15.04.12006, 13:50
Caesars erste Schlacht
Lucius Licinius Lucullus (107 - 57 v. Z.), römischer Feldherr unter Lucius Cornelius Sulla (138 - 78 v. Z., im Jahre 82 v. Z. Diktator von Rom), war Oberbefehlshaber der Schlacht gegen die belagerte Stadt Mytilene.
Marcus Minucius Thermus, der eigentliche Oberbefehlshaber fungierte in dieser Schlacht nur als Beobachter.
Lucullus empfand Caesars (zu dieser Zeit Militärtribun) selbstsicheres Auftreten als arrogant. Er warf ihm vor, er hätte sich bei einem Auftrag, den er zu erfüllen hatte, durch Unehrenhaftigkeit einen Vorteil verschafft. Caesar, der diesen Auftrag exzellent erfüllte, argumentierte gegen diese Unterstellung wie folgt. "Lucius Licinus Lucullus, du trägst einen stolzen Namen, aber verglichen mit meinem ist er weniger wert als Staub. Du hast meine Würde verletzt und ich werde nicht eher ruhen, bis ich diesen Makel ausgelöscht habe. Ich erreiche meine Ziele, indem ich meinen Verstand einsetze, eine Gabe, die, wie mir scheint, nur wenige besitzen."
Daraufhin war Lucullus zerrissen und suchte nach einer Möglichkeit sein Ansehen bei Caesar wiederzuerlangen, ohne sich dabei entschuldigen zu müssen. Auch in Briefen an Sulla beschwerte er sich über Caesars Auftreten. Er beschloß, sich Caesars, der gerade im Alter von 20 Jahren war, zu entledigen. Im damaligen Heer gab es ein ungeschriebenes Gesetz, das besagte, daß man einen Mann, der ständig für Unruhe sorgte, in der Schlacht an einer Stelle einsetzen solle, an der er sie ganz sicher nicht überleben würde. In der Schlacht gegen Mytilene ergab sich nun für Lucullus diese Gelegenheit. Er beschloß sich an dieses alte und ungeschriebene Kriegsgesetz zu halten.
Beim Rat vor der Schlacht, an dem ungewöhnlicherweise auch die Jungtribunen anwesend waren, sagte Lucullus zu Caesar, "Du bist ein Quertreiber, aber wie ich bemerkt habe, arbeitest du gerne hart. Ich habe deshalb beschlossen, dir das Kommando über eine Kohorte (Lateinisch: Gefolge, Truppeneinheit des römischen Heeres in einer Stärke von 600 Mann) zu geben. Ich stelle sie aus den schlimmsten Elementen aus Fimbrias Armee zusammen. Ich halte die Kohorte so lange in Reserve, bis ich den hartnäckigsten Widerstand in den Schlachtreihen des Gegners ausgemacht habe. Da hinein schicke ich sie dann. Du als Befehlshaber hast die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß sie das Ruder herumwerfen."
Die anderen Tribunen, die mit Caesar zusammen untergebracht waren und ihm als Freunde zur Seite standen, machten sich ernsthafte Sorgen, denn Caesars Kohorte bestand aus den Männern, die sich am heftigsten gegen Lucullus aufgelehnt hatten. Zudem waren sie alle Fimbrianer, die zu lebenslanger Verbannung verurteilt waren. Die Fimbrianer waren noch immer Gaius Marius ergeben.
Lucullus ließ sechs Belagerungstürme vor die Mauern von Mytilene ziehen. Sie waren so groß, daß mehrere Hundertschaften die Mauern erstürmen und die Verteidiger niedermachen konnten. Die aber waren sich bewußt, daß sie kaum eine Chance hatten, einem solchen Ansturm standzuhalten, und so suchten sie ihr Heil in einer offenen Feldschlacht vor den Stadtmauern.
Die Stadttore hatten sich geöffnet, sechzigtausend Mann strömten heraus und bezogen auf dem Gebiet zwischen den Stadtmauern und dem von Lucullus errichteten Belagerungswall Stellung.
Hornsignale ertönten, Trommeln wirbelten, und wieder ertönten Hörner. Das römischen Lager entfachte eine fieberhafte Aktivität, als Lucullus die Soldaten zu den Waffen rief. Er verfügte über 4 Legionen (eine Legion besteht zumeist aus 10 Kohorten). Lucullus konnte den sechzigtausend Männern Mytilenes somit nur vierundzwanzigtausend gegenüberstellen. Allerdings waren unter Mytilenes kampferprobten Kriegern auch sehr viele Alte und Knaben, wie immer, wenn eine Stadt gegen eine Belagerungsarmee mobil machte.
Im Morgengrauen stand Lucullus auf einem Belagerungsturm an einem der Wälle, die er hatte errichten lassen, und untersuchte die Aufstellung der feindlichen Verbände. Seine Truppen waren bereits auf Niemandsland vorgedrungen und scharten sich entlang seines Grabens, aus dem in aller Eile Hunderttausende angespitzter Pfähle herausgerissen worden waren. Lucullus wollte es den römischen Soldaten ersparen, aufgespießt zu werden, wenn ein plötzlicher Rückzug unvermeidlich würde. Jedenfalls würde es ein Kampf auf Leben und Tod werden, und das war gut so. Der Belagerungswall schnitt Lucullus´ Truppen den Fluchtweg aufs freie Feld ab. Er ging allerdings nicht davon aus, daß die Fimbrianer ihr Heil unbedingt in der Flucht suchen würden: Wenn sie in Stimmung waren, kämpften sie so gut wie jede andere Truppe.
