Innere Überzeugung und äußeres Schauspiel
#1
Selbst ein Kronprinz und König kann (umgeben von einem fanatischen chr**stlichen Umfeld) seine inneren Überzeugungen nicht im Außen leben. Ludwig II. faßte diesen Widerspruch (aus innerem Sehnen und äußerer politischer Realität bis hin zu den Morddrohungen gegen ihn) in einem Gedicht zusammen. An diesen Zeilen saß Kronprinz Ludwig 6 Wochen! Und in diesem Gedicht spiegelt sich die gesamte Lebensphilosophie von Ludwig wider. Eine Woche nach Vollendung dieses Gedichts war Ludwig II. König von Bayern!

   
Kronprinz Ludwig

Auf Hohenschwangaus hehren Zinnen
Stand ich, und schaute in das Land,
O könntest Du es Dir gewinnen,
(Dacht ich) mit starker Ritterhand,

Wollt ichs behaupten und es schützen.
Es winkt mir die Gelegenheit,
Den Augenblick ich will ihn nützen,
Jetzt nahet die willkommne Zeit.

Zur Reise alle sich bereiten,
Zu kehren in die Stadt zurück,
Dort harren meiner nichts als Leiden,
(Dacht ich), mir winkt ein andres Glück.

Das Chr*stentum muss ich verachten,
Ich wähle mir das Heidenthum,
Nach ihm nur sollen alle trachten,
Dort nur lebt Ehre noch und Ruhm.

»Dem Kreuze wend' ich keck den Rücken«,
»Die Heidengötter ruf ich an«,
»Sie können einzig mich beglücken«,
»Es fasste mich ein sel'ger Wahn«,

Die Kön'gin drob begann zu trauern,
Verloren glaubt sie all mein Heil;
Mein Herz weiß nichts von Schmerzensschauern,
Doch ihres traf ein scharfer Pfeil.

Das Schloss verlassen wir zu Wagen,
Und fahren nun den Berg hinab,
Ich spring' vom Bocke ohne Zagen,
Ein G*tt mir den Gedanken gab.

Die Andern merkten nicht mein Fliehen,
Schnell, schnell enteilt' ich in den Wald,
Um in ein fernes Land zu ziehen,
Am Fürstenwege stand ich bald. –

Mein Oheim kam des Wegs gezogen,
Ich lege schnell zur Seite mich,
Mir stürmt es in der Brust wie Wogen,
Ihr Götter, wie erbebte ich! –

Doch seine Augen mich gewahren,
Und ich erzähl' mein Wagnis nun,
Ich bat ihn, nichts zu offenbaren,
Und er versprach, es nie zu thun.

Ich zieh so froh nun meine Wege,
Wie heiter wogte mir die Brust,
Ich dachte, nichts käm' ins Gehege,
Und ahnte nichts als kün ft'ge Lust.

Mein Großvater er kam geschritten,
An einem Teiche traf ich ihn,
Und ich bestürmte ihn mit Bitten,
Doch ließ er mich nicht fürder ziehn;

Da ich ihn bat, nichts, nichts zu sagen,
Von Allem, was ich ihm vertraut,
Nicht billigt' er mein kühnes Wagen,
Sein drohend Wort, es tönte laut.

Er wollte nun mein Leben enden,
Er nahm ein mörderisch Gewehr,
Die Götter wollten's anders wenden,
Und nicht erreicht er sein Begehr.

In einen Graben musst' er fallen,
Erfreut im Herzen zog ich fort,
Ins ferne Land ja wollt' ich wallen,
In kurzer Zeit nun war ich dort.

Ich wählt' mir bald die treusten Helden,
Ich war ihr Herr und treuer Freund,
Im Geiste wähnt' ich mein die Welten,
Wenn ich mit ihnen nun vereint.

Nicht wollt' die Götter ich verehren,
Zum Kreuze kehrte ich zurück;
Wie liebt' ich meine Tapfren, Hehren,
Es strahlte Wonne nur mein Blick.

Ich war ja frei von allen Banden,
Weit, weit nun von der bösen Stadt. –
Weit nun von den Philister-Landen,
Denn ihrer war ich völlig satt.

In einem Land von Freien, Gleichen,
Und ich erschuf mir diese Welt,
Ein König herrscht' ich in den Reichen
Und unter Helden größter Held.

Zum Schlosse sandt' ich einen Boten,
Ich sandte als Spion ihn aus;
Verlassen nicht, ein Haus von Toten,
Nicht sollte sein das Ritterhaus.

