14.08.12006, 11:24
Hier noch ein Text von G. Laub, dem ich zwar nicht bedingungslos beipflichte, welcher aber einen - für meinen Geschmack - interessanten Gedankengang beinhaltet.
Abenteuer für die Medien
Der amerikanische Zeitungsverleger Bennett schickte im Jahre 1871 Stanley nach Afrika, den verschollenen Livingstone zu suchen. Er berichtete über seine Reise regelmäßig im New York Herald und schrieb dann darüber ein Buch. Wohlgemerkt, das Verschwinden und der Tod Livingstones wurde nicht von der Zeitung bestellt.
Ein anderer amerikanischer Zeitungsverleger, William Randolph Hearst, handelte nicht ganz dreißig Jahre später viel großzügiger. Er schickte einen bekannten Zeichner nach Kuba, mit dem Auftrag, Zeichnungen von dem Kriegsschauplatz zu machen. Als der Künstler nach einiger Zeit bei ihm nachfragte, was er wohl tun solle, da es keinen Krieg gab, antwortete Hearst telegrafisch: >>Sie besorgen die Bilder, den Krieg besorge ich.<< Der amerikanisch-kubanische Krieg kam - ob es Hearsts Werk war, weiß ich nicht so genau.
Nicht nur Kriegsabenteuer, auch viele anderen hätten nicht stattgefunden, wenn es die Medien nicht gäbe. Wer hätte schon Lust, Heldentaten zu vollbringen, von denen niemand weiß? Die Ritter kämpften angeblich, um den Namen ihrer Dame zu ehren - in der Tat strengten sie sich nur für die Troubadoure an, die ihren Ruhn verbreiteten. Und sie hatten recht: Von den vielen kleinen Kriegen, die die Altgriechen untereinander führten, wissen wir nur über den dämlichen, wegen einer Frau geführten Trojanischen Krieg so richtig Bescheid - dank Homer.
Dies waren aber nur bescheidene Anfänge. Seit sich die Kommunikationsmedien weltweit entwickelten, tun die Leute alle mögliche, um ins Fernsehen, in die Zeitung oder in das Guiness-Lexikon der Rekorde zu kommen: Sie tanzen wochenlang ununterbrochen, springen mit dem Motorrad über Wasserfälle, vertilgen Unmengen von harten Eiern oder Spaghetti, schwimmen zwischen Haien, spucken in die Ferne und aufs Ziel, lassen sich scheiden und heiraten wieder, demonstrieren gegen schlechte Behandlung von Küchenschaben, lassen sich bei lebendigem Leibe begraben oder nach dem Tode einfrieren, um wenigstens postum in die Zeitung zu kommen. Man kann sich darüber mokieren - dies soll aber jemand tun, der nie darauf erpicht war, eine Notiz über sich selbst in der Zeitung zu finden oder einen Auftritt im Fernsehen zu bekommen. Einem Autor steht es nicht zu. Die Menschen sehnen sich einfach nach Applaus oder zumindest nach der Gewißheit, daß man von ihrer Existenz weiß. Und bevor man sich empört, sollte man auch bedenken, daß neben den vielen idiotischen auch einige kluge und witzige Aussagen den Medien zuliebe gemacht worden sind.
Der größte Verführer ist natürlich das Fernsehen. Es wertet jeden auf (oder ab - eigene Anmerkung), den es zeigt, stellt dabei so manche Werte auf den Kopf und manche - ganz gegen den Kopf - auf Stelzen. Der polnische Aphoristiker Wieslaw Brudzinski schrieb: >>Um berühmt zu werden, muß man vierzig Jahre lang malen oder zwanzig Jahre lang Bestseller schreiben, zehn Jahre lang Hauptrollen im Theater spielen, fünf Jahre in Filmen auftreten oder aber einen Monat lang jeden Tag im Fernsehen Kochrezepte vorlesen.<<
Die Sucht nach Bekanntwerden führte zu vielen schlimmen Taten. Leute mordeten und raubten, um in Schlagzeilen zu kommen, bauten Skandale in naturam oder per Schreibmaschine, Frauen liefen nackt durch die Straßen, Politiker redeten... Vielleicht wäre so manches Verbrechen nicht passiert, wenn die Täter wüßten, daß niemand darüber die Öffentlichkeit unterrichten wird. Die Grundschuld liegt aber nicht bei den Medien. Auch ohne die hätten wir nicht weniger Chaos und keine besseren Politiker. In der Antike gab es kein Fernsehen, es gab jedoch einen Herostrates, der vor vierundzwanzig Jahrhunderten den herrlichen Artemistempel in Brand steckte, um berühmt zu werden.