Noch vor Sonnenaufgang war er selbst im Niemandsland, neben sich die Offiziere, welche die Befehlskette bildeten.
"Ich kann mich nicht ans Heer wenden, es würde mich nie hören", sagte er mit schmalen Lippen. "Es hängt also alles davon ab, daß ihr mir jetzt gut zuhört und absolut gehorcht. Ihr nehmt das große Nordtor von Mytilene als Ausrichtungspunkt - es liegt genau im Zentrum des Operationsbereichs. Meine Armee stellt sich in Form eines Halbmondes auf, wobei die Flügel zu diesem Zentrum hin zeigen. In der Mitte der Senke vor dem Tor will ich einen Sturmtrupp als Spitze. Bevor sich die anderen Einheiten in Bewegung setzen, rückt diese Spitze zum Stadttor vor. Meine Taktik besteht nun darin, das feindliche Heer in zwei Teile zu spalten und beide Teile mit den Rundungen des Halbmondes einzuschließen. Das bedeutet, daß die Männer die Gefechtsformation halten und die Enden der Flügel auf einer Höhe mit der Spitze sein müssen. Ich habe keine Kavallerie, die Leute an den Enden des Halbmondes haben sich also entsprechend zu verhalten: Ein rascher und wuchtiger Vorstoß."
Um die siebzig Männer scharten sich um Lucullus, der auf einer kleinen Kiste stand, um alle sehen zu können; Die Zenturionen der Kohorten waren da, ebenso die Offiziere, Finster heftete sich sein Blick auf Caesar und den rangältesten Zenturio der rebellischen Kohorte, die er anfänglich als Pfeilfutter vorgesehen hatte. Lucullus hatte keine Schwierigkeiten sich an den Namen des Zenturios zu erinnern: Marcus Silius, ein streitsüchtiger und ungehobelter Emporkömmling, der immer Rädelsführer war, wenn ihm die Fimbrianer eine Abordnung mit einer Petition (lat. petitio der Angriff, das Ersuchen) schickten. Aber dies war nicht der Zeitpunkt für eine Abrechnung. Gefragt war jetzt ein vernünftiger Entschluß. Es galt zu entscheiden, ob diese Kohorte den Kopf der zentralen Spitze bilden sollte - was sie wahrscheinlich bis zum letzten Mann das Leben kosten würde - oder ob er sie nur als Verstärkung hinter eine der beiden Halbmondkurven setzen sollte. Lucullus ließ sich die Sache durch den Kopf gehen.
"Caesar und Silius - ihr stellt eure Kohorte vorn an die Spitze und laßt sie zum Tor vorrücken, Sobald ihr es erreicht habt, behauptet ihr ohne Rücksicht auf Verluste das Terrain." Lucullus traf weitere Anordnungen.
"Die Götter stehen mir bei", sagte Silius aus einem Mundwinkel zu Caesar, als sie darauf warteten, daß der Feldherr mit seinen Befehlen zum Schluß kam. "Muß mir Lucullus, dieser cunnus (lat. weibliche Scham), ausgerechnet so einen süßen Säugling vor die Nase setzen."
Caesar lachte nur. "Welcher Führer ist dir lieber? Ein süßer Säugling, der auf Gaius Marius´ Knien geschaukelt worden ist und dort einiges gelernt hat, oder ein Legat mit angeblicher Erfahrung, der in der Schlacht seinen Arsch nicht vom Ellenbogen unterscheiden kann?"
Gaius Marius! Dieses Wunderwort hallte im Herzen aller römischen Soldaten wie freudiges Glockengeläut nach. Marcus Silius sah den Befehlshaber mit einem forschenden und etwas besänftigten Blick an. "Was hattest du mit Gaius Marius zu schaffen?"
"Er war mein Onkel. Und er glaubte an mich", sagte Caesar.
"Aber das ist dein erster Feldzug und dein erstes Gefecht!" hielt Silius dagegen.
"Du weißt wohl alles, was, Silius? Eines solltest du auch wissen. Ich lasse weder dich noch deine Männer hängen. Aber wenn ihr mich hängen laßt, wird der ganze Haufen ausgepeitscht."
"Das ist ein Handel", sagte Silius prompt und verschwand, um seinen Zenturionen Anweisungen zu erteilen.
Lucullus gehörte nicht zu den Feldherren, die wertvolle Zeit verstreichen ließen. Sobald seine Offiziere wußten, wie die Schlachtordnung aussah, ließ er zum Vormarsch blasen. Der Feind hatte offensichtlich keinen richtigen Schlachtplan. Die riesige Menge der Männer hatte sich einfach auf das Gebiet vor der Stadtmauer verteilt, und als die römische Armee vorzurücken begann, machten sie keine Anstalten anzugreifen. Sie würden den Angriff mit den Schilden abwehren und dann zum Kampf übergehen. Ihre Anzahl, da waren sie sicher, machte sie zu den Siegern des Tages.
