Vielen Dank für die tollen Berichte von den Aufführungen und Opern - wollte ich mal sagen. Ich lese das immer mit sehr viel Interesse, auch wenn ich (fast) niemals etwas dazu schreibe. Kultur ist ein sehr wichtiges Gut und kommt im heutigen Leben zu kurz. Unser letztes kulturelles Erlebnis war die Schlössernacht in Potsdam, das ist schon eine Weile her. Für den Oktober jetzt ist jedoch eine Wagner-Aufführung in der Hamburger Staatsoper geplant. Zusammen mit Eiche und Elbelfe werden wir uns die "Götterdämmerung" in einer Aufführung von Simone Young ansehen. Hast du als absolute Wagner-Expertin eine Ahnung, was uns da erwartet?
Zitat:"Götterdämmerung" in einer Aufführung von Simone Young
Kleine Ergänzung:
Simone Young ist die Intendantin und musikalische Leitung, die Inszenierung ist von Claus Guth. Und da sind wir auch schon sehr gespannt, wie das Finale ausfällt...
Dem Schlechten mag der Tag gehören - dem Wahren und Guten gehört die Ewigkeit. (F. v. Schiller)
Ich habe Claus Guth vor einigen Jahren in Bayreuth (Festspiele) gesehen. Er inszenierte den "Holländer". Das war noch unter Wolfgang Wagner und vor Schlingensief. Muß also 2002 oder 2003 gewesen sein. Ich selbst finde den Guth total zwiespältig - vor allem, wenn er sich an Wagner versucht. Manches Mal bekommt er ordentliche Stücke auf die Bühne, doch zumeist = Katastrophe. Er ist in seinen Aufführungen sehr widersprüchlich. Also der macht das bewußt. Den Tannhäuser hat er z. B. statt zum Venushügel in den Puff zu einer Kurtisane und ins Stundenhotel geschickt. Das ist so seine Interpretation von Wagner. Ich halte also nicht soviel von dem, wie man sicherlich herauslesen kann. Was soll man jedoch heutzutage machen, wenn man Wagner sehen möchte? Ich selbst sehe mir das ja auch an, obwohl ich mich oft über die Art und Weise der Inszenierung ärgere. Man muß mitdenken bei Guth. Er setzt halt weniger auf eindeutige Effekte, dafür mehr auf das Subtile. Alberich jedoch als Burger-King-König auftreten zu lassen, ist einfach zu viel und deswegen klar den Daumen nach unten.
Was man will – nicht was man wünscht – empfängt man.
Zitat:Für den Oktober jetzt ist jedoch eine Wagner-Aufführung in der Hamburger Staatsoper geplant. Zusammen mit Eiche und Elbelfe werden wir uns die "Götterdämmerung" in einer Aufführung von Claus Guth ansehen. Hast du als absolute Wagner-Expertin eine Ahnung, was uns da erwartet?
Mit Spannung warte ich auf Euren Bericht; Oktober ist schon ein paar Tage her! Nun mal los ...
Was man will – nicht was man wünscht – empfängt man.
Aglaia schrieb:Mit Spannung warte ich auf Euren Bericht; Oktober ist schon ein paar Tage her! Nun mal los ...
Ich muß sagen, daß mir die Aufführung noch relativ gut gefallen hat. Es war natürlich eine dieser "modernen Aufführungen"; man hat jedoch schon Schlimmeres gesehen. Das "relativ gut" muß man natürlich ins Verhältnis zu dem setzen, was sonst so läuft. Die Figur Siegfried wurde auch in dieser Inszenierung lächerlich gemacht. Der sah aus wie der Sänger der Prinzen, dick & fett und mit Bermudas-Hose, wie ein deutscher Wohnzimmerterrorist eben.
Man mag keine (Krieger-) Helden in der heutigen Zeit und will Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden keine richtigen Vorbilder geben. Deshalb muß die Figur des Siegfrieds um jeden Preis verhohnepipelt werden. Diese politische Vorgabe hat auch der Regiesseur der Hamburger Aufführung gehorsamst umgesetzt.
