Geschichten und Sagen aus dem Ruhrgebiet
#1
Zeche "Unser Fritz"


Im heutigen Herner Stadtgebiet heißt nicht nur eine alte Zeche, sondern sogar ein ganzer Stadtteil »Unser Fritz«, früher Bickern.
Wem ist eigentlich mit dieser Namensgebung ein bleibendes Denkmal gesetzt worden ?

Nach dem deutschen Sieg über den damaligen »Erbfeind« Frankreich wurde die Zeche, die für den weiten Umkreis eine große Bedeutung erlangen sollte, 1872 auf den Namen des deutschen Kronprinzen und späteren Kaisers Friedrich III. getauft. Doch schon bald wurde von der Bevölkerung der Name »Unser Fritz« immer mehr mit dem »Alten Fritz«, nämlich mit Friedrich dem Großen in Verbindung gebracht.

Der alte Preußenkönig war dem Bergbau sehr zugetan. Tatsächlich denken in dieser Region die Menschen voller Dankbarkeit an diesen König zurück, der sehr viel für die Bergleute getan hat. Der »Alter Fritz«, wie er vom Volke gerne genannt wurde, gab nämlich seinen Bergleuten viele Vergünstigungen: Wer Bergmann war, durfte einen kleinen Kotten besitzen, brauchte nicht zum Militärdienst und war von den Steuern befreit. Zur Absicherung im Krankheitsfall richtete König Friedrich Knappschaftskassen ein und sorgte durch die Bildung von Bergaufsichtsämtern auch für mehr Grubensicherheit.
Daß der Alte Fritz auch auf ungewöhnliche Weise den Verkauf von Ruhrkohle zu steigern wußte, zeigt uns folgende Begebenheit: Vor Einführung der Steinkohle in Brandenburg hatten einige Leute das Gerücht verbreitet, daß ein Steinkohlenfeuer zum Kochen und Backen nicht geeignet sei. Der Verzehr von Speisen, die auf einem derartigen Feuer gekocht oder gegart wären, würde sogar allerlei Krankheiten hervorrufen. Für den Haushalt dürfe man deshalb nur Holz verwenden. Als der König von diesen Vorurteilen seiner Untertanen erfuhr handelte er schnell. Er gab sogleich den Befehl, daß in sämtlichen preußischen Garnisonen zur Verpflegung seiner Soldaten Kommissbrote nur noch Steinkohleöfen zu backen seien. Die Soldaten erkrankten nicht. Der Bann war gebrochen. Der Holzverbrauch konnte eingeschränkt und die Wälder geschont werden. Steinkohle war begehrt und wurde gut verkauft.

In der Nachfolgezeit, als andere Herrscher an der Macht waren, verloren die Bergleute allmählich ihre Vergünstigungen. Sie sehnten sich daher nach den alten Zeiten zurück, in denen die schwere Bergmannsarbeit noch den besonderen Schutz des Königs genoß.

Ja, der alte Preußenkönig war bei den Kumpeln hochgeachtet. Das war bestimmt auch ein Grund dafür, daß man mancherorts in der Sagengestalt des Bergalten mitunter den Alten Fritz vermutete. »Er geht wieder um«, hieß es dann, »und will sich vor Ort erkundigen, wie es uns Bergleuten geht.«


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#2
Das versunkene Glöckchen im Hilgenpoth (Heiliger Teich)


Noch heute gibt es in Gevelsberg, am Fuß des Buchenbergs, eine Treppe mit Namen »Hilgenpothtreppe«.

