29.04.12005, 11:58
Gegner und Befürworter der Hexenverfolgung in der juristischen und theologischen Literatur des 15. bis 18. Jahrhunderts
Der Basler Dominikaner Johannes Nider (gest. 1438) schildert im 5. Buch seines um 1435/37 entstandenen `Formicarius` die junge Hexensekte, von der man ihm berichtet hatte. Der `Formicarius` gehörte zu der im Spätmittelalter verbreiteten Gattung katechetischen Schrifttums, das in Gestalt glaubensauslegender Schriften den Bedürfnissen einer im Spätmittelalter steigenden Laienfrömmigkeit Rechnung trug. Zu den ersten schriftlichen Berichten über die Existenz einer Hexensekte und die Hexenvorstellungen gehören auch die um 1430/40 möglicherweise im Umkreis der Lausanner Dominikaner entstandenen `Errores Gazariorum`. Mit den beiden angeführten Werken setzt die Hexenliteratur im engeren Sinne ein. Es folgte 1458 das `Flagellum Haereticorum Fascinariorum`` von Nicolaus Jacquier, das die Hexerei als eine neue Sekte betrachtet.
Der Schlettstadter Dominikaner Heinrich Institoris konnte bereits auf eine reiche Erfahrung im Kampf gegen die Hexerei zurückblicken, als er 1487 den `Malleus maleficarum` in Druck gehen ließ.
Nach jahrelangem Einsatz als Hexenjäger, oft genug von weltlichen und kirchlichen Obrigkeiten behindert, interpretierte Institoris wie sein Ordensbruder Nider das inkriminierte Spektrum populären Aber- und Zauberglaubens auf der Grundlage eines überkommenen Corpus kirchlicher Aberglaubensliteratur und gelangte so zu einer Bestimmung der ketzerischen Qualität des Zauber- und Hexereidelikts. Wenn auch noch viele den `Hexenhammer` betreffende Fragen offen sind, kann doch festgehalten werden, daß der `Malleus` zumindest eine Tradition begründete oder verfestigte, die unter dem synthetisierenden Begriff `konventionelle Hexenlehre` zusammengefaßt worden ist. Sie zeichnete sich durch eine Anerkennung aller wichtigen Elemente des Hexenstereotyps als real sowie durch ihre drakonischen Strafforderungen aus. Zwar gibt das Werk nicht zu allen Punkten Auskunft, und sein Einfluß und seine Verbreitung mögen lange überschätzt worden sein, aber versehen mit der Autorität der Papstbulle `Summis desiderantes` von 1484 sollte es doch zur Zeit der großen abendländischen Hexenverfolgung zu den Standarttexten der mit den Hexenprozessen beschäftigten Juristen, Theologen und Medizinern gehören und vor allem den Befürwortern der Verfolgung als Grundlage dienen.
Zwei Jahre nach dem Erscheinen des `Hexenhammers`, 1489, veröffentlichte der Konstanzer Jurist Ulrich Molitoris sein Traktat `De lamiis et phitonicis mulieribus`. Den Teufelspakt stellt Molitoris ebensowenig wie die im `Hexenhammer` beschriebene Teufelsbuhlschaft in Frage. Aber der Jurist leugnet die Macht des Teufels und der Hexe zum Schadenzauber - nur mit der Zulassung G*ttes* können sie Schaden bewirken. Gleichwohl sind die Hexen wegen ihres Abfalls von G*tt mit der Todesstrafe zu belegen.
Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts kam es bei der Rezeption der Ergebnisse der italienischen Rechtswissenschaft zu einem neuen Zweig der juristischen Literatur, der `populären Literatur`, die ihren historischen Abschluß in Ulrich Tenglers `Layenspiegel` (1509) fand. Der bald vergriffenen ersten Auflage ließ der Verfasser 1511, unter dem Titel `Der neu Layenspiegel` eine zweite, vermehrte Auflage folgen, bei der ihm sein Sohn Chr*stoph Tengler, Jurist an der Universität Ingolstadt, behilflich war. Eine wesentliche Änderung der Neuausgabe ist die Addicio "Von kätzerey, warsagen, schwarzer kunst, zauberej, unholden etc.". Diese Ergänzung beruht vollständig auf dem dritten Teil des `Hexenhammers`. Damit lag der für den weltlichen Richter wichtigste Teil des `Malleus maleficarum` seit 1511 in deutscher Sprache vor.
Johann Geiler (1445-1510) war seit 1478 Domprediger in Straßburg, wo er 1508 die in der `Emeis` vereinigten 41 Fastenpredigten hielt, von denen 26 über das Zauber- und Hexenwesen handeln. Zwar erklärt Geiler in der Tradition des `canon episcopi` die Nachtfahrten der Frauen als Illusion, aber gleichzeitig behauptet er, die Hexen könnten mit Hilfe des Teufels fliegen. Die Predigten sind 1516, 1517 und öfters in Straßburg unter dem Titel `Emeis, Dies ist das Buch von der Omeissen` gedruckt worden.