Die Götterrunde, Nornen und auch die 3 Rheintöchter wurden hingegen recht angenehm in Szene gesetzt. Die eine der Rheintöchter schien zwar eher eine Tochter des Jangtsekiang gewesen zu sein, aber sei's drum. Ein paar Szenen wurden durch einen speziellen Beleuchtungseffekt sogar zur Augenweide (Nornen, Götterrunde).
Gesangstechnisch haben mir die Walküre Waltraude und Hagen am besten gefallen. Die Rolle der Gutrune hätte ich anders besetzt. Wenn man bedenkt, daß Gutrune die eiskalte Rächerin ist, die am Schluß das ganze Nibelungenvolk ausrottet, dann schien mir das bei diesem Kindchen dort nur schwer vorstellbar.
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Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!
Zu Beginn der Handlung erleben wir die Nornen am Walkürenfelsen („da sie nicht mehr an der Weltesche weben können“) das Schicksalsseil spinnend. Sie berichten von den Geschehnissen vom Anfang der Welt. Als die Erzählung sich der Gegenwart nähert, reißt das Seil. Die Nornen fliehen „hinab“ zu ihrer Mutter Erda – das Schicksal der Welt ist offen. Brünnhilde und Siegfried sind ein Paar. Brünnhilde (Siegfrieds Tante) lässt ihren Helden jedoch „zu neuen Taten“ ziehen und gibt ihm ihr Pferd Grane mit, Siegfried überlässt ihr hingegen den Ring des Nibelungen als Treuepfand.
Am Hofe der Gibichungen hat unterdessen Hagen, der Sohn von Alberich und Grimhild das königliche Geschwisterpaar Gunther und Gutrune darauf hingewiesen, dass sie ihren Ruhm mehren könnten, wenn sie angemessene Ehen schlössen. Gunther soll nach Hagens Plan um Brünnhilde freien, Gutrune sich mit Siegfried vermählen.
Als Siegfried auf seiner Fahrt den Rhein aufwärts an den Gibichungenhof kommt, sorgt Hagen mit Hilfe eines Vergessen bewirkenden Zaubertranks dafür, dass Siegfried die Erinnerung an seine bisherigen Taten und vor allem an Brünnhilde verliert. Durch dieses Vergessen ist Siegfried frei, sich in Gutrune zu verlieben. Um diese zu gewinnen, schließt er mit Gunther Blutsbrüderschaft und verspricht, ihm bei seiner Werbung um Brünnhilde zu helfen.
Unterdessen besucht Waltraute, eine der Walküren, getrieben von großer Sorge ihre Schwester Brünnhilde auf dem Walkürenfelsen und versucht, sie zur Herausgabe des Ringes zu bewegen, den sie von Siegfried erhalten hat. Sie berichtet von den Geschehnissen in Walhall: Wotan hat alle Götter und Helden um sich versammelt und wartet in tiefster Lethargie auf das Ende. Waltraute beschwört Brünnhilde, dies dadurch abzuwenden, indem sie den Ring den Rheintöchtern zurückgibt und damit den Fluch beendet. Doch Brünnhilde sieht in dem Ring nur Siegfrieds Liebespfand; das Schicksal der Götter, die Worte der Schwester scheint sie gar nicht wahrzunehmen. Verzweifelt flieht Waltraute von ihr.
Durch den Tarnhelm hat Siegfried Gunthers Gestalt angenommen. Siegfried gelingt, was ihm schon einmal gelang, was Gunther jedoch nie vermocht hätte, nämlich das Feuer, das um den Walkürenfelsen lodert, zu durchschreiten. So erobert er Brünnhilde für Gunther. Als sie ihm den Ring als Zeichen, dass sie schon verlobt ist, zeigt, entreißt er ihn ihr nach kurzem Kampf und steckt ihn sich an den Finger. Sie verbringen die Nacht zusammen, Siegfried legt aber das Schwert Notung zwischen sich und Brünnhilde, um Gunther nicht zu betrügen.