»Wo hast du wieder so lange gesteckt?«, schimpft die Mutter, als Karl in die kleine dunkle Stube stürmt und sich auf die Holzbank fallen lässt. »Hast du nicht die Abendglocke gehört? Du sollst nach Hause kommen, wenn das Glöckchen läutet.« »Eins von den Schweinen war ausgerissen«, keucht der Junge »ich musste es suchen im Wald und zurücktreiben.« »Ausreden, Ausreden«, brummt die Mutter und kneift die Augen zusammen vom Rauch in der Stube. Aus dem großen Topf, der über dem offenen Feuer hängt, schöpft sie dem Jungen Haferbrei auf. »Ich habe Bruder Markus am Teich getroffen«, erzählt Karl, »er sagt, ihr sollt mal wieder zur Kirche kommen.« »So, so«, murmelt die Mutter, bläst in die Glut und legt Holzstücke nach. »Er hat euch auch lange nicht gesehen in der Kirche, dich und den Vater nicht und die anderen Bauern auch nicht, sagt er.« »Ich bete genug in meiner Kammer!, meint die Mutter. Jetzt ist sie ärgerlich. Karl merkt es daran, wie schnell sie das Spinnrad dreht. Und sofort wendet sich ihr Ärger gegen ihn. »Bist also wieder am Teich gewesen, am Hilgenpoth; darum bist du so spät gekommen.« »Ach Mutter«, sagt Karl, »da lass ich die Schweine saufen und geh´ schnell in die Kirche, um für gutes Wetter zu beten. Wenn sonst keiner mehr in die Kirche kommt, da muss ich doch wenigstens hin und für euch alle bitten.« Er übertreibt ein bisschen. In Wahrheit hat er am Wasser gespielt und sich vorgestellt, wie hier vor langer Zeit die ungläubigen Sachsen getauft wurden, ob sie wollten oder nicht. Ein eigensinniges, heidnisches Volk muss das gewesen sein. Gleich an mehrere Götter haben sie geglaubt und ihnen Opfer gebracht. Manchmal wird den Karl ganz unheimlich bei dem Gedanken, weil er meint, gleich trete einer von ihnen aus den Wald; und er ist dann jedes Mal froh, wenn Bruder Markus den Weg herankommt, um die Abendglocke zu läuten. Nur heute hatte Karl sich nicht freuen können. »G*ttlose Menschen seid ihr allesamt, keiner will mehr G*ttes Wort hören. Immer bleibt die Kirche leer«, hatte Bruder Markus gesagt und dabei sehr ernst ausgesehen. Langsam zieht der Herbst über die Berge. Immer früher legt sich an den Nachmittag die Dämmerung über die Wiesen und den Wald, wo Karl die Schweine hütet. Vor Einbruch der Dunkelheit muss er zu Hause sein. Nebel steigt zwischen den mächtigen Buchen hoch und der Wald wird immer gespenstiger. Schnell jagt Karl die grunzenden Tiere mit dem Stock zum Hilgenpoth hinüber. Dann muss er zu Hause kein Wasser mehr in den Stall schleppen, wenn er sie hier noch saufen lässt. Er läuft, springt und pfeift ein bisschen. Da wird einem nicht ganz so eng um die Brust. Schon sieht er den kleinen Teich. Da – plötzlich bleiben die Tiere mitten im Lauf stehen und stemmen die Klauen gegen den Boden, schrill quieken sie auf.

Karl bleibt wie angewurzelt stehen. Entsetzen packt ihn. Wo die Kirche stand, klafft ein Wasserloch. Der Teich ist abgesunken und das Wasser gurgelt böse. Nebelschwaden kommen vom Wald. Da rennt Karl los, lässt die Schweine, wo sie sind, rennt, was die Beine hergeben, stolpert, rappelt sich hoch, rennt, als sei der Teufel hinter ihm her. [...] Seit jedem Tag macht Karl nie mehr den Umweg am Teich vorbei. Aber wenn es ganz still ist, abends, wenn der Wind schläft, kann er das Glöckchen aus dem Hilgenpoth läuten hören.


