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Fortsetzung aus:
https://www.pagan-forum.de/Thema-Aeneas-der-Verteidiger-von-Troja
Lyrnessos starb, faltete die Flügel und legte sein Gefieder über die Verwüstung mit einem Aufschrei, in dem sich die Klagen aller Frauen vereinigten. Wir hatten Aeneas in die Obhut seiner unsterblichen Mutter Aphrodite gegeben, froh darüber, dass er die Gelegenheit erhielt, unsere Armee zu retten. Alle Bürger waren sich darin einig gewesen, dass es das einzige war, was man tun konnte, damit ein Teil von Dardanien weiterlebte und den Griechen einen Schlag versetzte.
Uralte Rüstungen waren aus Truhen gezerrt worden, von knochigen Händen, die dabei vor Anstrengung zitterten; Knaben zogen mit bleichem Gesicht Spielzeugrüstungen an, die nie dafür geschaffen waren, den Hieb einer Bronzeklinge abzuwehren. Natürlich fielen sie. Ehrwürdige Bärte sogen sich voll mit dardanischem Blut, das Kriegsgeschrei kleiner Soldaten verwandelte sich in das angstvolle Schluchzen von Knaben. Mein Vater hatte sogar mir den Dolch abgenommen, wobei er mir mit Tränen in den Augen erklärte, dass er mir nicht die Möglichkeit lassen konnte, mich der Sklaverei zu entziehen; alle Dolche, auch die der Frauen wurden gebraucht.
Ich stand am Fenster, sah hilflos zu, wie Lyrnessos unterging, und betete zu Artemis, der gnädigen Tochter Letos, mir rasch einen ihrer Pfeile in mein Herz zu bohren, ehe mich ein paar Griechen packten und auf die Sklavenmärkte von Hattusas oder Ninive verschleppten. Unsere mitleiderregende Verteidigung wurde niedergemetzelt, bis mich nur noch die Palastmauern von einer mordlüsternen Soldateska trennten. Von diesem Augenblick an stellte ich mir die Töchter der Kore groß und hell vor. Mein einziger Trost bestand darin, dass Aeneas und die Armee in Sicherheit waren. Wie auch unser guter alter König Anchises, der als junger Mann so schön war, dass die Göttin Aphrodite sich in ihn verliebte und ihm Aeneas gebar. Und dieser hatte sich als braver Sohn selbstverständlich geweigert, seinen Vater zurückzulassen, und auch seine Frau Kreusa und den kleinen Sohn Askanios mitgenommen.
Obwohl ich mich nicht vom Fenster losreißen konnte, hörte ich, wie man sich in den Räumen hinter mir auf einen Kampf vorbereitete: alte Füße tappten umher, piepsige Stimmen flüsterten aufgeregt. Die meines Vaters war auch darunter. Nur die Priester blieben zurück, um an den Altären zu beten. Nur einer von ihnen, mein Onkel Chryses, hatte beschlossen, seine heilige Robe auszuziehen und seine Rüstung anzulegen. Er wollte kämpfen, erklärte er, um den asiatischen Apollo zu verteidigen, der nicht derselbe G*tt war wie der griechische.
Sie stießen mit Rammböcken gegen das Tor. Der Palast erzitterte bis in seine Grundfesten, und durch den Lärm, der an mein Ohr drang, glaubte ich, den Beweger der Erde klagend brüllen zu hören. Denn Poseidon stand auf ihrer Seite, nicht auf unserer. Wir sollten zur Strafe von Trojas Stolz und Trotz geopfert werden. Er konnte uns nur sein Mitgefühl bekunden. Das Holz zersplitterte, die Angeln gaben nach, und krachend fiel das Tor zu Boden. Die Speere erhoben und die Schwerter gezückt, strömten die Griechen in den Palasthof, ohne Gnade für unsere klägliche Verteidigung, sondern nur voller Wut, dass Aeneas ihnen entwischt war.