Silius, der ebenso klug wie aufsässig war, verbreitete die Kunde unter all seinen sechshundert Männern: Ihr Befehlshaber sei ein süßer Säugling und auch noch Gaius Marius´ Neffe, und Gaius Marius habe an ihn geglaubt.
Caesar schritt allein vor der Standarte her, den großen rechteckigen Schild im linken Arm, das Schwert noch immer in der Scheide. Marius hatte ihm beigebracht, das Schwert erst unmittelbar vor dem Angriff zu ziehen.
"Du kannst es dir nicht leisten", hatte er mit dem Mundwinkel, der vom Schlaganfall verschont geblieben war, gemurmelt, "auf den Boden zu schauen, egal, ob du läufst oder im Schritt gehst. Wenn du die gezogene Waffe in der Rechten hältst und in ein Erdloch oder über einen Stein stolperst, verletzt du dich."
Caesar hatte keine Angst, nicht einmal im hintersten Winkel seiner Seele, und er dachte keinen Augenblick daran, daß er getötet werden könnte. Dann hörte er seine Männer singen:
"Wir - sind - die - Fim - bri - aner!
Vor - sicht - vor - Fim - bri -anern!
Der König - von - Pontos - saß - in der Falle,
Denn - wir - sind - die - Aller - besten!"
Caesar hörte ihnen fasziniert zu, während er den wartenden Horden von Mytilene immer näher kam. Genau im richtigen Moment ließ Caesar die Hornbläser das Signal zum Abwurf der Speere geben. Beherrscht blieb er aufrecht stehen, als Tausende von Speeren wie zwei Wolken, die unter den Männern von Mytilene Panik verbreiteten und Verwirrung stifteten, über ihn hinwegzischten. Und jetzt galt es nachzustoßen!
Er zog das Schwert, schwang es kurz in die Luft, hörte das seltsame schleifende Geräusch von sechshundert Schwertern, die aus der Scheide gezogen werden, und schritt dann ruhig wie ein Senator, der sich unter die Menge im Forum mischt, mit erhobenem Schild auf den Feind zu. Er hielt das kurze, zweischneidige und rasiermesserscharfe Schwert, mit dem normalerweise keine Hiebe auf den Kopf ausgeführt wurden, auf der Höhe des gegnerischen Unterleibes, die Spitze leicht nach oben und außen gerichtet. Dann folgten Stich auf Hieb und Hieb auf Stich.
Der Feind wurde von diesem Angriff überrumpelt, und die vorstoßende Kohorte der Fimbrianer ließ den Verteidigern Mytilenes kaum Raum, ihre langen Schwerter über ihren Köpfen zu schwingen. Sie wurden zurückgedrängt und von den nachrückenden Römern so lange zurückgehalten, bis sich die Spitze von Lucullus´ Halbmond tief in die Reihen des Feindes gebohrt hatte.
Dann aber schöpften die Männer, welche die Römer alle haßten und lieber sterben wollten, als ihnen ihre geliebte Stadt ein weiteres Mal in die Hand fallen zu lassen, wieder Mut und behaupteten mit allen Mitteln das Terrain.
Caesar gab sich, gesegnet mit einem hervorragendem Reaktionsvermögen und einem scharfen Auge, ganz seinen Attacken hin und verlor keine wertvollen Sekunden mit den Gedanken an das Geschehen hinter sich.
Bis er entdeckte, daß man selbst dann noch, wenn man sich am stärksten auf den augenblicklichen Kampf konzentrieren mußte, Raum für andere wichtige Gedanken hatte: Er hatte den Befehl über die Kohorte und beinahe vergessen, daß es sie gab. Wie aber sich nach ihr umdrehen, ohne erschlagen zu werden? Wie einen geeigneten Standort erringen, von dem aus die Lage zu überblicken war? Allmählich machte sich in seinem Arm die erste Erschöpfung bemerkbar, wegen der tiefen Haltung des Schwertes und dessen geringem Gewicht allerdings nicht so schnell wie bei den Feinden, die mit weitaus schwereren Waffen kämpfen mußten; sie schwangen ihre Waffen immer wilder und führten ihre Hiebe immer lustloser aus.
Neben ihm hatte sich ein Haufen erschlagener Feinde angesammelt, während andere noch immer verzweifelt kämpften. Caesar nahm all seine Kraft zusammen und schlug sich die Bahn frei, um diesen Hügel menschlicher Leiber zu erklimmen. Seine Beine waren verletzlich, aber keine Körperpartie darüber, und der Haufen war so groß, daß er sich, ohne die Beine schützen zu müssen, umdrehen konnte, sobald er den obersten Punkt erreicht hatte.
Hurrarufe ertönten von seinen Männern, als sie ihn entdeckten, Rufe, über die Caesar sich freute. Allerdings bemerkte er nun, daß seine Kohorte vom übrigen Heer abgeschnitten war. Lucullus´ Speerspitze hatte ihre Aufgabe erfüllt, aber sie war nicht ausreichend gedeckt gewesen. Eine Insel inmitten des Feindes, schoß es ihm durch den Kopf. Lucullus´ Schuld. Aber wir werden durchhalten, wir werden nicht fallen! Er stieg mit einer Reihe wilder Schläge, mit denen er feindliche Angreifer verwirrte, wieder auf ebenes Terrain hinab und kämpfte sich bis zu Marcus Silius vor, der unermüdlich weiterkämpfte.
