Merowinger
#12
Der Kessel von Gundestrup

Während wir in diesem Urlaub waren, lag auf unserem Tisch das Buch "Die Göttin und ihr Heros" von Heide Göttner-Abendroth. Unsere momentane Lektüre.

   

Unter dem Titel ist ein Bild eines Gefäßes. Das Umschlagbild wird als "Der Kessels von Gundestrup" betitelt. Der Ortsname kam mir bekannt vor.
Da sind wir doch gestern durchgefahren!
Nach der Recherche stellte ich fest, Gundestrup gibt es wenigstens zweimal in Dänemark.
Eins auf Seeland, da wo wir durchfuhren, und eins auf Jütland in der Nähe der Stadt Aars, da wo der Kessel gefunden wurde.

Heide Göttner-Abendroth schreibt in diesem Buch dazu ab Seite 134:

Der Heros der Dana heißt in Irland Dagda, der als sanfter G*tt in der Unterwelt wohnt. Das erinnert an Osiris, den weisen König in der Unterwelt, den Brudergatten der Isis-ebenfalss eine Göttin, die das Land verkörpert. Später wurde Dagda ein allgemeiner Vatergott, dessen Charakter aber, im Gegensatz zu anderen Vatergöttern, nicht von gewaltsamer Herrschaft geprägt ist, sondern von Güte. "Dagda" heißt wörtlich "guter G*tt".
Das gütige Väterchen heißt im Englischem noch heute "Daddy", ein Wort, das von "Dagda" stammt. Daß Dagda ursprünglich ein Heros-König und zum Regenmachen verpflichtet war und damit zu den Fruchtbarkeitsheroen gehörte, darauf weist die große Eichenkeule hin, die er besitzt.
Es heißt, sie war so groß, daß sie von mehreren Männern getragen werden mußte. Sie ist das königliche Instrument des Regen- und Donnerzaubers, bei dessen Ausübung die Keule in einer hohlen Eiche herumgewirbelt wurde, daß es wie Donner klang.
Darüber hinaus ist die Keule ein Phallus-Symbol, zum "Regenmachen" im übertragenen Sinn bei der Zeremonie der Heiligen Hochzeit. Denn es heißt noch von Dagda, daß er mit der Keule nicht nur Männer zu töten, sondern auch zu zeugen vermochte.

Als Heros-König besaß er außerdem den "Kessel des Überflusses", ein Wundergefäß wie das Füllhorn in römischen Mythen oder wie der Gral (Wunderschüssel, Wunderkelch) in keltisch-mittelalterlichen Legenden. Es heißt, dieser Kessel wurde niemals leer: Enthielt er Fleisch, so sprang das Tier, nachdem es aufgegessen war, wieder lebendig heraus. Enthielt er Met oder Wein, so leerte er sich nicht, bis alle von der "Inspiration" durch diese Getränke ergriffen waren, darum heißt er auch der "Kessel der Inspiration", und er machte Sänger und Dichter.
Enthielt er ein Gebräu aus Heilkräutern, so wurden selbst Tote davon wieder lebendig.
An diesen Eigenschaften erkennen wir, daß der Zauberkessel der Göttin Dana gehört, die auch unter dem Namen Cerridwen auftritt; von Cerridwen wird klar gesagt, daß sie einen solchen Wunderkessel besitzt. Er symbolisiert ihre Kräfte des unerschöpflichen Schenkens von Leben, der Heilung und Wiedergeburt, ebenfalls der "Begeisterung", der schöpferischen Ekstase.
Es ist ein Symbol für die Vulva und den Schoß der Göttin. In den Mythen von Cerridwen und dem Heros Gwion-Taliesin heißt es, daß sie ihren Zauberkessel streng hütete, niemand durfte auch nur einen Tropfen daraus trinken.
Als Gwion es dennoch tat, verfolgte sie ihn unerbittlich in vielen Verwandlungen und verschlang ihn schließlich, bis er zuletzt von ihr als Taliesin wiedergeboren wurde.
Wenn Dagda diesen Kessel daher in den Händen hat, dann durch die heilige Hochzeit, und er besitzt ihn nur leihweise, als Zeichen seiner Königswürde, die er von der Göttin empfing, genau für ein mythisches Jahr bis zu seinem Herostod. Erst danach wurde er ein G*tt der Unterwelt, und seine Wiederauferstehung geschah in seinem Nachfolger, seinem "Sohn" Oengus, einem verjüngtem Dagda.

Als G*tt der Toten führte Dagda die Menschen durch das wunderbare Spiel seiner Harfe in den Schlaf oder in den Tod, härter war das Sterben bei ihm nicht. Ebenso konnte er durch das Spiel seiner Harfe Lebende und Tote zum Lachen oder zum Weinen bringen.
Er ist demnach auch G*tt der Musik und Dichtkunst, denn er hatte teil an Danas "Kessel der Inspiration".
Auch Gwion-Taliesin, der aus dem Kessel der Cerridwen kostete, wurde nach seiner Wiedergeburt zu einem großen Dichter und Barden.

Dagdas abgebliche "Tochter", die Göttin Brighde-Brigid, die eine verjüngte Dana-Cerridwen ist, besitzt ebenfalls den Kessel der Inspiration, und sie schafft damit Dichter und Sänger.
Brigid war die irische Dreifaltige Göttin: Sie war Göttin des Himmels, worauf ihr Name "Brigid, the Bright", das heißt, die "Glänzende, Helle, Strahlende" hinweist (erster Aspekt).
Als himmlische Inspiration war sie die Göttin der Poeten und Barden. Zugleich war sie Göttin der Heilkunst und als solche mit dem Wasser verknüpft. Etliche Flüsse in Europa tragen ihren Namen, so die Brighid in Irland, die Braint in Wales, die Brent in England, die Brigach und Breg, die Quellflüsse der Donau, in Deutschland. Die Fruchtbarkeit, die sie aus dem Wasser spendet, erinnert an ihre Ahnin Dana und verdeutlicht Brigids zweiten Aspekt.
In ihrem dritten Aspekt war sie Göttin der Schmiedekunst in der Unterwelt, wo sie ein nie verlöschendes Feuer hütete. Schmieden galt als große, transformierende Magie, insofern war Brigid auch eine Göttin der Magie.

Später wurde sie mit Hilfe einer rührseligen Legende als St. Brigid, die Jungfrau, in das frühe keltisch-irische Chr*stentum integriert, und in ihrer Kathedrale in Kildare (Irland) sowie in den ihr geweihten Nonnenklöstern brennt ein ewiges Feuer.
Am Beispiel von Dana-Cerridwen-Brigid können wir drei klassisch patriarchale Umgangsweisen mit der Göttin sehen.
In ihrer uranfänglichen Erscheinungsform wird sie ermordet: Dana als Drachin, das angebliche "Böse".
In ihrer späteren Erscheinungsform wird sie dämonisiert: Cerridwen als "Hexe".
In ihrer jüngsten Erscheinungsform wird sie chr*stianisert. Brigid als chr*stliche "Jungfrau".


Hier nochmal das Foto vom Kessel aus dem National Museum in Kopenhagen

   
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