19.06.12018, 14:05
Als das Geräusch von schweren, entschlossenen Schritten näher kam, öffnete ich die Augen und wandte mich um, damit ich die Tür am anderen Ende des schmalen Raumes sehen konnte. Ein Mann tauchte dort auf, der die Türöffnung winzig erscheinen ließ. Die Axt hing an seiner Seite, das Gesicht unter dem Bronzehelm mit den Goldfedern war schmutzbedeckt. Sein Mund war grausam, denn die Götter, die ihn geschaffen hatten, mussten versäumt haben, ihm Lippen zu geben. Ich begriff, dass ein lippenloser Mann weder Mitleid noch Freundlichkeit kannte. Einen Augenblick starrte er mich an, als sei ich soeben aus der Erde gewachsen, dann trat er ins Zimmer, wobei der den Kopf schieflegte wie ein Hund. Ich richtetet mich auf und beschloss, weder einen Schrei noch ein Winseln von mir zu geben, egal, was er mir antat. Ich würde ihm beweisen, dass es den Dardaniern nicht an Mut fehlte.
Er schien den Raum mit einem Schritt zu durchqueren, packte mich bei den Handgelenken und hob mich an den Armen hoch, sodass meine Zehen knapp über den Boden hingen.
„Schlächter! Alte Männer und Knaben hinzumetzeln! Ihr seid ein Tier“, keuchte ich und trat nach ihm.
Meine Handgelenke wurden so fest zusammengepresst, dass die Knochen knackten. Am liebsten hätte ich vor Schmerz aufgeschrien, aber ich verbot es mir. Seine gelben Löwenaugen verrieten seinen Zorn. Ich hatte seine Selbstachtung dort getroffen, wo sie noch empfindlich war. Er mochte es gar nicht, ein Schlächter alter Männer und Knaben genannt zu werden.
„Hütet Eure Zunge, Mädchen! Auf den Sklavenmärkten treiben sie Euch den Trotz mit der Stachelpeitsche aus.“
„Entstellt zu werden, wäre ein Geschenk.“
„Aber in Eurem Fall ein Jammer", entgegnete er, setzte mich ab und ließ meine Gelenke los. Stattdessen packte er mich an den Haaren und zerrte mich zur Tür, während ich nach ihm trat und so oft gegen seinen Metallpanzer schlug, bis sich meine Füße und Fäuste gebrochen anfühlten.
„Lasst mich alleine gehen!“, schrie ich. „Lasst mir soviel Würde, dass ich alleine gehen kann. Ich will mich nicht kriechend und wimmernd wie eine Dienerin versklaven lassen!“
Er blieb stehen und wandte den Kopf, um mich verwirrt anzustarren. „Ihr habt ihren Mut“, sagte er langsam. „Ihr seid nicht wie sie, dennoch habt Ihr eine Ähnlichkeit mit ihr… Meint Ihr wirklich Euer Schicksal sei Vergewaltigung und Sklaverei?“
„Gibt es ein anderes Los für eine Gefangene?“
Mit einem Grinsen, das ihn mehr wie andere Männer aussehen ließ – denn Grinsen macht die Lippen schmaler – ließ er mich los. Ich fasste mit der Hand auf meinen Kopf, um zu fühlen, ob er mich skalpiert hatte, dann schritt ich vor ihm her. Seine Hand fuhr nach vorn, und seine Finger schlossen sich so fest um mein verletztes Handgelenk, dass ich mich seinem Griff unmöglich entziehen konnte.
„Ungeachtet Eurer Würde, Mädchen, ich bin kein Narr. Ihr werdet mir nicht dank schierer Unachtsamkeit entkommen.“
„Wie Euer Anführer unseren Aeneas auf dem Hügel entwischen ließ?“, höhnte ich. Er verzog keine Miene. „Genau“, sagte er gleichmütig.
Er führte mich durch Räume, die ich kaum wiedererkannte: Die Wände waren blutbespritzt, die Einrichtung gestapelt, um auf einen Beutewagen verbracht zu werden. Als wir in die Große Halle kamen, stieß er mit dem Fuß an ein paar Leichen, die ohne Ansehen ihres Alters oder Ranges achtlos übereinandergeworfen worden waren. Ich hielt inne, um zu sehen, ob vielleicht irgendetwas unter diesen namenlosen Körpern auf meinen Vater hinwies. Mein Bezwinger versuchte halbherzig, mich weiterzuziehen, aber ich widerstand ihm.
„Mein Vater könnte darunter sein! Lasst mich nachsehen!“ bat ich.
„Welcher ist es?“ fragte er gleichgültig.
