Zur dunklen Jahreszeit
#1
Auf ihrer meerumwogten Insel in Dänemark, zwischen Sumpfgräsern, die sich vor den eisigen Böen der rauhen Winterwinde eng an den Boden schmiegten, stand Heorot, die Königshalle der Skyldinger, mit ihren goldenen Giebeln, und sie war wie ein Leuchtturm, ein Licht, das in den langen nordischen Nächten erstrahlte. Im Innern der Halle loderten helle, wärmende Herd- und Fackelfeuer, und unter den Kriegern des Skylding-Volkes machten die Trinkhörner die Runde. Barden stimmten Lieder zu Ehren ihres Anführers an, ihres tapferen Königs Hrothgar; Harfner sangen von Licht und Wärme. Draußen vor der Halle aber, in Kälte und Finsternis, ging einsam und allein ein anderes Wesen um.
Einem Menschen ähnlich, war es doch kein Mensch. Riesengroß und behaart, stapfte es im nächtlichen Nebel durch Marsch und Moor; von Zeit zu Zeit wühlte es mit seinen Klauen den Boden auf, wenn es seine unglücklichen Opfer - Hasen, Frettchen und anderes Kleingetier - zerfetzte.
Das Wesen war alt, so alt wie die Schöpfung. Ungezählte Jahrhunderte hindurch hatte es allnächtlich das Land durchstreift, ohne die Menschheit je zur Kenntnis zu nehmen. Schließlich jedoch geschah das Unvermeidliche, und es wurde - sei es durch das Glänzen des goldenen Daches im Mondschein, sei es durch die Lichtstrahlen, die nach draußen auf das Moor drangen - auf die Halle aufmerksam. So stapfte es über die Insel und stand vor den hohen Mauern von Heorot, unschlüssig und geblendet von der Helligkeit, die im Innern herrschte. Harfenklänge erfüllten die Luft. Die Klauen des Wesens krallten sich zusammen, und aus seiner Kehle drang ein dumpfes Grollen. Dem freudlosen Geschöpf waren die frohen Lieder der Menschen ein Graus.
Vielleicht fürchtete der Unhold das Licht, vielleicht bestimmte eine gewisse Verschlagenheit sein Handeln, auf jeden Fall verharrte er im Dunkeln, bis der Gesang verstummte und die Herdfeuer verglommen. Als in der Halle Ruhe eingekehrt war und Hrothgars Recken arglos träumend auf ihren Lagern schlummerten, stemmte er sich gegen die großen Tore von Heorot, die mit einem Ächzen nachgaben. Die gewaltige Gestalt stürzte in die dämmrige Halle, der Kopf wogte von einer Seite auf die andere, und die geblähten Nüstern sogen gierig den Geruch von Menschenfleisch ein.
Dann machte es sich über seine Opfer her; es packte die Männer mit den Klauen, zermalmte ihre Körper, zerfetzte ihre Sehnen und zersplitterte ihre Knochen mit scharfen Zähnen. Blut verklebte das Fell um die klaffenden Kiefer, als das Ungeheuer endlich wieder in die Finsternis zurückkehrte. Obwohl für den Augenblick gesättigt, zerrte es zwei Krieger hinter sich her in seine Behausung. Die übrigen blieben grauenhaft verstümmelt zurück. Einige glückliche Überlebende, die sich unbemerkt in den Ecken der Halle hatten verbergen können, berichteten später, was sich zugetragen hatte.
So begann der Schrecken von Heorot, ein Grauen, das zwölf Jahre lang andauerte. Ohne jede Vorwarnung schlug das Ungeheuer zu und metzelte die Krieger, die es in der Halle vorfand, auf grausamste Weise nieder. Niemand konnte solchen Kräften widerstehen, keine Waffe das Wesen verwunden. Seine Macht und Grausamkeit überstiegen jedes menschliche Maß.