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#3
Die Sage von den Katten (Chatten)


Am rechten Ufer der Ruhr liegt die Stadt Kettwig zwischen Wasser, Wald und Wiese eingebettet. Tagsüber fingen die Räder im Tale das Lied der Arbeit, und fleißige Menschen rühren ohne Unterlaß die Hände. Wenn dann das letzte Licht in ihren Häusern verglommen ist, und wenn die letzte Vogelstimme rings im Walde schweigt, dann wird es lebendig auf den Höhen. Es raschelt und rauscht im Walde. Mächtige Gestalten erheben sich, stark wie die stärksten Bäume, Männer mit sehnigen Armen, wuchtige Waffen in der Hand, und Frauen in wehenden Gewändern mit flatterndem Haar. Das sind die Katten. Sie huschen zwischen den Stämmen einher und durch das Gezweig und sammeln sich tief unten im Tale am Ufer der Ruhr. Hier steht, nahe der Stadt, auf einem kleinen Hügel ein alter Turm. Sein morsches Gemäuer ist zerborsten, Schlehdorn und Brombeergerank wuchern auf den Trümmern, und ein Kranz von Bäumen schließt die Ruine ein.

Den Katten ist diese Stätte heilig. Vor vielen hundert Jahren wurde hier den Edelsten ihres Volkes ein großes Heldengrab bereitet. Das bleiche Mondlicht zittert nun darüberhin, und die Katten umstehen den Ort in tiefem Schweigen und in ehrfurchtsvoller Scheu. Dann hebt ein leises Raunen an. Die Frauen murmeln ihr Gebet, die Männer schlagen ihre Waffen aneinander, daß es erst verhalten, dann lauter und immer lauter durch das Tal erklingt, und der Ruhrstrom rauscht dazu, und seine Wellen singen ein Lied aus alter, längst entschwundener Zeit.


   

Der Kattenturm


Der Sage nach soll es am Kattenturm nicht geheuer sein. Von Zeit zu Zeit soll dort ein schreckliches Fauchen zu hören gewesen sein. Dies rühre von einem schwarzen Kater her, der im Keller auf einem mit Gold- und Silbermünzen gefüllten Topf sitze und diesen und eine goldene Spindel bewache. Da Katze im Plattdeutschen »Katte« heißt, so habe die Ruine den Namen »Kattenturm« erhalten.


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#4
Von Thora der Kattenbraut


Der Felsenvorsprung zwischen dem Kattenturm und der Stadt Kettwig, welchen die jetzigen Bewohner der Gegend »Kanzel« nennen, hat seine Form und Gestalt sowohl durch die Zeit wie durch Menschenhand gegen früher gänzlich verändert.

Als an seinem Fuße die Römer und Katten ihre Kräfte maßen, war er ein aus dem Walde sich viel weiter in das Tal hinausschiebender Fels, oben weit hervorspringend, der einige Ähnlichkeit mit einem gewaltigen Haupte besaß und aus diesem Grunde von den Urbewohnern für das versteinerte Haupt eines Riesen gehalten wurde, der nach der Sage in der Schlacht gegen die Götter getötet war. Sie nannten die Stelle »am Bildstein« und errichteten darauf ihren von den herüberhängenden Ästen heiliger Eichen beschatteten Altar. Hier feierten einst, als Ostara, der Erdgöttin Tochter, die Keime schwellen und sprossen ließ und schon die ersten Blümchen fröhlich ihre Köpfchen zur leuchtenden Sonne emporhoben, die in jener Gegend angesiedelten Katten ihr Frühlingsfest, das – während nach vollendetem Opfer die Männer am sonnigen Bergabhange schmausten und zechten, die Frauen wieder Herd und Vieh versorgten, die Kinder schliefen oder spielten, und nur die eben erst vermählten Paare noch an der heiligen Stätte weilten – die unbemerkt vorgedrungenen Römer so grausig unterbrachen. Plötzlich aus dem nahen Gebüsch hervorbrechend, hatten sie bald die waffenlosen Jünglinge trotz tapferster Gegenwehr niedergeworfen und samt ihren jungen Frauen gebunden und dann, den Abhang hinunterstürmend, dank ihrer Übermacht die von ihrem Gelage zu den Waffen geeilten Katten – die noch rechtzeitig ihre Weiber, Kinder und Herden in den Schluchten des Waldes, dem heutigen »Sonnenschein«, geborgen – sowohl unterhalb des Berges, wie an der seitdem des vielen daselbst geflossenen Blutes halber »am Mörder« genannten Stelle, an der sich das Kattenheer nochmals gewehrt, zum Weichen gebracht. Dem Feinde zu folgen aber wagten sie nicht und schlugen darum in der Nähe ihr Lager auf. In dieses wurden auch die an der Opferstätte gefangengenommenen Paare geleitet.

