Heiligtum in Lienz, Osttirol
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90 Meter hohes Heiligtum lässt Archäologen staunen
Fanum Laiancorum - das keltisch-römische Stammesheiligtum auf dem Klosterfrauenbühel oder -bichl in Lienz (Osttirol)

   
Klosterfrauen oder wohl eher Priesterinnen  Daumen hoch

Kurze Info zu Lienz:
Die Laianken (auch Laiancer oder Laianker genannt) waren ein keltischer Volksstamm, der im Gebiet des heutigen Osttirols lebte, insbesondere um die Region von Aguntum, einer römischen Siedlung nahe Lienz. Ihr Name ist sprachlich im heuteigen Orstnamen "Lienz" erhalten geblieben.


Historischer Hintergrund

Der keltische Stamm der Laianken hatte den Hügel erstmals als Heiligtum genutzt. Bereits in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung wurden an dem Ort heilige Riten und Weihungen durchgeführt. Mit der Besetzung der Region durch die Römer um die Zeitenwende herum wurde der Hügel dann zu einem römischen Heiligtum.

Keltisch-römische Tempelanlage größer als vermutet. Die Fachwelt aus ganz Europa interessiert sich für das seltsame Heiligtum am Klosterfrauen-Bühel (Dominikanerinnen-Bichl) oberhalb des Brauhauses Falkenbräu in der Stadt Lienz. Das über 2000 Jahre alte Heiligtum wurde von den Römern mit einer mächtigen Umfassungsmauer versehen. Unschätzbare Funde der Kelten und Römer wurden ausgegraben, die in dieser Form selten so gut erhalten sind. Es gibt keine vergleichbare Anlage auf der ganzen Welt, die ähnlich einer Stufenpyramide über das Tal herausragte, was den Archäologen bei der Bewertung und Einordnung der archäologischen Kultanlage entsprechende Schwierigkeiten bereitet. Das Heiligtum erstreckt sich auf mehreren, höhenmäßig gestaffelten Terrassen und ist eineinhalb Hektar groß.

   

Auf der Hügelkuppe (792 m Seehöhe) erstreckt sich einerseits die in etwa Nord-Süd-verlaufende Temenosmauer (Abgrenzung des heiligen Bezirks) und andererseits parallel dazu eine rechteckige Steinsetzung aus flachen Platten, von der die West-, Nord- und Ostseite freigelegt wurden. Die Steinplatten dienten entweder als Fundamentierung eines in Holz errichteten Tempelgebäudes oder als Befestigung eines rechteckigen Bereiches auf der Hügelkuppe. Die im Westen noch bis zu 1 m im Aufgehenden erhaltene und 1,3 - 1,4 m breite Umfassungsmauer ist auch am nördlichen Abhang der Kuppe nachweisbar. Sie ist hier 1,5 m stark mit einem 0,4 m vorspringenden einlagigem Fundament. Die etwas größere Breite resultiert wohl aus der zusätzlichen Funktion als Terrassierungsmauer für das Gipfelplateau. Am höchsten Punkt des Hügels stand einst ein quadratisches Kultgebäude. Durch das Heiligtum führte ein "Prozessionsweg", der bis zur höchsten Stelle zum Tempel führte. Im Lienzer Talkessel muss es ein beeindruckender Anblick des Hügels als Abfolge von abgestuften, weiß getünchten Mauern geboten haben.

Wunderschöne Vorstellung  Herz



   

Besonderes beeindruckend sind die Überreste der sogenannten Temenosmauer, die den heiligen Bezirk umgab. Diese Mauer diente dazu, den heiligen Raum von der Außenwelt abzugrenzen und ihn symbolisch sowie physisch zu schützen.

   


Die Ausgrabungen werden seit 2014 von der Universität Innsbruck und seit 2018 in Kooperation mit der österr. Akademie der Wissenschaft durchgeführt. Der Ort steht unter Denkmalschutz und wirf von den Dominikanerinnen von Lienz unterstützt.

