22.04.12011, 11:50
Zu dem Gedicht. Schon der Name ist völlig falsch, denn es handelt sich um "pseudo-nordisch". "Verdi" (eigentlich: "verðr") bedeutet "würdig, wert" ist also nur ein Adjektiv. Und den deutschen Begriff "Werte" (ethische, moralische Werte haben) gibt es erst seit dem 19. Jh. in Deutschland, im Norden gar nicht. "Tugenden" ist hier der richtige, historische Ausdruck.
"-mál" ist Bezeichnung für Merklieder in der Edda. Diese Lieder stehen alle im Versmaß des Ljóðaháttr (Spruchton), dabei wechseln sich Lang- und Kurzzilen gegenseitig ab, wie im folgenden Beispiel (Háv. 1):
>Der Ausgänge halber, bevor du eingehst,
Stelle dich sicher,
Denn ungewiß ist, wo Widersacher
Im Hause halten.<
Die ganze Strophe besteht also aus zwei Lang- und zwei Kurzzeilen im Wechsel. Die Kurzzeilen kann man auch Halbzeilen nennen, eine Langzeile besteht dann aus zwei Halbzeilen.
In dem hier nun in Rede stehenden Gedicht "Verdimal" hingegen stimmt das Versmaß gar nicht. Hier ein Beispiel:
>Treu sollst du sein und Vertrauenswürdig auch;
fest halten sollst du´s mit deinem Glauben,
welcher auch immer der Richtige für dich sei.
Lass dich nicht bekehren zu Dingen,
die dir fremd.<
Hier fehlt eine klare Form föllig; ich habe versucht, die Zeilen zu gliedern und man sieht, es sind 4 Langzeilen (= 8 Halbzeilen) und eine einzelne Kurzzeile. So ein Schema gab es nie in der altnordischen Literatur. Aber selbst dieses Schema ist nicht durchgehalten, sondern jede Strophe hat ein anderes.
Das einzige, was man positiv erwähnen kann, ist daß der Stabreim durchgezogen wurde, wobei er aber teils in der Halbzeile bleibt, teils zwei Halbzeilen verbindet. Z. B. in der 1. Zeile steht der Stabreim in der 1. Halbzeile (sollst-sein) und dann in der 2. Halbzeile ein eigener Stabreim (und-auch), in der 2. Zeile hingegen geht der Stabreim über die beiden Halbzeilen (du's-deinem), in der 3. Zeile sind die Stabreime wiederum nur auf ihre Hälften beschränkt (auch-immer) (der-dich), in der 4. Zeile dann wiederum ein über zwei Halbzeilen greifender Stabreim (dich-Dingen), in der 5. Zeile, der Halbzeile, noch ein kleiner Stabreim (die-dir).
Das alles ist chaotisch in der Form, und dann auch noch dekadent-modern im Inhalt. "Welcher Glaube auch immer der Richtige für Dich sei" - klingt wie von einem Esoterischen Treffen. Gibt es überhaupt mehrere "richtige" Glauben? Und kann es sinnvoll sein, daß jeder sich einen ganz bestimmten wählt? Der Naturgläubige wird dann Indianer, der Naturfrevler aber glaubt an die Erde als Jammertal, und alle sind glücklich? Wenn man indirekt behauptet, jeder Glaube sei wahr, dann ist doch in Wirklichkeit für einen gar keiner wahr. Man kann doch nur von einer Wahrheit überzeugt sein, dann vertritt man diese auch. Wenn man nichts vertritt, ist man auch von nichts überzeugt.
Lichtgruß,
Geza
"-mál" ist Bezeichnung für Merklieder in der Edda. Diese Lieder stehen alle im Versmaß des Ljóðaháttr (Spruchton), dabei wechseln sich Lang- und Kurzzilen gegenseitig ab, wie im folgenden Beispiel (Háv. 1):
>Der Ausgänge halber, bevor du eingehst,
Stelle dich sicher,
Denn ungewiß ist, wo Widersacher
Im Hause halten.<
Die ganze Strophe besteht also aus zwei Lang- und zwei Kurzzeilen im Wechsel. Die Kurzzeilen kann man auch Halbzeilen nennen, eine Langzeile besteht dann aus zwei Halbzeilen.
In dem hier nun in Rede stehenden Gedicht "Verdimal" hingegen stimmt das Versmaß gar nicht. Hier ein Beispiel:
>Treu sollst du sein und Vertrauenswürdig auch;
fest halten sollst du´s mit deinem Glauben,
welcher auch immer der Richtige für dich sei.
Lass dich nicht bekehren zu Dingen,
die dir fremd.<
Hier fehlt eine klare Form föllig; ich habe versucht, die Zeilen zu gliedern und man sieht, es sind 4 Langzeilen (= 8 Halbzeilen) und eine einzelne Kurzzeile. So ein Schema gab es nie in der altnordischen Literatur. Aber selbst dieses Schema ist nicht durchgehalten, sondern jede Strophe hat ein anderes.
Das einzige, was man positiv erwähnen kann, ist daß der Stabreim durchgezogen wurde, wobei er aber teils in der Halbzeile bleibt, teils zwei Halbzeilen verbindet. Z. B. in der 1. Zeile steht der Stabreim in der 1. Halbzeile (sollst-sein) und dann in der 2. Halbzeile ein eigener Stabreim (und-auch), in der 2. Zeile hingegen geht der Stabreim über die beiden Halbzeilen (du's-deinem), in der 3. Zeile sind die Stabreime wiederum nur auf ihre Hälften beschränkt (auch-immer) (der-dich), in der 4. Zeile dann wiederum ein über zwei Halbzeilen greifender Stabreim (dich-Dingen), in der 5. Zeile, der Halbzeile, noch ein kleiner Stabreim (die-dir).
Das alles ist chaotisch in der Form, und dann auch noch dekadent-modern im Inhalt. "Welcher Glaube auch immer der Richtige für Dich sei" - klingt wie von einem Esoterischen Treffen. Gibt es überhaupt mehrere "richtige" Glauben? Und kann es sinnvoll sein, daß jeder sich einen ganz bestimmten wählt? Der Naturgläubige wird dann Indianer, der Naturfrevler aber glaubt an die Erde als Jammertal, und alle sind glücklich? Wenn man indirekt behauptet, jeder Glaube sei wahr, dann ist doch in Wirklichkeit für einen gar keiner wahr. Man kann doch nur von einer Wahrheit überzeugt sein, dann vertritt man diese auch. Wenn man nichts vertritt, ist man auch von nichts überzeugt.
Lichtgruß,
Geza