Als dieselben dem Feldhauptmann Scävola zur Musterung vorgeführt waren, machte die herrliche, wahrhaft königliche Gestalt Thoras, der goldlockigen Tochter des Ripuarierhäuptlings Eckbert, einen solchen Eindruck auf den Römer, daß er sie länger als die anderen bei sich behielt und, immer mehr von ihren Reizen bezaubert, sie schließlich bat, seine Gattin zu werden. Doch flammenden Auges wies die Holde seinen Antrag zurück. »Lieber will ich den Tod als die Knechtschaft und lieber Fesseln als selbst nur deine Freundschaft ertragen!« lautete die stolze Antwort, die aber die Glut des Feldherrn keineswegs dämpfte, sondern ihm die Zürnende nur noch begehrenswerter erscheinen ließ. Inzwischen hatten die Katten, unterstützt von den auf ihren Hilferuf schleunigst herbeigeeilten Nachbarsstämmen, ausgiebige Vorkehrungen getroffen, um die Gefangenen zu befreien und die verlorenen Sitze wieder zurückzugewinnen. Während ihres Herannahens war Thora, die sich auf Befehl Scävolas (der durch Güte am ehesten sein Ziel zu erreichen hoffte) mit ihrer Dienerin unter der Obhut einiger Kriegsknechte in der Nähe des Römerlagers ergehen sollte, glücklich auf dem erstrebten Gipfel des Bildsteines angekommen, der eine freie Aussicht über die ganze Ruhrgegend bot und deshalb auch alle Einzelheiten des neuen Kampfes am besten überblicken ließ. Ihre ganze Seele lag in ihren Augen. Gespannt verfolgte sie in heißer Sehnsucht nach Freiheit jede Bewegung der immer stürmischer aufeinander stoßenden Gegner; da – da sah sie die Ihren umringt und hörte das Siegesgeschrei der Römer. Der letzte Hoffnungsschimmer erlosch, und nicht ahnend die Pläne ihrer Freunde, die den verhaßten Friedensstörer nicht nur besiegen, sondern in einen Hinterhalt locken und dann gänzlich vernichten wollten, sprang sie, der Göttermutter Freia sich weihend, hinab in die jähe Tiefe. Unentstellt zwar blieb ihr schöner Leib, den von der »freundlichen« Göttin gesandte geflügelte Botinnen sanft heruntertrugen, doch – die Seele war ihm entflohen: entrückt der Erde Luft und Leid, lag sie tot am Ufer des Flusses. Auf dem Schlachtfelde aber hatte sich mittlerweile das Bild völlig geändert.