Zweiter Aufzug
In einer nächtlichen Vision wird Hagen von seinem Vater Alberich besucht und noch einmal darauf eingeschworen, den Ring für ihn zu gewinnen. Hagen verspricht es und Alberich verschwindet, indem er noch dreimal suggestiv wiederholt: „Sei treu!“
In der Morgendämmerung ruft Hagen die Männer der Gibichungen zusammen und fordert sie auf, Vorbereitungen zur Hochzeit zu treffen und den Göttern zu opfern. Zuerst kehrt Siegfried zurück, der sich mit Hilfe des Tarnhelms in einem Augenblick vom Brünnhildenfelsen hierher „gewünscht“ hat, während Gunther mit seiner Braut Brünnhilde zu Schiff folgt. Nach ihrer Ankunft werden die beiden Paare einander vorgestellt: Brünnhilde und Gunther, sowie Gutrune (im Nibelungenlied: Kriemhild) und Siegfried.
Brünnhilde erkennt entsetzt den Treuebruch ihres Gatten Siegfried, der jedoch gänzlich unbekümmert und ohne Erinnerung an die Zeit, bevor er sie zum ersten Mal verlassen hat, ist. Brünnhilde klagt Gunther und Siegfried des Betrugs an und bezichtigt Siegfried, sich ihr genähert zu haben, was dieser, noch immer unter der Wirkung des Vergessenstranks und also ohne Erinnerung an seine vorherige Beziehung zu Brünnhilde, heftig und ehrlichen Herzens bestreitet. Verwunderlich und peinlich ist allen jedoch, dass Siegfried den Ring an seiner Hand trägt – den doch letzte Nacht Gunther (es war Siegfried in der Gestalt Gunthers) ihr abgenommen hat. Gunther glaubt jedoch, von Siegfried verraten worden zu sein. Zusammen mit der rasenden Brünnhilde und unter Anstiftung Hagens schmieden sie ein Komplott: Siegfried soll auf der Jagd ermordet werden.
Dritter Aufzug
In einem Waldtal gerät Siegfried ans Ufer des Rheins und trifft auf die drei Rheintöchter, die ihn vor dem Fluch des Rings warnen und diesen zurückfordern. Siegfried lehnt furchtlos ab. Die Jagdgesellschaft mit Gunther und Hagen findet Siegfried. Hagen fordert Siegfried auf, „Mären“ aus seinen jungen Tagen zu erzählen. Siegfried geht darauf ein und nimmt einen Becher von Hagen, dessen Wirkung ihm die Erinnerung wiedergeben soll. Während er beschreibt, wie er sich beim ersten Mal Brünnhilde genähert hat, trifft ihn Hagens Speer in den Rücken.
Die Leiche Siegfrieds wird an den Gibichungenhof zurückgebracht. Dort entbrennt ein Streit um den Ring. Hagen will ihn als gerechte Beute an sich nehmen, Gunther beansprucht ihn als Gutrunes Erbe und wird deswegen von Hagen sofort getötet.
An dieser Stelle tritt Brünnhilde auf, die zwischenzeitlich durch die Rheintöchter über die Zusammenhänge aufgeklärt worden ist, nimmt den Ring an sich. Brünhilde hat einen starken Scheiterhaufen errichten lassen, in dessen Feuer die Leiche Siegfrieds verbrennen soll und aus dessen Asche die Rheintöchter sich ihr Gold holen sollen. Als die Flammen auflodern, stürzt sie sich selbst mit ihrem Pferd Grane hinein. Hagen wird bei dem Versuch, den Ring vor den Fluten des Rheins zu retten, von den Rheintöchtern ins Wasser gezogen. Die Flammen greifen auf das am Himmel erscheinende Walhall über. Ergriffen staunende Menschen sehen dem Untergang der Götter zu.
Die neue "Tannhäuser"-Inszenierung von Sebastian Baumgarten ist bei den Bayreuther Festspielen durchgefallen - drei Stunden lang Tanks, Schläuche und Kessel anzuschauen, war dem überwiegenden Teil des Premierenpublikums zu viel.
