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Geschichten zur Dunkelzeit
Als die Wölfe Fenrir und Gram die Sonne und den Tag gefressen hatten, verschwand auch alle Helligkeit im Schlund der Untiere. Und alles ringsherum fiel in eine tiefe Dunkelheit. Das Licht erlosch in Midgard, der Menschenwelt, und alles Göttliche und Erleuchtende schien so undenkbar fern. Und auch die Seelen der Menschen wurden von der Finsternis heimgesucht, von Zweifeln geplagt und von Ängsten und Hoffnungslosigkeit gequält.
Und die Menschen warteten auf die Wiederkehr der Sonne. Einigen fiel dabei gar nicht auf, daß sie ihre Augen verschlossen hatten, da ringsherum nur Finsternis herrschte. Doch wer genau hinsah erkannte, daß oben am Firmament ein besonderer Stern erstrahlte. Es war die Zeit der Sonnenwende, dem heutigen Weihnachtsfest, und am nächtlich dunklen Himmel erstrahlte ein leuchtend heller Stern. Und der Nordstern begleitete die Menschen zu einer Zeit, als die Tage am dunkelsten und die Nächte am kältesten waren. Als nun alles verloren erschien, die wilde Jagd der dämonischen Seelen durch die Nacht tobte, und die Dunkelheit damit drohte, den Planeten für immer zu verschlingen und mit ihm alle Menschen, leuchtete der Nordstern über allem und strahlte Hoffnung und Zuversicht in die Herzen der letzten Getreuen. Derjenigen, die noch nicht der Finsternis verfallen waren. Sie hatten noch offene Augen und sie waren Brüder im Geiste. Sie alle. Sie waren Söhne der Isis und Töchter Odins. Sie erblickten das Leuchten und erbaten von den alten Göttern des Nordens einen Funken und entzündeten daraus ein kaltes Feuer. Und jeder von Ihnen ergriff eine Fackel, die dort im kalten Feuer des Nordsterns loderte.
Und diese Männer und Frauen wurden zu Lichtträgern, zu Überbringern der Weisheit und zu Hoffnungsträgern für alles Leben, denn Sie brachten das Licht zurück. Zurück in die Herzen der Menschen.
Zuerst waren Sie nur in den Träumen derer, die ihre Augen verschlossen hatten. Aber die Träumenden erwachten und öffneten Ihre Augen. Und da sahen sie das Licht. Aber es war ein graues und dämmriges Licht, ein Licht, daß hinter Nebelschleiern verborgen erschien. Doch keimte neue Hoffnung auf. Und als die Menschen Ihre Augen wieder öffneten, kehrte auch die Sonne zurück und mit ihr die Farben. Kaum merklich und zögerlich nur, aber jeden Tag etwas deutlicher. Und einer von ihnen, er hieß Widar, er packte das Ungetüm bei seinen Kiefern und riß den Wolf mitten entzwei. Und er befreite so den Tag aus dem finsteren Schlund des Wolfes. Und da erwachte der Tatendrang in ihnen ...
Den Menschen schien, als wäre eine Ewigkeit verstrichen. Aber es war nur ein kurzer Augenblick. Es waren genau 12 Tausend Jahre. 12 Tausend Jahre des Schreckens und 12 Tausend Jahre der Dunkelheit. Noch blies ein schwarzer und kalter Wind, und noch hatte die Nacht und die Gesellen der Dunkelheit die Übermacht, und noch stand erst das Schlimmste bevor.
Mit ihren kalten Fackeln und eisig erstarrten Gesichtern zogen die Getreuen in den Kampf. Und sie kannten keine Gnade und kannten kein Erbarmen. Sie verbrannten die Heimstätten der Dunkelheit und der loderne Schein der brennenden Dämonenkinder erleuchtete die Seele des geschundenen Planetens. Und siehe da, das Licht ward warm. Und mit seiner Hitze schmolz der Stachel des Eises, den der kalte Atem des Wolfes in die Herzen und Gesichter der Menschen gebohrt hatte.
Das Eis jedoch taute und seine Tropfen benetzten die Erde. Und die Tropfen der vielen Menschen vereinten sich zu reißenden Bächen und tobenden Fluten.