Bald säumten Grabhügel die Wege der Insel. Hrothgars überlebende Krieger fürchteten sich, nach Heorot zu kommen. Sobald es Nacht wurde, verbarrikadierten sie sich mit Schafen und Rindern in ihren eigenen, weniger prunkvollen Hallen und mieden das Freie. Heorot in seiner goldenen Pracht lag düster und kalt da, dem Wesen überlassen, das dort in mondlosen Nächten schwerfällig umherstolperte.

Die Dänen nannten es Grendel, den "Zermalmer".

Die Kunde vom Unglück der Skyldinger, von dem Gemetzel unter ihren Kriegern und der Vernichtung ihres Reiches, drang bis an ferne Küsten. Die meisten Männer machten einen weiten Bogen um die Insel, doch einer steuerte sie an. Er kam in voller Rüstung und vornehm bewaffnet. Vierzehn Gefährten begleiteten ihn, Recken wie er.
Dem Wachposten an der Küste, der den Fremden anrief, als sein Langschiff knirschend auf den kiesigen Sand lief, war dessen Name nicht unbekannt, und auch Hrothgar hatte schon von ihm gehört. Der Ankömmling war Beowulf, ein junger Königssohn aus dem östlichen Gautenreich; sein Name "Bienenwolf", ein Synonym für "Bär", war bezeichnend für die gewaltigen Kräfte, über die er verfügte. Überragende Tapferkeit, Schönheit und Großmut zeichneten ihn vor anderen Menschen aus.
Er war gekommen, um den Kampf gegen Grendel aufzunehmen. Der Dänenkönig pries den Mut des Gautenkriegers, als er dessen Begehr vernahm. In Heorot flammten die Herdfeuer wieder auf, und die Rauchwolken, die aus den Spalten zwischen den Dachbalken quollen, flatterten wie Fahnen im Abendwind. Wieder kamen die Männer zusammen, wieder schritt Hrothgars Gemahlin durch die Reihen der Recken und bot jedem aus goldenem Horn zu trinken an. Wieder hallten Harfenklänge durch die Halle und drangen hinaus auf das Moor.
Doch als das Festmahl vorüber war und der Harfner sein Spiel beendet hatte, zogen sich die Dänen in geschütztere Quartiere zurück und überließen Beowulf das Feld. Er sorgte dafür, daß die Feuer mit Asche abgedeckt wurden, und verteilte seine Gefährten auf Schlafstätten rings in der hohen Halle. Er selbst öffnete sein Kettenhemd und legte es ab, ebenso seinen Helm und sein Schwert, denn er wußte, daß menschliche Waffen den Unhold nicht bezwingen konnten. In diesem Kampf zählte einzig und allein die Kraft der Muskeln und Sehnen.
Beowulf wappnete sich gegen die Finsternis. Er hüllte sich in seinen Umhang und legte sich in der Nähe des Herds nieder. Der Schein des Feuers verglomm; die Dachbalken verschwammen im Dunkel. Er lauschte angestrengt auf ein Geräusch, das das Nahen des Wesens ankündigen könnte, aber er hörte nur ein gelegentliches Rascheln zwischen den Scheiten und das gleichmäßige Atmen seiner Gefährten.
Dem Angriff ging nichts als ein leichtes Zittern des Erdbodens in der Halle voraus. Mit lautem Krachen sprangen die Tore auf, ein Windstoß fuhr herein, und ein riesiger schwarzer Schatten zeichnete sich gegen den Himmel ab und verdeckte die Sterne. Mit einer Geschmeidigkeit, die Beowulf überraschte, ergriff das Wesen den Mann, der dem Tor am nächsten lag. Bevor der Unglückselige aufschreien konnte, zerfetzte es ihm mit scharfen Krallen die Kehle und brach ihm das Rückrad. Beowulf sah, daß jede Hilfe zu spät kam; er blieb reglos liegen und stellte sich weiter schlafend, obgleich die anderen aufgesprungen waren. Vielleicht mit der Absicht, das vermeintlich wehrloseste Opfer als erstes zu schlagen, drehte sich Grendel um und beugte sich über Beowulf. Im gleichen Augenblick griff der Gautenkrieger, durch die langen Stunden des Wartens gespannt wie eine Feder, an. Er wich dem überraschten Ungeheuer aus, umklammerte eine seiner Klauen mit eisernem Griff und bog die bluttriefenden Krallen zurück. Grendel zuckte zusammen, heulte auf und versuchte freizukommen, aber Beowulf war stärker.
Es folgte ein Kampf auf Leben und Tod, in dem Bänke polternd umfielen und glühende Scheite durch die Halle flogen; überall loderten kleine Feuer auf. Die Gautenkrieger umringten die keuchenden Kämpfer und suchten nach einer Gelegenheit, einzugreifen. Doch wann immer sie zum Angriff ansetzten, prallten ihre Lanzen wirkungslos an der Haut Grendels ab. Beowulf hielt die Klaue seines Gegners fest umklammert, so sehr Grendel auch zog und zerrte. Plötzlich splitterte und brach der Arm, und weißer Knochen bohrte sich durch das Fleisch an der wuchtigen Schulter. Grendel taumelte, versuchte aber weiter, sich loszureißen. Schließlich gab das Gelenk nach, und schwarzes Blut sprudelte hervor, als der Arm aus der Schulter riß. Tödlich verletzt und winselnd, stolperte das Ungeheuer hinaus in die Dunkelheit und taumelte seiner Behausung entgegen.