In einem Meer aus Buhrufen für das Regieteam um Sebastian Baumgarten ist die neue Inszenierung des "Tannhäuser" von Richard Wagner zur Eröffnung der 100. Bayreuther Festspiele zu Ende gegangen.
Drei Stunden ununterbrochen diverse Kessel und einen Alkoholtank anschauen zu müssen, war denn doch dem überwiegenden Teil des Premierenpublikums zu viel. Hingegen gab es viele Bravi für die Solisten und orkanartigen Beifall für den Festspiel-Chor. Das Bayreuth-Debüt des neuen Tannhäuser Lars Cleveman fiel allerdings bescheiden aus.
Baumgarten und sein Bühnenbildner Joep van Lieshout verorten die Wartburg in einer riesigen Biogasanlage. Im Hintergrund steht der knallrote Alkoholator. Gastanks und allerlei andere Behälter mit dicken Schläuchen wecken Fabrikatmosphäre. Biogas entsteht aus menschlichem Abfall, und dieses Gas wird wiederum zur Herstellung von Nahrung verwendet - für den Bühnenbildner entspricht diese Installation dem System, wie es auch auf der Wartburg herrscht. Das verwöhnte Publikum auf dem "Grünen Hügel" wusste damit freilich nichts anzufangen. Manch enttäuschter Zuschauer schrie seine Wut gar in Fäkalsprache heraus.
In seiner "Tannhäuser"-Inszenierung versucht Baumgarten den Konflikt des Titelhelden zwischen wahrer Liebe im geordneten System der Wartburg und bloßer Begierde in der sinnlichen Welt der Venus herauszuarbeiten. Cleveman wird den hohen Ansprüchen an die Rolle bei seinem Bayreuth-Debüt aber kaum gerecht. Seinem Tenor fehlt der Glanz, das Dramatische in der Stimme, er kann keine musikalischen Bögen spannen. Entsprechend verhalten fiel der Beifall am Ende für ihn aus.
Camilla Nylund als Elisabeth steigerte sich im Laufe des Abends hörbar, während Stephanie Friede als schwangere Venus mitunter unschön forcierte. Günther Groissböck überzeugte als Landgraf, Michael Nagy gab einen fast lyrischen Wolfram von Eschenbach - allesamt Debütanten auf dem "Grünen Hügel".
Thomas Hengelbrock - auch er zum ersten Mal bei den Bayreuther Festspielen engagiert - jagte mit flotten Tempi beinahe durch das dreistündige Werk Richard Wagners. Das bestens disponierte Festspielorchester mit glänzend aufspielenden Blechbläsern folgte ihm aber diszipliniert.
Was man will – nicht was man wünscht – empfängt man.
Werte Aglaia, so schreibt es auch die Presse. Was ich jedoch selbst erlebte ist noch weitaus schlimmer:
Kräftige Buhrufe gab`s für die Venus und das Dirigat ebenfalls. Bei Hengelbrock war mir nicht klar, ob er das Stück gestaltet (sprich: dirigiert) oder das Stück ihn. So sahen es wohl viele im Publikum ebenfalls. Das erwartete Neu-Hören von Wagner fand heute abend nicht statt ... Die Aufführung ist eine echte Schande für Bayreuth, das war echt unterirdisch. Was bringen ein toller Hirt und Wolfram, wenn der Rest nix taugt? Die Stimmung in BT war so mies, ich traf niemanden dem es gefallen hätte.
Der absolute Tabubruch war jedoch die Pausenbeschallung. Baumgarten setzte seine Inszenierung auch in den Pausen einfach fort und raubte dem Zuschauer damit den letzten Nerv. Der Käse dauert also noch länger als die Oper selbst.
Einfach aufstehen und rausgehen! Die Türen mußten ja geöffnet werden. Sonst wäre das Freiheitsberaubung und gesundheitsgefährdend. Frische Luft ist in einer Biogas-Anlage überlebensnotwendig.
Zitat zum Bühnenbild:
"Joep hatte zuerst für jeden Akt ein Bild gemacht. Das haben wir aber verworfen.
