Proserpina
#1
Beschäftigt man sich mit den Mythen, finden sie irgendwann auch den Weg in unser Leben und sind dann, so würde ich meinen, Bestandteil dessen. Man könnte auch sagen, es öffnen sich Türen zu einer kulturellen Welt voller verschlüsseltem Wissen!

Vor zwei Monaten bekam ich drei Eintrittskarten zu einem Theaterstück mit mythologischem Inhalt für einen dreistelligen Kaufwert sehr günstig angeboten. Da überlegte ich nicht lange und griff zu!

Das Stück wurde im Stadttheater Brandenburg aufgeführt, und es ging um die Geschichte der Proserpina. Zugrundegelegt wurde hier der Text von Goethe. Nun mag man aus bekannten Gründen von ihm halten, was man möchte und ihn unter Vorbehalt betrachten. Daß heute dennoch die mythologischen Geschichten, ob nun in einer Oper, auf einer Eheleite oder in einem Theaterstück, aufgeführt werden, oder als Gemälde verewigt, ist ein Gewinn und dient dem Erhalt der alten mythologischen Geschichten und des Wissens!

Der hinterfragende Mensch kommt nicht umhin, sich mit der Geschichte des Stückes oder auch nur des Gesagten zu beschäftigen. Und so werden die Mythen wieder zu neuem Leben erweckt und halten Einzug in die Gedankenwelt der Menschen.


Proserpina ist die römische Göttin der Toten- und Unterwelt und als Fruchtbarkeitsgöttin bekannt

   
Raub der Proserpina, ein Gemälde von Peter Paul Rubens

Sie ist die Tochter der Ceres und des Jupiter.
Ihr griechisches Äquivalent findet sich in der Mythe um Persephone, Tochter der Demeter und Frau des Hades. Persephone wandelt zwischen den Welten. Ein halbes Jahr ist sie in der Unterwelt bei Hades, das andere halbe Jahr verweilt sie bei ihrer Mutter Demeter außerhalb der Unterwelt. Hier geht es also um den Zyklus von Sommer und Winter.

Bei Proserpina erkennt man sofort, daß es sich um dieselbe Geschichte handelt, wenn sie vom Herrscher der Unterwelt, Pluto, entführt wird. Der Sommer schwindet, alles Leben zieht sich in die Erde zurück!

Der lateinische Name Proserpina bedeutet „erste Schlange”!

   
Proserpina, Ölgemälde von Dante Gabriel Rossetti (1874)

Proserpina soll, anders als ihre griechische Vertreterin Persephone, den römischen Unterweltsgott Pluto oft milde gestimmt haben. So konnte sie ihm verschiedene, den Menschen nützliche Dinge (wie die Minze) abringen.
Nach anderen Erzählungen hatte Pluto eine Zusammenkunft mit Menthe (Minthe). Diese wurde aus Eifersucht – für meinen Geschmack in den griechischen Mythen ein sehr häufig vorkommender Beweggrund für irgendwelche Handlungen – von Proserpina in die entsprechende Pflanze verwandelt und mit Füßen getreten. Den Menschen aber bot sich damit eine auf verschiedenste Weise anwendbare Heilpflanze dar.

Proserpina ist für ihre Zauberkünste bekannt und soll im Mittelalter als Königin der Hexen bekannt gewesen sein.

   
Proserpinas Entführung durch Pluto.
Diese Statue steht im Entführungsrondell in Sanssouci.
Kein besserer Freund – kein schlimmerer Feind!
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#2
Der Text von Goethe, der bei unserem Theaterbesuch rezitiert wurde.
Sofern jemand die Muße und das Interesse hat ...


   
Hans von Aachen (1552-1615) – Raub der Proserpina


Proserpina
Johann Wolfgang Goethe

Proserpina.
Halte! halt einmal, Unselige! Vergebens
Irrst du in diesen rauhen Wüsten hin und her!
Endlos liegen vor dir die Trauergefilde,
Und was du suchst, liegt immer hinter dir.

Nicht vorwärts,
Aufwärts auch soll dieser Blick nicht steigen!
Die schwarze Höhle des Tartarus
Verwölbt die lieben Gegenden des Himmels,
In die ich sonst
Nach meines Ahnherrn froher Wohnung
Mit Liebesblick hinaufsah!
Ach! Tochter du des Jupiters,
Wie tief bist du verloren! –

Gespielinnen!
Als jene blumenreiche Täler
Für uns gesamt noch blühten,
Als an dem himmelklaren Strom des Alpheus
Wir plätschernd noch im Abendstrahle scherzten,
Einander Kränze wanden
Und heimlich an den Jüngling dachten,
Dessen Haupt unser Herz sie widmete,
Da war uns keine Nacht zu tief zum Schwätzen,
Keine Zeit zu lang,
Um freundliche Geschichten zu wiederholen,
Und die Sonne
Riß leichter nicht aus ihrem Silberbette
Sich auf, als wir, voll Lust zu leben,
Früh im Tau die Rosenfüße badeten. –

O Mädchen! Mädchen!
Die ihr, einsam nun,
Zerstreut an jenen Quellen schleicht,
Die Blumen auflest,
Die ich, ach, Entführte!
Aus meinem Schoße fallen ließ,
Ihr steht und seht mir nach, wohin ich verschwand!

