04.02.12007, 22:43
Im Auftrag von Muninn, aus der FAS vom 17. Dezember 2006:
Der Bananenquark in der Bückzone
Man geht los, um Salat und Joghurt zu kaufen, und kommt mit einem Zahnstocherspender wieder. Wem das passiert, der darf sich trösten: Schoppingforscher haben hart daran gearbeitet.
Was passiert, wenn Sie in einen Supermarkt gehen und ein Sixpack Bier und einen Beutel Chips in den Einkaufswagen legen? Gratuliere! Dann haben Sie nämlich „durch Verarbeitung komplexer Felder von In-Laden-Reizen multiple Kaufziele erreicht“. Mit der Hirnleistung, mit der Sie aus über dreißig Sorten Chips ausgerechnet „Cheese & Onion“ ausgewählt haben, haben Sie noch ganz andere Gleichungen gelöst. Und wenn sich nach dem Kauf herausstellt, daß Sie Zwiebeln gar nicht mögen, beseitigt ein „Supressormodul“ die „kognitive Nachkaufdissonanz“.
Schopping hat zu Unrecht den Ruf, eine anspruchslose Tätigkeit zu sein. In Wahrheit ist es wohl die am meisten unterschätzte Kulturtechnik unserer Zeit.
Legen Sie die Chips und das Bier ruhig ins Regal zurück, und kommen Sie mit auf eine Einkaufstour in einem Supermarkt. Dabei erfahren Sie, warum die Wissenschaft die Wildnis der Wühltische als Forschungsgebiet entdeckt hat, weshalb der Zucker in der Bückzone steht und wie dieser Zahnstocherspender in Ihrem Wagen landen konnte.
Einkaufswagen, Korb oder Hände?
Jeder Einkauf beginnt mit einem Einkaufszettel. Auf Ihrem steht: Salat, Bier, Konfitüre, Zahnpasta, Ahornsirup, Toilettenpapier, Kugelschreiber. Jetzt kommt die Grundsatzfrage: Wagen, Korb oder Hände? „Die Tatsache, daß die meisten Schopper zwei Hände haben, ist allgemein bekannt. Die Folgen daraus hingegen werden ignoriert“, sagt Paco Underhill. Underhill ist der wohl bekannteste einer ganzen Reihe von Sozialpsychologen, Neuroforschern und Spieltheoretikern, die Schopping zur Wissenschaft erklärt haben. Seine Beratungsfirma Envirosell unterhält Büros in New York, Mailand, Tokio und Mexiko-Stadt.
Bei einer Untersuchung für eine amerikanische Drogeriekette stellte Underhill fest, daß weniger als zehn Prozent der Kunden an der Kasse einen Korb hätten. Viele hielten Fläschchen und Schachteln umständlich in den Händen. Warum hatten sie keinen Korb genommen? Weil sie nur gekommen waren, um ein Aspirin zu kaufen. Erst beim Gang durch den Laden entschieden sie sich auch noch für das Schaumbad und das Mückenspray. Underhill schlug vor, die Angestellten sollten jedem Kunden, der mehr als zwei Produkte in den Händen trage, automatisch einen Korb anbieten. Der Durchschnittseinkauf pro Kopf stieg sofort an.
Sie entscheiden sich für einen Wagen. Dadurch haben Sie das Schoppingpotential maximal gewählt. Den Einfluß der Wagengröße auf Ihren Einkauf sollten Sie nicht unterschätzen. Nachdem Underhill beobachtet hatte, daß beim amerikanischen Haushaltswarengeschäft Pfaltzgraff viele Kunden mit übervollen Wagen an der Kasse ankamen, empfahl er den Einsatz von vierzig Prozent größeren Modellen. Auch diese Umstellung führte zu einem markanten Umsatzwachstum.
Größer als unbedingt nötig sollten die Wagen aber auch nicht sein, denn ihre Dimension wirkt sich direkt auf das Ladendesign und damit auf die Flächenproduktivität – den Umsatz pro Quadratmeter – aus. Durch die Wagengröße definiert sich die minimale Gangbreite: 180-Liter-Wagen beispielsweise sind etwa 70 Zentimeter breit; damit zwei Wagen problemlos aneinander vorbeikommen können, müssen die schmalsten Gänge mindestens 1,60 Meter breit sein.