Es muss doch etwas bedeuten, wenn die Musik der Venusbergwelt auch in der Wartburgwelt anklingt. Und umgekehrt. Jetzt gibt es ein geschlossenes System, das alle Orte in sich trägt. Diese Installation ist eine große Kopplung von verschiedenen Maschinen, die alle in einen Tages- und Zeitablauf eingebunden sind. Der Apparat ist hochökologisch und in seiner Geschlossenheit ambivalent."
Das ist ja unglaublich: "Diese Installation ist eine große Kopplung von verschiedenen Maschinen, die alle in einen Tages- und Zeitablauf eingebunden sind. Der Apparat ist hochökologisch."
Das Publikum mußte also stundenlang auf eine öde Fabrikanlage schauen. Was hat diese ideologische Folter mit Tannhäuser zu tun?
Baumgarten dachte sogar an ein Betriebsfest. Denn er schwafelt: "Schon in meinen letzten Produktionen habe ich versucht, einen Stil zu entwickeln und nicht mehr so viel Alltag reinzuholen. Dazu ist Wagner zu groß. Außerdem habe ich keine Lust mehr, nur auf Bruchstücke aus verschiedenen Theaterästhetiken etwa bei den Kostümen zurückzugreifen. ...
In meiner Fantasie ist das wie ein Betriebsfest, wo sich alle verkleiden und den Tannhäuser spielen."
Hahaha ! Autsch, das tat weh.
Und die voraussehbaren Publikumsreaktionen?
Zitat:
"Ein Problem, was ich sehe, ist, daß die Energie, die von der Bühne kommt, auch bis in die hinteren Reihen durchdringt. Das ist wahnsinnig schwierig."
Dann sind ja alle Unklarheiten beseitigt. Die Buhrufe von den "hinteren Reihen" sind übrigens genauso gut zu hören wie das Wehklagen hinter der Bühne.
Ach, mein liebes Bayreuth, was haben sie nur aus dir gemacht !
Das ist mein erster Beitrag hier in diesem Forum, also bitte nicht gleich zerreißen.
Auch ich habe mir die Übertragung per Internet-Stream "gegönnt", und ich war gelinde gesagt enttäuscht.
Zuerst das Sängerische:
Lars Cleveman als Tannhäuser hatte eine unschöne, angestrengte und irgendwie ausdrucklose Stimme; kurzum: wieder kein adäquater Interpret dieser undankbaren Partie.
Auch Camilla Nylunds Elisabeth klang von ihrem ersten Auftritt an angestrengt, atemlos und unsauber. Ab der Mittellage war das Vibrato ihrer Stimme irgendwie unangenehm für mich.
Die Venus war schlicht indiskutabel.
Sehr gut dagegen gefielen mir Lothar Odinius als Walther (lyrisch, wunderbare Textverständlichkeit), Günther Groissböck als Landgraf und besonders Michael Nagy als Wolfram: eine großartige gesangliche Gestaltung, ausdrucksstark und auch bei ihm jedes Wort verständlich.
Auch der Chor konnte mich diesmal nicht ganz überzeugen, auch gesanglich (einzelne Stimmen traten manchmal unschön hervor).
Bezüglich des Dirigats bin ich gespalten: Sicher war Thomas Hengelbrock sehr werktreu, aber man kann ein Werk auch zu Tode analysieren. Die Ouvertüre gefiel mir noch ausgezeichnet, über weite Strecken des ersten Aufzugs zwang mich dann die Venus, wegzuhören. Den dritten Aufzug kann ich ebenfalls großteils positiv vermerken. Dazwischen liegt aber der zweite Akt, und der war meines Erachtens völlig mißglückt. Die Abstimmung mit Sängern und Chor stimmte zeitweise überhaupt nicht, die Tempi waren über Strecken unerträglich gedehnt, und dann gab es gegen Beginn diese unerklärlichen Generalpausen (ich dachte zunächst, der Stream sei unterbrochen), die leider der Spannung wenig dienlich waren.
Insgesamt also ein durchwachsenes Dirigat, so waren auch die Publikumsreaktionen.
