11.08.12006, 13:24
Ich bin mir nach wie vor nicht ganz schlüssig, ob der nachfolgende Text nicht eher in den Gedanken-Ordner passt, denn gar so satirisch finde ich ihn gar nicht. Da es sich bei seinem Verfasser allerdings um einen Satiriker handelte... naja, jetzt steht er jedenfalls hier.
Vogelfreiheit
Es passierte in Bologna: Tierfreunde versuchten Vögel aus dem Zoo zu befreien.
Sie schlichen sich an einem Tag, an dem der Zoo geschlossen war, an die Käfige von Pfauen, Fasanen und Tauben, öffneten sie und liefen davon. Dann haben sie eine Nachrichtenagentur angerufen, um die Befreiungsaktion bekanntzumachen. Als die Journalisten an Ort und Stelle recherchierten, zeigte sich, daß die Vögel alle noch in ihren Volieren waren - sie dachten gar nicht daran, in die Freiheit zu türmen.
Man kann diese Geschichte auf verschiedene Arten interpretieren. Man kann sagen: Die armen Tiere mit ihren Vogelgehirnen haben gar nicht begriffen, welche Chance sich ihnen da bietet.
Es sollte ähnliches auch Menschen schon passiert sein.
Man kann auch über die Sklavenmentalität meditieren - die Vögel waren wohl schon lange in ihren Käfigen, vielleicht wurden sie gar da geboren und konnten sich kein anderes Leben als in der Gefangenschaft vorstellen.
Auch solche Einstellung ist den Menschen nicht unbekannt.
Es ist aber auch gut möglich, daß alles anders war; daß die Vögel sehr wohl verstanden haben, welche Gelegenheit ihnen die offenen Türen eröffneten, beschlossen jedoch - wohlüberlegt -, lieber im Zoo zu bleiben.
Ich weiß, daß diese Überlegung sehr unmodern, ja reaktionär ist, es gibt jedoch eine Reihe guter Argumente, die für sie sprechen: Im Käfig sind die Vögel in Sicherheit, werden vor Kälte und Hitze, vor Tieren und Menschen geschützt, und sie werden regelmäßig gefüttert. Und das einzige, was sie dafür bekommen, ist die Freiheit.
Freiheit ist ein abstrakter Begriff, der den meisten Vögeln - wenn es nicht gerade Adler sind - genausowenig bedeutet wie den meisten Menschen. Der Unterschied ist nur, daß die Vögel ihre Schnäbel nicht so weit aufreißen, um die Freiheit in höchsten Tönen zu besingen.
Tatsächlich - was können Pfaue, Fasanen und Tauben in Bologna mit ihrer Freiheit anfangen?
Am besten wären noch die Tauben dran: Sie könnten in der Stadt leichter als die anderen Vögel Futter finden und nicht so leicht eingefangen werden. Sie könnten auch ohne Schwierigkeiten irgendwohin wegfliegen, sozusagen emigrieren - wenn es ihnen gelungen wäre, den eifrigen italienischen Jägern auszuweichen.
Fasanen mit ihrem schmackhaften Fleisch und die schönen, aber ungeschickten Pfaue hätten in der Freiheit keine Überlebenschance gehabt. Sie wären Hunden, Kindern, Jägern, wilden Automobilisten und, im Endeffekt, Köchen - Bologna ist ja für seine Küche berühmt - ausgeliefert!
So gesehen, war die Entscheidung der Vögel klug und ganz menschlich.
Man muß aber auch über jene Tierfreunde nachdenken, die sie befreien wollten. Sie handelten sicher in der besten Absicht. Sie gaben sich die Mühe, über den Zaun in den verschlossenen Zoo zu steigen, riskierten dabei ihre eigene Freiheit. Sie haben aber gar nicht überlegt, ob sie den Vögeln damit einen Gefallen tun. Sie waren von ihrem Begriff der Freiheit so überzeugt, daß sie sich wohl keine Gedanken darüber machten, was mit den Vögeln geschieht, wenn sie erst vogelfrei sind.
Diese Gleichgültigkeit dem weiteren Schicksale der Befreiten gegenüber scheint ein allgemeiner Mangel all jener zu sein, die irgend jemanden partout befreien wollen, ohne ihn gefragt zu haben, ob er es will. Auch dies ist ein sehr reaktionärer Gedanke. Vielleicht wird man mir ihn widerlegen.
