Unter-Gang
#1
<span style='color:green'>Unter-Gang</span>


<span style='color:green'>Unter Tage, ohne Morgen
Feuersprühnd kristallnes Funkeln
Sonnen bleiben oft verborgen
Heimlich glühnd im Dunkeln.

Schiffe, die an Eisbergen zerschellen
Bersten nicht an deren Spitzen
Die Geheimnisse des Ozeans sitzen
Unter und nicht auf den Wellen.

Schau, die hochgewachsnen Linden
Blicke tiefer, du wirst finden
Nicht dort, wo die Vögel wohnen,

Nicht die weiten Blätterkronen
Sind`s, was Wachstum schafft
In der Wurzel liegt die Kraft.

Und des Klanges sanften Reigen
Versteht nur, wer einst in Stille eingetaucht
Manche Antwort liegt im Schweigen
Viel zu viele Worte werden oft gebraucht.

Oberflächenbeiwerk, Schmuck, Gewand
Gleich der Schale um die Nuß
Ist nur Hülle, nichts als Tand
Der vergehn, verfallen muß.

So sind Menschen, so sind wir
Mehr, ganz anders, glaube mir
Als nur das, was leicht erkennbar,

Sind nicht einzeln, sind untrennbar
Müssen, woll`n wir wirklich leben
Nicht nur aufwärts, auch nach unten streben.

Tiefe birgt die wahrhaft großen Schätze
Stille, Meer und Mensch und Wald
Suchend lausche, schweig, erkenne bald
Gut versteckt ruhen die schönsten Plätze.

Morpheus` Reich in finstrer Nacht
Todes Bruders Traumestiefen
War`n uns Wahrheit, als wir schliefen
Demaskiert, nachdem wir aufgewacht.

Schließ die Augen und dann sehe
Wesensinnerstes verstehe
Mensch liegt unter Haut und Knochen,

Zeigt sich, wenn erst aufgebrochen
Die Geode spielt nur Stein
Das, was sichtbar - meist nur Schein.

Unter Tage, ohne Morgen
Feuersprühnd kristallnes Funkeln
Sonnen bleiben oft verborgen
Heimlich glühnd im Dunkeln...</span>
Zitieren
Es bedanken sich:
#2
Hey das ist gut, Abnoba! Selbstgeschrieben? Alle Achtung! Es hört sich vom Stil her wie ein Körner Gedicht an, das ich seit Jahren sehr schätze. Dein Gedicht ist zwar noch etwas geheimnissvoller, und hört sich wohl eher nach Zwergen (als nach Bergleuten) an - aber irgendwo ist es ja dasselbe.

Hier hör' mal!


Bergmannsleben

In das ew´ge Dunkel nieder
Steigt der Knappe, der Gebieter
Einer unterird´schen Welt.
Er, der stillen Nacht Gefährte,
Atmet tief im Schoß der Erde,
Den kein Himmelslicht erhellt.
Neu erzeugt mit jedem Morgen
Geht die Sonne ihren Lauf.
Ungestört ertönt der Berge
Uralt Zauberwort: »Glück auf!«


Da umschwebt uns heil´ges Schweigen,
Und aus blauen Flammen steigen
Geister in die grause Nacht.
Doch ihr eignes Tun verschwindet;
Fester sind sie uns verbündet,
Bauen uns den düstern Schacht.
Nimmer können sie uns zwingen,
Und sie hält ein ew´ger Bann:
Wir bekämpfen alle Mächte
Durch der Mutter Talisman.


Auch die lieblichen Najaden,
Die im reinen Quell sich baden,
Stürzen hilfreich in die Gruft,
Mit den zauberischen Händen
Das gewalt´ge Rad zu wenden,
Und es rauscht in ferner Kluft.
Selbst Vulkan, der Eisenbänd´ger,
Reicht uns seine Götterhand,
Und durch seines Armes Stärke
Zwingen wir das Mutterland.


Auch mit Proserpinens Gatten,
Mit dem schwarzen Fürst der Schatten,
Flechten wir den ew´gen Bund,
Und er läßt auf schwankem Steige
Eingehn uns in seine Reiche,
In des Todes grausen Schlund.
Doch der Weg ist uns geöffnet
Wieder auf zum goldnen Licht,
Und wir steigen aus der Tiefe,
Denn der G*tt behält uns nicht.


Durch des Stollen weite Länge,
Durch das Labyrinth der Gänge
Wandern wir den sichern Weg.
Über nie erforschte Gründe,
Über dunkle Höllenschlünde
Leitet schwankend uns der Steg.
Ohne Grauen, ohne Zaudern
Dringen wir in´s düstre Reich,
Führen auf metallne Wände
Jauchzend den gewalt´gen Streich.

Unter unsers Hammers Schlägen
Quillt der Erde reicher Segen
Aus der Felsenkluft hervor.
Was wir in dem Schacht gewonnen,
Steigt zum reinen Glanz der Sonnen
Zu des Tages Licht empor.
Herrlich lohnt sich unser Streben,
Bringet eine goldne Welt
Und des Demants Pracht zu Tage,
Die in finstrer Tiefe schwellt.

In der Erde dunklem Schoße
Blühen uns die schönsten Lose,
Strahlet uns ein göttlich Licht.
Einst durch düstre Felsenspalten
Wird es seinen Sitz entfalten;
Aber wir erblinden nicht.
Wie wir treu der Mutter bleiben,
Lebend in dem düstern Schacht,
Hüllt uns in der Mutter Schleier
Einst die ewig lange Nacht.

Theodor Körner (ein echter Dresdner)
Sei!
Zitieren
Es bedanken sich:
#3
Oho, das ist wirklich wunderschön und war mir bisher gänzlich unbekannt.
Inhaltlich war mir lediglich der Aufenthalt in der Natur Inspiration. Was die Versform anbelangt, der gute Baudelaire. Fettes Grinsen
Zitieren
Es bedanken sich:
#4
ich bin nach langer zeit mal wieder anwesend.die beiden gedichte sind sehr sehr schön und es lässt sich gut darüber nachdenken. (ich hoffe, in nächster zeit wieder öfter hier zu sein, denn ich war aus persönlichen gründen ja doch etwas länger nicht hier. munin und hugin werden vielleicht wissen was gemeint ist.)


Gatanya
Zitieren
Es bedanken sich:


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Termine

Nächster Vollmond ist in 17 Stunden und 59 Minuten am 15.11.12024, 23:29
Nächster Neumond ist in 16 Tagen und 2 Stunden am 01.12.12024, 08:22
Letzter Neumond war vor 13 Tagen und 14 Stunden