Martin Plantsch (gest. 1533) wirkte seit 1491 als Pfarrer an der Tübinger Stiftskirche. Dort war es 1505 zu einer Hexenverbrennung gekommen. Der Vorgang führte zu erregten Diskussionen über das Hexenwesen. Als die Angst und das Gerede um sich griffen, setzte sich Platsch mit mehreren Predigern über das Thema auseinander. Er rückt die Unterordnung der Hexen unter G*ttes allmächtige Providenz so sehr in den Vordergrund, daß er ihre Bestrafung überhaupt nicht eigens thematisiert. Die Predigten ließ er zwei Jahre später in überarbeiteter Form unter dem Titel `Opusculum de sagis` drucken. Mit Plantsch setzte in Württemberg eine Predigertradition ein, die von Matthäus Alber, Johannes Brenz, Theodor Thumm und anderen namenhaften Tübinger Theologen fortgeführt wurde und die die Hexenbeschuldigung selbst als Aberglauben unterdrückt wissen will.
Ausgelöst durch chaotische Zustände in der täglichen Strafrechtspflege kam es nach längeren Debatten und Verzögerungen schließlich zu einer allgemeinen Neuordnung des Strafprozesses. Auf den Reichstagen von Augsburg (1530) und Regensburg (1532) wurde "Keyser Karl des fünfften: und des heyligen Römischen Reichs peinlich gerichts ordnung" beschlossen. Sie wird als Peinliche Gerichts- oder Halsgerichtsordnung, `Constitutio Criminalis Carolina` (CCC), oder auch kurz `Carolina` bezeichnet, das`"bedeutenste, der neuzeitlichen Reichsgesetze".
Obwohl in erster Linie Strafprozessordnung (Art. 1-103, 181-219), enthält die `Carolina` auch materielles Strafrecht (Art. 104-180). Die Vorlage für die `Carolina` war die Bambergische Halsgerichtsordnung von 1507 `Constitutio Criminalis Bambergensis`.
Die Hexenverfolgungen zwischen dem Erscheinen des `Hexenhammers` und der Reformation gehen anscheinend noch weitgehend auf das Konto der Inquisition. Bald nach 1500 aber fanden in Deutschland die Hexenprozesse der kirchlichen Sondergerichte ein Ende. Überhaupt scheint in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts die Hexenverfolgung ihren Schrecken fast ganz verloren zu haben. Seit etwa 1550 aber begann die seit längerem stagnierende Zahl von Hexenprozessen vor weltlichen Gerichten wieder zu steigen und erreichte rasch eine völlig neue Dimension. Diese Beobachtung deckt sich mit der Aussage des Mediziners Johann Weyer (1515-1588), der als Motiv für die Abfassung seines erstmals 1563 zu Basel erschienen Werkes `De praestigiis daemonum` (`Vom Blendwerk der Teufel`) den unerwarteten Neubeginn der Hexenverfolgung nennt. Mit dieser Kampfschrift hat der Calvinist Weyer nicht nur erneut eine lang anhaltende und kontrovers geführte literarische Diskussion eröffnet, sondern auch einen neuen Zweig der Literatur eingeleitet: Die eigentliche Hexenliteratur der Zeit der großen Hexenverfolgung.
Für Weyer sind Hexen arme, alte, einfältige und vom Teufel verblendete Frauen. Die von ihnen vermeintlich bewirkten Krankheiten, Sinnesbeeinflussungen, Impotenz, Unwetter und Ernteschäden sowie Liebestränke sind entweder Teufelswerk oder beruhen auf natürlichen Ursachen - und nicht auf der den Hexen unterstellten Schadenszauberei. Auch Teufelspakt sowie Teufelsbuhlschaft und Hexens*batt sind reine Illusionen. Weyers Vorstellungen wurden auf das entschiedenste von dem bedeutenden französischen Staatstheoretiker Jean Bodin (1530-1586) bekämpft. Dessen `De la démonomanie des sorciers`, erstmals 1580 zu Paris erschienen, wurde sowohl ins Lateinische als auch ins Deutsche übersetzt.
Der Katholik Bodin steht hinsichtlich Tatbestand und Strafprozess ganz auf dem Boden des `Malleus maleficarum`.
Der in Tuttlingen geborene Rostocker Extraordinarius Johann Georg Godelmann (1559-1611) ließ sein `Tractatus de magis, veneficis et lamiis` 1591 in Druck gehen.
Das Werk wurde 1592 auch ins Deutsche übersetzt. In Anlehnung an Weyer unterscheidet der lutherische Jurist Godelmann zwischen Zauberern und Hexen. Entschieden lehnt Godelmann das von Bodin mit Bezug auf den `Hexenhammer` vorgeschlagene gerichtliche Schnellverfahren ab und verlangt statt dessen, daß auch im Fall von Hexerei der ordentliche, auf der Grundlage der `Carolina` entwickelte Strafprozess strikt einzuhalten sei.
