24.07.12008, 14:22
Die entscheidenden Denkanstöße für Alexanders Lebensphilosophie bekam er gleich zu Beginn seines Indienfeldzuges. Nachdem er mit einigen Weisen gesprochen hatte, die ihm Emotions- und Gedankenlosigkeit nahebrachten, vervollständigte er sein Wissen und beendete sein philosophisches Suchen.
Folgendes hat sich dort zugetragen:
Wie zu erwarten, kam bald auch Alexander dorthin, von ein paar Freunden und einem Sohn des verbündeten indischen Königs Omphis begleitet. Weder die weisen Lehrer noch die Schüler erhoben sich, ja sie achteten nicht einmal auf die Besucher. Der Prinz Omphis schien nicht ärgerlich zu sein, sondern dieses Benehmen sogar erwartet zu haben. Er rief seinen Dolmetscher, der die Männer ansprach und Alexander ankündigte. Daraufhin erhob sich der Anführer, und alle anderen folgten seinem Beispiel. Außer dem Mann, der regungslos und mit gekreuzten Beinen dasaß und auf seinen Bauch starrte. Zwei- oder dreimal stampften sie mit den Füßen auf den Boden und standen dann still da.
Alexander sagte: "Frag sie, warum sie das gemacht haben."
Beim Klang seiner Stimme blickte der Mann mit den gekreuzten Beinen zum erstenmal auf und heftete seinen Blick auf ihn.
Der Anführer sprach zu dem Dolmetscher, der auf griechisch sagte: "Er fragt, mein Herr und König, warum ihr von so weit und unter so großen Mühen gekommen seid, da Euch doch, wo immer ihr auch hingeht, nichts gehört auf der Erde, als der Boden unter Euren Füßen."
Alexander blickte ihn eine zeitlang ernst an, dann sagte er: "Sag ihm, daß ich die Erde nicht nur bereise, um sie zu besitzen. Ich möchte wissen, was sie ist, und auch, was die Menschen sind."
Schweigend beugte sich der Philosoph nieder und hielt ein Staubkorn in die Höhe.
"Aber" sagte Alexander, "auch die Erde kann verändert werden, und ebenso der Mensch."
"Die Menschen hast du wahrhaftig verändert. Durch dich haben sie Furcht und Zorn kennengelernt, Stolz und Verlangen, Ketten, die ihr Dasein binden werden – durch viele Leben hindurch. Und du, der du dich für frei hältst, weil du die Furcht und die Lüste des Körpers gemeistert hast: Die Begierden des Geistes verzehren dich."
Alexander dachte eine Weile nach. "Mag sein. So wird das Wachs des Bildhauers im Ton verzehrt und verschwindet für immer. Doch in der Höhlung, welche die Matrix des Gusses ist, wird Bronze gegossen."
Nachdem dies übersetzt worden war, schüttelte der Philosoph den Kopf. Alexander fuhr fort: "Sag ihm, ich möchte noch weiter mit ihm sprechen. Wenn er mit mir kommen will, werde ich mich darum kümmern, daß er ehrenvoll behandelt wird."
Der alte Mann hob den Kopf. Mochte er sich auch von allem möglichen frei dünken: Alexander bezweifelte in dem Moment, daß er frei von Stolz über sein Angebot war.
"Nein, König. Das würde ich auch nicht dem geringsten meiner Kinder hier gestatten. Was kannst du mir geben, oder was kannst du mir wegnehmen? Alles, was ich habe, ist dieser nackte Leib, und sogar den brauche ich nicht. Wenn du ihn mir nimmst, würdest du mich von meiner letzten Last befreien. Warum sollte ich also mit dir gehen?"
"Ja, warum?", fragte Alexander. "Wir werden dich nicht weiter belästigen."
Die ganze Zeit über hatte der Mann mit den gekreuzten Beinen still dagesessen und hatte Alexander angestarrt. Jetzt stand er auf und sprach. Alexander konnte sehen, daß seine Worte die anderen in Unruhe versetzten; zum ersten Mal sah der Anführer unausgeglichen aus. Der Dolmetscher deutete ihnen, ruhig zu sein.
