Geschichten zur Dunkelzeit
#1
Geschichten zur Dunkelzeit

Als die Wölfe Fenrir und Gram die Sonne und den Tag gefressen hatten, verschwand auch alle Helligkeit im Schlund der Untiere. Und alles ringsherum fiel in eine tiefe Dunkelheit. Das Licht erlosch in Midgard, der Menschenwelt, und alles Göttliche und Erleuchtende schien so undenkbar fern. Und auch die Seelen der Menschen wurden von der Finsternis heimgesucht, von Zweifeln geplagt und von Ängsten und Hoffnungslosigkeit gequält.

Und die Menschen warteten auf die Wiederkehr der Sonne. Einigen fiel dabei gar nicht auf, daß sie ihre Augen verschlossen hatten, da ringsherum nur Finsternis herrschte. Doch wer genau hinsah erkannte, daß oben am Firmament ein besonderer Stern erstrahlte. Es war die Zeit der Sonnenwende, dem heutigen Weihnachtsfest, und am nächtlich dunklen Himmel erstrahlte ein leuchtend heller Stern. Und der Nordstern begleitete die Menschen zu einer Zeit, als die Tage am dunkelsten und die Nächte am kältesten waren. Als nun alles verloren erschien, die wilde Jagd der dämonischen Seelen durch die Nacht tobte, und die Dunkelheit damit drohte, den Planeten für immer zu verschlingen und mit ihm alle Menschen, leuchtete der Nordstern über allem und strahlte Hoffnung und Zuversicht in die Herzen der letzten Getreuen. Derjenigen, die noch nicht der Finsternis verfallen waren. Sie hatten noch offene Augen und sie waren Brüder im Geiste. Sie alle. Sie waren Söhne der Isis und Töchter Odins. Sie erblickten das Leuchten und erbaten von den alten Göttern des Nordens einen Funken und entzündeten daraus ein kaltes Feuer. Und jeder von Ihnen ergriff eine Fackel, die dort im kalten Feuer des Nordsterns loderte.

Und diese Männer und Frauen wurden zu Lichtträgern, zu Überbringern der Weisheit und zu Hoffnungsträgern für alles Leben, denn Sie brachten das Licht zurück. Zurück in die Herzen der Menschen.

Zuerst waren Sie nur in den Träumen derer, die ihre Augen verschlossen hatten. Aber die Träumenden erwachten und öffneten Ihre Augen. Und da sahen sie das Licht. Aber es war ein graues und dämmriges Licht, ein Licht, daß hinter Nebelschleiern verborgen erschien. Doch keimte neue Hoffnung auf. Und als die Menschen Ihre Augen wieder öffneten, kehrte auch die Sonne zurück und mit ihr die Farben. Kaum merklich und zögerlich nur, aber jeden Tag etwas deutlicher. Und einer von ihnen, er hieß Widar, er packte das Ungetüm bei seinen Kiefern und riß den Wolf mitten entzwei. Und er befreite so den Tag aus dem finsteren Schlund des Wolfes. Und da erwachte der Tatendrang in ihnen ...

Den Menschen schien, als wäre eine Ewigkeit verstrichen. Aber es war nur ein kurzer Augenblick. Es waren genau 12 Tausend Jahre. 12 Tausend Jahre des Schreckens und 12 Tausend Jahre der Dunkelheit. Noch blies ein schwarzer und kalter Wind, und noch hatte die Nacht und die Gesellen der Dunkelheit die Übermacht, und noch stand erst das Schlimmste bevor.

Mit ihren kalten Fackeln und eisig erstarrten Gesichtern zogen die Getreuen in den Kampf. Und sie kannten keine Gnade und kannten kein Erbarmen. Sie verbrannten die Heimstätten der Dunkelheit und der loderne Schein der brennenden Dämonenkinder erleuchtete die Seele des geschundenen Planetens. Und siehe da, das Licht ward warm. Und mit seiner Hitze schmolz der Stachel des Eises, den der kalte Atem des Wolfes in die Herzen und Gesichter der Menschen gebohrt hatte.

Das Eis jedoch taute und seine Tropfen benetzten die Erde. Und die Tropfen der vielen Menschen vereinten sich zu reißenden Bächen und tobenden Fluten.
Und siehe da, die Tropfen wurden zu Samen und die Erde ward fruchtbar. Und aus den tobenden Fluten erstiegen die Kinder des Lichtes, die Früchte des Tages und die Gefährten der Sonne. Sie wuchsen heran und verrichteten ihr gutes Werk.

Und sie waren gleichstark den Mächten der Dunkelheit und ihre Kräfte wuchsen täglich. Ihre Früchte sah man auf den Feldern und den sonnendurchfluteten Bäumen. Alles erblühte und erwachte zu neuem Leben. Aus der Hoffnung ward nun Zuversicht geworden und aus der Zuversicht erstieg die Gewissheit, daß man die Mächte des Bösen bald besiegt haben würde. Mit jedem Tag nahm die Wärme und die Helligkeit des Lichtsternes zu und die Stunden in denen die Diener der Finsternis ihr dunkles Gewand über die Welt verbreiteten, wurden bei jeder Nacht weniger. Die Dunkelheit hatte ihren Schrecken verloren.

Und da nahte der Tag, an dem die Dunkelheit für immer besiegt erschien und die Nacht nicht wiederkam. Denn das große Licht am Himmel leuchtete nun auch zu den Stunden, die früher der Nacht und ihren schrecklichen Herren gehörte. Und die Menschen feierten das Fest des Sommers und erinnerten sich daran, wie aus den Lichtfunken des Weihnachtsbaumes die Kraft für den ewigen Tag erwuchs. Wie der flackernde und schwächlich anmutende Lichtschein der Kerzen unterstützt von den guten Wünschen der Menschen erstarkte und schließlich heute in einem solchen Glanz erstrahlte, daß nur noch die Schatten, die die Dinge warfen, daran erinnerten, daß es einmal Dunkelheit gegeben hat. Da sahen sich die Menschen an und sprachen, laßt uns daran denken, wenn wieder schlechte Zeiten kommen, daß wir niemals mehr die Hoffnung aufgeben, da doch aus einem unscheinbaren Funken, der ewige Tag erwachsen kann. Wir haben es selbst gesehen - alles ist möglich, wenn wir nur die Hoffnung nicht verlieren! Laßt uns also in diesen Tagen die alten Götter ehren und der Natur unseren Tribut erweisen.


© by Paganlord



Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!
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