Abenteuer für die Medien
Der amerikanische Zeitungsverleger Bennett schickte im Jahre 1871 Stanley nach Afrika, den verschollenen Livingstone zu suchen. Er berichtete über seine Reise regelmäßig im New York Herald und schrieb dann darüber ein Buch. Wohlgemerkt, das Verschwinden und der Tod Livingstones wurde nicht von der Zeitung bestellt.
Ein anderer amerikanischer Zeitungsverleger, William Randolph Hearst, handelte nicht ganz dreißig Jahre später viel großzügiger. Er schickte einen bekannten Zeichner nach Kuba, mit dem Auftrag, Zeichnungen von dem Kriegsschauplatz zu machen. Als der Künstler nach einiger Zeit bei ihm nachfragte, was er wohl tun solle, da es keinen Krieg gab, antwortete Hearst telegrafisch: >>Sie besorgen die Bilder, den Krieg besorge ich.<< Der amerikanisch-kubanische Krieg kam - ob es Hearsts Werk war, weiß ich nicht so genau.
Nicht nur Kriegsabenteuer, auch viele anderen hätten nicht stattgefunden, wenn es die Medien nicht gäbe. Wer hätte schon Lust, Heldentaten zu vollbringen, von denen niemand weiß? Die Ritter kämpften angeblich, um den Namen ihrer Dame zu ehren - in der Tat strengten sie sich nur für die Troubadoure an, die ihren Ruhn verbreiteten. Und sie hatten recht: Von den vielen kleinen Kriegen, die die Altgriechen untereinander führten, wissen wir nur über den dämlichen, wegen einer Frau geführten Trojanischen Krieg so richtig Bescheid - dank Homer.
Dies waren aber nur bescheidene Anfänge. Seit sich die Kommunikationsmedien weltweit entwickelten, tun die Leute alle mögliche, um ins Fernsehen, in die Zeitung oder in das Guiness-Lexikon der Rekorde zu kommen: Sie tanzen wochenlang ununterbrochen, springen mit dem Motorrad über Wasserfälle, vertilgen Unmengen von harten Eiern oder Spaghetti, schwimmen zwischen Haien, spucken in die Ferne und aufs Ziel, lassen sich scheiden und heiraten wieder, demonstrieren gegen schlechte Behandlung von Küchenschaben, lassen sich bei lebendigem Leibe begraben oder nach dem Tode einfrieren, um wenigstens postum in die Zeitung zu kommen. Man kann sich darüber mokieren - dies soll aber jemand tun, der nie darauf erpicht war, eine Notiz über sich selbst in der Zeitung zu finden oder einen Auftritt im Fernsehen zu bekommen. Einem Autor steht es nicht zu. Die Menschen sehnen sich einfach nach Applaus oder zumindest nach der Gewißheit, daß man von ihrer Existenz weiß. Und bevor man sich empört, sollte man auch bedenken, daß neben den vielen idiotischen auch einige kluge und witzige Aussagen den Medien zuliebe gemacht worden sind.
Der größte Verführer ist natürlich das Fernsehen. Es wertet jeden auf (oder ab - eigene Anmerkung), den es zeigt, stellt dabei so manche Werte auf den Kopf und manche - ganz gegen den Kopf - auf Stelzen. Der polnische Aphoristiker Wieslaw Brudzinski schrieb: >>Um berühmt zu werden, muß man vierzig Jahre lang malen oder zwanzig Jahre lang Bestseller schreiben, zehn Jahre lang Hauptrollen im Theater spielen, fünf Jahre in Filmen auftreten oder aber einen Monat lang jeden Tag im Fernsehen Kochrezepte vorlesen.<<
Die Sucht nach Bekanntwerden führte zu vielen schlimmen Taten. Leute mordeten und raubten, um in Schlagzeilen zu kommen, bauten Skandale in naturam oder per Schreibmaschine, Frauen liefen nackt durch die Straßen, Politiker redeten... Vielleicht wäre so manches Verbrechen nicht passiert, wenn die Täter wüßten, daß niemand darüber die Öffentlichkeit unterrichten wird. Die Grundschuld liegt aber nicht bei den Medien. Auch ohne die hätten wir nicht weniger Chaos und keine besseren Politiker. In der Antike gab es kein Fernsehen, es gab jedoch einen Herostrates, der vor vierundzwanzig Jahrhunderten den herrlichen Artemistempel in Brand steckte, um berühmt zu werden.