Und siehe da, die Tropfen wurden zu Samen und die Erde ward fruchtbar. Und aus den tobenden Fluten erstiegen die Kinder des Lichtes, die Früchte des Tages und die Gefährten der Sonne. Sie wuchsen heran und verrichteten ihr gutes Werk.
Und sie waren gleichstark den Mächten der Dunkelheit und ihre Kräfte wuchsen täglich. Ihre Früchte sah man auf den Feldern und den sonnendurchfluteten Bäumen. Alles erblühte und erwachte zu neuem Leben. Aus der Hoffnung ward nun Zuversicht geworden und aus der Zuversicht erstieg die Gewissheit, daß man die Mächte des Bösen bald besiegt haben würde. Mit jedem Tag nahm die Wärme und die Helligkeit des Lichtsternes zu und die Stunden in denen die Diener der Finsternis ihr dunkles Gewand über die Welt verbreiteten, wurden bei jeder Nacht weniger. Die Dunkelheit hatte ihren Schrecken verloren.
Und da nahte der Tag, an dem die Dunkelheit für immer besiegt erschien und die Nacht nicht wiederkam. Denn das große Licht am Himmel leuchtete nun auch zu den Stunden, die früher der Nacht und ihren schrecklichen Herren gehörte. Und die Menschen feierten das Fest des Sommers und erinnerten sich daran, wie aus den Lichtfunken des Weihnachtsbaumes die Kraft für den ewigen Tag erwuchs. Wie der flackernde und schwächlich anmutende Lichtschein der Kerzen unterstützt von den guten Wünschen der Menschen erstarkte und schließlich heute in einem solchen Glanz erstrahlte, daß nur noch die Schatten, die die Dinge warfen, daran erinnerten, daß es einmal Dunkelheit gegeben hat. Da sahen sich die Menschen an und sprachen, laßt uns daran denken, wenn wieder schlechte Zeiten kommen, daß wir niemals mehr die Hoffnung aufgeben, da doch aus einem unscheinbaren Funken, der ewige Tag erwachsen kann. Wir haben es selbst gesehen - alles ist möglich, wenn wir nur die Hoffnung nicht verlieren! Laßt uns also in diesen Tagen die alten Götter ehren und der Natur unseren Tribut erweisen.
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Ein Pendant dazu ist in vieler Hinsicht das Kultmachwerk "Die grüne Schlange" von Johann W. Goethe.
Zum besseren Verständnis der ambivalenten Schönen lese man nach, was "Isis" hier im Forum über "Isis" geschrieben hat.
Hier zu finden: http://www.pagan-forum.de/index.php?showtopic=26192&st=0
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Das sind alles so schöne Geschichten. Spannend, gruselig und geheimnnisvoll zugleich. Mir gefällt diese Art zu schreiben.
Fulvia Flacca Bambula
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Was - Fenrir - anbelangt, so könnte man die Silbe - Fen - vielleicht umdrehen, ein bisschen aktualisieren und - new - daraus machen.
Das Neue, das immer wieder das Alte verschlingen will, dem aber eigentlich nie das Wasser reichen kann.
Auch das Alte und das Neue Testament bilden da keine Ausnahme, sondern illustrieren leidvoll diese Vermutung.
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1. Teil (Weihnachten)
Es ist wieder einmal soweit. Der Ch**stbaum steht in der Stube, der Ch**ststollen liegt daneben und nun wartet alles darauf, daß auch noch das Ch**stkind komme. Nun, WIR ERWARTEN ES NICHT - und wir beteiligen uns auch nicht an der allgemeinen Vergewaltigung des Sonnenwendfestes. Wir schleichen uns stattdessen von dannen, heraus in die finstere Nacht, um den Walküren und den alten Göttern zuzujubeln, die dort oben am Winterhimmel entlangjagen. Mit einem Blick über die schneebedeckten Auen wird deutlich, wie fremd diese Religion eigentlich ist. Gemäß dem alljährlichen Krippenspielterror, sollte der Schäfer gerade seine Herde über die winterliche Weide treiben und seine Schafe zählen, die aus der Ferne kaum vom Schneemann zu unterscheiden sind. Das Je*usbalg im dünnen Leinenhemd müßte ebenso erfrieren, wie der von seiner Frau gehörnte Joseph. (Die keusche Maid, die angeblich am 8.12. geschwängert – schon am 24.12. gebiert.)