Die `Daemonolatria` des Hexenrichters Nicolas Rémy (1554-1612) erschien erstmals 1595, wurde bereits 1596 ins Deutsche übersetzt und erfuhr allein zwischen 1596 und 1600 in Deutschland fünf weitere Auflagen. Der Katholik Rémy brüstet sich offen, innerhalb von 16 Jahren in Lothringen an der Verbrennung von 800 Hexen mitgewirkt zu haben, wobei noch einmal so viele Personen geflohen oder vor der Verurteilung an der Tortur gestorben seien. Wie bei Bodin ist auch bei Rémy das Hauptziel die Widerlegung Weyers durch die Prozesspraxis. Auf die Initiative des Trierer Weihbischofs Peter Binsfeld (1545/46-1598) wurden im Kurfürstentum Trier umfangreiche Hexenverfolgungen durchgeführt, denen Hunderte zum Opfer fielen. 1589 erschien erstmals sein `Tractatus de confessionibus maleficarum et sagarum`, das insgesamt acht Auflagen erfuhr, davon zwei in deutscher Sprache. Auf der Grundlage des `Hexenhammers` wird das Delikt der Hexerei belegt und der Prozess beschrieben.
Martin Delrio (1551-1608), vor seinem Eintritt in die Societas J*su lange als Jurist und Politiker tätig, ließ 1599/1600 die `Disquisitionum magicarum libri sex` in Druck gehen. Das Werk erlebte bis 1755 25 Auflagen in lateinischer Sprache und gilt neben dem `Malleus` als die entscheidende juristische Anleitung zur Führung von Hexenprozessen. Das Weyer angreifende Werk entwickelt eine Haltung, die man kaum als verfolgungshemmend bezeichnen kann.
Während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war auch die Jurisprudenz des Alten Reiches erstmals mit den anstehenden Hexenprozessen in nähere Berührung geraten, um sehr bald und dazu in einschneidender Weise immer weiter und tiefer in die, die Hexenverfolgung kennzeichnenden, fürchterlichen Tragödien hineingezogen zu werden. Es war vornehmlich das Institut der Aktenversendung, in dem sich Rechtswissenschaft und Hexenverfolgung am stärksten und nachhaltigsten berührt und durchdrungen haben. Die frühesten Zeugnisse für diesen historischen Vorgang sind zwei Gutachten der Tübinger Juristenfakultät, ein Consilium des späteren Rostocker Seniors Lorenz Kirchhof, eine Rechtsauskunft des Greifswalder Ordinarius Joachim Möritz - alle aus den fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts - sowie sieben zwischen 1542 und 1568 erstellte Gutachten des Franfurter Syndicus Johann Fichard.
Diese Konsilien lassen erkennen, daß führende Vertreter der deutschen Rechtswissenschaft noch an einer Deliktbeschreibung festhalten, die in der älteren Vorstellung vom Schadenszauber wurzelt, wie sie auch die `Carolina` im 109. Artikel "Straff der zauberey" , anspricht.
Doch bereits mehrere Produkte der Territorialgesetzgebung des späten 16. Jahrhunderts, und zwar die Württemberische Landesordnung von 1567, die Kursächsischen Konstitutionen von 1572, das Kurpfälzische Landrecht von 1582 und das allerdings noch auf seine Echtheit zu überprüfende Landrecht von Baden-Baden aus dem Jahre 1588, alle in der Regel von nicht unmaßgeblichen Juristen entworfen, lassen etwas anderes erkennen. Es wird deutlich, daß jener neue Sammelbegriff der Hexerei die Situation zu beherrschen beginnt. In diesem elaborierten Hexenbegriff treten zu den alten Tatbestandsmerkmalen der Zauberei als weitere Elemente noch Teufelsbund, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug und Teilnahme am Hexens*batt hinzu. Auch bei Godelmann zeigte sich 1591 bereits in aller Deutlichkeit die in Anlehnung an den neuen Sammelbegriff erfolgte Tatbestandserweiterung der Zauberei. Für Godelmann ist Schadenszauber nur auf der Grundlage des Teufelspakts möglich.
Im Laufe der ersten großen Verfolgungswelle, flankiert von den einschlägigen Arbeiten von Bodin, Binsfeld, Rémy und Martin Delrio, hatte sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts nach erheblichen Widerständen auch unter den Juristen endgültig die Vorstellung vom Teufelspakt durchgesetzt. So war für die Rechtswissenschaft des 17. Jahrhunderts der den Hexen und Zauberern als Fundament der Deliktbeschreibung unterstellte Bund mit dem Teufel eine `communis opinio`. Und es stand für sie bald außer Frage, daß es den bloßen Teufelpakt ohne Schadenszauber gleichfalls mit der Todesstrafe zu ahnden galt.
Lediglich dem protestantischen Widerstand gegen die Hexenverfolgung war es möglich, zentrale Bestandteile des kumulativen Hexenbegriffes zu kritisieren, vor allem die Möglichkeit des Hexenfluges. Der Rostocker Jurist Ernst Cothmann (1557-1624) hat dies in seinen Rechtsgutachten am ausführlichsten begründet. Auch protestantische Geistliche griffen diese Position auf. Die breite orthodoxe Mittelströmung um den Reformator Johannes Brenz in Württemberg bot gute Möglichkeiten zur radikalen Auslegung. Der Tübinger Theologe Theodor Thumm ging 1621 noch weiter und stellte in seinem `Tractatus theologicus de sagarum impietate` die Strafbarkeit in Zweifel. Er unterscheidet zwischen `lamiae` und `veneficae`. Letzteren ordnet er Schadenszauber, Abfall von G*tt, Teufelspakt und -buhlschaft zu, schränkt aber gleichzeitig ein, daß auch Täuschung und Suggestion möglich seien. Er plädiert für eine milde und differenzierte Bestrafung. `Lamiae` sind melancholische, vom Teufel betrogene Frauen, die geistige und geistliche Hilfe benötigen.