Ein zweites, bis dahin aller Augen verborgenes deutsches Heer hatte sich plötzlich mit schrecklichem Schlachtruf auf die vermeintlichen Sieger geworfen und wutentbrannt sie sämtlich jämmerlich erschlagen; nur Thoras kleine Schutzwache, die ohne Säumen an den Rhein geflohen, war dem Blutbad entgangen. In all den Kämpfen hatte sich Arnulf, des Kattenhäuptlings Sigurd kraftstrotzender Sohn, der sich und seine Gefährten der Fesseln entledigt, das römische Lager aber ohne die nicht zu findende Thora hatte verlassen müssen, ganz besonders hervorgetan; galten sie doch auch der Befreiung Thoras, seines noch immer in der Gefangenschaft schmachtenden Weibes, das er freilich nur als Leiche wieder finden sollte! Und wie er, hatte fast jeder der Stammesgenossen mindestens ein teures Haupt in dem blutigen Streite verloren, so daß eine reine Siegesfreude nicht aufkommen wollte und konnte. Klagend und schluchzend vielmehr trugen die Katten, nachdem sie die Leichen der Erschlagenen gesondert und die Rosse der Feinde getötet, die ganze Kriegsbeute, sogar die wertvollen goldenen und silbernen Gefäße und Geräte der vornehmen Römer, zusammen und übergaben sie dem Feuer, um alles, wirklich alles (wie sie bei glücklichem Ausgange der Schlacht vorher gelobt) den Göttern zu opfern. Dann setzten sie über den Strom auf die Insel, welche, einst von der Ruhr in tollem Wirbel aus zusammengeschleuderten Bäumen, Erdmassen und Trümmern gebildet und jetzt, den Wasserspiegel ziemlich hoch überragend, ein schönes, sicheres Eiland geworden war. Dort versenkten sie tief die vom Feuer nicht verzehrten kostbaren Stücke und schichteten darüber einen Holzstoß auf, auf dem sie rings um Thoras prächtig geschmückte und mit reichen Geschenken für die Götter umgebene Leiche in Reihen ihre gefallenen Helden betteten, zu eines jeden Füßen zur Sühne den Leib eines erschlagenen Feindes legend.

Als endlich die Priesterinnen ihres Amtes gewaltet hatten und die Flammen des entzündeten Brandmals erloschen waren, bargen und begruben sie in Urnen die Asche, türmten darüber einen ansehnlichen Hügel und nannten die Stätte nunmehr »die Katteninsel«, Thoras und der Helden wegen, die daselbst bestattet waren.

Die Erinnerung daran ist dem Volke bis zum heutigen Tage geblieben, wenn auch die Insel, da die über bedeutend weniger Wasser verfügende Ruhr den Weg an der Ostseite der Ruinen wählte, längst mit dem anderen Teile des früheren Strombetts zu festem Gelände geworden ist; denn »Kattenburg« oder »Kettelburg« hieß das Schloß, das Jahrhunderte später Theophano auf jenem Hügel errichtet, und »Kattenturm« heißt noch der Rest, der von ihm sich erhalten. Und gleich ihm ist auch der einstige »Bildstein«, auf dem der Katten Opferhain gelegen, ihr schwerer Kampf begonnen und Thora, die »Kattenbraut«, ihr Dasein geendet, noch immer das Ziel vieler Wanderer, die trotz des neuen Namens »Die Kanzel« der alten Zeiten gedenken.


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#5
Die Tanfanastätte auf dem Stoppenberg (Tamfana)


Im nordöstlichen Gebiet der Stadt Essen liegt der Stoppenberg, der steil aus der Ebene ansteigt. Dort stand in alter Zeit ein heidnisches Heiligtum. Auf dem Gipfel des Berges erhob sich der kräftige Unterbau aus Balken und Gestein, von dem aus eine riesengroße Säule bis ins Gewölk vorstieß. Das war der Tempel der Tanfana. Die Marsen hatten ihn erbaut. Sie waren ein germanisches Volk, das mit und nach dem Stamme der Sigambrer unsere Gegend hier bewohnte und wegen seiner Tapferkeit gefürchtet und berühmt war. Besonders mit den Römern lagen sie allzeit in Krieg und Fehde. Darum griffen sie auch freudig zu den Waffen, als Hermann zur Befreiung rief. Im Dunkel des Teutoburger Waldes erprobten sie am Römerheere ihre Kraft und kehrten als ehrenvolle Sieger heim. Sie brachten reiche Beute mit, darunter einen Adler, den die Römer ihrem Zug voranzutragen pflegten. Mit Stolz und Jubel legten sie ihn vor Tanfana nieder und vergruben ihn später dann in einem Haine ihres Gaues.