G. Laub
Vogelfreiheit
Es passierte in Bologna: Tierfreunde versuchten Vögel aus dem Zoo zu befreien.
Sie schlichen sich an einem Tag, an dem der Zoo geschlossen war, an die Käfige von Pfauen, Fasanen und Tauben, öffneten sie und liefen davon. Dann haben sie eine Nachrichtenagentur angerufen, um die Befreiungsaktion bekanntzumachen. Als die Journalisten an Ort und Stelle recherchierten, zeigte sich, daß die Vögel alle noch in ihren Volieren waren - sie dachten gar nicht daran, in die Freiheit zu türmen.
Man kann diese Geschichte auf verschiedene Arten interpretieren. Man kann sagen: Die armen Tiere mit ihren Vogelgehirnen haben gar nicht begriffen, welche Chance sich ihnen da bietet.
Es sollte ähnliches auch Menschen schon passiert sein.
Man kann auch über die Sklavenmentalität meditieren - die Vögel waren wohl schon lange in ihren Käfigen, vielleicht wurden sie gar da geboren und konnten sich kein anderes Leben als in der Gefangenschaft vorstellen.
Auch solche Einstellung ist den Menschen nicht unbekannt.
Es ist aber auch gut möglich, daß alles anders war; daß die Vögel sehr wohl verstanden haben, welche Gelegenheit ihnen die offenen Türen eröffneten, beschlossen jedoch - wohlüberlegt -, lieber im Zoo zu bleiben.
Ich weiß, daß diese Überlegung sehr unmodern, ja reaktionär ist, es gibt jedoch eine Reihe guter Argumente, die für sie sprechen: Im Käfig sind die Vögel in Sicherheit, werden vor Kälte und Hitze, vor Tieren und Menschen geschützt, und sie werden regelmäßig gefüttert. Und das einzige, was sie dafür bekommen, ist die Freiheit.
Freiheit ist ein abstrakter Begriff, der den meisten Vögeln - wenn es nicht gerade Adler sind - genausowenig bedeutet wie den meisten Menschen. Der Unterschied ist nur, daß die Vögel ihre Schnäbel nicht so weit aufreißen, um die Freiheit in höchsten Tönen zu besingen.
Tatsächlich - was können Pfaue, Fasanen und Tauben in Bologna mit ihrer Freiheit anfangen?
Am besten wären noch die Tauben dran: Sie könnten in der Stadt leichter als die anderen Vögel Futter finden und nicht so leicht eingefangen werden. Sie könnten auch ohne Schwierigkeiten irgendwohin wegfliegen, sozusagen emigrieren - wenn es ihnen gelungen wäre, den eifrigen italienischen Jägern auszuweichen.
Fasanen mit ihrem schmackhaften Fleisch und die schönen, aber ungeschickten Pfaue hätten in der Freiheit keine Überlebenschance gehabt. Sie wären Hunden, Kindern, Jägern, wilden Automobilisten und, im Endeffekt, Köchen - Bologna ist ja für seine Küche berühmt - ausgeliefert!
So gesehen, war die Entscheidung der Vögel klug und ganz menschlich.
Man muß aber auch über jene Tierfreunde nachdenken, die sie befreien wollten. Sie handelten sicher in der besten Absicht. Sie gaben sich die Mühe, über den Zaun in den verschlossenen Zoo zu steigen, riskierten dabei ihre eigene Freiheit. Sie haben aber gar nicht überlegt, ob sie den Vögeln damit einen Gefallen tun. Sie waren von ihrem Begriff der Freiheit so überzeugt, daß sie sich wohl keine Gedanken darüber machten, was mit den Vögeln geschieht, wenn sie erst vogelfrei sind.
Diese Gleichgültigkeit dem weiteren Schicksale der Befreiten gegenüber scheint ein allgemeiner Mangel all jener zu sein, die irgend jemanden partout befreien wollen, ohne ihn gefragt zu haben, ob er es will. Auch dies ist ein sehr reaktionärer Gedanke. Vielleicht wird man mir ihn widerlegen.
G. Laub