Über die Regie kann ich wenig sagen. Nach ein paar Bildern kann man allenfalls ein Teilurteil über Bühnenbild und Kostüme fällen, aber sicher kein Fazit über eine Regiearbeit ziehen. Bei den (übrigens sehr interessanten) Beschreibungen des Bühnengeschehens vor den Akten fiel mir aber eine Wendung auf, die immer wieder kam: "anders als bei Wagner".
In Österreich machen wir gerade eine Diskussion durch, ob wir eine Zeile unserer Bundeshymne im Hinblick auf die Originalschöpfung der Dichterin ändern dürfen. Richard Wagner muß sich bei seinen Festspielen offenbar ganz anderes gefallen lassen...
Noch etwas zur Radioübertragung:
Die versuchte Deutung der Publikumsreaktionen war wirklich grenzwertig, das ist aber nicht ganz neu (ich denke an die "erheblichen Phonstärken" beim Lohengrin letztes Jahr). Vielleicht sollte man das überhaupt bleiben lassen und nur sagen, wer gerade vor den Vorhang tritt, der Rest ist eh zu hören.
Das Pausenprogramm habe ich nur zum Teil mitverfolgt. Das Interview mit Sebastian Baumgarten habe ich nicht lange durchgehalten. Diese Regie-Leute haben irgendwie einen ganz eigenen Akzent und Jargon, daß sich bei mir die Nackenhaare sträuben (tut mir leid, daß ich es nicht professioneller ausdrücken kann). Die Gespräche mit Camilla Nylund und Lars Cleveman fand ich wenig interessant (dass Cleveman Englisch sprach, störte mich noch nicht zu sehr, eher daß er dauernd die Fragen kommentierte "das ist eine gute Frage / das ist eine sehr gute Frage / das ist eine schwierige Frage"). Michael Nagy machte einen sympathischen Eindruck.
Sehr amüsant dagegen die "Kritikerrunde" im Anschluss: Zwei hörbar müde Zeitungsleute und ein hauseigener Schwafler vom BR.
Bemerkenswert war der Versuch der Dame vom Tagesspiegel Berlin, der Regie irgendwie eine Rechtfertigung beizulegen. Dabei drängte sich mir die Bewertung auf, es müsse weniger ein "Kritikerdirigat" als vielmehr eine "Kritikerregie" gewesen sein: Hat Baumgarten so viel Unklarheit hinterlassen, daß den Kritikern reichlich Platz bleibt, ihre eigenen Vorstellung hineinzuprojizieren? Wir Juristen würden so ein Vorgehen "Verfahren in zwei Lesungen" nennen:
Erste Lesung: Der Regisseur liest etwas aus dem Stück, das nicht drinnen ist.
Zweite Lesung: Der Kritiker liest etwas aus der Regie, das nicht drinnen ist.
Ihr sagt es: Die Aufführung ist eine echte Schande für Bayreuth, das war echt unterirdisch. Was bringen ein toller Hirt und Wolfram, wenn der Rest nix taugt... Die Stimmung hier in BT war mies. Ich traf niemanden, dem es gefallen hätte.
Das Experiment "historische Aufführungspraxis in Bayreuth" ist grandios gescheitert. Die Bezeichnung "Kritikerdirigat" finde ich gut. Ich ahnte es schon, aber mit dem abgedeckten Orchestergraben funktioniert das einfach nicht. Völlig spannungsarm, viel zu dünn ohne erkennbaren großen Bogen, es kam einfach keine Spannung auf. Die Geigen klangen auch komisch. Selbst der Chor klang ausgedünnt, so unspektakulär hörte ich Ihn noch nie.
Auch beim Applaus war sich das Publikum einig wie selten: Keinerlei Bravo für das 70er-Jahre-DDR-Theater von Baumgarten. Heftige Buhs für die Venus, deutliche Buhs für Tannhäuser und Hengelbrok, vereinzelte Buhs für Nylons. Begeisterung hingegen für den tolle Hirten Wolfram und für den Chor. Ich gestehe, eifrig mit gebuht zu haben, der Frust brauchte ein Ventil ...
Was man will – nicht was man wünscht – empfängt man.
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