21.08.12005, 11:31
Die neun Sonnen
Hier zwei japanische Mythen, die auch hierzulande bekannt sind und die sich beide um Sunna, die Sonne drehen. Interressant ist die zweite Geschichte auch deshalb, weil man in Japan gar kein jahreszeitlich bedingtes "Sonnenverschwinden" kennt. Die Mythe von der geraubten Sonne gibt es trotzdem. :-)
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Zur Zeit der Regierung des Kaisers Ikume gingen eines Tages neun Sonnen am Himmel auf.
Man befragte deshalb die Sterndeuter, und diese sagten:
"Die eine Sonne, die nach Norden zu etwas von den übrigen Sonnen getrennt am Himmel steht, ist die echte Sonne. Die südlich davon dicht nebeneinander stehenden Sonnen sind Krähen, die die Gestalten von Sonnenscheiben annahmen. Da eine Krähe nicht sehr hoch über der Erde fliegen kann, befinden sich die falschen Sonnenscheiben in Bogenschußreichweite, und man kann sie herabschießen lassen."
Um das Reich vor Schaden zu bewahren, erstattete man ehrfurchtsvoll Bericht an den Thron, und es wurde darauf ein Edikt erlassen, daß die acht besten Bogenschützen des Reiches an den Hof geschickt werden sollten.
Im Kreise Irumagori im Lande Musashi errichtete man für diese Schützen ein hohes Gerüst und ließ sie dieses auf einer darangelegten Leiter ersteigen. Seit jener Zeit kam der Gebrauch von Leitern bei unserem Volke auf. Am zehnten Tag des zweiten Monats im achtzehnten Jahre seiner Regierung begab sich der Herrscher nach dem Lande Musashi, um dem Abschuß der Sonnen dort beizuwohnen.
Jeder der Schützen band geweihtes Götterpapier an seinen Pfeil. Jeder Pfeil traf eine der acht falschen Sonnen. Auf Tsukushi im Kreise Miyazakigori des Landes Hiuga fielen die Sonnen getroffen zur Erde. Der Kaiser begab sich darauf wieder zurück in seinen Palast in Naniwa und befahl, die abgeschossenen Sonnen zu untersuchen. Man fand acht große Krähen. Als man ihnen die Köpfe abschnitt, fand man in jedem Kopf ein Juwel. Sieben dieser Juwele verteilte man an sieben Schreine, das achte wurde der kaiserlichen Schatzkammer einverleibt.
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Der Raub der Sonnengöttin
Einmal fing ein Dämon die Sonnengöttin.
In sechs Steinkisten, die in sechs Metallkisten standen, welche wiederum von sechs hölzernen Kisten umschlossen waren, sperrte er sie ein und zog darum sechs Zäune aus Holz, sechs Zäune aus Metall und sechs Zäune aus Stein. Deshalb herrschte auf der Welt Nacht. Da befiel Götter und Menschen große Müdigkeit, und viele von ihnen fielen in einen solch tiefen Schlaf, daß sie nicht mehr daraus erwachten und dieser Schlaf ihr Todesschlaf wurde.
Da versammelten sich die Götter und hielten einen Rat, wie man die Sonnengöttin befreien könne. Die schwachen Götter blieben gleich zu Anfang sitzen und zogen nicht mehr weiter, die stärkeren Götter machten auf halbem Wege Halt, und nur die stärksten Götter gelangten bis zu der Umzäunung und setzten sich dort nieder. Da fing der Dämon diese Götter allesamt und zog sie in seine Behausung hinein. Dort verwandelte er sie alle in kleine Wickelkinder.
Rechts der Feuerstelle hängte er sechzig Wiegen auf, links der Feuerstelle hängte er sechzig Wiegen auf. In die Wiegen legte er die laut schreienden Götter und trieb seine Späße mit ihnen, indem er sie verhöhnte.
Da sandten die anderen Götter Kemushiri-nupuri-Kamui, den G*tt des Berges Kemushiri, als Boten an Ainu-rakkuru-Kamui, den G*tt, der über allen Göttern steht, einen Helden, wie es keinen zweiten im Himmel und auf Erden gibt, und sie baten ihn flehentlich um Hilfe.
Ainu-rakkuru-Kamui sagte nur:
"Ihr Menschen, macht euch keine Sorgen."