Haben Sie Ihren Einkaufswagen? Schieben Sie los. Welche Produkte sollten Ihnen idealerweise gleich zu Beginn präsentiert werden? Die empirisch fundierte Antwort lautet: gar keine. In der Brems- oder Dekompressionszone, wie Ladenplaner den Bereich nach dem Eingang nennen, müssen sich die Kunden erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen. Trotzdem glauben immer noch viele Händler, daß sich Artikel im Eingangsbereich besonders gut verkaufen. Das Gegenteil ist der Fall. Ganz egal, was dort plaziert wird, die meisten Kunden gehen achtlos daran vorbei.
Der Mann als Schoppingproblem
Die Bremszone eignet sich eigentlich nur dazu, die Männer loszuwerden. Männer, das gilt als gesichert, sind ein Problem, wenn es um Schopping geht. Abgesehen von einzelnen Produktkategorien wie elektronischen Geräten oder Werkzeugen ist Schopping Frauensache.
Selbst jenen hedonistischen Männern, die mal eben ein Parfum kaufen, traut man in dieser Sache nicht viel zu. Parfum- und Kosmetikabteilungen liegen meist im Eingangsbereich, damit die Männer kaufen und dann gleich wieder gehen können. Der geschlechtstypische Zug, die Sache möglichst schnell hinter sich zu bringen, kann für Händler allerdings auch positive Seiten haben. Eine Studie von Paco Underhill ergab: 65 Prozent aller Männer kaufen die Jeans, die sie in die Umkleidekabine mitgenommen haben, aber nur 25 Prozent der Frauen. Underhill rät, den Weg zu den Umkleidekabinen deutlich auszuschildern. Wenn ein Mann sie nicht sofort finde, könne er auf die Idee kommen, daß sich die ganze Mühe nicht lohnt.
Schlimmer noch als der Mann alleine ist der Mann, der eine Frau begleitet. Bei Zeitmessungen in einer amerikanischen Haushaltswarenkette blieben Frauen in Begleitung anderer Frauen durchschnittlich 8 Minuten und 15 Sekunden im Laden. Frauen in Begleitung von Männern nur 4 Minuten und 41 Sekunden. Da kein anderer Faktor sich stärker auf die Größe eines Einkaufs auswirkt als die Aufenthaltszeit im Laden, vernichten die Männer durch ihre bloße Anwesenheit wertvollen Umsatz. Sie verhindern, daß Frauen ihr volles Schoppingpotential entfalten können. „Man sollte eine Theke schaffen, an der Frauen ihre Ehemänner abgeben können, genau wir ihre Mäntel“ sagt Underhill. „Je nach Größe des Ladens braucht es Kurzzeit- und Langzeitparkplätze für die Männer.“ Kurzzeitparkplätze sind Sitzgruppen in den einzelnen Abteilungen, wo sich gelangweilte Männer hinsetzen und den Sportteil lesen, als Langzeitparkplatz ist das Café gedacht, das heute Bestandteil fast jedes größeren Warenhauses ist. Zu Hause sollen die Männer allerdings auch nicht bleiben: Unter Marketingexperten heißen sie „Brieftaschenträger“.
Der Kopfsalat sorgt für Kundenfrequenz
Sie haben die Bremszone durchschritten und das Männerproblem gelöst. Der Einkaufswagen ist immer noch leer. In den meisten Supermärkten landen Sie jetzt unweigerlich bei den Früchten und dem Gemüse. Das hat vor allem drei Gründe: Die marktähnliche Atmosphäre wirkt einladend, sie hebt die Supermärkte von den Discountern ab, die keine oder nur wenig Frischwaren anbieten, und sie sorgt für eine hohe Kundenfrequenz. Im Gegensatz zu Konserven können Sie Kopfsalat nicht für die nächsten drei Monate auf Vorrat kaufen. Frischeprodukte verlangen von Ihnen, daß Sie den Laden in kurzen Abständen besuchen. Und dabei fällt für den Händler immer der eine oder andere Impulskauf ab. Legen Sie den Kopfsalat – zum halben Preis, Ihre Stimmung steigt – in den Wagen, und gehen Sie weiter auf der Rennbahn. Rennbahn heißt der breite Durchgang, der bei vielen Supermärkten nahe an den Außenwänden durch den Laden führt.