Der Mann an ihrer Spitze war ein Riese in einer mit Gold eingefassten Bronzerüstung. Er schwang eine gewaltige Axt und fegte die alten Männer beiseite, als wäre sie Ungeziefer. Voller Verachtung schlug er sie in Stücke. Dann stürmte er in die große Halle, seine Männer hinter ihm her. Ich schloss die Augen vor dem Gemetzel draußen und flehte die keusche Artemis an, sie möge die Griechen dazu bringen, mich zu töten. Lieber Tod als Vergewaltigung und Versklavung. Rote Nebel tanzten vor meinen Lidern, das Licht des Tages drängte unerbittlich hinein, und meine Ohren hörten die erstickten Schreie und stammelnden Bitten und Erbarmen. Die Alten hängen am Leben. Sie wissen, wie schwer es erkämpft ist. Aber die Stimme meines Vaters vernahm ich nicht. In meinem Herzen fühlte ich, dass er ebenso stolz gefallen war, wie er gelebt hatte.
... wird fortgesetzt
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Als das Geräusch von schweren, entschlossenen Schritten näher kam, öffnete ich die Augen und wandte mich um, damit ich die Tür am anderen Ende des schmalen Raumes sehen konnte. Ein Mann tauchte dort auf, der die Türöffnung winzig erscheinen ließ. Die Axt hing an seiner Seite, das Gesicht unter dem Bronzehelm mit den Goldfedern war schmutzbedeckt. Sein Mund war grausam, denn die Götter, die ihn geschaffen hatten, mussten versäumt haben, ihm Lippen zu geben. Ich begriff, dass ein lippenloser Mann weder Mitleid noch Freundlichkeit kannte. Einen Augenblick starrte er mich an, als sei ich soeben aus der Erde gewachsen, dann trat er ins Zimmer, wobei der den Kopf schieflegte wie ein Hund. Ich richtetet mich auf und beschloss, weder einen Schrei noch ein Winseln von mir zu geben, egal, was er mir antat. Ich würde ihm beweisen, dass es den Dardaniern nicht an Mut fehlte.
Er schien den Raum mit einem Schritt zu durchqueren, packte mich bei den Handgelenken und hob mich an den Armen hoch, sodass meine Zehen knapp über den Boden hingen.
„Schlächter! Alte Männer und Knaben hinzumetzeln! Ihr seid ein Tier“, keuchte ich und trat nach ihm.
Meine Handgelenke wurden so fest zusammengepresst, dass die Knochen knackten. Am liebsten hätte ich vor Schmerz aufgeschrien, aber ich verbot es mir. Seine gelben Löwenaugen verrieten seinen Zorn. Ich hatte seine Selbstachtung dort getroffen, wo sie noch empfindlich war. Er mochte es gar nicht, ein Schlächter alter Männer und Knaben genannt zu werden.
„Hütet Eure Zunge, Mädchen! Auf den Sklavenmärkten treiben sie Euch den Trotz mit der Stachelpeitsche aus.“
„Entstellt zu werden, wäre ein Geschenk.“
„Aber in Eurem Fall ein Jammer", entgegnete er, setzte mich ab und ließ meine Gelenke los. Stattdessen packte er mich an den Haaren und zerrte mich zur Tür, während ich nach ihm trat und so oft gegen seinen Metallpanzer schlug, bis sich meine Füße und Fäuste gebrochen anfühlten.
„Lasst mich alleine gehen!“, schrie ich. „Lasst mir soviel Würde, dass ich alleine gehen kann. Ich will mich nicht kriechend und wimmernd wie eine Dienerin versklaven lassen!“
Er blieb stehen und wandte den Kopf, um mich verwirrt anzustarren. „Ihr habt ihren Mut“, sagte er langsam. „Ihr seid nicht wie sie, dennoch habt Ihr eine Ähnlichkeit mit ihr… Meint Ihr wirklich Euer Schicksal sei Vergewaltigung und Sklaverei?“
„Gibt es ein anderes Los für eine Gefangene?“
Mit einem Grinsen, das ihn mehr wie andere Männer aussehen ließ – denn Grinsen macht die Lippen schmaler – ließ er mich los. Ich fasste mit der Hand auf meinen Kopf, um zu fühlen, ob er mich skalpiert hatte, dann schritt ich vor ihm her. Seine Hand fuhr nach vorn, und seine Finger schlossen sich so fest um mein verletztes Handgelenk, dass ich mich seinem Griff unmöglich entziehen konnte.