Der Katholische Widerstand mußte einen anderen Weg gehen, seine Kritik richtete sich fast ausschließlich gegen die augenscheinlich ungerechten Prozessmodalitäten. Die 1627 durch den J*suiten Adam Tanner (1572-1632) der Öffentlichkeit vorgetragene Kritik am Hexenprozess wurde wenig später begeistert von seinem rheinischen Ordensbruder Friedrich Spee (1591-1635) aufgenommen und radikalisiert. Spees anonym publizierte `Cautio criminalis` von 1631 stellt, begleitet von einer scharfen Anklage der Geistlichkeit und der Territorialfürsten, den Leser unausgesprochen vor die schrecklichste aller Wahrheiten, daß alle `Hexen` unschuldig umgebracht worden waren und daß es sie überhaupt nicht gab. Auch die Konfessionsgegner haben die Argumentation der beiden J*suiten übernommen und sich auf sie berufen.
Der Rintelner Jurist Hermann Goehausen (1593-1632), heimlicher Katholik unter Protestanten, ließ 1630 ein Werk in Druck gehen, das nach Form und Inhalt zu den abgeschmacktesten Werken der Hexenliteratur zählt. Es ist der `Processus juridicus contra sagas et veneficos; Das ist: rechtlicher Proceß/Wie man gegen Vnholdten vnd Zauberische Personen verfahren soll`. Spee hat dieses Werk mit Entrüstung zitiert.
Benedikt Carpzov (1595-1666), der Leipziger Schöppe, Begründer einer deutschen Rechtswissenschaft und des evangelischen Kirchenrechts, hat es unternommen, das geltende Recht theoretisch darzustellen. Dies gilt in besonderem Maße für seine `Practica nova Imperialis saxonica rerum criminalium`, die 1635 erschien. Das Werk erfuhr weit über zehn Auflagen und hat ein Jahrhundert lang die deutsche Strafrechtspflege weit über den sächsischen Raum hinaus beherrscht und die unbedingte Autorität seines Verfassers begründet. In seiner Deliktbeschreibung der Hexerei argumentiert Carpzov gegen Weyer und gelangt zu einer Tatbestandsauffassung von Hexerei, die sich am `Hexenhammer` orientiert. Auch das von ihm entworfene Verfahren schränkt die Verteidigungsmöglichkeit ein.
Gleichwohl hat ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Rechtswissenschaft weiterhin für ein ordentliches Verfahren auch und gerade im Hexenprozess gestritten. Neben David Mevius bleibt der von Spee beeinflusste Tübinger Jurist Erich Mauritius (1631-1691) zu nennen. Mauritius zeigt sich ganz jenem auf der Basis der `Carolina` entwickelten Strafprozess verpflichtet, den die Zeitgenossen als `processus ordinarius` begriffen. Er lehnt entschieden die typischen Indizien der Hexerei ab, die im Verlauf der Hexenverfolgung Unzählige das Leben kosteten.
Die Zahl der Niederländer, die den Hexenprozessen mit Ablehnung begegneten ist beachtlich. Unter ihnen nimmt der reformierte Theologe Balthasar Bekker (1634-1698) eine Sonderstellung ein. Er bestreitet nicht nur den Glauben an dämonische Kräfte, Zauberei und Hexerei, sondern stellt in seiner `De betoverde weereld` die Existenz von Dämonen überhaupt in Frage.
Mit Bekker ist bereits die Schlußphase des literarischen Kampfes um die Hexenverfolgung erreicht. Bekkers Gedanken wurden von Chr*stian Thomasius (1655-1728) für seine juristische Beweisführung übernommen.
Thomasius hat neben dem Verfahren auch das wesentliche Tatbestandsmerkmal der Hexerei und Zauberei, den Teufelspakt, ins Wanken gebracht, indem er dem Teufel jeden Einfluß in materiellen Dingen absprach. Das geschah am 12. November 1701, als der Respondent Johannes Reiche im Auditorium maior zu Halle die Thesen der von Thomasius verfassten Dissertation `De crimine magiae` verteidigte. Thomasius Gegner stammten zumeist aus dem Lager der lutherischen Orthodoxie. Erst im Verlauf einer Generation gewannen seine Ansichten die Oberhand. Im katholischen Lager entspann sich nach der Hinrichtung der Subpriorin M. R. Singer in Würzburg 1749 eine heftige literarische Kontroverse, die als sogenannter `Bayrischer Hexenkrieg` in Deutschland für Aufregung sorgte. Der `Hexenkrieg` war jedoch nicht nur ein literarisches Nachhutgefecht, sondern hatte durchaus Bezug zum realen Hexenglauben: Die letzte Verbrennungsserie fand zwischen 1749 und 1756 statt, 1766 wurde im Hochstift Augsburg ein Zauberer hingerichtet, und noch 1775 erfolgte im Fürststift Kempten eine Hinrichtung.