Die Römer aber konnten ihre Schmach und Niederlage nicht vergessen und sannen auf Rache. Zu Xanten am Niederrhein hatten sie ihr festes Lager, und schon nach wenigen Jahren brach ein Heer von hier aus auf, von Germanicus geführt. Um ungesehen zu bleiben, vermied er die große gut gebaut Römerstraße, die vom Rheine aus durch unser Gebiet zur Weser führte. Statt dessen wählte er sich einen weiten unwirtlichen Weg durch dichte, unbewohnte Wälder. Eilboten wurden vorausgeschickt, jedes Hindernis hinwegzuräumen und das Verhalten des Feindes zu erforschen. Sie brachten gute Kunde, denn die Marsen ahnten keine Gefahr. Sorglos lagerten sie die ganze Nacht hindurch im großen Kreise um den Stoppenberg und feierten hier zu Ehren ihrer Götter bei Met, Gesang und Spiel ein fröhliches Fest. Damit rechneten die Römer und beschleunigten ihren Marsch. Das Wetter war günstig und der Himmel sternenhell. Schon bei Tagesanbruch standen sie am Ziel und fanden ihre Feinde schlafend und ohne Waffen. Mit Feuer und Schwert fielen sie über die wehrlosen Opfer her. Niemand fand Erbarmen, nicht Mann noch Weib, nicht Greis und Kind. Die Erde ward gerötet von ihrem Blute und der Himmel von dem Feuerschein, der auf ihren Dächern stand. Auch der Tempel der Tanfana mußte fallen und wurde von Feindeshand der Erde gleichgemacht. Sterbenden Auges sahen es die Marsen, und dieser Anblick war ihnen als der Tod.

Im Jahre 1073 erbaute Schwanehild, Äbtissin von Essen, an Stelle der Tanfanastätte eine kleine Kirche, deren graues Gemäuer noch jetzt den Hügel krönt.


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#6
Die Priesterin Veleda zu Spillenburg


Zwischen Steele und Rellinghausen führt längs der Ruhr eine Straße hin. An dieser liegt die Spillenburg. Für unsere Vorfahren war sie ein bedeutungsvoller Ort. Dort stand eine geweihte Felsenhöhle, in der zu Ehren der Götter gespielt und getanzt wurde. Eine reine Priesterin versah dabei den heiligen Dienst. Sie entstammte dem Volke der Brukterer und wurde Veleda genannt. Bei Freund und Feind genoß die hohes Ansehen. Sogar die Römer warben um ihre Gunst und schickten ihr Gesandte mit reichen Geschenken zu. Sie aber wandte sich mit Stolz und Verachtung von den Fremdlingen und diente in Treue ihrem Volke. Ihm galt sie als eine Prophetin oder Seherin. Sie sagte seine Kriegsschicksale voraus und begeisterte die Männer zu Kampf und Schlacht. Darum stand sie im ganzen Lande der Germanen in hohem Ansehen, und dieses Ansehen wuchs nach ihrem Tode noch immer mehr. Man hielt sie für ein göttliches Wesen und glaubte sie in den Reihen der Walküren oder Schlachtjungfrauen zu sehen. Wenn der Krieg aufloderte, legten diese flugs ihr blinkendes Rüstzeug an, schwangen sich auf ihre feurigen Renner und sausten mit fliegenden Haaren windschnell durch die Lüfte dahin. Von ihren Goldhelmen und Harnischen ging ein blendender Glanz aus, und Sonnenstrahlen brachen aus ihren Speeren und Schilden. Die Krieger fühlten ihre Nähe, und mutig stürzten sie dem Tode entgegen. Die Walküren aber nahmen die sterbenden Helden, hoben sie mit starken Armen auf ihres Rosses Rücken und trugen sie in sausendem Fluge nach Walhalla hin. Hier, in der Burg des Kriegsgottes, erwachten sie zu einem neuen schönen Leben. Nicht sehr weit von der Irmensäule liegt an der von Steele am rechten Ruhrufer entlangführende Straße die Spillenburg mit dem ehemaligen Höhlentempel der Veleda, wo selbst die alten Götter durch Spielen, Tanzen und Singen gefeiert wurden. Hierhin auch ließ sich die einflußreicher Seherin, die zu Kaiser Vespasians Zeiten (69–79 n.d.Z.) den edlen Bataver Claudius Civilis in seinem Kampfe für Freiheit und Unabhängigkeit unterstützte, den gefangenen römischen Legaten Lupercus zu schicken und ein erobertes römisches Admiralschiff, das sie als Yacht zu Spazierfahrten benutzte, auf der Ruhr heraufbringen; später aber wurde sie, da der glückliche Erfolg, den sie ihren Schützling prophezeit hatte, ausblieb, von den Römern gefangengenommen und im Triumph zu Rom aufgeführt.