Walvater Wotan im graublauen Wintermantel muß sich indes nicht sorgen. Der Pelz hält wärmer als das orientalische Gewand, und sein grollendes Lachen läßt den rot-weiß gekleideten Coca-Cola Weihnachtsmann erzittern und in die warmen Stuben flüchten. »Ha, der Schwächling versteckt sich hinter dem Ofen! Wie wäre es mit einer gemeinsamen Schlittenfahrt, Herr Kollege?« Was sollte er da tun? Mit zitterndem Herzen steigt das Cola-Männchen zum wilden Nordmann auf den Rentierschlitten und schon gings los.
»Heida! Heida!« geschwind wie der Nordwind sausten sie durch das Schneegestöber. »Heida! Heida!« schrie der Herr im blauen Mantel erneut. »Warum zittert Dein Herz gar so?« » ... wegen, weil ... « stotterte der in rot und weiß Gekleidete »Ich bin gar kein richtiger Weihnachtsmann. Mein wirklicher Name ist Thomas Müller und man hat mich angestellt, damit ich den Kindern Geschenke bringe. Und ganz ehrlich, habe ich bis heute auch nicht geglaubt, daß es überhaupt einen richtigen Weihnachtsmann gibt.« » Ja sehe ich denn aus wie ein Weihnachtsmann!« schnaubte der gestrenge Herr verächtlich! »Ja sieht er denn aus wie der Weihnachtsmann« säuselte der Nordwind und die Möwen kicherten belustigt.
»Ja aber wer bist Du dann?« und trotz der Kälte fühlte der verkleidete Weihnachtsmann, der in Wirklichkeit Thomas Müller hieß, wie seine Hände zu schwitzen anfingen. »ICH BIN ..... «, war seine lachende Antwort und weil der Wecker klingelte, konnte Thomas Müller den Rest nicht mehr verstehen. Zum Glück! Es war nur ein Traum. Doch als er die Hand öffnete und darin etwas Fell von dem graublauen Wintermantel entdeckte, an den er sich während der Schlittenfahrt geklammert hatte, wußte er: Es war doch kein Traum. Ein Schauer lief ihm über den Rücken! Es gab sie also wirklich - die alten Götter! Odin, Freya, Isis, Baal, Königin Maab vom finsteren Wald und Skadi, Nordlands wilde Möwe, die so fröhlich gekichert hatte. Und ihm, Thomas Müller, hatte sich die Wahrheit gezeigt!
Was fange ich nun an, mit dieser Wahrheit? dachte Thomas Müller. Und während er diesen Gedanken gerade überlegte, ertönte die Donnerstimme erneut: »Das, Thomas Müller, ist ganz Dir überlassen!« ... »es ist ganz und gar Dir überlassen« krächzten die Raben; »nur Dir allein« brauste der Nordwind und heulte davon. »Nur mir allein« stellte Thomas Müller schließlich fest.
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2. Teil (Nachweihnachtszeit)
Lieber Thomas Müller!
Was also fängst Du nun an mit der Wahrheit? Es gibt da nämlich mehrere Möglichkeiten: Du könntest die Wahrheit z. B. schnell wieder vergessen. Das hat den unglaublichen Vorteil, daß sie Dich überhaupt gar nicht erst quält und piekt und überhaupt. Das gestrenge Väterchen Frost, das wirst Du dann auch nie wiedersehen.
Das kannst Du nicht vergessen, sagst Du? Warum denn nicht? Es ist doch viel einfacher als das, was Du jetzt gerade machst: Die Wahrheit kennen und trotzdem so leben, als hättest Du sie nie gehört! Muarr haarrr haaarr. Fies was?
Nun gut, ganz so schlimm ist es nicht, aber Du weißt, worauf ich hinaus will?