„Wenn ich das wüßte, bräuchte ich nicht darum zu bitten, nachsehen zu dürfen.“
Obwohl er mir keine Hilfe anbot, ließ er sich von mir überall hinziehen, wo ich nach Schuhen oder Kleidung sehen wollte. Schließlich entdeckte ich den Fuß meines Vaters, unverwechselbar in seiner granatbesetzten Sandale. Wie die meisten alten Männer hatte er seine Rüstung behalten, aber nicht seine Kampfstiefel. Doch ich konnte ihn nicht befreien. Es waren zu viele Leichen.
„Ajax!“ rief mein Eroberer. „Komm und hilf der Dame!“
Ermattet von den Greueln des Tages sah ich zu, wie ein weiterer Riese auf uns zu kam. Er war noch größer als der neben mir. „Kannst Du ihr nicht selber helfen?“ fragte der Neuankömmling.
„Und sie entwischen lassen? Ajax, Ajax! Die hier hat Mut, ich kann ihr nicht trauen.“
„Hast eine Schwäche für sie entwickelt, Vetter? Na ja, wird auch Zeit, dass Du dich einmal jemand anderem zuwendest außer Patroklos.“
Ajax schob mich zur Seite, als sei ich eine Feder, und dann, mit der Axt in der Hand, stieß er die Leichen auseinander, bis mein Vater vor mir lag. Seine toten Augen starrten mich an, sein Bart steckte in einer klaffenden Wunde. Sie stammte von einem Axthieb.
„Das ist der Alte, der mich wie ein Kampfhahn anfiel“, sagte derjenige, der Ajax hieß, anerkennend.
„Hitziger alter Bursche!“
„Wie der Vater, so die Tochter“, entgegnete der, der mich festhielt. Er zerrte an meinem Arm. „Kommt Mädchen. Ich habe nicht die Zeit, Eurem Kummer nachzugeben.“
Wir blieben am Eingang zum Hofe stehen, damit mein Bezwinger einem Toten, der auf den Stufen lag, einen Gürtel abnehmen konnte. Er band das Leder fest um meine Handgelenke, dann befestigte er ein Ende an seinem Arm, sodass ich immer nah an seiner Seite gehen musste. Ich stand zwei Stufen über ihm und betrachtete seinen gebeugten Nacken, während er die wenigen Handgriffe mit einer Gründlichkeit erledigte, die wahrscheinlich typisch für ihn war.
„Ihr habt meinen Vater nicht umgebracht“, sagte ich.
„Doch, das habe ich“, erwiderte er. „Ich bin der Anführer, den Euer Aeneas übertölpelt hat. Das bedeutet, dass ich für jeden einzelnen Toten verantwortlich bin.“
„Wie ist Euer Name?“ fragte ich.
„Achilles“, sagte er knapp, überprüfte den Ledergurt und zog mich hinter sich her in den Hof des Palastes. Achilles. Ich hätte es wissen müssen. Aeneas hatte ihn zuletzt erwähnt, obwohl er mir schon seit Jahren bekannt war.
... wird fortgesetzt
Er schien den Raum mit einem Schritt zu durchqueren, packte mich bei den Handgelenken und hob mich an den Armen hoch, sodass meine Zehen knapp über den Boden hingen.
„Schlächter! Alte Männer und Knaben hinzumetzeln! Ihr seid ein Tier“, keuchte ich und trat nach ihm.
Meine Handgelenke wurden so fest zusammengepresst, dass die Knochen knackten. Am liebsten hätte ich vor Schmerz aufgeschrien, aber ich verbot es mir. Seine gelben Löwenaugen verrieten seinen Zorn. Ich hatte seine Selbstachtung dort getroffen, wo sie noch empfindlich war. Er mochte es gar nicht, ein Schlächter alter Männer und Knaben genannt zu werden.
„Hütet Eure Zunge, Mädchen! Auf den Sklavenmärkten treiben sie Euch den Trotz mit der Stachelpeitsche aus.“
„Entstellt zu werden, wäre ein Geschenk.“
„Aber in Eurem Fall ein Jammer", entgegnete er, setzte mich ab und ließ meine Gelenke los. Stattdessen packte er mich an den Haaren und zerrte mich zur Tür, während ich nach ihm trat und so oft gegen seinen Metallpanzer schlug, bis sich meine Füße und Fäuste gebrochen anfühlten.
„Lasst mich alleine gehen!“, schrie ich. „Lasst mir soviel Würde, dass ich alleine gehen kann. Ich will mich nicht kriechend und wimmernd wie eine Dienerin versklaven lassen!“
Er blieb stehen und wandte den Kopf, um mich verwirrt anzustarren. „Ihr habt ihren Mut“, sagte er langsam. „Ihr seid nicht wie sie, dennoch habt Ihr eine Ähnlichkeit mit ihr… Meint Ihr wirklich Euer Schicksal sei Vergewaltigung und Sklaverei?“
„Gibt es ein anderes Los für eine Gefangene?“
Mit einem Grinsen, das ihn mehr wie andere Männer aussehen ließ – denn Grinsen macht die Lippen schmaler – ließ er mich los. Ich fasste mit der Hand auf meinen Kopf, um zu fühlen, ob er mich skalpiert hatte, dann schritt ich vor ihm her. Seine Hand fuhr nach vorn, und seine Finger schlossen sich so fest um mein verletztes Handgelenk, dass ich mich seinem Griff unmöglich entziehen konnte.