„Ungeachtet Eurer Würde, Mädchen, ich bin kein Narr. Ihr werdet mir nicht dank schierer Unachtsamkeit entkommen.“
„Wie Euer Anführer unseren Aeneas auf dem Hügel entwischen ließ?“, höhnte ich. Er verzog keine Miene. „Genau“, sagte er gleichmütig.
Er führte mich durch Räume, die ich kaum wiedererkannte: Die Wände waren blutbespritzt, die Einrichtung gestapelt, um auf einen Beutewagen verbracht zu werden. Als wir in die Große Halle kamen, stieß er mit dem Fuß an ein paar Leichen, die ohne Ansehen ihres Alters oder Ranges achtlos übereinandergeworfen worden waren. Ich hielt inne, um zu sehen, ob vielleicht irgendetwas unter diesen namenlosen Körpern auf meinen Vater hinwies. Mein Bezwinger versuchte halbherzig, mich weiterzuziehen, aber ich widerstand ihm.
„Mein Vater könnte darunter sein! Lasst mich nachsehen!“ bat ich.
„Welcher ist es?“ fragte er gleichgültig.
„Wenn ich das wüßte, bräuchte ich nicht darum zu bitten, nachsehen zu dürfen.“
Obwohl er mir keine Hilfe anbot, ließ er sich von mir überall hinziehen, wo ich nach Schuhen oder Kleidung sehen wollte. Schließlich entdeckte ich den Fuß meines Vaters, unverwechselbar in seiner granatbesetzten Sandale. Wie die meisten alten Männer hatte er seine Rüstung behalten, aber nicht seine Kampfstiefel. Doch ich konnte ihn nicht befreien. Es waren zu viele Leichen.
„Ajax!“ rief mein Eroberer. „Komm und hilf der Dame!“
Ermattet von den Greueln des Tages sah ich zu, wie ein weiterer Riese auf uns zu kam. Er war noch größer als der neben mir. „Kannst Du ihr nicht selber helfen?“ fragte der Neuankömmling.
„Und sie entwischen lassen? Ajax, Ajax! Die hier hat Mut, ich kann ihr nicht trauen.“
„Hast eine Schwäche für sie entwickelt, Vetter? Na ja, wird auch Zeit, dass Du dich einmal jemand anderem zuwendest außer Patroklos.“
Ajax schob mich zur Seite, als sei ich eine Feder, und dann, mit der Axt in der Hand, stieß er die Leichen auseinander, bis mein Vater vor mir lag. Seine toten Augen starrten mich an, sein Bart steckte in einer klaffenden Wunde. Sie stammte von einem Axthieb.
„Das ist der Alte, der mich wie ein Kampfhahn anfiel“, sagte derjenige, der Ajax hieß, anerkennend.
„Hitziger alter Bursche!“
„Wie der Vater, so die Tochter“, entgegnete der, der mich festhielt. Er zerrte an meinem Arm. „Kommt Mädchen. Ich habe nicht die Zeit, Eurem Kummer nachzugeben.“
Wir blieben am Eingang zum Hofe stehen, damit mein Bezwinger einem Toten, der auf den Stufen lag, einen Gürtel abnehmen konnte. Er band das Leder fest um meine Handgelenke, dann befestigte er ein Ende an seinem Arm, sodass ich immer nah an seiner Seite gehen musste. Ich stand zwei Stufen über ihm und betrachtete seinen gebeugten Nacken, während er die wenigen Handgriffe mit einer Gründlichkeit erledigte, die wahrscheinlich typisch für ihn war.