Er sagt folgendes, mein Herr und König: "Sogar die Götter werden ihrer Gottheit überdrüssig und suchen schließlich Erlösung. Ich werde mit dir gehen, bis du frei bist."
Alexander lächelte ihn an und sagte, er sei willkommen. Der Mann stand auf und folgte dem König von nun an, bis an sein Lebensende. Das erste, das Alexander ihn fragte, war: "Warum waren deine Freunde so zornig mit dir?"
Er sagte: "Sie sind nicht deshalb unruhig geworden, weil sie denken, daß ich aus Gier nach Besitz mit dir gegangen bin, sondern weil mich die Liebe zu einem sterblichen Geschöpf dazu veranlaßt hat. Sie sind der Ansicht, daß diese Zuneigung zwar eine übermenschliche Dimension besitzt, daß mich diese Verbindung aber fesseln und meine Wiedergeburt nach dem Tod bewirken würde, worin wir eine Strafe sehen. Ich habe mein Leben nun an dich gebunden, Alexander, deine Befreiung von allen irdischen Dingen wird auch die meine sein. Wisse, daß jeder irdische Besitz dich an das Irdische bindet. Auch jede unserer Gefühlsregungen und Emotionen begründet sich nur auf unseren Besitzanspruch und auf unseren Vormundschaftsanspruch auf andere Menschen oder auf schöne Dinge, die wir zu besitzen trachten. Das alles bindet uns hier in der Welt der Sterblichen. Löse dich von solchen Begierden, und du erlöst dich damit selbst. Ich werde dich solange begleiten, auch wenn es noch einige Leben dauert, bis du diese Erkenntnis in deinem Inneren akzeptierst und somit frei von allen Fesseln geworden bist.
Alexander dankte dem Weisen und sagte, er wolle ihn in jedem Leben wiedertreffen. Er habe nun seinen Weg gefunden und die geistigen Begierden würden ihn nicht mehr länger verzehren. Er wolle seine eigenen Taten so sehen, als sei er ein Adler des Zeus, der über sich selbst kreist und sich stets bei seinem Tun selbst beobachtet.
Folgendes hat sich dort zugetragen:
Wie zu erwarten, kam bald auch Alexander dorthin, von ein paar Freunden und einem Sohn des verbündeten indischen Königs Omphis begleitet. Weder die weisen Lehrer noch die Schüler erhoben sich, ja sie achteten nicht einmal auf die Besucher. Der Prinz Omphis schien nicht ärgerlich zu sein, sondern dieses Benehmen sogar erwartet zu haben. Er rief seinen Dolmetscher, der die Männer ansprach und Alexander ankündigte. Daraufhin erhob sich der Anführer, und alle anderen folgten seinem Beispiel. Außer dem Mann, der regungslos und mit gekreuzten Beinen dasaß und auf seinen Bauch starrte. Zwei- oder dreimal stampften sie mit den Füßen auf den Boden und standen dann still da.
Alexander sagte: "Frag sie, warum sie das gemacht haben."
Beim Klang seiner Stimme blickte der Mann mit den gekreuzten Beinen zum erstenmal auf und heftete seinen Blick auf ihn.
Der Anführer sprach zu dem Dolmetscher, der auf griechisch sagte: "Er fragt, mein Herr und König, warum ihr von so weit und unter so großen Mühen gekommen seid, da Euch doch, wo immer ihr auch hingeht, nichts gehört auf der Erde, als der Boden unter Euren Füßen."
Alexander blickte ihn eine zeitlang ernst an, dann sagte er: "Sag ihm, daß ich die Erde nicht nur bereise, um sie zu besitzen. Ich möchte wissen, was sie ist, und auch, was die Menschen sind."
Schweigend beugte sich der Philosoph nieder und hielt ein Staubkorn in die Höhe.
"Aber" sagte Alexander, "auch die Erde kann verändert werden, und ebenso der Mensch."