Weggerissen haben sie mich,
Die raschen Pferde des Orkus;
Mit festen Armen
Hielt mich der unerbittliche G*tt!
Amor! ach Amor floh lachend auf zum Olymp –
Hast du nicht, Mutwilliger,
Genug an Himmel und Erde?
Mußt du die Flammen der Hölle
Durch deine Flammen vermehren? –

Heruntergerissen
In diese endlosen Tiefen!
Königin hier!
Königin?
Vor der nur Schatten sich neigen!

Hoffnungslos ist ihr Schmerz!
Hoffnungslos der Abgeschiedenen Glück,
Und ich wend es nicht.
Den ernsten Gerichten
Hat das Schicksal sie übergeben;
Und unter ihnen wandl' ich umher,
Göttin! Königin!
Selbst Sklavin des Schicksals!

Ach, das fliehende Wasser
Möcht ich dem Tantalus schöpfen,
Mit lieblichen Früchten ihn sättigen!
Armer Alter!
Für gereiztes Verlangen gestraft! –
In Ixions Rad möcht ich greifen,
Einhalten seinen Schmerz!
Aber was vermögen wir Götter
Über die ewigen Qualen!
Trostlos für mich und für sie,
Wohn ich unter ihnen und schaue
Der armen Danaiden Geschäftigkeit!
Leer und immer leer!
Wie sie schöpfen und füllen!
Leer und immer leer!
Nicht einen Tropfen Wassers zum Munde,
Nicht einen Tropfen Wassers in ihre Wannen!
Leer und immer leer!
Ach, so ist's mit dir auch, mein Herz!
Woher willst du schöpfen? – und wohin? –

Euer ruhiges Wandeln, Selige,
Streicht nur vor mir vorüber;
Mein Weg ist nicht mit euch!
In euren leichten Tänzen,
In euren tiefen Hainen,
In eurer lispelnden Wohnung
Rauscht's nicht von Leben wie droben,
Schwankt nicht von Schmerz zu Lust
Der Seligkeit Fülle. –

Ist's auf seinen düstern Augenbraunen,
Im verschlossenen Blicke?
Magst du ihn Gemahl nennen?
Und darfst du ihn anders nennen?
Liebe! Liebe!
Warum öffnetest du sein Herz
Auf einen Augenblick?
Und warum nach mir,
Da du wußtest,
Es werde sich wieder auf ewig verschließen?
Warum ergriff er nicht eine meiner Nymphen
Und setzte sie neben sich
Auf seinen kläglichem Thron?
Warum mich, die Tochter der Ceres?

O Mutter! Mutter!
Wie dich deine Gottheit verläßt
Im Verlust deiner Tochter,
Die du glücklich glaubtest,
Hinspielend, hintändelnd ihre Jugend!

Ach, du kamst gewiß
Und fragtest nach mir,
Was ich bedürfte,
Etwa ein neues Kleid
Oder goldene Schuhe?
Und du fandest die Mädchen
An ihre Weiden gefesselt,
Wo sie mich verloren,
Nicht wieder fanden,
Ihre Locken zerrauften,
Erbärmlich klagten,
Meine lieben Mädchen! –

»Wohin ist sie? Wohin?« rufst du.
»Welchen Weg nahm der Verruchte?
Soll er ungestraft Jupiters Stamm entweihen?
Wohin geht der Pfad seiner Rosse?
Fackeln her!
Durch die Nacht will ich ihn verfolgen!
Will keine Stunde ruhen, bis ich sie finde,
Will keinen Gang scheuen
Hierhin und dorthin.«

Dir blinken deine Drachen mit klugen Augen zu,
Aller Pfade gewohnt, folgen sie deinem Lenken:
In der unbewohnten Wüste treibt dich's irre –

Ach, nur hierher, hierher nicht!
Nicht in die Tiefe der Nacht,
Unbetreten den Ewiglebenden,
Wo, bedeckt von beschwerendem Graus,
Deine Tochter ermattet!

Wende aufwärts,
Aufwärts den geflügeltem Schlangenpfad,
Aufwärts nach Jupiters Wohnung!
Der weiß es,
Der weiß es allein, der Erhabene,
Wo deine Tochter ist! –

Vater der Götter und Menschen!
Ruhst du noch oben auf deinem goldenen Stuhle,
Zu dem du mich Kleine
So oft mit Freundlichkeit aufhobst,
In deinen Händen mich scherzend
Gegen den endlosen Himmel schwenktest,
Daß ich kindisch droben zu verschweben bebte?
Bist du's noch, Vater? –

Nicht zu deinem Haupte
In dem ewigen Blau
Des feuerdurchwebten Himmels,
Hier! Hier! – –

Leite sie her!
Daß ich auf mit ihr
Aus diesem Kerker fahre!
Daß mir Phöbus wieder
Seine lieben Strahlen bringe,
Luna wieder
Aus den Silberlocken lächle!