Der Basler Dominikaner Johannes Nider (gest. 1438) schildert im 5. Buch seines um 1435/37 entstandenen `Formicarius` die junge Hexensekte, von der man ihm berichtet hatte. Der `Formicarius` gehörte zu der im Spätmittelalter verbreiteten Gattung katechetischen Schrifttums, das in Gestalt glaubensauslegender Schriften den Bedürfnissen einer im Spätmittelalter steigenden Laienfrömmigkeit Rechnung trug. Zu den ersten schriftlichen Berichten über die Existenz einer Hexensekte und die Hexenvorstellungen gehören auch die um 1430/40 möglicherweise im Umkreis der Lausanner Dominikaner entstandenen `Errores Gazariorum`. Mit den beiden angeführten Werken setzt die Hexenliteratur im engeren Sinne ein. Es folgte 1458 das `Flagellum Haereticorum Fascinariorum`` von Nicolaus Jacquier, das die Hexerei als eine neue Sekte betrachtet.
Der Schlettstadter Dominikaner Heinrich Institoris konnte bereits auf eine reiche Erfahrung im Kampf gegen die Hexerei zurückblicken, als er 1487 den `Malleus maleficarum` in Druck gehen ließ.
Nach jahrelangem Einsatz als Hexenjäger, oft genug von weltlichen und kirchlichen Obrigkeiten behindert, interpretierte Institoris wie sein Ordensbruder Nider das inkriminierte Spektrum populären Aber- und Zauberglaubens auf der Grundlage eines überkommenen Corpus kirchlicher Aberglaubensliteratur und gelangte so zu einer Bestimmung der ketzerischen Qualität des Zauber- und Hexereidelikts. Wenn auch noch viele den `Hexenhammer` betreffende Fragen offen sind, kann doch festgehalten werden, daß der `Malleus` zumindest eine Tradition begründete oder verfestigte, die unter dem synthetisierenden Begriff `konventionelle Hexenlehre` zusammengefaßt worden ist. Sie zeichnete sich durch eine Anerkennung aller wichtigen Elemente des Hexenstereotyps als real sowie durch ihre drakonischen Strafforderungen aus. Zwar gibt das Werk nicht zu allen Punkten Auskunft, und sein Einfluß und seine Verbreitung mögen lange überschätzt worden sein, aber versehen mit der Autorität der Papstbulle `Summis desiderantes` von 1484 sollte es doch zur Zeit der großen abendländischen Hexenverfolgung zu den Standarttexten der mit den Hexenprozessen beschäftigten Juristen, Theologen und Medizinern gehören und vor allem den Befürwortern der Verfolgung als Grundlage dienen.
Zwei Jahre nach dem Erscheinen des `Hexenhammers`, 1489, veröffentlichte der Konstanzer Jurist Ulrich Molitoris sein Traktat `De lamiis et phitonicis mulieribus`. Den Teufelspakt stellt Molitoris ebensowenig wie die im `Hexenhammer` beschriebene Teufelsbuhlschaft in Frage. Aber der Jurist leugnet die Macht des Teufels und der Hexe zum Schadenzauber - nur mit der Zulassung G*ttes* können sie Schaden bewirken. Gleichwohl sind die Hexen wegen ihres Abfalls von G*tt mit der Todesstrafe zu belegen.
Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts kam es bei der Rezeption der Ergebnisse der italienischen Rechtswissenschaft zu einem neuen Zweig der juristischen Literatur, der `populären Literatur`, die ihren historischen Abschluß in Ulrich Tenglers `Layenspiegel` (1509) fand. Der bald vergriffenen ersten Auflage ließ der Verfasser 1511, unter dem Titel `Der neu Layenspiegel` eine zweite, vermehrte Auflage folgen, bei der ihm sein Sohn Chr*stoph Tengler, Jurist an der Universität Ingolstadt, behilflich war. Eine wesentliche Änderung der Neuausgabe ist die Addicio "Von kätzerey, warsagen, schwarzer kunst, zauberej, unholden etc.". Diese Ergänzung beruht vollständig auf dem dritten Teil des `Hexenhammers`. Damit lag der für den weltlichen Richter wichtigste Teil des `Malleus maleficarum` seit 1511 in deutscher Sprache vor.
Johann Geiler (1445-1510) war seit 1478 Domprediger in Straßburg, wo er 1508 die in der `Emeis` vereinigten 41 Fastenpredigten hielt, von denen 26 über das Zauber- und Hexenwesen handeln. Zwar erklärt Geiler in der Tradition des `canon episcopi` die Nachtfahrten der Frauen als Illusion, aber gleichzeitig behauptet er, die Hexen könnten mit Hilfe des Teufels fliegen. Die Predigten sind 1516, 1517 und öfters in Straßburg unter dem Titel `Emeis, Dies ist das Buch von der Omeissen` gedruckt worden.
