Die Weisheit der Mütter
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„Die Weisheit der Mütter – Heilsame Impulse aus dem Matriarchat“ lautet der Titel eines Buches von Lothar Beck. Der Autor skizziert darin nicht nur einen Rückblick auf die Geschichte der Verehrung der Großen Mutter als Urquell allen Lebens, sondern beleuchtet auch die Bedeutung mütterlich gedeihlicher Prinzipien, die im Matriarchat verwurzelt waren. Diese Prinzipien können für uns als Kollektiv wirksame Instrumente sein, um die zerstörerischen Folgen des patriarchalen Zeitalters zu korrigieren, bestenfalls sogar, um paradiesische Verhältnisse auf der Erde zu schaffen.

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FRIEDA im Gespräch mit Lothar Beck

FRIEDA: Wie kamen Sie als Mann eigentlich auf das Thema Matriarchat?

Lothar Beck: Durch meine Frau Susanne. Sie machte von 2009-2012 in der Alma-Mater-Akademie Karlsruhe bei Sigrun Laurent die Ausbildung zur matriarchalen Ritualleiterin. Die Literatur, die sie von dort mitbrachte, zog mich gleich in ihren Bann. Eine ganz neue Perspektive eröffnete sich mir. Viele offene Fragen fanden für mich eine schlüssige und fundierte Antwort. Die evolutionäre Führungsrolle der Frau wurde für mich immer deutlicher: Die Weisheit der Mutter, die in der Mutterliebe ihren Kern hat, verspricht die Möglichkeit eines herrschaftsfreien Zusammenlebens und Zusammenhaltens. Dies ist keine philosophische Utopie im Sinne einer männlichen Kopfgeburt – mythologisch gesprochen: wie die Weisheit aus dem Kopf des Zeus – sondern dies entspricht sowohl dem archäologischen Befund von Marija Gimbutas als auch den Strukturen heute noch existierender matriarchaler Gesellschaften, wie sie von Heide Göttner-Abendroth beschrieben wurden: Matriarchate sind egalitäre und gewaltfreie Gesellschaften. Und auch in Gerda Weilers feministischer Anthropologie finden sich wichtige Hinweise in dieser Richtung.

FRIEDA: Obwohl wir durch die Medien mit Meldungen über Gewalt im Allgemeinen und Kriege im Besonderen seit Jahrzehnten konfrontiert werden, scheint der Sachverhalt, dass in matriarchalen Ethnien nahezu Gewaltfreiheit herrschte, kaum jemanden so richtig zu interessieren. Zumindest vermisse ich das Thema in den meisten Medien und somit auch in der öffentlichen Diskussion. Worauf führen Sie das zurück?

Lothar Beck: Dieser Sachverhalt macht einfach zu große Angst. Lassen Sie es mich kurz begründen: Gewaltfreiheit im Matriarchat ist ein struktureller Faktor der Mutterordnung. Er steht im Widerspruch zu der dreifachen patriarchalen Gewaltstruktur aus Ideologie, Gesetz und Hierarchie. Mit der Synergie dieser drei patriarchalen Grundelemente werden die wirtschaftlichen, politischen, militärischen und religiösen Interessen des Patriarchats verfolgt. Konkurrenzkampf und Kriege, Kolonialismus, Imperialismus, Ausbeutung der Natur, Abwertung und Instrumentalisierung der Frau – all das sind die unabdingbaren Dauerfolgen der Vaterordnung. Ihre Gewaltstruktur – und das ist der Kern für die Beantwortung Ihrer Frage – wird emotional getragen von einer spezifisch patriarchalen Bindungskonstellation, nämlich der Loyalität gegenüber dem Vater und seiner Freund-Feind-Ideologie. Väterliche Autorität im Patriarchat ist immer autoritär, weil sie einhergeht mit hierarchischer Macht und ausgestattet ist mit dem väterlichen Recht auf Gewalt. Für einen sich mit dem Vater identifizierenden und emotional an den Vater gebundenen Mann macht darum matriarchale Gewaltfreiheit Angst, von der er sich erst einmal befreien muss. Der Vaterverrat braucht Mut, Muttermut. Da fällt es leichter, alles arrogant zu ignorieren oder zu verspotten, was Frauen in der Matriarchatsforschung, in der Archäologie, Theologie, Soziologie oder Sprachforschung herausgefunden haben.