Innerhalb des Heiligtums wurden an unterschiedlichen Stellen bauliche Strukturen aufgedeckt. Auf einer ebenen Terrasse unterhalb der Kuppe liegen fünf Steinsetzungen, die eine analoge Gestaltung zeigen. Der Boden wird von einer flachen Schiefergneisplatte gebildet, die von mehreren kleineren und nach außen leicht aufwärts schräg gelegten Platten ringförmig eingefasst wird. Darüber befindet sich eine 2 - 4 cm starke Sandschicht, und alles wird von einem ca. 400 kg schweren Schiefergneisblock abgedeckt. Alle Steinstrukturen sind entsprechend gestaltet, bei einzelnen Steinsetzungen ist der Deckstein allerdings in mehrere Fragmente zerbrochen. Ihre Lage zueinander im Rechteck deutet jedenfalls auf dieselbe Zeitstellung und deren Zusammengehörigkeit. Die Funktion der Strukturen ist hingegen beim derzeitigen Forschungsstand unbekannt, aufgrund der doch recht prominenten Lage innerhalb des Heiligtums ist eine nicht näher zu erschließende Funktion innerhalb kultischer Riten anzunehmen.

Wahrscheinlich auch ein Sonnenheiligtum  Hmm


   
Zinnfigur der Victoria mit Siegeskranz und Palmwedel


Eine der Terrassierungsmauern, die in derselben Technik wie die Temenosmauer errichtet wurden, stand im Fokus der Untersuchungen 2018 und 2019. Diese befindet sich im Südosten des Heiligtums, und sie ist leicht gebogen und im Mittelbereich mit einer talseitig vorgelegten Verstärkung versehen. Aufgrund der bergseitigen Hinterfüllung des vormaligen Hangverlaufes und eines Pfostenloches auf einem höher liegenden Niveau kann die ursprüngliche Höhe mit mindestens 2,5 m angenommen werden. Das einzelne Pfostenloch mit einem Versatz von Keilsteinen, die bis zu 0,7 m Länge aufweisen, weist auf die Errichtung eines sehr großen hölzernen Males (bis zu 10 m) an dieser Stelle hin. Dieses Plateau war in der Antike Schauplatz für kultische Weihungen und Aktivitäten, wie die zahlreichen Funde (Münzen, Fibeln, Waffen, Schmuckstücke, Keramik etc.) aus diesem Areal bezeugen. Darunter sind kleine Zinnfiguren von besonderer Bedeutung, weil aus dem Römischen Reich kaum vergleichbare Komplexe vorliegen. Es handelt sich dabei um römische Götter wie Jupiter, Venus, Merkur, Bacchus, Victoria oder Fortuna, die im zweischaligen Guss hergestellt wurden. Der zumeist fragmentierte und verbogene Erhaltungszustand weist auf einen erkennbaren Erosionsprozess der Statuetten hin.

       


Bei den Ausgrabungen wurden verschiedene Artefakte gefunden, darunter eine keltische Kriegstrompete (Carnyx); diese ist besonders bemerkenswert, da solche Funde selten sind und auf die Bedeutung des Ortes hinweisen.

   
Beispielbild

Hier kann man die Kriegstrompete mal hören:
https://www.facebook.com/ZDFterraX/videos/keltische-kriegstrompete-rekonstruiert/10153955835002931/


Die antike Wallfahrtsstätte datiert nach Erkenntnissen der Innsbrucker Altertumswissenschaftler auf vorrömische Zeit – überdauerte allerdings die römische Eroberung im Jahre 16 vor der Zeit. Da die Übernahme der Provinz Noricum bislang weitestgehend als friedlich galt, überrascht der Fund durch Artilleriespitzen sowie römischen Schuhnägeln. Offenbar trafen die Eroberer bei ihrer Einnahme des Heiligtums auf erbitterten Widerstand der heimischen Bevölkerung.

Funde aus vorrömischer und römischer Zeit
Dass die Ankunft der Römer allerdings die Bedeutung der Kultstätte nicht beschnitt, zeigt die Natur der gefundenen Gottheiten. Obwohl man davon ausgeht, dass die Blütezeit des Heiligtums im Jahrhundert vor der römischen Eroberung in der späten La-Tène-Zeit stattfand, konnten die Forscher in einigen Götterbildern zweifelsfrei Abbilder römischer Götter erkennen. Der Bestand der gefundenen Votivfiguren einer Zinn-Blei-Legierung deckt weite Teile des bekannten antiken Götterhimmels ab. Einige Figuren dürften ältere, heimische Gottheiten darstellen.