Wenn Sie beim nächsten Regal das Sixpack auf ihren Kopfsalat stellen, wird klar, daß es nur wenige verkaufsfördernde Maßnahmen mit ausschließlich positiven Folgen für alle Beteiligten gibt. Der Salat unter dem Bier legt ein eindrückliches Zeugnis davon ab, daß der Betrieb eines Supermarktes ein ständiges Abwägen von Vor- und Nachteilen für Kunden und Händler bedeutet. Druckempfindliche Früchte und Gemüse wären eigentlich besser am Ausgang positioniert, wo man sie als letztes oben auf den Einkauf legen könnte. Das Fachwort hierfür lautet „Zielkonflikt“: Ein großer Laden lockt viele Leute an, die sich dann am Lärmpegel stören, den ein großer Laden mit sich bringt; niedrige Regale verschaffen mehr Überblick, senken aber die Anzahl der Produkte, die angeboten werden können; viele Aktionen bringen Kunden in den Laden, können aber dem Image als Ramschverkäufer Vorschub leisten. Wer nicht mit Kompromissen leben kann, sollte keinen Supermarkt betreiben.
Bier und Salat sind an Bord. Sie schieben den Wagen auf der Rennbahn weiter. Und jetzt? Bis vor kurzem wußte man erstaunlich wenig darüber, wie sich Kunden in einem Laden bewegen. Natürlich konnte ein Ladenbetreiber den Kassenstreifen auswerten und aus den gekauften Produkten ablesen, wo überall im Laden der Kunde gewesen sein mußte, aber die exakte Route zwischen Salat und Bier ließ sich daraus nicht rekonstruieren.
Ladenbesitzer haben ein vitales Interesse daran, daß der Kunde einen möglichst großen Teil des Ladens begeht, denn es gilt die einfache Regel: Je mehr verschiedene Produkte ein Kunde sieht, desto mehr kauft er. Wem es gelingt, die Leute so zu steuern, daß sie freiwillig auch noch den hintersten Winkel betreten, wird wie von selbst mehr Umsatz machen. Der Weg ist das Ziel, auch bei Schopping.
Der amerikanische Schoppingforscher Herb Sorensen ist der Meister der Kundenflußforschung. Er hat ein Navigationssystem entwickelt, mit dem sich zu jeder Zeit die Position jedes Einkaufswagens in einem Laden bestimmen läßt. Damit hat er weit über eine Million Schoppingrouten aufgezeichnet und festgestellt, daß der Durchschnittskunde nur einen Viertel des Ladens zu Gesicht bekommt.
Wird fortgesetzt...
Der Bananenquark in der Bückzone
Man geht los, um Salat und Joghurt zu kaufen, und kommt mit einem Zahnstocherspender wieder. Wem das passiert, der darf sich trösten: Schoppingforscher haben hart daran gearbeitet.
Was passiert, wenn Sie in einen Supermarkt gehen und ein Sixpack Bier und einen Beutel Chips in den Einkaufswagen legen? Gratuliere! Dann haben Sie nämlich „durch Verarbeitung komplexer Felder von In-Laden-Reizen multiple Kaufziele erreicht“. Mit der Hirnleistung, mit der Sie aus über dreißig Sorten Chips ausgerechnet „Cheese & Onion“ ausgewählt haben, haben Sie noch ganz andere Gleichungen gelöst. Und wenn sich nach dem Kauf herausstellt, daß Sie Zwiebeln gar nicht mögen, beseitigt ein „Supressormodul“ die „kognitive Nachkaufdissonanz“.
Schopping hat zu Unrecht den Ruf, eine anspruchslose Tätigkeit zu sein. In Wahrheit ist es wohl die am meisten unterschätzte Kulturtechnik unserer Zeit.
Legen Sie die Chips und das Bier ruhig ins Regal zurück, und kommen Sie mit auf eine Einkaufstour in einem Supermarkt. Dabei erfahren Sie, warum die Wissenschaft die Wildnis der Wühltische als Forschungsgebiet entdeckt hat, weshalb der Zucker in der Bückzone steht und wie dieser Zahnstocherspender in Ihrem Wagen landen konnte.
Einkaufswagen, Korb oder Hände?
Jeder Einkauf beginnt mit einem Einkaufszettel. Auf Ihrem steht: Salat, Bier, Konfitüre, Zahnpasta, Ahornsirup, Toilettenpapier, Kugelschreiber. Jetzt kommt die Grundsatzfrage: Wagen, Korb oder Hände? „Die Tatsache, daß die meisten Schopper zwei Hände haben, ist allgemein bekannt. Die Folgen daraus hingegen werden ignoriert“, sagt Paco Underhill. Underhill ist der wohl bekannteste einer ganzen Reihe von Sozialpsychologen, Neuroforschern und Spieltheoretikern, die Schopping zur Wissenschaft erklärt haben. Seine Beratungsfirma Envirosell unterhält Büros in New York, Mailand, Tokio und Mexiko-Stadt.