Martin Plantsch (gest. 1533) wirkte seit 1491 als Pfarrer an der Tübinger Stiftskirche. Dort war es 1505 zu einer Hexenverbrennung gekommen. Der Vorgang führte zu erregten Diskussionen über das Hexenwesen. Als die Angst und das Gerede um sich griffen, setzte sich Platsch mit mehreren Predigern über das Thema auseinander. Er rückt die Unterordnung der Hexen unter G*ttes allmächtige Providenz so sehr in den Vordergrund, daß er ihre Bestrafung überhaupt nicht eigens thematisiert. Die Predigten ließ er zwei Jahre später in überarbeiteter Form unter dem Titel `Opusculum de sagis` drucken. Mit Plantsch setzte in Württemberg eine Predigertradition ein, die von Matthäus Alber, Johannes Brenz, Theodor Thumm und anderen namenhaften Tübinger Theologen fortgeführt wurde und die die Hexenbeschuldigung selbst als Aberglauben unterdrückt wissen will.
Ausgelöst durch chaotische Zustände in der täglichen Strafrechtspflege kam es nach längeren Debatten und Verzögerungen schließlich zu einer allgemeinen Neuordnung des Strafprozesses. Auf den Reichstagen von Augsburg (1530) und Regensburg (1532) wurde "Keyser Karl des fünfften: und des heyligen Römischen Reichs peinlich gerichts ordnung" beschlossen. Sie wird als Peinliche Gerichts- oder Halsgerichtsordnung, `Constitutio Criminalis Carolina` (CCC), oder auch kurz `Carolina` bezeichnet, das`"bedeutenste, der neuzeitlichen Reichsgesetze".
Obwohl in erster Linie Strafprozessordnung (Art. 1-103, 181-219), enthält die `Carolina` auch materielles Strafrecht (Art. 104-180). Die Vorlage für die `Carolina` war die Bambergische Halsgerichtsordnung von 1507 `Constitutio Criminalis Bambergensis`.
Die Hexenverfolgungen zwischen dem Erscheinen des `Hexenhammers` und der Reformation gehen anscheinend noch weitgehend auf das Konto der Inquisition. Bald nach 1500 aber fanden in Deutschland die Hexenprozesse der kirchlichen Sondergerichte ein Ende. Überhaupt scheint in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts die Hexenverfolgung ihren Schrecken fast ganz verloren zu haben. Seit etwa 1550 aber begann die seit längerem stagnierende Zahl von Hexenprozessen vor weltlichen Gerichten wieder zu steigen und erreichte rasch eine völlig neue Dimension. Diese Beobachtung deckt sich mit der Aussage des Mediziners Johann Weyer (1515-1588), der als Motiv für die Abfassung seines erstmals 1563 zu Basel erschienen Werkes `De praestigiis daemonum` (`Vom Blendwerk der Teufel`) den unerwarteten Neubeginn der Hexenverfolgung nennt. Mit dieser Kampfschrift hat der Calvinist Weyer nicht nur erneut eine lang anhaltende und kontrovers geführte literarische Diskussion eröffnet, sondern auch einen neuen Zweig der Literatur eingeleitet: Die eigentliche Hexenliteratur der Zeit der großen Hexenverfolgung.
Für Weyer sind Hexen arme, alte, einfältige und vom Teufel verblendete Frauen. Die von ihnen vermeintlich bewirkten Krankheiten, Sinnesbeeinflussungen, Impotenz, Unwetter und Ernteschäden sowie Liebestränke sind entweder Teufelswerk oder beruhen auf natürlichen Ursachen - und nicht auf der den Hexen unterstellten Schadenszauberei. Auch Teufelspakt sowie Teufelsbuhlschaft und Hexens*batt sind reine Illusionen. Weyers Vorstellungen wurden auf das entschiedenste von dem bedeutenden französischen Staatstheoretiker Jean Bodin (1530-1586) bekämpft. Dessen `De la démonomanie des sorciers`, erstmals 1580 zu Paris erschienen, wurde sowohl ins Lateinische als auch ins Deutsche übersetzt.
Der Katholik Bodin steht hinsichtlich Tatbestand und Strafprozess ganz auf dem Boden des `Malleus maleficarum`.
Der in Tuttlingen geborene Rostocker Extraordinarius Johann Georg Godelmann (1559-1611) ließ sein `Tractatus de magis, veneficis et lamiis` 1591 in Druck gehen.
Das Werk wurde 1592 auch ins Deutsche übersetzt. In Anlehnung an Weyer unterscheidet der lutherische Jurist Godelmann zwischen Zauberern und Hexen. Entschieden lehnt Godelmann das von Bodin mit Bezug auf den `Hexenhammer` vorgeschlagene gerichtliche Schnellverfahren ab und verlangt statt dessen, daß auch im Fall von Hexerei der ordentliche, auf der Grundlage der `Carolina` entwickelte Strafprozess strikt einzuhalten sei.