In der Halle stand Beowulf, schweißüberströmt und schwankend, in der Hand den klauenbewehrten Arm. Dann brachten er und seine Gefährten die Trophäe am höchsten Giebel Heorots an und riefen die Dänen, den Sieg mit ihnen zu feiern.
In der nächsten Nacht schallten erneut Gelächter und Gesang durch Heorot, und die Skyldinger schliefen wieder unter den kunstvoll geschnitzten Dachbalken. Doch ihre Freude war verfrüht. Am Morgen wurde ein Mann vermißt. Eine blutige Spur im Freien zeigte, daß er verschleppt worden war. Irgendein mörderisches Ungeheuer war noch immer am Leben.
Ältere unter den Kriegern wußten, wer gekommen war, um Gleiches mit Gleichem zu vergelten: Grendels Mutter. Solange die Unholdin lebte und nach Rache dürstete, konnten Menschen des Nachts nicht sicher schlafen. Und so brach Beowulf auf, um mit Hrothgar und einer Schar Recken nach Grendels Mutter zu suchen.
Der Reitertrupp ließ Felder und Festung des Dänenkönigs weit hinter sich. Quer durch die Moore folgten die Männer der Blutspur; die bronzenen Beschläge auf den Holzschilden und ihre goldenen Helme blitzten in der Sonne. Die Spur führte in felsiges Hochland, wo kalte Winde das Heulen der Wölfe zu ihnen herübertrugen. An einem See endete die Verfolgung.
Düstere Farben beherrschten das Bild. Der von eisigen Bergflüssen gespeiste See lag grau unter einem trüben Himmel. Schwarze Klippen säumten ihn, und alte Eschen, von Flechten überwuchert und unter Rauhreif erstarrt, standen an den Ufern. An der Oberfläche trieben Fleischbrocken, und in der Luft lag der Gestank von Verwesung.
Die Pferde scheuten und bockten; die Hunde zogen jaulend die Schwänze ein; Angst beschlich die Herzen der Recken. Etliche Männer waren im Verlauf einer Jagd schon einmal an den See gekommen und wußten Wunderliches über ihn zu berichten. Aus ihren Worten klang Befremden und Furcht. Beowulf schwieg, ja schien nicht einmal zugehört zu haben. Dann sagte er zu einem seiner Leute: "Wenn ich also sterben muß, überbringe du meinem König meinen Gruß und mein Gold. Und beschütze meine Gefährten an meiner Statt."
Er stieg vom Pferd und blieb eine Weile wie in Gedanken versunken am Ufer stehen, bevor er ins Wasser sprang. Niemand folgte ihm. Später berichtete Beowulf, wie er in die Tiefe getaucht und weit unten mit schmerzender Lunge am Eingang einer Höhle von Klauen ergriffen und ins Innere gezerrt worden war. Dort hatte er den einarmigen Leichnam Grendels und um ihn herum die schaurige Sammlung menschlicher Knochen gesehen. Als er sich umdrehte, erblickte er die Bewacherin des Toten. Das Schwert Hrunting, welches der Herold Unferth ihm mit in die Schlacht gegeben, war machtlos gegen sie. Doch ein anderes Schwert, groß und glänzend, hing an der Höhlenwand - das Werk von Riesen und wirkungsvoller als jede menschliche Waffe. Er ergriff es und tötete seine Angreiferin mit einem einzigen Hieb.
Seine Begleiter hatten ihn tot geglaubt, wenngleich sie eingedenk seiner früheren Großtaten die Hoffnung nicht ganz aufgeben wollten - weit über die Zeit hinaus, in der jeder gewöhnliche Sterbliche ertrunken wäre. Dann schrie einer der Männer auf, und alle blickten wie gebannt in die Fluten, die sich inzwischen blutrot gefärbt hatten. Ein goldener Helm durchbrach die Oberfläche, und Beowulf tauchte auf. In der Hand hielt er ein Zeichen seines Sieges: den Kopf Grendels. Die Angriffe der nächtlichen Unholde auf die Däneninsel hatten für immer ein Ende.
Beowulfs Ruhm dagegen sollte unzählige Generationen überdauern. Wieder und wieder überlieferten Erzähler die Geschichte eines bärenstarken Recken, der ohne jegliche Hilfe die Mächte der Finsternis besiegte. Mit seiner Tapferkeit hatte er sich einen Namen gemacht, der in tausend Jahren nichts von seinem Glanz verlor.
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#2
Vielen Dank für diesen herrlichen Ausflug in die nördlichen Gefilde ...
Kein besserer Freund – kein schlimmerer Feind!
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#3
Zur dunklen Jahreszeit passend, hier eine sehr schöne Variante der Geschichte vom Knecht Rupprecht.
Nicht als Begleiter irgend eines "Nikolauses" sondern als einer, der zur wilden Jagd gehört.
Eigentlich eine Weih-Nachtsgeschichte, aber auch zum heute verspäteten Zeitpunkt bestimmt sehr schön zu lesen.
Irgendwie so ein Anklang zum Volksmund von der rauhen Schale mit dem weichen Kern...
Mich rührt es beim Lesen jedesmal zu Tränen.