Bei einer Untersuchung für eine amerikanische Drogeriekette stellte Underhill fest, daß weniger als zehn Prozent der Kunden an der Kasse einen Korb hätten. Viele hielten Fläschchen und Schachteln umständlich in den Händen. Warum hatten sie keinen Korb genommen? Weil sie nur gekommen waren, um ein Aspirin zu kaufen. Erst beim Gang durch den Laden entschieden sie sich auch noch für das Schaumbad und das Mückenspray. Underhill schlug vor, die Angestellten sollten jedem Kunden, der mehr als zwei Produkte in den Händen trage, automatisch einen Korb anbieten. Der Durchschnittseinkauf pro Kopf stieg sofort an.
Sie entscheiden sich für einen Wagen. Dadurch haben Sie das Schoppingpotential maximal gewählt. Den Einfluß der Wagengröße auf Ihren Einkauf sollten Sie nicht unterschätzen. Nachdem Underhill beobachtet hatte, daß beim amerikanischen Haushaltswarengeschäft Pfaltzgraff viele Kunden mit übervollen Wagen an der Kasse ankamen, empfahl er den Einsatz von vierzig Prozent größeren Modellen. Auch diese Umstellung führte zu einem markanten Umsatzwachstum.
Größer als unbedingt nötig sollten die Wagen aber auch nicht sein, denn ihre Dimension wirkt sich direkt auf das Ladendesign und damit auf die Flächenproduktivität – den Umsatz pro Quadratmeter – aus. Durch die Wagengröße definiert sich die minimale Gangbreite: 180-Liter-Wagen beispielsweise sind etwa 70 Zentimeter breit; damit zwei Wagen problemlos aneinander vorbeikommen können, müssen die schmalsten Gänge mindestens 1,60 Meter breit sein.
Haben Sie Ihren Einkaufswagen? Schieben Sie los. Welche Produkte sollten Ihnen idealerweise gleich zu Beginn präsentiert werden? Die empirisch fundierte Antwort lautet: gar keine. In der Brems- oder Dekompressionszone, wie Ladenplaner den Bereich nach dem Eingang nennen, müssen sich die Kunden erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen. Trotzdem glauben immer noch viele Händler, daß sich Artikel im Eingangsbereich besonders gut verkaufen. Das Gegenteil ist der Fall. Ganz egal, was dort plaziert wird, die meisten Kunden gehen achtlos daran vorbei.
Der Mann als Schoppingproblem
Die Bremszone eignet sich eigentlich nur dazu, die Männer loszuwerden. Männer, das gilt als gesichert, sind ein Problem, wenn es um Schopping geht. Abgesehen von einzelnen Produktkategorien wie elektronischen Geräten oder Werkzeugen ist Schopping Frauensache.
Selbst jenen hedonistischen Männern, die mal eben ein Parfum kaufen, traut man in dieser Sache nicht viel zu. Parfum- und Kosmetikabteilungen liegen meist im Eingangsbereich, damit die Männer kaufen und dann gleich wieder gehen können. Der geschlechtstypische Zug, die Sache möglichst schnell hinter sich zu bringen, kann für Händler allerdings auch positive Seiten haben. Eine Studie von Paco Underhill ergab: 65 Prozent aller Männer kaufen die Jeans, die sie in die Umkleidekabine mitgenommen haben, aber nur 25 Prozent der Frauen. Underhill rät, den Weg zu den Umkleidekabinen deutlich auszuschildern. Wenn ein Mann sie nicht sofort finde, könne er auf die Idee kommen, daß sich die ganze Mühe nicht lohnt.
