gebaut. König Widewuto erfand den berauschenden Trank des Met zu bereiten, und Bruteno diente den Göttern als oberster Priester, und beide wurden hochbetaget.
Da Bruteno einhundertundzweiunddreißig Jahre alt geworden, Widewuto aber einhundertundsechzehn Jahre, so versammelten sie all ihr Volk zu einem großen Opferfesttag und verteilten das Land. Widewutos ältester Sohn hieß Lithuo, der empfing, indem er den Göttern Gehorsam gelobte und Andacht und indem er mit der einen Hand seines Vaters Haupt berührte und mit der andern die heilige Eiche, das Land vom Briko und Nyemo (Bug und Niemen), den beiden Flüssen, bis an den Wald Thamsoan, und dieses Land wurde dann nach ihm Litauen geheißen. Hierauf gelobte Widewutos zweiter Sohn, des Namens Samo, und empfing auf gleiche Weise das Land von Krono und Hailibo bis an das Wasser Skara, und das wurde hernachmals Samland genannt. Samo hatte ein Weib, die hieß Pregolla, die ist später in dem Flusse Skara ertrunken, und darauf hat dieser Fluß den Namen Pregel empfangen. Widewutos übrige Söhne, deren noch zehne waren, empfingen allzumal auch weites Land darunter auch Gotland, darinnen ein jeder Raum hatte zu herrschen.
Bruteno, der den Göttern als erster Priester diente, hatte keine Söhne, aber nach seinem Namen wurde Land und Volk genannt: Brutenien und Brutenen. Aber die Masovier, der Brutenen Feinde, nannten sie Bruti – und darüber entspann sich ein Krieg, denn die Brutenen wollten sich nicht Bruti (das heißt: wilde Bestien) schimpfen lassen. Darauf nahmen die Masovier Vernunft an und nannten die Brutener auch prudentes und praescii. Das bedeutet: die Gescheiten. Daraus ist dann schließlich der Name Pruski und Preußen geworden. Und diesen Namen haben sie sich eher und besser gefallen lassen und ihn vor andern liebgewonnen und bis heute beibehalten.
Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853
Die Könige Widewuto und Bruteno
Es waren in alten Heidenzeiten zwei Brüder im Lande Preußen, bevor es noch diesen Namen führte, die herrschten über den kimbrischen Volksstamm und waren auf Flößen an das Ostseegestade gefahren gekommen. Sie hatten das Land eingenommen und sich mit ihrem Volke Wohnsitze gebaut. König Widewuto erfand den berauschenden Trank des Met zu bereiten, und Bruteno diente den Göttern als oberster Priester, und beide wurden hochbetaget.
Da Bruteno einhundertundzweiunddreißig Jahre alt geworden, Widewuto aber einhundertundsechzehn Jahre, so versammelten sie all ihr Volk zu einem großen Opferfesttag und verteilten das Land. Widewutos ältester Sohn hieß Lithuo, der empfing, indem er den Göttern Gehorsam gelobte und Andacht und indem er mit der einen Hand seines Vaters Haupt berührte und mit der andern die heilige Eiche, das Land vom Briko und Nyemo (Bug und Niemen), den beiden Flüssen, bis an den Wald Thamsoan, und dieses Land wurde dann nach ihm Litauen geheißen. Hierauf gelobte Widewutos zweiter Sohn, des Namens Samo, und empfing auf gleiche Weise das Land von Krono und Hailibo bis an das Wasser Skara, und das wurde hernachmals Samland genannt. Samo hatte ein Weib, die hieß Pregolla, die ist später in dem Flusse Skara ertrunken, und darauf hat dieser Fluß den Namen Pregel empfangen. Widewutos übrige Söhne, deren noch zehne waren, empfingen allzumal auch weites Land darunter auch Gotland, darinnen ein jeder Raum hatte zu herrschen.
Bruteno, der den Göttern als erster Priester diente, hatte keine Söhne, aber nach seinem Namen wurde Land und Volk genannt: Brutenien und Brutenen. Aber die Masovier, der Brutenen Feinde, nannten sie Bruti – und darüber entspann sich ein Krieg, denn die Brutenen wollten sich nicht Bruti (das heißt: wilde Bestien) schimpfen lassen. Darauf nahmen die Masovier Vernunft an und nannten die Brutener auch prudentes und praescii. Das bedeutet: die Gescheiten. Daraus ist dann schließlich der Name Pruski und Preußen geworden. Und diesen Namen haben sie sich eher und besser gefallen lassen und ihn vor andern liebgewonnen und bis heute beibehalten.
Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853
Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!