Ich will Dir nicht zum hundertsten Mal vorhalten, Du wärst ein Konsum-Idiot mit Wertmaßstäben, welche Dir die Werbestrategen gezüchtet haben. Ich will auch nicht behaupten, Du wärst ein Trödler und Krämer, der sich lieber mit billig umgibt, als auch nur den Hauch von Stil und Sinn für Kultur zu entwickeln. Ja Kultur und Schnörkel ... ... das ist wirklich kein Geld wert! Nutzlos, sinnlos und viel zu teuer. Es geht eben auch anders: quadratisch - praktisch - tot. Ja was nun? Das Zauberwort heißt: "geistige Abstinenz". Solange Du ärmlich denkst oder dem Konsumrausch verfallen bist, bleibst Du in beiden Fällen "geistig arm".
Ein anderes Beispiel gefällig?
Warum versuchst Du den Spagat zwischen "Wissen haben" und "nicht anwenden wollen"? Warum jagst Du Deine Kinder und Dich selbst in die Kirche? Wenn sie groß sind, können sie sich noch immer frei entscheiden? Irrtum! Dann ist die Entscheidung schon längst gefallen. Oder läßt Du Deine Kinder auch frei entscheiden, ob sie zur Hauptverkehrszeit als "blinde Kuh" über die Straße laufen dürfen oder nicht?
... noch ein Beispiel?
Nein, ich gebe kein weiteres Beispiel. Warum? Weil ich, lieber Thomas Müller, festgestellt habe, daß Du zu borniert, verblendet, hypnotisiert oder zu selbstgefällig bist, um das betreffende Beispiel auf Dich zu beziehen. Dafür weißt Du garantiert, welchen "Anderen" ich mit den oben genannten Beispielen gemeint haben könnte, he?
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Sich an einen Thomas Müller wenden!
Ist das nicht verschwendete Liebesmüh?
Im besten Falle wird ein Harry Potter daraus schlau.
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guest/e.r. schrieb:Sich an einen Thomas Müller wenden!
Ist das nicht verschwendete Liebesmüh?
Im besten Falle wird ein Harry Potter daraus schlau. Hallo e.r. , ich denke, die Geschichte soll ausdruecken, dass man nicht blind und ignorant durchs Leben gehen soll. Egal ob man Thomas Mueller heisst oder anders. Jede hat ihre Erlebnisse im Alltag, die ihr die Augen oeffnen sollte. Meistens geschieht das nicht und erst dann wird man zu einem Thomas Mueller.
....so hat Alexis die Geschichte jedenfalls verstanden
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Zitat:....so hat Alexis die Geschichte jedenfalls verstanden
... und so war sie auch gemeint.
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Eine etwas andere Sonnenwendgeschichte
Zu einer Zeit, in der das Feiern unserer heiligen Feste bei Androhung des Todes verboten war und sich jeder Mann und jede Frau, die sich nicht um das Zeichen des Kreuzes versammelte, als geächtet galt, hat sich folgendes zugetragen:
Wir befinden uns im heiligen Land und schreiben den 21. Tag im Julmond des Jahres 1199 der neuen Zeitrechnung. Jaques und Johann der Deutsche sind gute Freunde. Die Sonne scheint ihnen in den Rücken, und in gut 30 Minuten werden sie die vor ihnen liegende Templerfestung Tartus in Lybien erreicht haben. Sie sind ernst, jedoch guter Dinge. Heute soll das alte heilige Fest der heidnischen Sonnenwende von ihnen gefeiert und die uralten Riten erneut zelebriert werden. Eine heimliche Vorfreude wohnt in ihren Herzen und schaut auch aus ihren Gesichtern heraus. Wenn man die beiden gerade träfe, dann könnte man sie fragen, warum sie wohl so geheimnisvoll lächeln. Natürlich würden sie nichts sagen oder einen Grund erfinden, der die Logik des Fragenden beruhigt – um ihr Geheimnis nicht zu verraten.
Nur die engsten Vertrauten sind zu dieser Feier geladen, denn ihnen allen droht Tod und Verfolgung, wenn nur ein Außenstehender davon erführe. Noch schlimmer als Tod und Verfolgung wäre aber, wenn der Schatz, den Jaques in einer unscheinbaren Kiste mit sich führt, in die Hände der Chr*stlichen Feinde fiele.