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#7
In einem Wäldchen bei Margarethenhöhe in Essen soll sich einst die Sommerburg befunden haben. Heute sind dort nur noch zwei Hügel und mehrere Gräben zu sehen.


   


Die Sage von der Sommerburg


In dem Wald, der die Siedlung Margaretenhöhe begrenzt, liegt ein Teich, den die Sage wundersam umwoben hat: Er gehörte zu der Sommerburg, die einst an dieser Stelle stand. Als wilde Kriegsvölker das Land durchzogen, fiel ihnen auch die Burg zum Opfer. Ihre Bewohner, die das Unheil vorhergesehen hatten, konnten zwar ihr Leben retten, nicht aber Schätze, die von alters her im Schloss verborgen waren, und unter denen sich auch die goldene Spindel der Gräfin befand.
Sie erwählten darum den Grund des Wassers zum Versteck, senkten die Kostbarkeiten in die Tiefe und bedeckten sie mit einem schweren Stein, für den sie den Teufel als Wächter bestellten. Seitdem hält ein böser Zauber den verborgenen Reichtum fest, und obgleich die Menschen darum wissen und seinen Besitz ersehnen, will es ihnen nicht gelingen, ihn zu heben. Das musste ein kühner Bauer erfahren, der seinen Sinn auf die versunkenen Schätze stellte und einen Plan ersann, sie zu gewinnen. Längst schon hatte er die Stelle ausgekundschaftet, an welcher sich der Stein befand, und in hellen Mondscheinnächten erprobte er das Werk.
Als ihm der Erfolg sicher schien, zog er im Schutze der Dunkelheit mit zwanzig Mann und vierzig Pferden aus, das Glück zu holen. Niemand sprach ein Wort dabei; denn so hatte er es in alten Zauberbüchern gelesen. Nur das Klirren der Ketten erklang und das Schnauben der Tiere. Stumm gehorchten die Knechte den stummen Befehlen ihres Herrn, der mit erwartungsvollen gierigen Blicken auf den Grund des Wassers hinabsah, wo die Ketten den Zauberstein schon wie blanke Fangarme umklammert hielten. Ein Ruck – und das Wunder schien geschehen – der Stein bewegte sich, so dass der Wasserspiegel schwankte. Jede Sekunde konnte vollends die Erfüllung bringen. Da, im Augenblicke höchster Erwartung löste freudiges Erschrecken einem jungen Knecht die Zunge, dass er unbedacht den Ruf ausstieß: »G*tt sei Dank, wir haben ihn!«
Kaum dass ihm das Wort entflohen war, drang aus der Tiefe ein Wutschrei, der die Menschen bis ins Mark erbeben machte. Das Wasser spritzte turmhoch auf, und mit einem dumpfen Fall sank der Stein tiefer in den Grund, so dass Menschenaugen ihn niemals wieder erblickten.