Und ich erging mich in dem Lande,
Des Abends bei des Mondes Schein,
Nach einem Berg mein Schritt sich wandte,
Ein Zauberton zog mich hinein. –

Drin hört ich wunderbares Tönen,
Im Venusberge sah ich mich,
Ich sah die Herrlichste der Schönen,
Sie liebte bald mich inniglich. –

Und mich befiel ein sel'ger Schlummer
In einem magisch blauen See,
Dort war nur Lust, u. niemals Kummer
Und ich empfand ein wonnig Weh –

Nicht blieb ich in der Göttin Armen
Mich triebs zur Oberwelt zurück,
Nicht wollt' ich hier in Lieb erwärmen
Sie weissagt mir von hohem Glück.

Sie gab mir eines Ritters Kleider,
Und dankbar, freudig zog ich fort,
Es war mein Herz so froh, so heiter,
Es tönt' im Ohr der Göttin Wort.

Ich hörte schmetternde Trompeten,
Sah meine Freund' als Ritterschar,
Welch Wunder plötzlich wir erspähten,
Ein schwarzes Ross stellt' sich mir dar. –

Ich säumte nicht mich drauf zu schwingen,
Mir schien, für mich sei es gesandt,
Dass Ruhm darauf ich sollt' erringen,
Zum Schloss nun ward der Zug gewandt,

Wir reiten nun im milden Mondesscheine
Als hehre Ritter ziehen wir dahin.
Wir reiten durch die traulich grünen Haine,
Auch lustge Elfen sahen bald wir ziehn.

Wir nahten nun in kurzer Zeit dem Schlosse
Und ziehen in den Burghof freudig ein,
Da ward's so wohl, (mir schien es,) meinem Rosse
Sollt wohl denn ich, sein Herr, ein Andrer sein? –

Wir Mannen eilten in die hehren Säle,
So frei und froh ward's jedem um die Brust,
»Ja dieses Schloss für uns'ren Sitz ich wähle«
Sprach ich, »hier herrsche Ritters Lust«.

Wir setzten freudig uns zum reichen Mahle
Erneuern ganz die früh're Reckenzeit,
Wir trinken aus dem kreisenden Pokale,
Zur sel'gen Gegenwart ward die Vergangenheit.

Mit dieser Schar will neue Sitten ich verkünden,
Beglückt durch uns werd' dieses schöne Land,
Wohl sollen treue Freunde wir nun finden;
Es war ja deutsche Treue stets bekannt.

Der süßen Ruhe drauf wir Alle pflegten,
Es war schon spät geworden in der Nacht,
Ich ging mich in des Königs Ruhebett zu legen,
In diesem Zimmer strahlt' der Bilder Pracht. –

Als nun des Thürmers Ruf den neuen Tag verkündet,
Ein Jeglicher gekräftiget erwacht,
Die Sonne steigt mit Wonne heut verbündet,
Ein eig'ner Ton ergriff mein Ohr mit Macht,

Und ich vernahm so hehre, wundersame Weisen,
Und immer mächt'ger schwoll der Stimmen Klang,
Ich hörte eines Ritters Nahen freudig preisen,
Ihn zieht im See ein Schwan: tönt der Gesang. –

Nach kurzer Zeit schon ist er in dem Schlosse,
Von Himmels Höhen scheint er uns gesandt,
Empfangen von der Mannen mächt'gem Trosse
Hat er den Schritt in uns'ren Saal gewandt.

Und da erkannten wir beim ersten Blicke,
Dass Er der wahre Herrscher sollte sein,
O freudigstes, o schönstes der Geschicke,
In Dir, Ersehnter, Alle wir uns weihn! –

Er sprach: »Vom Himmel selbst bin ich zu Euch gesendet,
»Zu Eurem Herrscher hat mich G*tt ernannt,«
»Durch mich wird alles Böse weggewendet,«
»Jedoch mein Name werd' Euch nie bekannt.«

»Ihr sollet darum niemals mich befragen«
»Sonst muss trotz Flehens ich von hinnen ziehn,«
»Und Euer Glück muss ich von dannen tragen,«
»Mit mir geht jeder Trost für Euch dahin.«

Wir drauf. »Nie soll der Morgen Tagen,«
»An dem die Frage will dem Mund entfliehn,«
»Wir lieben dich und werden uns dir neigen«
»Den Namen deck' ein ewiges Verschweigen!«
Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!
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