Jaques lächelte: „die Chr*stlichen Feinde …“
Und als ob Johann der Deutsche die Gedanken seines Freundes lesen könne sagte er: „Ja, sie sind unsere wahren Feinde und nicht die Sarazenen und Mamelucken.“
Jaques nickte: „… obwohl wir selbst das Zeichen des Kreuzes auf unseren Umhängen tragen.“
„Zumindest denken sie das“ lachte der Deutsche und hielt seinen Umhang mit dem gleichschenkligen Templerkreuz in die untergehende Sonne, und die beiden Ritter lachten sich aus vollem Herzen an. Das schwarze Templerkreuz als geheimes Symbol der Schwarzen Sonne und das rote gleichschenklige Kreuz für die irdische Sonne, deren Wendefest sie heute nacht zu feiern gedachten – die uralten Riten, die vom Anbeginn der Welt künden und durch die heute Mächtigen geächtet wurden!
Natürlich kann diese Zeremonie nur im Verborgenen stattfinden, im Schatten der offiziellen Chr*stlichen Feiern, die in 4 Tagen, nämlich am 25. Tag des Monats prunkvoll aufgeführt werden.
Die Festung Tartus lag jetzt unmittelbar vor ihnen, sie hatten keine Eile und würden die gut befestigte Templerburg erreichen, bevor die Sonne hinter den Sandhügeln der lybischen Wüste verschwunden wäre.
Welch merkwürdigen Lichtreflex die untergehende Sonne ihnen gerade sandte! Es dünkte sie, als hätte der Schein der untergehenden Sonne in diesem Moment die gleiche Farbe angenommen, wie das Templerkreuz auf dem Umhang des Deutschen, das dieser gerade eben noch so triumphierend in die Sonne gehalten hatte. Sie beide sahen es als Zeichen und nickten einander zu. Der Deutsche flüsterte den Pferden etwas in die Ohren, und plötzlich ging es kehrt um im zügigen Galopp zu einer geheimen Stelle, die nur die Templer kannten.
Sie erreichten die kleine Mameluckensiedlung mit den letzten Sonnenstrahlen.
„Fatima grüßt die fremden Ritter“ rief ihnen ein osmanisch aussehender bewaffneter Reiter zu, der sich hinter einem großen Stein postiert hatte. Jaques und Johann erkannten, daß sich überall um die enge Passage herum Bogenschützen versammelt hatten, die sie anvisierten. Es bestand jedoch kein Anlaß zur Sorge, denn ihnen war die korrekte Antwort auf das Losungswort des Mamelucken bekannt.
„Wir grüßen Fatima, die die Mutter des Propheten ist.“ rief ihnen Johann der Deutsche entgegen.
Der Osmane lachte. „Du kennst Dich schlecht aus in unserer Religion! In unseren heiligen Schriften steht, daß Fatima natürlich die Tochter des Propheten ist.“
„Verzeiht einem Fremden seinen Irrtum“ antwortete Jaques „oft ähnelt die Tochter ihrer Mutter zum Verwechseln, zumal sie den selben schwarzen Stein wie ihre Mutter trägt.“
Nachdem die Losungsworte ausgetauscht waren, senkten die Bogenschützen ihre Arme, und der Osmane nickte ihnen zu. „Mein Name ist Salmud, und ich war ein Leibwächter des großen Sultans Saladin, dem ich bis zu seinem Tode treu gedient habe. Aber vor allem diene ich Fatima, der ich meinen Eid vor vielen Leben bereits geschworen hatte.“
„Wir kennen deinen ehemaligen Herren als einen tapferen Feind, der uns des öfteren übel mitgespielt hat“ sagte der Deutsche anerkennungsvoll.
„Die Umstände sind daran schuld, daß wir in der Schlacht Feinde sind, obwohl uns unsere Herzen verbinden“ antwortete Salmud. „Die Anmaßung des hiesigen Heiligen, der Mohamed ist, und die Lügen eures Heiligen, der sich Chr*stus nennt, machen Freunde zu Feinden.“
„Trotzdem reiten wir hier zusammen“ lächelte der Deutsche „und Du wirst uns nach Tartus weiterhelfen.“
„Ihr seid in Eile?“ fragte der Osmane „dann laßt uns keine Zeit verlieren.“
Sie hielten vor einer Ansammlung großer Steine, die aus der Ferne und im Mondenlicht wie ein einziger mittelgroßer Felsen ausgesehen hatte.