Die `Daemonolatria` des Hexenrichters Nicolas Rémy (1554-1612) erschien erstmals 1595, wurde bereits 1596 ins Deutsche übersetzt und erfuhr allein zwischen 1596 und 1600 in Deutschland fünf weitere Auflagen. Der Katholik Rémy brüstet sich offen, innerhalb von 16 Jahren in Lothringen an der Verbrennung von 800 Hexen mitgewirkt zu haben, wobei noch einmal so viele Personen geflohen oder vor der Verurteilung an der Tortur gestorben seien. Wie bei Bodin ist auch bei Rémy das Hauptziel die Widerlegung Weyers durch die Prozesspraxis. Auf die Initiative des Trierer Weihbischofs Peter Binsfeld (1545/46-1598) wurden im Kurfürstentum Trier umfangreiche Hexenverfolgungen durchgeführt, denen Hunderte zum Opfer fielen. 1589 erschien erstmals sein `Tractatus de confessionibus maleficarum et sagarum`, das insgesamt acht Auflagen erfuhr, davon zwei in deutscher Sprache. Auf der Grundlage des `Hexenhammers` wird das Delikt der Hexerei belegt und der Prozess beschrieben.
Martin Delrio (1551-1608), vor seinem Eintritt in die Societas J*su lange als Jurist und Politiker tätig, ließ 1599/1600 die `Disquisitionum magicarum libri sex` in Druck gehen. Das Werk erlebte bis 1755 25 Auflagen in lateinischer Sprache und gilt neben dem `Malleus` als die entscheidende juristische Anleitung zur Führung von Hexenprozessen. Das Weyer angreifende Werk entwickelt eine Haltung, die man kaum als verfolgungshemmend bezeichnen kann.
Während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war auch die Jurisprudenz des Alten Reiches erstmals mit den anstehenden Hexenprozessen in nähere Berührung geraten, um sehr bald und dazu in einschneidender Weise immer weiter und tiefer in die, die Hexenverfolgung kennzeichnenden, fürchterlichen Tragödien hineingezogen zu werden. Es war vornehmlich das Institut der Aktenversendung, in dem sich Rechtswissenschaft und Hexenverfolgung am stärksten und nachhaltigsten berührt und durchdrungen haben. Die frühesten Zeugnisse für diesen historischen Vorgang sind zwei Gutachten der Tübinger Juristenfakultät, ein Consilium des späteren Rostocker Seniors Lorenz Kirchhof, eine Rechtsauskunft des Greifswalder Ordinarius Joachim Möritz - alle aus den fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts - sowie sieben zwischen 1542 und 1568 erstellte Gutachten des Franfurter Syndicus Johann Fichard.
Diese Konsilien lassen erkennen, daß führende Vertreter der deutschen Rechtswissenschaft noch an einer Deliktbeschreibung festhalten, die in der älteren Vorstellung vom Schadenszauber wurzelt, wie sie auch die `Carolina` im 109. Artikel "Straff der zauberey" , anspricht.
Doch bereits mehrere Produkte der Territorialgesetzgebung des späten 16. Jahrhunderts, und zwar die Württemberische Landesordnung von 1567, die Kursächsischen Konstitutionen von 1572, das Kurpfälzische Landrecht von 1582 und das allerdings noch auf seine Echtheit zu überprüfende Landrecht von Baden-Baden aus dem Jahre 1588, alle in der Regel von nicht unmaßgeblichen Juristen entworfen, lassen etwas anderes erkennen. Es wird deutlich, daß jener neue Sammelbegriff der Hexerei die Situation zu beherrschen beginnt. In diesem elaborierten Hexenbegriff treten zu den alten Tatbestandsmerkmalen der Zauberei als weitere Elemente noch Teufelsbund, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug und Teilnahme am Hexens*batt hinzu. Auch bei Godelmann zeigte sich 1591 bereits in aller Deutlichkeit die in Anlehnung an den neuen Sammelbegriff erfolgte Tatbestandserweiterung der Zauberei. Für Godelmann ist Schadenszauber nur auf der Grundlage des Teufelspakts möglich.
Im Laufe der ersten großen Verfolgungswelle, flankiert von den einschlägigen Arbeiten von Bodin, Binsfeld, Rémy und Martin Delrio, hatte sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts nach erheblichen Widerständen auch unter den Juristen endgültig die Vorstellung vom Teufelspakt durchgesetzt. So war für die Rechtswissenschaft des 17. Jahrhunderts der den Hexen und Zauberern als Fundament der Deliktbeschreibung unterstellte Bund mit dem Teufel eine `communis opinio`. Und es stand für sie bald außer Frage, daß es den bloßen Teufelpakt ohne Schadenszauber gleichfalls mit der Todesstrafe zu ahnden galt.
Lediglich dem protestantischen Widerstand gegen die Hexenverfolgung war es möglich, zentrale Bestandteile des kumulativen Hexenbegriffes zu kritisieren, vor allem die Möglichkeit des Hexenfluges. Der Rostocker Jurist Ernst Cothmann (1557-1624) hat dies in seinen Rechtsgutachten am ausführlichsten begründet. Auch protestantische Geistliche griffen diese Position auf. Die breite orthodoxe Mittelströmung um den Reformator Johannes Brenz in Württemberg bot gute Möglichkeiten zur radikalen Auslegung. Der Tübinger Theologe Theodor Thumm ging 1621 noch weiter und stellte in seinem `Tractatus theologicus de sagarum impietate` die Strafbarkeit in Zweifel. Er unterscheidet zwischen `lamiae` und `veneficae`. Letzteren ordnet er Schadenszauber, Abfall von G*tt, Teufelspakt und -buhlschaft zu, schränkt aber gleichzeitig ein, daß auch Täuschung und Suggestion möglich seien. Er plädiert für eine milde und differenzierte Bestrafung. `Lamiae` sind melancholische, vom Teufel betrogene Frauen, die geistige und geistliche Hilfe benötigen.