"Mit jeder Grabung hat sich der Platz als noch bedeutender erwiesen als bisher vermutet", sagt Archäologe Gerald Grabherr. Gemeinsam mit Barbara Kainrath und einem Team arbeitet er am Klosterfrauenbichl, der mittlerweile wieder einer anderen Religionsgemeinschaft gehört – nämlich den Dominikanerinnen.

Die seitdem auf dem Hügel gemachten Funde können sich sehen lassen: "Bei unseren Grabungen sind wir auf eine aus der Erde ragende Hand gestoßen und konnten dann eine bronzene Kriegerstatue aus der keltischen Zeit freilegen", so Grabherr. Auch Fibeln, Votivbleche aus Bronze, Münzen und sogar Teile einer keltischen Kriegstrompete, einer sogenannten Carnyx, haben die Forscher entdeckt.
"Wir konnten erstmals in Österreich auch Fragmente einer Carnyx, mit Wildschwein- oder Drachenkopf bergen. Allgemein bekannt wurde diese auch in den Comics von 'Asterix und Obelix', in denen Troubadix diese Carnyx mit sich führt", sagt Kainrath. Auch mit Stierkopfenden versehene eiserne Feuerböcke – also Gestelle, auf die das Feuerholz gelegt wurde – wurden als Weihegaben am Heiligtum deponiert.

   
   


Die Invasion aus dem Süden

Auch Hinweise auf die Eroberung des Gebietes durch die Römer hält der Hügel bereit – etwa Waffenfunde oder Schuhnägel römischer Legionäre. Nach dem Einzug der Römer wurde das Heiligtum monumentalisiert: "Die Römer haben den heiligen Platz der Kelten übernommen und an ihre Traditionen angepasst", so Kainrath.

       

Aus dieser Zeit wurden ebenfalls interessante Funde freigelegt. Dazu gehören unzählige kleine Zinnfiguren, sogenannte Votivstatuetten. "Insgesamt konnten wir rund 600 Fragmente in unterschiedlicher Größe und unterschiedlichem Erhaltungszustand bergen. Diese Figuren stellen das umfangreichste Ensemble solcher Zinnstatuetten im gesamten römischen Weltreich dar", berichten die beiden Archäologen.

Einzigartiges Heiligtum belegt antike Kulturkontakte


Die Grabungen halten noch bis Anfang August an, zum Zweck der Erhaltung nicht gehobener Funde und Strukturen wird die Ausgrabung anschließend wieder zugeschüttet. Grabungsleiter Gerhard Grabherr unterstrich indes die Einzigartigkeit der Fundstätte. Insbesondere geben die Grabungen einen Aufschluss auf die vielschichtigen Kulturkontakte im Alpenraum. Die Grabungsstätte beweist Grabherr zufolge ein Zusammenspiel aus Anpassung an die neue Herrschaft bei gleichzeitiger Beibehaltung althergebrachter Traditionen.
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LIENZ
SCHLOSSBERG UND KLOSTERFRAUENBICHL


Platz der Götter – verortet, gesichtet und vergraben


Das Kelten-Heiligtum am Klosterfrauenbichl in Lienz war das Stammesheiligtum des im Ostalpenraum ansässigen Stammes der Laianken, von dem sich auch der Name der Stadt Lienz ableitet.

Die einer Stufenpyramide ähnliche Anlage wurde auf dem vorgelagerten Hügel zwischen Drau und Isel am Westende des Talbodens gebaut, von wo aus man eine gute Sicht auf die Lienzer Dolomiten und den Talboden bis zum Kärntner Tor hatte. Mit dem Eindringen der Römer wurde der Kultplatz übernommen und vergrößert. Die bisherigen Grabungen haben zahlreiche Funde der Kelten und Römer zutage gebracht, die in ihrer Form selten so gut erhalten sind.

Keltischer Losstab mit astronomischen Zeichen

„Der wohl bedeutendste Fund auf dem ‚Platz der Götter‘ ist ein keltischer Losstab mit astronomischen Zeichen. Je nachdem, wie er gefallen ist, hat man daraus Erfolg oder Misserfolg einer geplanten Unternehmung herausgelesen“, erklärt Josef Kalser. Gemeinsam mit seinem Bruder Gottfried hat er am 25. September, dem Tag des Denkmals, über 40 Interessierte zum keltischen Tempelheiligtum auf dem Lienzer Schlossberg geführt. Man könne die Gegenwart besser begreifen, wenn man über die Vergangenheit Bescheid weiß, sind sich die beiden einig.

   
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