„Gilbert Erail, der der Großkomtur eures Ordens ist und der von unseren Geheimnissen nichts weiß, ist ein weiser Mann …“, Salmud macht eine ausholende Handbewegung „… jedoch kümmert er sich zu sehr um weltliche Angelegenheiten wie den Geldverkehr, seine Wechsel, die er gegen Gold eintauscht und um den Kampf mit den Mauren. Er übersieht dabei, daß ein Kampf auch auf anderen Ebenen geführt wird. Die Mauren haben ein geheimes Todesritual gegen ihn durchgeführt. Vor Ablauf eines Jahres wird er sterben!“
„Was rätst du ihm?“ fragte Jaques.
„Er muß seine Pläne Gaston zurückzuerobern aufgeben, sonst wird ihn der Tod ereilen“ antwortete der Osmane betrübt. Auch ihm gefiel nicht, daß die Mauren dadurch einen Vorteil gewannen.
Jaques nickte: „Wir werden es ihm ausrichten.“
Dann führte Salmud sie in den Felsen hinein, hin zu dem geheimen unterirdischen Gang, der unter der Wüste hindurch bis hin zur Johanniterburg Margat führte und von dort weiter zur Insel Arwad, die gegenüber von Tartus lag und auf der die geheime Zusammenkunft der eingeweihten Tempelritter stattfinden sollte. Einige der Johanniter waren Freunde der Templer, auch sie haben anläßlich ihrer Einweihung in den inneren Kreis auf das Kreuz des Chr*stus gespuckt. Das geschah als Zeichen ihrer Verachtung und als Symbol ihres gemeinsamen Geheimnisses, welches sie zu bewahren bei ihrem Leben geschworen hatten. Statt dessen galt ihr Eid der Treue einem Gegenstand, den Jaques als bestbehütetes Templergeheimnis in der kleinen Kiste bei sich führte und der für die Chr*sten als Symbol des leibhaftigen Teufels gilt.
Was hatte Rom und der Papst nicht alles versucht, um in den Besitz des sprechenden Kopfes, den alle Baphomet nannten, zu kommen. In ihm waren alle Geheimnisse von Anbeginn der Welt gespeichert, alle Rituale und Zeremonien, das Wissen um die wahre Herkunft der Menschen und die originalen Texte, mit der die Macht der alten heidnischen Götter aktiviert werden konnte.
Jaques war es, der für die Sicherheit des Baphomet verantwortlich war. Es war ihm anvertraut, und alles in seinem Leben war diesem Belang untergeordnet. Nicht einmal der Deutsche an seiner Seite, sein treuer Freund und verläßlicher Begleiter Johann, der ihn über so viele Jahre und auf so vielen Wegen begleitete und den er sogar über Inkarnationen hinweg vom Anbeginn kannte, hätte das Recht, den Baphomet-Schädel zu berühren oder gar anzuschalten.
Dabei hatte Johann der Deutsche stets zu ihm gestanden und es handelte sich nicht etwa darum, daß Jaques kein Vertrauen zu ihm hätte. Jederzeit würde er dem Deutschen ohne nachzudenken sein Leben anvertrauen. Es lag jedoch in der Natur der Sache, daß nur ein einziger Mensch dieser Welt in der Lage ist, den Baphometschädel zu aktivieren und auf seine Geheimnisse Zugriff zu nehmen. Und dieser eine Mensch war Jaques, der wahre Mittelpunkt des Templerordens und ihr geheimer Anführer, der nur einer kleinen Gruppe als das spirituelle Oberhaupt des Ordens bekannt war. Diese kleine Gruppe von zirka 50 Personen traf sich in dieser Nacht auf der kleinen Insel Arwad, um ein verbotenes heidnisches Ritual zu begehen, das zum Zeitpunkt der sogenannten Sonnenwende zelebriert wurde.