Der Katholische Widerstand mußte einen anderen Weg gehen, seine Kritik richtete sich fast ausschließlich gegen die augenscheinlich ungerechten Prozessmodalitäten. Die 1627 durch den J*suiten Adam Tanner (1572-1632) der Öffentlichkeit vorgetragene Kritik am Hexenprozess wurde wenig später begeistert von seinem rheinischen Ordensbruder Friedrich Spee (1591-1635) aufgenommen und radikalisiert. Spees anonym publizierte `Cautio criminalis` von 1631 stellt, begleitet von einer scharfen Anklage der Geistlichkeit und der Territorialfürsten, den Leser unausgesprochen vor die schrecklichste aller Wahrheiten, daß alle `Hexen` unschuldig umgebracht worden waren und daß es sie überhaupt nicht gab. Auch die Konfessionsgegner haben die Argumentation der beiden J*suiten übernommen und sich auf sie berufen.
Der Rintelner Jurist Hermann Goehausen (1593-1632), heimlicher Katholik unter Protestanten, ließ 1630 ein Werk in Druck gehen, das nach Form und Inhalt zu den abgeschmacktesten Werken der Hexenliteratur zählt. Es ist der `Processus juridicus contra sagas et veneficos; Das ist: rechtlicher Proceß/Wie man gegen Vnholdten vnd Zauberische Personen verfahren soll`. Spee hat dieses Werk mit Entrüstung zitiert.
Benedikt Carpzov (1595-1666), der Leipziger Schöppe, Begründer einer deutschen Rechtswissenschaft und des evangelischen Kirchenrechts, hat es unternommen, das geltende Recht theoretisch darzustellen. Dies gilt in besonderem Maße für seine `Practica nova Imperialis saxonica rerum criminalium`, die 1635 erschien. Das Werk erfuhr weit über zehn Auflagen und hat ein Jahrhundert lang die deutsche Strafrechtspflege weit über den sächsischen Raum hinaus beherrscht und die unbedingte Autorität seines Verfassers begründet. In seiner Deliktbeschreibung der Hexerei argumentiert Carpzov gegen Weyer und gelangt zu einer Tatbestandsauffassung von Hexerei, die sich am `Hexenhammer` orientiert. Auch das von ihm entworfene Verfahren schränkt die Verteidigungsmöglichkeit ein.
Gleichwohl hat ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Rechtswissenschaft weiterhin für ein ordentliches Verfahren auch und gerade im Hexenprozess gestritten. Neben David Mevius bleibt der von Spee beeinflusste Tübinger Jurist Erich Mauritius (1631-1691) zu nennen. Mauritius zeigt sich ganz jenem auf der Basis der `Carolina` entwickelten Strafprozess verpflichtet, den die Zeitgenossen als `processus ordinarius` begriffen. Er lehnt entschieden die typischen Indizien der Hexerei ab, die im Verlauf der Hexenverfolgung Unzählige das Leben kosteten.
Die Zahl der Niederländer, die den Hexenprozessen mit Ablehnung begegneten ist beachtlich. Unter ihnen nimmt der reformierte Theologe Balthasar Bekker (1634-1698) eine Sonderstellung ein. Er bestreitet nicht nur den Glauben an dämonische Kräfte, Zauberei und Hexerei, sondern stellt in seiner `De betoverde weereld` die Existenz von Dämonen überhaupt in Frage.
Mit Bekker ist bereits die Schlußphase des literarischen Kampfes um die Hexenverfolgung erreicht. Bekkers Gedanken wurden von Chr*stian Thomasius (1655-1728) für seine juristische Beweisführung übernommen.
Thomasius hat neben dem Verfahren auch das wesentliche Tatbestandsmerkmal der Hexerei und Zauberei, den Teufelspakt, ins Wanken gebracht, indem er dem Teufel jeden Einfluß in materiellen Dingen absprach. Das geschah am 12. November 1701, als der Respondent Johannes Reiche im Auditorium maior zu Halle die Thesen der von Thomasius verfassten Dissertation `De crimine magiae` verteidigte. Thomasius Gegner stammten zumeist aus dem Lager der lutherischen Orthodoxie. Erst im Verlauf einer Generation gewannen seine Ansichten die Oberhand. Im katholischen Lager entspann sich nach der Hinrichtung der Subpriorin M. R. Singer in Würzburg 1749 eine heftige literarische Kontroverse, die als sogenannter `Bayrischer Hexenkrieg` in Deutschland für Aufregung sorgte. Der `Hexenkrieg` war jedoch nicht nur ein literarisches Nachhutgefecht, sondern hatte durchaus Bezug zum realen Hexenglauben: Die letzte Verbrennungsserie fand zwischen 1749 und 1756 statt, 1766 wurde im Hochstift Augsburg ein Zauberer hingerichtet, und noch 1775 erfolgte im Fürststift Kempten eine Hinrichtung.