"Wir sind abgeschnitten - gib Signal, ein Karree zu bilden", befahl er dem Hornbläser der Kohorte, der neben dem Standartenträger kämpfte.
Überraschend genau und rasch wurde der Befehl ausgeführt - so gut waren diese Truppen! Caesar und Silius schritten in das Karree hinein und liefen umher, um die Soldaten anzufeuern und an den Schwachstellen für Verstärkung zu sorgen.
"Wenn ich nur mein Maultier hätte, dann könnte ich mir ein Bild vom gesamten Gefechtsverlauf machen", sagte Caesar zu Silius, "Aber die Jungtribunen von Kohorten dürfen ja nicht reiten. Ein Fehler."
"Läßt sich schnell beheben", sagte Silius, der Caesar jetzt respektvoll ansah. Er pfiff ein Dutzend umherstehender taktischer Reserven zusammen. "Wir errichten Dir aus Soldaten und ihren Schilden eine Tribüne."
Kurze Zeit später stand Caesar, der über eine Reihe menschlicher Stufen nach oben geklettert war, in voller Größe auf den Schilden über den Köpfen von vier Männern.
"Vorsicht vor feindlichen Speeren!" schrie Silius zu ihm hinauf. Wie sich zeigte, stand der Ausgang der Schlacht noch keinesfalls fest, aber die Taktik, die Lucullus eingeschlagen hatte, war eine solide Sache gewesen. Es sah ganz so aus, als würde der Feind von den römischen Flügeln, die sich unerbittlich weiter schlossen, aufgerollt werden.
"Gib mir deine Standarte!" brüllte Caesar und fing sie auf, als der Träger sie zu ihm hinaufwarf. Dann schwenkte er sie in Richtung von Lucullus, der deutlich sichtbar auf seinem Schimmel saß. "Dann weiß der Oberbefehlshaber wenigstens, daß wir noch am Leben sind und das Terrain wie befohlen behaupten", rief er Silius zu, wich zwei Speeren aus und sprang wieder auf festen Boden.
"Danke für die Tribüne. Schwer zu sagen, wer siegt."
Kurze Zeit später starteten die Verteidiger eine Großoffensive gegen Caesars Karree.
"Wir halten nie durch", sagte Silius.
"Wir halten durch, Silius!" Sorg dafür, daß die Reihen so eng wie möglich geschlossen sind", befahl Caesar. "Auf, Silius, los!"
Er bahnte sich mit dem Zenturio einen Weg zur Hauptstoßrichtung des Angriffs, teilte nach rechts und links wilde Hiebe aus und bemerkte, wie verzweifelt der Feind kämpfte. Diese abgeschnittene Kohorte von Römern mußte bis zum bitteren Ende durchhalten, um der übrigen Armee ein Beispiel zu geben. Caesar sah schlagartig eine Gestalt neben sich auftauchen, er hörte Silius überraschend aufstöhnen und erblickte das niedersausende Schwert. Wie er es fertigbrachte, den gegen ihn gerichteten Schlag mit dem Schild abzuwehren und gleichzeitig den Hieb zu parieren, der Silius Kopf in zwei Hälften gespalten hätte, begriff er auch später niemals; er wußte nur, daß es ihm gelungen war und daß er den Mann anschließend trotz des Schildes mit dem Dolch erstach.
Der Zwischenfall wurde zu einer Art Wendepunkt; der feindliche Ansturm auf die Kohorte ließ nach, so daß sie schon kurze Zeit später ihren Vorstoß fortsetzen konnte. Das vergitterte Tor war erreicht. Die Fimrianer, die jetzt nach hinten gedeckt waren, drehten sich jubelnd der weit entfernten römischen Mauer zu: Nichts konnte sie mehr aus ihrer Stellung werfen!
Dabei blieb es auch. Etwas eine Stunde vor Sonnenuntergang streckte Mytilene die Waffen und ließ dreißigtausend tote Soldaten, meist ältere Männer und Knaben, auf dem Schlachtfeld zurück. Gnadenlos ließ Lucullus alle Frauen von Lesbos im römischen Lager töten, weil verräterische Botschaften durch sie nach Mytilene überbracht worden waren. Den Frauen von Mytilene hingegen gestattete er ihre Toten zu bergen und angemessen zu bestatten.
Mehrere Tage bevor der Feldherr Lucullus und der Statthalter Thermus in einem feierlichen Zeremoniell die Helden der vergangenen Schlacht ehrten, hatte der rangälteste Zenturio Marcus Silius beiden förmlich geschworen, daß Caesar ihm in der Schlacht das Leben gerettet und dann das Terrain behauptet hatte. Und zudem schwor er, Caesar habe die Kohorte vor dem sicheren Tod bewahrt.
"Wenn es eine ganze Legion gewesen wäre, hättest du die Graskrone gewonnen", sagte Thermus, als er den Kranz aus Eichenlaub (Corona) auf Caesars großes Haupt mit dem goldenen Haar setzte."