Drei Tage brauchte er, um sich die Beinschiene an den einen Schenkel zu binden, zwei weitere Tage, um die Schiene des anderen Beines zu befestigen. Dann legte er den von göttlichem Rost bedeckten Götterpanzer an, gürtete sein Schwert, band einen goldenen Gürtel um und setzte seinen rauchgeschwärzten Helm auf. Dann bestieg er zusammen mit Kemushiri-nupuri-Kamui seine Göttersänfte und fuhr damit zum Himmel empor. Mit einem Gepolter fuhren sie daher, daß Erde und Himmel erbebten und Dörfer und Flecken in Trümmer zu fallen drohten.
Näher und näher kamen sie dem Platz, da der Dämon hauste. Unvermindert lärmend umkreisten sie die Umzäunung. Plötzlich - wie ein Sturmwind - schlüpften sie hinein.
Drinnen im Hause hingen zu beiden Seiten die zweimal sechzig Wiegen, in denen die zu Wickelkindern verwandelten Götter lagen und kläglich schrien; ganz hinten im letzten Zimmer standen die Kisten, in denen die Sonnengöttin eingesperrt war.
Während der Dämon mit gekrümmtem Rücken die Götter verhöhnte und die Wiegen schaukelte, erbrachen die beiden die hölzernen Kisten, die metallenen Kisten und die steinernen Kisten, rissen die Sonnengöttin heraus und eilte mit ihr davon.
Mit lauten Schimpfworten verfolgte sie der Dämon, doch Ainu-rakkuru-Kamui erhob seinen Fuß und zertrümmerte mit einem einzigen kräftigen Tritt das Haus des Dämons, daß die Trümmer laut krachend in alle Winde davonflogen.
Plötzlich trat ihm ein großes Gespenst mit einem Auge so klein wie ein Sesamkorn und mit eine zweiten Auge so groß wie der Vollmond - entgegen, umklammerte die Sonnengöttin und versuchte, sie an sich zu reißen.
Hurtig und behende formte der G*tt Ainu-rakkuru-Kamui aus Wolken ein Schiff, band die Sonnengöttin an den Mast und stieß das Schiff weit hinaus den blauen Himmel.
Da wurde die Welt plötzlich wieder erleuchtet und hell. Dann überwältigten die beiden Götter den Dämon und verbannten ihn tief unter die Erde in die sechste Unterwelt (Hel).
Hier zwei japanische Mythen, die auch hierzulande bekannt sind und die sich beide um Sunna, die Sonne drehen. Interressant ist die zweite Geschichte auch deshalb, weil man in Japan gar kein jahreszeitlich bedingtes "Sonnenverschwinden" kennt. Die Mythe von der geraubten Sonne gibt es trotzdem. :-)
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Zur Zeit der Regierung des Kaisers Ikume gingen eines Tages neun Sonnen am Himmel auf.
Man befragte deshalb die Sterndeuter, und diese sagten:
"Die eine Sonne, die nach Norden zu etwas von den übrigen Sonnen getrennt am Himmel steht, ist die echte Sonne. Die südlich davon dicht nebeneinander stehenden Sonnen sind Krähen, die die Gestalten von Sonnenscheiben annahmen. Da eine Krähe nicht sehr hoch über der Erde fliegen kann, befinden sich die falschen Sonnenscheiben in Bogenschußreichweite, und man kann sie herabschießen lassen."
Um das Reich vor Schaden zu bewahren, erstattete man ehrfurchtsvoll Bericht an den Thron, und es wurde darauf ein Edikt erlassen, daß die acht besten Bogenschützen des Reiches an den Hof geschickt werden sollten.
Im Kreise Irumagori im Lande Musashi errichtete man für diese Schützen ein hohes Gerüst und ließ sie dieses auf einer darangelegten Leiter ersteigen. Seit jener Zeit kam der Gebrauch von Leitern bei unserem Volke auf. Am zehnten Tag des zweiten Monats im achtzehnten Jahre seiner Regierung begab sich der Herrscher nach dem Lande Musashi, um dem Abschuß der Sonnen dort beizuwohnen.
Jeder der Schützen band geweihtes Götterpapier an seinen Pfeil. Jeder Pfeil traf eine der acht falschen Sonnen. Auf Tsukushi im Kreise Miyazakigori des Landes Hiuga fielen die Sonnen getroffen zur Erde. Der Kaiser begab sich darauf wieder zurück in seinen Palast in Naniwa und befahl, die abgeschossenen Sonnen zu untersuchen. Man fand acht große Krähen. Als man ihnen die Köpfe abschnitt, fand man in jedem Kopf ein Juwel. Sieben dieser Juwele verteilte man an sieben Schreine, das achte wurde der kaiserlichen Schatzkammer einverleibt.