„Ihr habt meinen Vater nicht umgebracht“, sagte ich.
„Doch, das habe ich“, erwiderte er. „Ich bin der Anführer, den Euer Aeneas übertölpelt hat. Das bedeutet, dass ich für jeden einzelnen Toten verantwortlich bin.“
„Wie ist Euer Name?“ fragte ich.
„Achilles“, sagte er knapp, überprüfte den Ledergurt und zog mich hinter sich her in den Hof des Palastes. Achilles. Ich hätte es wissen müssen. Aeneas hatte ihn zuletzt erwähnt, obwohl er mir schon seit Jahren bekannt war.
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Wir verließen Lyrnessos durch das offene Haupttor, durch das die Griechen ein- und ausgingen; einige hatten geplündert, andere waren bei Huren gewesen, wieder andere hielten Fackeln in der Hand, andere Weinschläuche. Achilles machte keine Anstalten, sie zur Ordnung zu rufen. Er übersah sie.
Am höchsten Punkt der Straße wandte ich mich um und blickte hinunter in das Tal von Lyrnessos. „Ihr habt meine Heimat zerstört. Hier habe ich zwanzig Jahre gelebt, hier hoffte ich zu bleiben, bis man hier eine Hochzeit ausrichtet. Aber das hier habe ich nicht erwartet."
Er zuckte die Schultern. „So ist das nun mal im Krieg, Mädchen.“
„Könnt Ihr nicht verhindern, dass sie sich wie Tiere aufführen? Muss das sein? Ich habe die Frauen schreien hören – und ich habe gesehen, was sie ihnen angetan haben!“
Seine Augen wurden schmal; er sah mich zynisch an. „Was wisst Ihr von Griechen in der Fremde und ihren Gefühlen? Ihr hasst uns, und das verstehe ich. Aber ihr hasst uns nicht so, wie diese Männer Troja und seine Verbündeten hassen! Priamos hat sie bereits zehn Jahre fern von der Heimat gekostet. Sie genießen es, sie dafür zahlen zu lassen. Ich könnte sie nicht einmal aufhalten, auch wenn ich es wollte. Und offen gestanden, mir ist auch gar nicht danach.“
„Ich habe die Geschichten seit Jahren gehört, aber nicht gewusst, wie der Krieg wirklich ist,“ flüsterte ich.
„Nun wisst ihr es!“
Sein Lager war drei Meilen entfernt; als wir ankamen, rief er einen Offizier aus dem Tross zu sich.
„Polides, dies ist meine eigene Beute. Nehmt den Gürtel und bindet sie an einen Amboss, bis ihr ordentliche Ketten geschmiedet habt. Lasst sie nicht einen Augenblick frei, selbst dann nicht, wenn sie den Abort benutzen will. Wenn Ihr sie in Ketten gelegt habt, bringt sie an einen Ort, wo sie alles hat, was sie braucht – einschließlich guter Verpflegung, einem ordentlichen Bett und Nachtgeschirr. Morgen geht Ihr mit ihr zu der Flotte in Andramyttios und übergebt sie Phoinix. Sagt ihm, dass ich ihr nicht traue und sie nicht die geringste Freiheit haben darf.“
Er nahm mein Kinn und zwickte es leicht. „Auf wiedersehen, Mädchen.“
Polides fand leichte Ketten für meine Fußgelenke, polsterte die Manschetten und brachte mich auf einem Esel zur Küste. Dort wurde ich Phoinix übergeben, einem aufrechten, alten Adligen mit den blauen Augen und dem wiegenden Gang eines Seemannes. Als er meine Fesseln sah, schnalzte er mit der Zunge, doch er machte keine Anstalten, sie abzunehmen, nachdem er mich an Bord seine Flaggschiffes gebracht hatte. Höflich forderte er mich auf, Platz zu nehmen, doch ich bestand darauf zu stehen.