Lucius Licinius Lucullus (107 - 57 v. Z.), römischer Feldherr unter Lucius Cornelius Sulla (138 - 78 v. Z., im Jahre 82 v. Z. Diktator von Rom), war Oberbefehlshaber der Schlacht gegen die belagerte Stadt Mytilene.
Marcus Minucius Thermus, der eigentliche Oberbefehlshaber fungierte in dieser Schlacht nur als Beobachter.
Lucullus empfand Caesars (zu dieser Zeit Militärtribun) selbstsicheres Auftreten als arrogant. Er warf ihm vor, er hätte sich bei einem Auftrag, den er zu erfüllen hatte, durch Unehrenhaftigkeit einen Vorteil verschafft. Caesar, der diesen Auftrag exzellent erfüllte, argumentierte gegen diese Unterstellung wie folgt. "Lucius Licinus Lucullus, du trägst einen stolzen Namen, aber verglichen mit meinem ist er weniger wert als Staub. Du hast meine Würde verletzt und ich werde nicht eher ruhen, bis ich diesen Makel ausgelöscht habe. Ich erreiche meine Ziele, indem ich meinen Verstand einsetze, eine Gabe, die, wie mir scheint, nur wenige besitzen."
Daraufhin war Lucullus zerrissen und suchte nach einer Möglichkeit sein Ansehen bei Caesar wiederzuerlangen, ohne sich dabei entschuldigen zu müssen. Auch in Briefen an Sulla beschwerte er sich über Caesars Auftreten. Er beschloß, sich Caesars, der gerade im Alter von 20 Jahren war, zu entledigen. Im damaligen Heer gab es ein ungeschriebenes Gesetz, das besagte, daß man einen Mann, der ständig für Unruhe sorgte, in der Schlacht an einer Stelle einsetzen solle, an der er sie ganz sicher nicht überleben würde. In der Schlacht gegen Mytilene ergab sich nun für Lucullus diese Gelegenheit. Er beschloß sich an dieses alte und ungeschriebene Kriegsgesetz zu halten.
Beim Rat vor der Schlacht, an dem ungewöhnlicherweise auch die Jungtribunen anwesend waren, sagte Lucullus zu Caesar, "Du bist ein Quertreiber, aber wie ich bemerkt habe, arbeitest du gerne hart. Ich habe deshalb beschlossen, dir das Kommando über eine Kohorte (Lateinisch: Gefolge, Truppeneinheit des römischen Heeres in einer Stärke von 600 Mann) zu geben. Ich stelle sie aus den schlimmsten Elementen aus Fimbrias Armee zusammen. Ich halte die Kohorte so lange in Reserve, bis ich den hartnäckigsten Widerstand in den Schlachtreihen des Gegners ausgemacht habe. Da hinein schicke ich sie dann. Du als Befehlshaber hast die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß sie das Ruder herumwerfen."
Die anderen Tribunen, die mit Caesar zusammen untergebracht waren und ihm als Freunde zur Seite standen, machten sich ernsthafte Sorgen, denn Caesars Kohorte bestand aus den Männern, die sich am heftigsten gegen Lucullus aufgelehnt hatten. Zudem waren sie alle Fimbrianer, die zu lebenslanger Verbannung verurteilt waren. Die Fimbrianer waren noch immer Gaius Marius ergeben.
Lucullus ließ sechs Belagerungstürme vor die Mauern von Mytilene ziehen. Sie waren so groß, daß mehrere Hundertschaften die Mauern erstürmen und die Verteidiger niedermachen konnten. Die aber waren sich bewußt, daß sie kaum eine Chance hatten, einem solchen Ansturm standzuhalten, und so suchten sie ihr Heil in einer offenen Feldschlacht vor den Stadtmauern.
Die Stadttore hatten sich geöffnet, sechzigtausend Mann strömten heraus und bezogen auf dem Gebiet zwischen den Stadtmauern und dem von Lucullus errichteten Belagerungswall Stellung.
Hornsignale ertönten, Trommeln wirbelten, und wieder ertönten Hörner. Das römischen Lager entfachte eine fieberhafte Aktivität, als Lucullus die Soldaten zu den Waffen rief. Er verfügte über 4 Legionen (eine Legion besteht zumeist aus 10 Kohorten). Lucullus konnte den sechzigtausend Männern Mytilenes somit nur vierundzwanzigtausend gegenüberstellen. Allerdings waren unter Mytilenes kampferprobten Kriegern auch sehr viele Alte und Knaben, wie immer, wenn eine Stadt gegen eine Belagerungsarmee mobil machte.
Im Morgengrauen stand Lucullus auf einem Belagerungsturm an einem der Wälle, die er hatte errichten lassen, und untersuchte die Aufstellung der feindlichen Verbände. Seine Truppen waren bereits auf Niemandsland vorgedrungen und scharten sich entlang seines Grabens, aus dem in aller Eile Hunderttausende angespitzter Pfähle herausgerissen worden waren. Lucullus wollte es den römischen Soldaten ersparen, aufgespießt zu werden, wenn ein plötzlicher Rückzug unvermeidlich würde. Jedenfalls würde es ein Kampf auf Leben und Tod werden, und das war gut so. Der Belagerungswall schnitt Lucullus´ Truppen den Fluchtweg aufs freie Feld ab. Er ging allerdings nicht davon aus, daß die Fimbrianer ihr Heil unbedingt in der Flucht suchen würden: Wenn sie in Stimmung waren, kämpften sie so gut wie jede andere Truppe.