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Der Raub der Sonnengöttin
Einmal fing ein Dämon die Sonnengöttin.
In sechs Steinkisten, die in sechs Metallkisten standen, welche wiederum von sechs hölzernen Kisten umschlossen waren, sperrte er sie ein und zog darum sechs Zäune aus Holz, sechs Zäune aus Metall und sechs Zäune aus Stein. Deshalb herrschte auf der Welt Nacht. Da befiel Götter und Menschen große Müdigkeit, und viele von ihnen fielen in einen solch tiefen Schlaf, daß sie nicht mehr daraus erwachten und dieser Schlaf ihr Todesschlaf wurde.
Da versammelten sich die Götter und hielten einen Rat, wie man die Sonnengöttin befreien könne. Die schwachen Götter blieben gleich zu Anfang sitzen und zogen nicht mehr weiter, die stärkeren Götter machten auf halbem Wege Halt, und nur die stärksten Götter gelangten bis zu der Umzäunung und setzten sich dort nieder. Da fing der Dämon diese Götter allesamt und zog sie in seine Behausung hinein. Dort verwandelte er sie alle in kleine Wickelkinder.
Rechts der Feuerstelle hängte er sechzig Wiegen auf, links der Feuerstelle hängte er sechzig Wiegen auf. In die Wiegen legte er die laut schreienden Götter und trieb seine Späße mit ihnen, indem er sie verhöhnte.
Da sandten die anderen Götter Kemushiri-nupuri-Kamui, den G*tt des Berges Kemushiri, als Boten an Ainu-rakkuru-Kamui, den G*tt, der über allen Göttern steht, einen Helden, wie es keinen zweiten im Himmel und auf Erden gibt, und sie baten ihn flehentlich um Hilfe.
Ainu-rakkuru-Kamui sagte nur:
"Ihr Menschen, macht euch keine Sorgen."
Drei Tage brauchte er, um sich die Beinschiene an den einen Schenkel zu binden, zwei weitere Tage, um die Schiene des anderen Beines zu befestigen. Dann legte er den von göttlichem Rost bedeckten Götterpanzer an, gürtete sein Schwert, band einen goldenen Gürtel um und setzte seinen rauchgeschwärzten Helm auf. Dann bestieg er zusammen mit Kemushiri-nupuri-Kamui seine Göttersänfte und fuhr damit zum Himmel empor. Mit einem Gepolter fuhren sie daher, daß Erde und Himmel erbebten und Dörfer und Flecken in Trümmer zu fallen drohten.
Näher und näher kamen sie dem Platz, da der Dämon hauste. Unvermindert lärmend umkreisten sie die Umzäunung. Plötzlich - wie ein Sturmwind - schlüpften sie hinein.
Drinnen im Hause hingen zu beiden Seiten die zweimal sechzig Wiegen, in denen die zu Wickelkindern verwandelten Götter lagen und kläglich schrien; ganz hinten im letzten Zimmer standen die Kisten, in denen die Sonnengöttin eingesperrt war.
Während der Dämon mit gekrümmtem Rücken die Götter verhöhnte und die Wiegen schaukelte, erbrachen die beiden die hölzernen Kisten, die metallenen Kisten und die steinernen Kisten, rissen die Sonnengöttin heraus und eilte mit ihr davon.
Mit lauten Schimpfworten verfolgte sie der Dämon, doch Ainu-rakkuru-Kamui erhob seinen Fuß und zertrümmerte mit einem einzigen kräftigen Tritt das Haus des Dämons, daß die Trümmer laut krachend in alle Winde davonflogen.
Plötzlich trat ihm ein großes Gespenst mit einem Auge so klein wie ein Sesamkorn und mit eine zweiten Auge so groß wie der Vollmond - entgegen, umklammerte die Sonnengöttin und versuchte, sie an sich zu reißen.
Hurtig und behende formte der G*tt Ainu-rakkuru-Kamui aus Wolken ein Schiff, band die Sonnengöttin an den Mast und stieß das Schiff weit hinaus den blauen Himmel.
Da wurde die Welt plötzlich wieder erleuchtet und hell. Dann überwältigten die beiden Götter den Dämon und verbannten ihn tief unter die Erde in die sechste Unterwelt (Hel).
Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!