Wie beliebt?
#1
Ich lese gerade einen sehr interessanten Roman, der in der Zeit um 1860 spielt.
Im Text fällt immer wieder die Wortgruppe "Wie beliebt?" als Ausdruck für "Was hast du gesagt? Oder "Wie war das?"
Kennst irgendwer den Ursprung dieser Wortgruppe? Oder wie sie entstanden ist?
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#2
Hallo Wölfin,


erst wollte ich nur ganz kurz auf deine Frage antworten, aber sie wirft einen interessanten Aspekt auf. In unserer Gesellschaft gilt es als unhöflich, den eigenen Willen direkt zu bekunden. Das eigene Wollen muss stets mit Höflichkeitsfloskeln verklausuliert werden.

Wenn ein Kind zwei Kugeln Eis "will", korrigiert die Mutter meistens: "Du willst nicht, du möchtest." In der "Höflichkeitsform" wird indes sogar der Konjunktiv ir-realis benutzt: "Ich hätte gerne ein Eis."

In der etwas altertümelnden, aber höflichen und gehobenen Sprache kann man auch sagen: "Mir beliebt ein Eis." Der Verkäufer würde dem Belieben angemessen entgegen: "Beliebt es Ihnen in der Waffel oder im Becher?" (Vielleicht würde er in der heutigen Zeit auch denken: "Beliebt dir einer an die Waffel?")

Wenn beide Optionen im Vorfeld klar sind, könnte er auch fragen: "Wie beliebt es Ihnen?" Sprich: Wodrin willste das jetzt haben? Diese Fragestellung ist unserer Gewohnheit geschuldet, beim Sprechen an allen Ecken und Enden zu sparen. Wir fragen ja inzwischen auch nicht mehr förmlich: "Wie steht es um Euer Wohlbefinden?", sondern: "Wie steht's?" Das ist halt kürzer.

Letztlich sollte man sich aber nichts vormachen, hinter dem Belieben nach einer Kugel Eis im Becher steckt noch immer ein dezidierter Wille, daran ändert auch die höfliche Formulierung nichts. Im Restaurant "hätte" ich formell zwar gerne einen Apfelsaft, aber im Grunde will ich ihn.

Wenn ein Diener im 19. Jahrhundert seinen Herrn mal nicht so gut verstanden hat, lautete seine Frage halt "Wie beliebt?" im Sinne von "was ist Ihr Belieben / was beliebt Ihnen / was wünschen Sie?" Er hätte natürlich auch vulgär fragen können: "Was willste denn jetzt schon wieder?", aber das wäre wohl nicht so gut angekommen Blinzeln.

Wobei dieses ganze "Hätte-möchte" magisch betrachtet für mich ziemlich ch**stlich klingt. Der Ch**st oder die Ch**stin betet eben: "Ich wünsche mir... ich möchte... ich erbitte..." Die Heidin oder der Heide hingegen "will" dieses und jenes.

Man kann magisch gesehen auch direkt an das denken, was man will... ohne den Umweg über die gedankliche Formulierung: "Ich will..." Es bleibt aber vom magischen Standpunkt aus betrachtet unklug, in eine Eisdiele zu stürmen und zu sagen: "Vanille! Im Becher!"


Grüße
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#3
Danke für die tolle Erklärung!
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#4
Zitat:Wobei dieses ganze "Hätte-möchte" magisch betrachtet für mich ziemlich ch**stlich klingt. Der Ch**st oder die Ch**stin betet eben: "Ich wünsche mir... ich möchte... ich erbitte..." Die Heidin oder der Heide hingegen "will" dieses und jenes.

Das ist ein wichtiger Punkt. Höflichkeitsfloskeln muß man sprechen – darf sie aber niemals denken. Das macht den Unterschied. Wer beim Denken in Schnörkeln agiert, der blockiert seine Willenskraft. Wer beim Sprechen auf Höflichkeitsfloskeln verzichtet, der erregt den Unmut seiner Umwelt und wird dadurch ebenfalls blockiert. Das heißt, daß man ein Anliegen stets so herüberzubringen verstehen muß, daß es zwar klar formuliert (deutliche Willensbekundung), trotzdem jedoch nicht ehrverletzend oder emotional erregend für die Umwelt erscheinen darf.

Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!
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