Noch vor Sonnenaufgang war er selbst im Niemandsland, neben sich die Offiziere, welche die Befehlskette bildeten.
"Ich kann mich nicht ans Heer wenden, es würde mich nie hören", sagte er mit schmalen Lippen. "Es hängt also alles davon ab, daß ihr mir jetzt gut zuhört und absolut gehorcht. Ihr nehmt das große Nordtor von Mytilene als Ausrichtungspunkt - es liegt genau im Zentrum des Operationsbereichs. Meine Armee stellt sich in Form eines Halbmondes auf, wobei die Flügel zu diesem Zentrum hin zeigen. In der Mitte der Senke vor dem Tor will ich einen Sturmtrupp als Spitze. Bevor sich die anderen Einheiten in Bewegung setzen, rückt diese Spitze zum Stadttor vor. Meine Taktik besteht nun darin, das feindliche Heer in zwei Teile zu spalten und beide Teile mit den Rundungen des Halbmondes einzuschließen. Das bedeutet, daß die Männer die Gefechtsformation halten und die Enden der Flügel auf einer Höhe mit der Spitze sein müssen. Ich habe keine Kavallerie, die Leute an den Enden des Halbmondes haben sich also entsprechend zu verhalten: Ein rascher und wuchtiger Vorstoß."
Um die siebzig Männer scharten sich um Lucullus, der auf einer kleinen Kiste stand, um alle sehen zu können; Die Zenturionen der Kohorten waren da, ebenso die Offiziere, Finster heftete sich sein Blick auf Caesar und den rangältesten Zenturio der rebellischen Kohorte, die er anfänglich als Pfeilfutter vorgesehen hatte. Lucullus hatte keine Schwierigkeiten sich an den Namen des Zenturios zu erinnern: Marcus Silius, ein streitsüchtiger und ungehobelter Emporkömmling, der immer Rädelsführer war, wenn ihm die Fimbrianer eine Abordnung mit einer Petition (lat. petitio der Angriff, das Ersuchen) schickten. Aber dies war nicht der Zeitpunkt für eine Abrechnung. Gefragt war jetzt ein vernünftiger Entschluß. Es galt zu entscheiden, ob diese Kohorte den Kopf der zentralen Spitze bilden sollte - was sie wahrscheinlich bis zum letzten Mann das Leben kosten würde - oder ob er sie nur als Verstärkung hinter eine der beiden Halbmondkurven setzen sollte. Lucullus ließ sich die Sache durch den Kopf gehen.
"Caesar und Silius - ihr stellt eure Kohorte vorn an die Spitze und laßt sie zum Tor vorrücken, Sobald ihr es erreicht habt, behauptet ihr ohne Rücksicht auf Verluste das Terrain." Lucullus traf weitere Anordnungen.
"Die Götter stehen mir bei", sagte Silius aus einem Mundwinkel zu Caesar, als sie darauf warteten, daß der Feldherr mit seinen Befehlen zum Schluß kam. "Muß mir Lucullus, dieser cunnus (lat. weibliche Scham), ausgerechnet so einen süßen Säugling vor die Nase setzen."
Caesar lachte nur. "Welcher Führer ist dir lieber? Ein süßer Säugling, der auf Gaius Marius´ Knien geschaukelt worden ist und dort einiges gelernt hat, oder ein Legat mit angeblicher Erfahrung, der in der Schlacht seinen Arsch nicht vom Ellenbogen unterscheiden kann?"
Gaius Marius! Dieses Wunderwort hallte im Herzen aller römischen Soldaten wie freudiges Glockengeläut nach. Marcus Silius sah den Befehlshaber mit einem forschenden und etwas besänftigten Blick an. "Was hattest du mit Gaius Marius zu schaffen?"
"Er war mein Onkel. Und er glaubte an mich", sagte Caesar.
"Aber das ist dein erster Feldzug und dein erstes Gefecht!" hielt Silius dagegen.
"Du weißt wohl alles, was, Silius? Eines solltest du auch wissen. Ich lasse weder dich noch deine Männer hängen. Aber wenn ihr mich hängen laßt, wird der ganze Haufen ausgepeitscht."
"Das ist ein Handel", sagte Silius prompt und verschwand, um seinen Zenturionen Anweisungen zu erteilen.
Lucullus gehörte nicht zu den Feldherren, die wertvolle Zeit verstreichen ließen. Sobald seine Offiziere wußten, wie die Schlachtordnung aussah, ließ er zum Vormarsch blasen. Der Feind hatte offensichtlich keinen richtigen Schlachtplan. Die riesige Menge der Männer hatte sich einfach auf das Gebiet vor der Stadtmauer verteilt, und als die römische Armee vorzurücken begann, machten sie keine Anstalten anzugreifen. Sie würden den Angriff mit den Schilden abwehren und dann zum Kampf übergehen. Ihre Anzahl, da waren sie sicher, machte sie zu den Siegern des Tages.