Nun genug der Einleitung, hier ist sie:


Märchen über Knecht Ruprecht...


"Einmal, so im Mittwinter, als der Wilde Jäger unterwegs war, verlor ein Tier aus seinem Gefolge die Eisen. Sein Reiter mußte mit Pferd und Hund zurückbleiben und verirrte sich, als er den hohen Zug einholen wollte.
Endlich stieß er auf die Hütte einer armen Witwe, die hauste mit ihren Kindern mitten im Wald.
Der Reiter, ein alter graubärtiger Geselle, warf die Tür auf, trat mit dem Hund ein, der auch gleich die Kleinen anfuhr, daß eines von ihnen niederstürzte, und verlangte zu essen und zu trinken.
Die arme Frau erschrak sehr. Sie fragte nicht nach dem Namen, noch nach dem Woher und Wohin, brachte hastig, was gerade auf dem Herd stand, und wollte den Gast zufriedenstellen. Der aß und trank, streckte die Beine von sich, lehnte müde gegen die Wand und versuchte auf der Bank einzuschlafen.

Doch die Frau hatte ein Lichtlein auf den Tisch der Kinder gestellt, das flammte und knisterte,
so daß es dem Reitknecht in den Augen weh tat. Er schloß die Lider, aber der Glanz schien hindurch,
nach den grauen Tagen in Regen und Sturm, war ihm selbst dies kleine Lichtlein zu hell.
Er befahl deshalb barsch der Frau: „Lösche das Licht aus, siehst du nicht, daß ich schlafen will?"
Aber die Mutter schüttelte den Kopf, und obschon sie viel Furcht hatte, widersprach sie und antwortete: „Löschen darf ich es nicht. Es winkt der lieben himmlischen Frau, [Frigg, Frau Holle] damit das Sonnenlicht heimkommt und der Winter vorübergeht."