„Ungeachtet Eurer Würde, Mädchen, ich bin kein Narr. Ihr werdet mir nicht dank schierer Unachtsamkeit entkommen.“
„Wie Euer Anführer unseren Aeneas auf dem Hügel entwischen ließ?“, höhnte ich. Er verzog keine Miene. „Genau“, sagte er gleichmütig.
Er führte mich durch Räume, die ich kaum wiedererkannte: Die Wände waren blutbespritzt, die Einrichtung gestapelt, um auf einen Beutewagen verbracht zu werden. Als wir in die Große Halle kamen, stieß er mit dem Fuß an ein paar Leichen, die ohne Ansehen ihres Alters oder Ranges achtlos übereinandergeworfen worden waren. Ich hielt inne, um zu sehen, ob vielleicht irgendetwas unter diesen namenlosen Körpern auf meinen Vater hinwies. Mein Bezwinger versuchte halbherzig, mich weiterzuziehen, aber ich widerstand ihm.
„Mein Vater könnte darunter sein! Lasst mich nachsehen!“ bat ich.
„Welcher ist es?“ fragte er gleichgültig.
„Wenn ich das wüßte, bräuchte ich nicht darum zu bitten, nachsehen zu dürfen.“
Obwohl er mir keine Hilfe anbot, ließ er sich von mir überall hinziehen, wo ich nach Schuhen oder Kleidung sehen wollte. Schließlich entdeckte ich den Fuß meines Vaters, unverwechselbar in seiner granatbesetzten Sandale. Wie die meisten alten Männer hatte er seine Rüstung behalten, aber nicht seine Kampfstiefel. Doch ich konnte ihn nicht befreien. Es waren zu viele Leichen.
„Ajax!“ rief mein Eroberer. „Komm und hilf der Dame!“
Ermattet von den Greueln des Tages sah ich zu, wie ein weiterer Riese auf uns zu kam. Er war noch größer als der neben mir. „Kannst Du ihr nicht selber helfen?“ fragte der Neuankömmling.
„Und sie entwischen lassen? Ajax, Ajax! Die hier hat Mut, ich kann ihr nicht trauen.“
„Hast eine Schwäche für sie entwickelt, Vetter? Na ja, wird auch Zeit, dass Du dich einmal jemand anderem zuwendest außer Patroklos.“
Ajax schob mich zur Seite, als sei ich eine Feder, und dann, mit der Axt in der Hand, stieß er die Leichen auseinander, bis mein Vater vor mir lag. Seine toten Augen starrten mich an, sein Bart steckte in einer klaffenden Wunde. Sie stammte von einem Axthieb.
„Das ist der Alte, der mich wie ein Kampfhahn anfiel“, sagte derjenige, der Ajax hieß, anerkennend.
„Hitziger alter Bursche!“
„Wie der Vater, so die Tochter“, entgegnete der, der mich festhielt. Er zerrte an meinem Arm. „Kommt Mädchen. Ich habe nicht die Zeit, Eurem Kummer nachzugeben.“
Wir blieben am Eingang zum Hofe stehen, damit mein Bezwinger einem Toten, der auf den Stufen lag, einen Gürtel abnehmen konnte. Er band das Leder fest um meine Handgelenke, dann befestigte er ein Ende an seinem Arm, sodass ich immer nah an seiner Seite gehen musste. Ich stand zwei Stufen über ihm und betrachtete seinen gebeugten Nacken, während er die wenigen Handgriffe mit einer Gründlichkeit erledigte, die wahrscheinlich typisch für ihn war.
„Ihr habt meinen Vater nicht umgebracht“, sagte ich.
„Doch, das habe ich“, erwiderte er. „Ich bin der Anführer, den Euer Aeneas übertölpelt hat. Das bedeutet, dass ich für jeden einzelnen Toten verantwortlich bin.“
„Wie ist Euer Name?“ fragte ich.
„Achilles“, sagte er knapp, überprüfte den Ledergurt und zog mich hinter sich her in den Hof des Palastes. Achilles. Ich hätte es wissen müssen. Aeneas hatte ihn zuletzt erwähnt, obwohl er mir schon seit Jahren bekannt war.
... wird fortgesetzt
Im A & O das Geheimnis liegt - Omega siegt!