Silius, der ebenso klug wie aufsässig war, verbreitete die Kunde unter all seinen sechshundert Männern: Ihr Befehlshaber sei ein süßer Säugling und auch noch Gaius Marius´ Neffe, und Gaius Marius habe an ihn geglaubt.
Caesar schritt allein vor der Standarte her, den großen rechteckigen Schild im linken Arm, das Schwert noch immer in der Scheide. Marius hatte ihm beigebracht, das Schwert erst unmittelbar vor dem Angriff zu ziehen.
"Du kannst es dir nicht leisten", hatte er mit dem Mundwinkel, der vom Schlaganfall verschont geblieben war, gemurmelt, "auf den Boden zu schauen, egal, ob du läufst oder im Schritt gehst. Wenn du die gezogene Waffe in der Rechten hältst und in ein Erdloch oder über einen Stein stolperst, verletzt du dich."
Caesar hatte keine Angst, nicht einmal im hintersten Winkel seiner Seele, und er dachte keinen Augenblick daran, daß er getötet werden könnte. Dann hörte er seine Männer singen:
"Wir - sind - die - Fim - bri - aner!
Vor - sicht - vor - Fim - bri -anern!
Der König - von - Pontos - saß - in der Falle,
Denn - wir - sind - die - Aller - besten!"
Caesar hörte ihnen fasziniert zu, während er den wartenden Horden von Mytilene immer näher kam. Genau im richtigen Moment ließ Caesar die Hornbläser das Signal zum Abwurf der Speere geben. Beherrscht blieb er aufrecht stehen, als Tausende von Speeren wie zwei Wolken, die unter den Männern von Mytilene Panik verbreiteten und Verwirrung stifteten, über ihn hinwegzischten. Und jetzt galt es nachzustoßen!
Er zog das Schwert, schwang es kurz in die Luft, hörte das seltsame schleifende Geräusch von sechshundert Schwertern, die aus der Scheide gezogen werden, und schritt dann ruhig wie ein Senator, der sich unter die Menge im Forum mischt, mit erhobenem Schild auf den Feind zu. Er hielt das kurze, zweischneidige und rasiermesserscharfe Schwert, mit dem normalerweise keine Hiebe auf den Kopf ausgeführt wurden, auf der Höhe des gegnerischen Unterleibes, die Spitze leicht nach oben und außen gerichtet. Dann folgten Stich auf Hieb und Hieb auf Stich.
Der Feind wurde von diesem Angriff überrumpelt, und die vorstoßende Kohorte der Fimbrianer ließ den Verteidigern Mytilenes kaum Raum, ihre langen Schwerter über ihren Köpfen zu schwingen. Sie wurden zurückgedrängt und von den nachrückenden Römern so lange zurückgehalten, bis sich die Spitze von Lucullus´ Halbmond tief in die Reihen des Feindes gebohrt hatte.
Dann aber schöpften die Männer, welche die Römer alle haßten und lieber sterben wollten, als ihnen ihre geliebte Stadt ein weiteres Mal in die Hand fallen zu lassen, wieder Mut und behaupteten mit allen Mitteln das Terrain.
Caesar gab sich, gesegnet mit einem hervorragendem Reaktionsvermögen und einem scharfen Auge, ganz seinen Attacken hin und verlor keine wertvollen Sekunden mit den Gedanken an das Geschehen hinter sich.
Bis er entdeckte, daß man selbst dann noch, wenn man sich am stärksten auf den augenblicklichen Kampf konzentrieren mußte, Raum für andere wichtige Gedanken hatte: Er hatte den Befehl über die Kohorte und beinahe vergessen, daß es sie gab. Wie aber sich nach ihr umdrehen, ohne erschlagen zu werden? Wie einen geeigneten Standort erringen, von dem aus die Lage zu überblicken war? Allmählich machte sich in seinem Arm die erste Erschöpfung bemerkbar, wegen der tiefen Haltung des Schwertes und dessen geringem Gewicht allerdings nicht so schnell wie bei den Feinden, die mit weitaus schwereren Waffen kämpfen mußten; sie schwangen ihre Waffen immer wilder und führten ihre Hiebe immer lustloser aus.
Neben ihm hatte sich ein Haufen erschlagener Feinde angesammelt, während andere noch immer verzweifelt kämpften. Caesar nahm all seine Kraft zusammen und schlug sich die Bahn frei, um diesen Hügel menschlicher Leiber zu erklimmen. Seine Beine waren verletzlich, aber keine Körperpartie darüber, und der Haufen war so groß, daß er sich, ohne die Beine schützen zu müssen, umdrehen konnte, sobald er den obersten Punkt erreicht hatte.
Hurrarufe ertönten von seinen Männern, als sie ihn entdeckten, Rufe, über die Caesar sich freute. Allerdings bemerkte er nun, daß seine Kohorte vom übrigen Heer abgeschnitten war. Lucullus´ Speerspitze hatte ihre Aufgabe erfüllt, aber sie war nicht ausreichend gedeckt gewesen. Eine Insel inmitten des Feindes, schoß es ihm durch den Kopf. Lucullus´ Schuld. Aber wir werden durchhalten, wir werden nicht fallen! Er stieg mit einer Reihe wilder Schläge, mit denen er feindliche Angreifer verwirrte, wieder auf ebenes Terrain hinab und kämpfte sich bis zu Marcus Silius vor, der unermüdlich weiterkämpfte.