Und immer noch verzaubert
   Liegt am geheimen Platz
   Der Gräfin goldne Spindel,
   des Grafen goldner Schatz.
   Und niemand kann sie heben,
   wie man auch sucht und sinnt,
   die wundersame Sage
   im Volke weiterspinnt. (Vos, Weinand)


Zu dieser Sage gibt es die folgende Variante:

Es war zu einer Zeit, als es noch Wölfe und Bären in unserer Heimat gab, die sich auch gern in der Nähe der Sommerburg herumtrieben. Jedermann fürchtete die wilden Tiere, nur nicht der Graf von der Sommerburg, der so stark war, dass er mit bloßen Händen einen Wolf erwürgen oder nur mit einem Messer einen Bären töten konnte.
Eines Tages zog er in den Krieg. Lange blieb er fort. Als er aber endlich zurückkehrte, brachte er eine junge schöne Frau mit, deren fremdländisches Aussehen die Einheimischen mit Misstrauen erfüllte. Braune Haut hatte sie, eine feine, etwas orientalische Nase, große glänzende Augen und pechschwarzes Haar.
Der Graf von der Sommerburg liebte seine junge Frau abgöttisch - einen Sommer lang. Dann kam der Herbst, und wie es oft so geht, verschwand der Reiz des Neuen; der Graf kümmerte sich immer weniger um seine Frau, die bald von Heimweh geplagt und immer einsamer wurde. Lange konnte sie an einer Fensteröffnung sitzen und den Vögeln nachsehen, die frei und unbehelligt in den Süden zogen, wo ihre Heimat lag. Schließlich, als für sie keine Hoffnung mehr bestand, die Liebe ihres Mannes zurückzugewinnen oder wenigstens zu ihrer Familie zurückzukehren, nahm sie ihren Brautschatz, ein goldenes Spinnrad und einen Kessel voller Gold und Perlen und stürzte sich in einen Sumpf in der Nähe der Sommerburg. Noch heute liegt ein schwerer Stein auf ihrem nassen Grab, den keine hundert Pferde fortbewegen können.
Diese alte Sage führte dazu, dass in der Vergangenheit oft von Irrlichtern erzählt wurde, die über dem Grab der schönen Fremden schwebten; auch schwarze Katzen sollen sich gern in seiner Nähe herumgetrieben haben. Die geheimnisvolle Geschichte von dem goldenen Spinnrad spukte so sehr in den Köpfen der Rüttenscheider und Holsterhauser Bauern herum, dass sie 1860 tatsächlich in den Sommerburgwald zogen und nachgruben, um den sagenhaften Schatz zu heben. Und tatsächlich fanden sie einen großen Stein, unter dem einige verrottete Reste von Eichenbalken lagen. - Keine Spur natürlich von einem Schatz. Immerhin sorgte das Unternehmen damals für so viel Aufsehen, dass sich noch Jahrzehnte später um die Jahrhundertwende bei den Rüttenscheider und Holsterhauser Bauern der Brauch entwickelte, in jedem Jahr an einem Vollmondabend im Mai in den Sommerburgwald zu ziehen, dort einige Spatenstiche zu machen, die die Schatzsuche symbolisierten, und anschließend ein feucht-fröhliches Fest zu feiern. Dieser Brauch ist längst verlorengegangen, nicht aber die Sage, die sich aus der missglückten Schatzsuche von 1860 entwickelte.
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#8
Wittekind in Ringenberg

In Ringenberg (Schloss Ringenberg bei Hamminkeln) erzählt eine alte Überlieferung, dass hier Wittekind, der Sachsenherzog, einstmals, hart bedrängt von seinem Widersacher Karl dem Großen und bei Bocholt von dessen Heer geschlagen, seine Zuflucht gefunden habe. Das Ross Wittekinds habe diesen in wildem Laufe in das Ringenberger Bruch getragen. Vorher hatte der Sachsenherzog dem treuen Tiere die Hufeisen verkehrt unterschlagen lassen, damit seine Verfolger irregeführt würden. Ergebene und verschwiegene Männer führten den Flüchtling auf geheimen Pfaden durch Röhricht, Schilf und Buschwerk zu dem Hofe des edlen Herrn von Ringenberg. Hier, hinter Burgraben und schützenden Mauern, konnte der Gehetzte wieder Kräfte sammeln und seitdem kehrte er noch oft, wenn ihm das Kriegsglück nicht hold war, in dieser gastlichen Stätte ein.

Quelle: sagenhaftes-ruhrgebiet.de
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