Jaques blickte in die Gesichter der Männer, und er kannte jeden von ihnen. Auch einige Frauen, die Männerkleider angezogen hatten und neun der Johanniter-Ritter standen in diesem erlauchten Kreis. Jaques betrat den Mittelpunkt des Kreises und öffnete die kleine unscheinbare Kiste. Er stellte den fremd (und doch vertraut) aussehenden Kristallschädel des Baphomet in die Mitte des Kreises. Jetzt sah Jaques dem Schädel in die Augen und intonierte eine alte Melodie, ein Lied aus uralten Zeiten. Einige Funken, anzusehen wie der Lichtertanz der nordischen Glühwürmchen zur Mitsommernacht, sprühten von dem geheimnisvollen Schädel aus. Diese Funken führten alle Teilnehmer in eine Art andere Dimension, in der sie für die umliegende Welt unsichtbar wurden. Nun konnten sie ihre Rituale unbeobachtet von geistigen Spionen der Kirche, Spionen der muslimischen Mollas und auch unbeobachtet von eventuellen Verrätern in den eigenen Reihen durchführen. Denn nur diejenigen hatten Zutritt zu dieser Dimension – die sich wie eine Art Blase um die kleine Runde von Rittern und Frauen legte – die sich ihre Loyalität und Treuherzigkeit über alle Inkarnationen von Anbeginn der Zeit bis zum heutigen Tage bewahrt hatten.
Auch Johann der Deutsche stand in dieser Runde, hob seinen Arm zum Sonnenschwur, und als zwei neue Mitglieder des geheimen Ordens eingeweiht wurden, war es der Deutsche, der einen von ihnen als Novizen zugeteilt bekam. Gemeinsam zelebrierten sie nun das heilige Fest, entzündeten das Feuer, welches symbolisch für die Kraft der Sonne und die ewige Kraft der Urflamme steht. Sie waren Freunde unter Freunden, gleichberechtigte Ritter – denn Rang und Titel hatten in dieser Runde keine Bedeutung. Der Schädel des Baphomet sprach zu ihnen die heiligen Worte, erinnerte sie an ihre Herkunft und gab ihnen Kraft für den weiteren Weg. Sie alle erneuerten ihre Schwüre, und nach alter heidnischer Sitte vollzogen sie ihre Rituale und vergaßen auch ihre persönlichen Wünsche nicht, die ihnen das Leben in der Welt da draußen vereinfachen sollten. Als sie alle ihre Schwerter zogen, um die Spitzen der Schwerter über dem Feuer zu vereinigen, rief Jaques: „Möge das Feuer der Sonnenwende unsere Schwerter und Herzen zusammenschmieden, auf daß allen stets die gemeinsamen Kräfte unseres geheimen Ordens der schwarzen Göttin zur Verfügung stehen, und möge unsere gemeinsame Kraft mit geballter Wucht alle unsere Feinde vernichten!“
Die Funken tanzten noch eine Weile, ehe sie sich plötzlich in den Baphomet-Schädel zurückzogen. Die Blase, die die andere Dimension schützte, löste sich auf, und sollte ein Verräter in ihrer Runde gestanden haben, dann hätte der von all dem nichts mitbekommen. Dieser Teilnehmer hätte der geistigen Vereinigung der treuen Ritter nicht beigewohnt, und für ihn hätte alles so ausgesehen, als ob die Ritter nur um das Feuer herum gestanden hätten, sich wärmten und alte Geschichten erzählten. Wie eine Art Fiktion – heute würde man sagen Film – die eigens zum Zwecke der Sinnestäuschung, wie eine Art falsches Spiegelbild illusioniert wurde.
Die Runde löste sich auf, und auch Jaques und Johann würden nun wieder getrennte Wege gehen. Als die beiden in Begleitung des neuen Novizen das Lager der Mamelucken wieder erreichten und dort ihre Pferde bestiegen, verabschiedeten sie sich.
„Du hast in diesem Jahr andere Aufgaben als ich“ sagte Jaques dem Deutschen.
„Ich werde erfolgreich sein“ antwortete Johann der Deutsche und nickte auch seinem neuen Schüler zu. Dann ritten sie davon, und Jaques schaute den beiden nach, bis sie am Horizont verschwunden waren.
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