Schlimmer noch als der Mann alleine ist der Mann, der eine Frau begleitet. Bei Zeitmessungen in einer amerikanischen Haushaltswarenkette blieben Frauen in Begleitung anderer Frauen durchschnittlich 8 Minuten und 15 Sekunden im Laden. Frauen in Begleitung von Männern nur 4 Minuten und 41 Sekunden. Da kein anderer Faktor sich stärker auf die Größe eines Einkaufs auswirkt als die Aufenthaltszeit im Laden, vernichten die Männer durch ihre bloße Anwesenheit wertvollen Umsatz. Sie verhindern, daß Frauen ihr volles Schoppingpotential entfalten können. „Man sollte eine Theke schaffen, an der Frauen ihre Ehemänner abgeben können, genau wir ihre Mäntel“ sagt Underhill. „Je nach Größe des Ladens braucht es Kurzzeit- und Langzeitparkplätze für die Männer.“ Kurzzeitparkplätze sind Sitzgruppen in den einzelnen Abteilungen, wo sich gelangweilte Männer hinsetzen und den Sportteil lesen, als Langzeitparkplatz ist das Café gedacht, das heute Bestandteil fast jedes größeren Warenhauses ist. Zu Hause sollen die Männer allerdings auch nicht bleiben: Unter Marketingexperten heißen sie „Brieftaschenträger“.
Der Kopfsalat sorgt für Kundenfrequenz
Sie haben die Bremszone durchschritten und das Männerproblem gelöst. Der Einkaufswagen ist immer noch leer. In den meisten Supermärkten landen Sie jetzt unweigerlich bei den Früchten und dem Gemüse. Das hat vor allem drei Gründe: Die marktähnliche Atmosphäre wirkt einladend, sie hebt die Supermärkte von den Discountern ab, die keine oder nur wenig Frischwaren anbieten, und sie sorgt für eine hohe Kundenfrequenz. Im Gegensatz zu Konserven können Sie Kopfsalat nicht für die nächsten drei Monate auf Vorrat kaufen. Frischeprodukte verlangen von Ihnen, daß Sie den Laden in kurzen Abständen besuchen. Und dabei fällt für den Händler immer der eine oder andere Impulskauf ab. Legen Sie den Kopfsalat – zum halben Preis, Ihre Stimmung steigt – in den Wagen, und gehen Sie weiter auf der Rennbahn. Rennbahn heißt der breite Durchgang, der bei vielen Supermärkten nahe an den Außenwänden durch den Laden führt.
Wenn Sie beim nächsten Regal das Sixpack auf ihren Kopfsalat stellen, wird klar, daß es nur wenige verkaufsfördernde Maßnahmen mit ausschließlich positiven Folgen für alle Beteiligten gibt. Der Salat unter dem Bier legt ein eindrückliches Zeugnis davon ab, daß der Betrieb eines Supermarktes ein ständiges Abwägen von Vor- und Nachteilen für Kunden und Händler bedeutet. Druckempfindliche Früchte und Gemüse wären eigentlich besser am Ausgang positioniert, wo man sie als letztes oben auf den Einkauf legen könnte. Das Fachwort hierfür lautet „Zielkonflikt“: Ein großer Laden lockt viele Leute an, die sich dann am Lärmpegel stören, den ein großer Laden mit sich bringt; niedrige Regale verschaffen mehr Überblick, senken aber die Anzahl der Produkte, die angeboten werden können; viele Aktionen bringen Kunden in den Laden, können aber dem Image als Ramschverkäufer Vorschub leisten. Wer nicht mit Kompromissen leben kann, sollte keinen Supermarkt betreiben.
Bier und Salat sind an Bord. Sie schieben den Wagen auf der Rennbahn weiter. Und jetzt? Bis vor kurzem wußte man erstaunlich wenig darüber, wie sich Kunden in einem Laden bewegen. Natürlich konnte ein Ladenbetreiber den Kassenstreifen auswerten und aus den gekauften Produkten ablesen, wo überall im Laden der Kunde gewesen sein mußte, aber die exakte Route zwischen Salat und Bier ließ sich daraus nicht rekonstruieren.
Ladenbesitzer haben ein vitales Interesse daran, daß der Kunde einen möglichst großen Teil des Ladens begeht, denn es gilt die einfache Regel: Je mehr verschiedene Produkte ein Kunde sieht, desto mehr kauft er. Wem es gelingt, die Leute so zu steuern, daß sie freiwillig auch noch den hintersten Winkel betreten, wird wie von selbst mehr Umsatz machen. Der Weg ist das Ziel, auch bei Schopping.
Der amerikanische Schoppingforscher Herb Sorensen ist der Meister der Kundenflußforschung. Er hat ein Navigationssystem entwickelt, mit dem sich zu jeder Zeit die Position jedes Einkaufswagens in einem Laden bestimmen läßt. Damit hat er weit über eine Million Schoppingrouten aufgezeichnet und festgestellt, daß der Durchschnittskunde nur einen Viertel des Ladens zu Gesicht bekommt.
Wird fortgesetzt...