FRIEDA: Demnach beinhaltet der Muttermut gleichzeitig den Verrat am Vater? Haben wir vielleicht auch schlichtweg ein falsches Bild vom Patriarchen, der im Idealfall ja gütig und wohlwollend sein kann? Und hat Muttermut nicht auch etwas mit indigenen Wurzeln und somit mit Identität zu tun, entsprechend dann auch mit dem Bekenntnis zum Vaterland?

Lothar Beck: Ja, Muttermut beinhaltet den Verrat am patriarchalen Vater, der sich nicht ins Ganze des weiblich-mütterlichen Lebenshauses einfügt, sondern Grenzen überschreitet gegenüber Frau und Kindern, der seine Interessen verfolgt auf Kosten der Natur oder anderer Menschen, der sich mit dem Patri-Archetyp des „Herrn der Schöpfung“ und des „Herrn der Geschichte“ identifiziert. Der Patriarch ist immer nur gütig zu seinen gehorsamen Kindern, die ungehorsamen werden bestraft. Widerrufen und bereuen sie, kann er ihnen auch gnädig sein, doch jeder, der seine Alleinherrschaft ernsthaft in Frage stellt und ihm die Loyalität verweigert, wird mit dem Tode bestraft, weil er in den Augen des „Herrn“ ein Deserteur, ein Vaterverräter ist.

FRIEDA: In Ihrem Buch gehen Sie näher auf die so genannte Mutterordnung ein. Was ist darunter zu verstehen und worin liegt der Gewinn einer solchen Ordnung für die Gesellschaft?

Lothar Beck: Die größte Augenwischerei, die vom derzeitigen kapitalistischen Spätpatriarchat betrieben wird, ist die Behauptung, ideologiefrei zu sein, sowohl wissenschaftlich wie politisch. Mit diesem Begriff ‚ideologiefrei‘ versucht der Kapitalismus jegliches Engagement als ‚ideologisch‘ zu diskreditieren, das sich gegenüber bestimmten Werten verpflichtet fühlt. Mit diesem Begriff ‚ideologiefrei‘ will der globale Kapitalismus seine ‚reinen‘, ‚ideologiefreien‘, also ‚wertfreien‘ – sprich: unmoralischen – Verhaltensweisen kaschieren zugunsten eines Gesetzes des Stärkeren, das die Übergriffskultur des Patriarchats auf die Frauen und Kinder, auf die Natur, auf kleine Landbesitzer und Näherinnen als legitimes Interesse im Sinne der ‚freiheitlichen Wirtschaftsordnung‘ versteht. Dabei spielt die ‚wertfreie‘ Wissenschaft eine recht dienliche Rolle.

Dagegen ist die Mutterordnung eine Ordnung, deren Spielregeln auf Werten beruhen, die sich aus einer anderen Weltsicht ergeben. Diese Weltsicht lässt sich am einfachsten an zwei prähistorischen Symbolen erläutern: Das gewundene Schlangenpaar und das Rautennetz. Das gewundene Schlangenpaar besteht aus einer schwarzen und einer weißen Schlange, die im Kreisinnern mit ihren beiden Köpfen das Tao-Zeichen bilden. Dieses alte matriarchale Symbol der Ganzheitlichkeit drückt zum einen das dynamische Kreisen des Seins aus und zum andern das komplementäre Zusammenspiel von dunkel und hell, sprich: Sommer und Winter, Tag und Nacht, Leben und Tod, Yang und Yin, sich zeigen und sich zurücknehmen…

Das gesamte Interview gibt es hier:

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Was man will – nicht was man wünscht – empfängt man.

Cosima Wagner
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