"Die Menschen hast du wahrhaftig verändert. Durch dich haben sie Furcht und Zorn kennengelernt, Stolz und Verlangen, Ketten, die ihr Dasein binden werden – durch viele Leben hindurch. Und du, der du dich für frei hältst, weil du die Furcht und die Lüste des Körpers gemeistert hast: Die Begierden des Geistes verzehren dich."
Alexander dachte eine Weile nach. "Mag sein. So wird das Wachs des Bildhauers im Ton verzehrt und verschwindet für immer. Doch in der Höhlung, welche die Matrix des Gusses ist, wird Bronze gegossen."
Nachdem dies übersetzt worden war, schüttelte der Philosoph den Kopf. Alexander fuhr fort: "Sag ihm, ich möchte noch weiter mit ihm sprechen. Wenn er mit mir kommen will, werde ich mich darum kümmern, daß er ehrenvoll behandelt wird."
Der alte Mann hob den Kopf. Mochte er sich auch von allem möglichen frei dünken: Alexander bezweifelte in dem Moment, daß er frei von Stolz über sein Angebot war.
"Nein, König. Das würde ich auch nicht dem geringsten meiner Kinder hier gestatten. Was kannst du mir geben, oder was kannst du mir wegnehmen? Alles, was ich habe, ist dieser nackte Leib, und sogar den brauche ich nicht. Wenn du ihn mir nimmst, würdest du mich von meiner letzten Last befreien. Warum sollte ich also mit dir gehen?"
"Ja, warum?", fragte Alexander. "Wir werden dich nicht weiter belästigen."
Die ganze Zeit über hatte der Mann mit den gekreuzten Beinen still dagesessen und hatte Alexander angestarrt. Jetzt stand er auf und sprach. Alexander konnte sehen, daß seine Worte die anderen in Unruhe versetzten; zum ersten Mal sah der Anführer unausgeglichen aus. Der Dolmetscher deutete ihnen, ruhig zu sein.
Er sagt folgendes, mein Herr und König: "Sogar die Götter werden ihrer Gottheit überdrüssig und suchen schließlich Erlösung. Ich werde mit dir gehen, bis du frei bist."
Alexander lächelte ihn an und sagte, er sei willkommen. Der Mann stand auf und folgte dem König von nun an, bis an sein Lebensende. Das erste, das Alexander ihn fragte, war: "Warum waren deine Freunde so zornig mit dir?"
Er sagte: "Sie sind nicht deshalb unruhig geworden, weil sie denken, daß ich aus Gier nach Besitz mit dir gegangen bin, sondern weil mich die Liebe zu einem sterblichen Geschöpf dazu veranlaßt hat. Sie sind der Ansicht, daß diese Zuneigung zwar eine übermenschliche Dimension besitzt, daß mich diese Verbindung aber fesseln und meine Wiedergeburt nach dem Tod bewirken würde, worin wir eine Strafe sehen. Ich habe mein Leben nun an dich gebunden, Alexander, deine Befreiung von allen irdischen Dingen wird auch die meine sein. Wisse, daß jeder irdische Besitz dich an das Irdische bindet. Auch jede unserer Gefühlsregungen und Emotionen begründet sich nur auf unseren Besitzanspruch und auf unseren Vormundschaftsanspruch auf andere Menschen oder auf schöne Dinge, die wir zu besitzen trachten. Das alles bindet uns hier in der Welt der Sterblichen. Löse dich von solchen Begierden, und du erlöst dich damit selbst. Ich werde dich solange begleiten, auch wenn es noch einige Leben dauert, bis du diese Erkenntnis in deinem Inneren akzeptierst und somit frei von allen Fesseln geworden bist.
Alexander dankte dem Weisen und sagte, er wolle ihn in jedem Leben wiedertreffen. Er habe nun seinen Weg gefunden und die geistigen Begierden würden ihn nicht mehr länger verzehren. Er wolle seine eigenen Taten so sehen, als sei er ein Adler des Zeus, der über sich selbst kreist und sich stets bei seinem Tun selbst beobachtet.
Sei!