O, du hörst mich,
Freundlichlieber Vater,
Wirst mich wieder,
Wieder aufwärts heben;
Daß, befreit von langer, schwerer Plage,
Ich an deinem Himmel wieder mich ergetze!

Letze dich, verzagtes Herz!
Ach! Hoffnung!
Hoffnung gießt
In Sturmnacht Morgenröte!

Dieser Boden
Ist nicht Fels, nicht Moos mehr;
Diese Berge
Nicht voll schwarzen Grauses!

Ach, hier find ich wieder eine Blume!
Dieses welke Blatt,
Es lebt noch,
Harrt noch,
Daß ich seiner mich erfreue!

Seltsam! seltsam!
Find ich diese Frucht hier?
Die mir in den Gärten droben,
Ach! so lieb war –

Sie bricht den Granatapfel ab.

Laß dich genießen,
Freundliche Frucht!
Laß mich vergessen
Alle den Harm!
Wieder mich wähnen
Droben in Jugend,
In der vertaumelten
Lieblichen Zeit,
In den umduftenden
Himmlischen Blüten,
In den Gerüchen
Seliger Wonne,
Die der Entzückten,
Der Schmachtenden ward!

Sie ißt einige Körner.

Labend! labend!

Wie greift's auf einmal
Durch diese Freuden,
Durch diese offne Wonne
Mit entsetzlichen Schmerzen,
Mit eisernen Händen
Der Hölle durch! – –
Was hab ich verbrochen,
Daß ich genoß?
Ach, warum schafft
Die erste Freude hier mir Qual?
Was ist's? was ist's? –
Ihr Felsen scheint hier schrecklicher herabzuwinken,
Mich fester zu umfassen!
Ihr Wolken tiefer mich zu drücken!
Im fernen Schoße des Abgrunds
Dumpfe Gewitter tosend sich zu erzeugen!
Und ihr weiten Reiche der Parzen
Mir zuzurufen:
Du bist unser!

Die Parzen
Du bist unser!
Ist der Ratschluß deines Ahnherrn:
Nüchtern solltest wiederkehren;
Und der Biß des Apfels macht dich unser!
Königin, wir ehren dich!

Proserpina.
Hast du's gesprochen, Vater?
Warum? warum?
Was tat ich, daß du mich verstößest?
Warum rufst du mich nicht
Zu deinem lichten Thron auf!
Warum den Apfel?
O verflucht die Früchte!
Warum sind Früchte schön,
Wenn sie verdammen?

Parzen.
Bist nun unser!
Warum trauerst du?
Sieh, wir ehren dich,
Unsre Königin!

Proserpina.
O wäre der Tartarus nicht eure Wohnung,
Daß ich euch hin verwünschen könnte!
O wäre der Cocyt nicht euer ewig Bad,
Daß ich für euch
Noch Flammen übrig hätte!
Ich Königin,
Und kann euch nicht vernichten!
In ewigem Haß sei ich mit euch verbunden! –

So schöpfet, Danaiden!
Spinnt, Parzen! wütet, Furien!
In ewig gleich elendem Schicksal.
Ich beherrsche euch
Und bin darum elender als ihr alle.

Parzen.
Du bist unser!
Wir neigen uns dir!
Bist unser! unser!
Hohe Königin!

Proserpina.
Fern! weg von mir
Sei eure Treu und eure Herrlichkeit!
Wie haß ich euch!
Und dich, wie zehnfach haß ich dich –
Weh mir! ich fühle schon
Die verhaßten Umarmungen!

Parzen.
Unser! Unsre Königin!

Proserpina.
Warum reckst du sie nach mir?
Recke sie nach dem Avernus!
Rufe die Qualen aus stygischen Nächten empor!
Sie steigen deinem Wink entgegen,
Nicht meine Liebe.
Wie haß ich dich,
Abscheu und Gemahl,
O Pluto! Pluto!
Gib mir das Schicksal deiner Verdammten!
Nenn es nicht Liebe! –
Wirf mich mit diesen Armen
In die zerstörende Qual!

Parzen.
Unser! unser! hohe Königin!


Hier noch eine Gemälde, dessen heutiger Wert zwischen 8.000 und 10.000 Euro geschätzt wird.

   
Abraham van Cuylenborch, RAUB DER PROSERPINA
Das vorliegende Gemälde Cuylenborchs zeigt den Raub der Proserpina durch Pluto nach Ovid (Metamorphosen V, 385-424). Mit seinem Entstehungsjahr 1638 ist es das bislang früheste bekannte Werk des Malers, der erst 1639 als Meister in die Utrechter Lukasgilde aufgenommen wurde.


Interessant ist die Omegadarstellung mit dem Badetuch ...
Kein besserer Freund – kein schlimmerer Feind!
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Es bedanken sich: Paganlord , Saxorior


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