"Wir sind abgeschnitten - gib Signal, ein Karree zu bilden", befahl er dem Hornbläser der Kohorte, der neben dem Standartenträger kämpfte.
Überraschend genau und rasch wurde der Befehl ausgeführt - so gut waren diese Truppen! Caesar und Silius schritten in das Karree hinein und liefen umher, um die Soldaten anzufeuern und an den Schwachstellen für Verstärkung zu sorgen.
"Wenn ich nur mein Maultier hätte, dann könnte ich mir ein Bild vom gesamten Gefechtsverlauf machen", sagte Caesar zu Silius, "Aber die Jungtribunen von Kohorten dürfen ja nicht reiten. Ein Fehler."
"Läßt sich schnell beheben", sagte Silius, der Caesar jetzt respektvoll ansah. Er pfiff ein Dutzend umherstehender taktischer Reserven zusammen. "Wir errichten Dir aus Soldaten und ihren Schilden eine Tribüne."
Kurze Zeit später stand Caesar, der über eine Reihe menschlicher Stufen nach oben geklettert war, in voller Größe auf den Schilden über den Köpfen von vier Männern.
"Vorsicht vor feindlichen Speeren!" schrie Silius zu ihm hinauf. Wie sich zeigte, stand der Ausgang der Schlacht noch keinesfalls fest, aber die Taktik, die Lucullus eingeschlagen hatte, war eine solide Sache gewesen. Es sah ganz so aus, als würde der Feind von den römischen Flügeln, die sich unerbittlich weiter schlossen, aufgerollt werden.
"Gib mir deine Standarte!" brüllte Caesar und fing sie auf, als der Träger sie zu ihm hinaufwarf. Dann schwenkte er sie in Richtung von Lucullus, der deutlich sichtbar auf seinem Schimmel saß. "Dann weiß der Oberbefehlshaber wenigstens, daß wir noch am Leben sind und das Terrain wie befohlen behaupten", rief er Silius zu, wich zwei Speeren aus und sprang wieder auf festen Boden.
"Danke für die Tribüne. Schwer zu sagen, wer siegt."
Kurze Zeit später starteten die Verteidiger eine Großoffensive gegen Caesars Karree.
"Wir halten nie durch", sagte Silius.
"Wir halten durch, Silius!" Sorg dafür, daß die Reihen so eng wie möglich geschlossen sind", befahl Caesar. "Auf, Silius, los!"
Er bahnte sich mit dem Zenturio einen Weg zur Hauptstoßrichtung des Angriffs, teilte nach rechts und links wilde Hiebe aus und bemerkte, wie verzweifelt der Feind kämpfte. Diese abgeschnittene Kohorte von Römern mußte bis zum bitteren Ende durchhalten, um der übrigen Armee ein Beispiel zu geben. Caesar sah schlagartig eine Gestalt neben sich auftauchen, er hörte Silius überraschend aufstöhnen und erblickte das niedersausende Schwert. Wie er es fertigbrachte, den gegen ihn gerichteten Schlag mit dem Schild abzuwehren und gleichzeitig den Hieb zu parieren, der Silius Kopf in zwei Hälften gespalten hätte, begriff er auch später niemals; er wußte nur, daß es ihm gelungen war und daß er den Mann anschließend trotz des Schildes mit dem Dolch erstach.
Der Zwischenfall wurde zu einer Art Wendepunkt; der feindliche Ansturm auf die Kohorte ließ nach, so daß sie schon kurze Zeit später ihren Vorstoß fortsetzen konnte. Das vergitterte Tor war erreicht. Die Fimrianer, die jetzt nach hinten gedeckt waren, drehten sich jubelnd der weit entfernten römischen Mauer zu: Nichts konnte sie mehr aus ihrer Stellung werfen!
Dabei blieb es auch. Etwas eine Stunde vor Sonnenuntergang streckte Mytilene die Waffen und ließ dreißigtausend tote Soldaten, meist ältere Männer und Knaben, auf dem Schlachtfeld zurück. Gnadenlos ließ Lucullus alle Frauen von Lesbos im römischen Lager töten, weil verräterische Botschaften durch sie nach Mytilene überbracht worden waren. Den Frauen von Mytilene hingegen gestattete er ihre Toten zu bergen und angemessen zu bestatten.
Mehrere Tage bevor der Feldherr Lucullus und der Statthalter Thermus in einem feierlichen Zeremoniell die Helden der vergangenen Schlacht ehrten, hatte der rangälteste Zenturio Marcus Silius beiden förmlich geschworen, daß Caesar ihm in der Schlacht das Leben gerettet und dann das Terrain behauptet hatte. Und zudem schwor er, Caesar habe die Kohorte vor dem sicheren Tod bewahrt.
"Wenn es eine ganze Legion gewesen wäre, hättest du die Graskrone gewonnen", sagte Thermus, als er den Kranz aus Eichenlaub (Corona) auf Caesars großes Haupt mit dem goldenen Haar setzte."
Kein besserer Freund – kein schlimmerer Feind!