„Es tut mir so leid wegen der Ketten“, sagte er mit kummervollen Blick. Doch sein Kummer galt nicht mir, wie ich feststellte.
„Armer Achilles!“
Es ärgerte mich, dass der alte Mann so gering von mir dachte. „Dieser Achilles hat eine bessere Vorstellung von meinem Mut als Ihr! Lasst mich nur in die Nähe eines Dolches kommen, und ich werde mir den Weg aus diesem Elend schon freikämpfen oder dabei zu Grunde gehen!“
Er schmunzelte.
„Ai, Ai. Was für eine wilde Kämpferin Ihr doch seid! Macht Euch keine Hoffnung, Mädchen.
Was Achilles gebunden hat, wird Phoinix nicht lösen.“
„Ist sein Wort ein solch geheiligtes Gesetz?“
„Allerdings. Er ist der Prinz der Myrmidonen.“
„Prinz der Ameisen. Wie passend.“
Statt einer Antwort schmunzelte er wieder und schob mir einen Stuhl zu. Voller Abscheu betrachtete ich ihn, aber mein Rücken schmerzte von dem Eselritt, und meine Beine zitterten, denn seit meiner Gefangennahme hatte ich mich geweigert zu essen oder zu trinken. Mit harter Hand drückte Phoinix mich auf den Sitz und zog den Stöpsel aus einem goldenen Weinflakon.
„Trinkt, Mädchen. Wenn Ihr Euren Stolz behalten wollt, müsst ihr Euch ernähren. Seid nicht töricht.“
Ein vernünftiger Rat. Ich befolgte ihn – und merkte schnell, dass mein Blut dünn war und der Wein mir den Geist vernebelte. Ich konnte nicht länger kämpfen. Ich stützte den Kopf in die Hand und schlief auf dem Stuhl ein. Als ich viele Stunden später aufwachte, stellte ich fest, dass man mich auf ein Bett gelegt und an einen Balken gekettet hatte.
Am nächsten Tag wurde ich an Deck gebracht und meine Kette an der Reling festgemacht, sodass ich in der schwachen Wintersonne stehen und das lebhafte Treiben am Strand verfolgen konnte. Dann erschienen vier Schiffe am Horizont, und ich beobachtete, wie eine große Aufregung die Männer da unten erfasste, vor allem ihre Führer. Plötzlich tauchte Phoinix auf und band mich von der Reling los, um mich in einen Unterstand auf dem Achterdeck zu schieben, der nach Pferden stank. Er brachte mich hinein und kettete mich an eine Stange.
„Was ist los?“ fragte ich neugierig.
„Agamemnon, der König der Könige“, antwortet Phoinix.
„Warum versteckt ihr mich? Bin ich nicht gut genug, um den König der Könige zu begegnen?“
Er seufzte. „Habt Ihr keinen Spiegel daheim in Dardanien besessen, Mädchen. Ein Blick auf Euch, und Ihr gehört Agamemnon statt Achilles.“
„Ich könnte schreien“, sagte ich nachdenklich.
Er starrte mich an, als ob ich verrückt geworden sei. „Ihr würdet es bereuen, wenn Ihr das tätet, das verspreche ich Euch. Was hättet Ihr davon, wenn Ihr den Herrn wechselt? Glaubt mir, am Ende seid Ihr mit Achilles besser dran.“
Etwas in seiner Stimme überzeugte mich, und so hockte ich mich hinter einen Trog, als ich vor dem Eingang Stimmen hörte, und lauschte den reinen, fließenden Kadenzen eines makellosen Griechisch – und der Kraft und Autorität, die eine der Stimmen besaß.
„Ist Achilles noch nicht zurück?“, erkundigte sie sich herrisch.
„Nein, Majestät, aber er sollte noch vor Anbruch der Nacht eintreffen. Er musste noch die Plünderung überwachen. Eine reiche Beute. Die Wagen waren voll beladen.“
„Ausgezeichnet! Ich warte in seiner Kabine.“
„Ihr solltet dies besser in dem Zelt am Ufer tun, Majestät. Ihr kennt Achilles. Bequemlichkeit bedeutet ihm nichts.“
„Wie Ihr meint, Phoinix.“
Ihre Stimmen wurden leiser; ich kroch aus meinem Versteck. Der Klang dieser kalten, stolzen Stimme hatte mir Angst eingejagt. Achilles war auch ein Ungeheuer, aber von zwei Übeln war immer jedes das bessere, das man kannte.
Niemand kam während des Nachmittags in meine Nähe. Anfangs saß ich auf dem Bett, von dem ich annahm, dass es Achilles gehörte, und inspizierte neugierig den Inhalt der kargen Kabine. Ein paar Speere lehnten an einem Pfosten, es war kein Versuch unternommen worden, die einfachen Balkenwände zu streichen, und der ganze Raum war winzig. Er enthielt nur zwei bemerkenswerte Dinge: Das eine war eine herrlich weiße Pelzdecke auf dem Bett, das andere ein massiver Goldkelch mit vier Henkeln.
In diesem Augenblick überfiel mich meine ganze Trauer, vielleicht weil ich mich zum ersten Mal seit meiner Gefangennahme keiner gefährlichen Situation gegenübersah. Während ich hier saß, lag mein Vater in Lyrnessos auf dem Leichenhaufen, Futter für die ewig hungrigen Stadthunde. Das war seit jeher das Schicksal, das hohe Adlige erwartete, die in der Schlacht gefallen waren. Tränen rannen mir übers Gesicht, ich warf mich auf die weiße Felldecke und weinte hemmungslos. Der weiße Pelz wurde nass unter meiner Wange, doch ich konnte nicht aufhören.
Mein Herz raste plötzlich in meiner Brust, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Alle meine hehren Gedanken von Aufbegehren wurden hinweggefegt; ich konnte nur noch denken, das der Oberkönig Agamemnon mich gefunden hatte, und krümmte mich zusammen.
„Ich gehöre Achilles, ich gehöre Achilles!“ wimmerte ich.
„Das weiß ich. Was habt ihr geglaubt, wer hereingekommen ist?“
Ich ließ mir meine Erleichterung nicht anmerken, als ich das Gesicht hob und mir mit dem Handrücken die Tränen abwischte.
„Agamemnon?“
Ich nickte.
„Wo ist er?“
„In dem Zelt an Land.“
Achilles ging zu einer Truhe an der gegenüberliegenden Wand, öffnete sie, wühlte darin herum und warf mir ein Stück feines Tuch zu. „Hier putzt Euch die Nase, und trocknet Euer Gesicht ab. Ihr werdet sonst noch krank.“
Ich tat wie mir geheißen. Er trat wieder ans Bett und betrachtete wehmütig die Decke.
„Hoffentlich trocknet sie ohne Flecken. Sie ist ein Geschenk meiner Mutter.“ Er sah mich kritisch an.
„Überstieg es Phoinix Möglichkeiten, Euch ein Bad und ein sauberes Kleid zu besorgen?“
„Er hat es mir angeboten, aber ich habe abgelehnt.“
„Aber mir würdet Ihr es nicht abschlagen. Wenn die Bediensteten Euch einen Zuber und frische Kleidung bringen, werdet Ihr beides annehmen. Anderenfalls werde ich anordnen, das es mit Gewalt geschieht – und nicht von Frauen. Habt Ihr verstanden?“
„Ja.“
„Gut.“ Seine Hand lag bereits auf dem Türknauf, als er noch einmal innehielt.
„Wie heißt Ihr, Mädchen?“
„Briseis.“
Er lächelte anerkennend. „Briseis“ - Die den Sieg davonträgt –
„Seid ihr sicher, dass Ihr den nicht erfunden habt?“
„Der Name meines Vaters war Briseus. Er war ein Vetter ersten Grades von König Anchises und Kanzler von Dardanien. Wir sind königlicher Abstammung.“
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