Gegen solchen Namen wagte der Knecht nichts zu sagen, er wußte, daß sein Herr Tag für Tag nach ihr Ausschau hielt. Er brummte deshalb nur, wandte den Kopf und versuchte wieder zu schlafen.
Es gelang ihm noch nicht, die Kleinen saßen um den Tisch und sangen leise.
Da verlangte er rauh, das Singen sollte unterbleiben. Aber die Mutter verbot den Kindern die zarten Stimmen nicht, obwohl sie nun doppelte Furcht hatte.
„Hörst du denn nicht," fragte sie, „daß es ein Lied zur Rauhnacht ist? Ach, wie käme die himmlische Frau, das Licht zu uns zu bringen, wenn wir sie nicht mit dem Singen der Kinder riefen?"

Wieder wagte der Knecht nicht, hart zu antworten. Als das Weib indes hinging und die Tür ein wenig öffnete, obwohl kleine Flocken hereintanzten und der Wind den Rauch vom Herd zu Wirbeln trieb, geriet der Reiter außer sich: „Was hast du jetzt vor? Du weißt, daß ich friere und schlafen will!"
Die Frau entgegnete sanft: „Die Wittfru muß doch die Kinder hören und das Licht sehen, sie könnte sonst vorübergehen!"
Als der Knecht nun so viel von der vernahm, die sein Herr auf langen, langen Ritten vergeblich suchte, wunderte er sich. Er blinzelte sogar nach der Türspalte, ob nicht wirklich eine Fremde vorbeikäme,
aber er sah nur das Gesicht der Mutter, das voll Hoffnung nach draußen schaute.
Da wurde er bedrängt in seinem Herzen und wollte seine Rauheit an den Kindern gutmachen.
Und weil er das eine, das sein Hund umgeworfen hatte, noch bluten sah, stand er auf, trat hinzu und strich ihm über die Wunde. Gleich hörte das Rinnen auf.

Die Kinder aber, die, als er nahe kam, vor Furcht die Köpfe niedergebeugt hatten, ohne im Singen einzuhalten, sahen, daß der fremde Mann es gut meinte, und fassten Vertrauen zu ihm.
Und eines, das großen Hunger hatte, fragte, ob es nicht etwas von seinem Brot haben dürfe.
Da brach er von dem Laib, den ihm die Frau hingestellt hatte. Er gab sich sogar die Mühe und besprach das Brot, so daß es süß wie Kuchen schmeckte. Und weil das Lied jetzt wirklich zu Ende war, trauten sich die Kinder näher zu dem wilden Knecht. Ein kleines Mädchen zeigte ihm ein Pferdchen, dem fehlten Kopf und Schwanz. „Oh, wenn es weiter nichts ist", lachte der Mann und ging daran, beides wieder anzuflicken. Währenddessen dachte er heimlich an seinen Herrn, der auch in den Rauhnächten die Menschen beschenkt, und sah auf die Mutter, die ihm zuschaute und deren Augen glänzten, wie solches Licht gewiß nur von der himmlischen Frau Antlitz bekommt.
Da gefiel es ihm, eifrig zu helfen, und als ein Knabe einen Hund haben wollte, knetete er ihm gleich einen, der wahrhaftig laufen und bellen konnte.

Wie schrien und hüpften die Kinder da und wünschten sich gleich alle ein Spielzeug. Der Knecht mußte seine Finger schon fleißig gebrauchen; ein Geschenk nach dem anderen sprang daraus hervor: Puppen und Bälle zum Werfen für die Mädchen, Wagen und Reitersleute für die Jungen und ich weiß nicht was alles.
Und je mehr die Kinder lachten und je dankbarer die Frau ihm zusah, um so eilfertiger wurde der Mann.
Als er einen Apfel fand, den das arme Weib verwahrt hatte, machte er gleich einen Tisch voller Äpfel daraus, und als das Kleinste ihm zwei Nüsse zeigte, mit denen es spielte, da wußte er es so einzurichten, daß ein praller Beutel davon in der Kammer stand.
Denn wenn er auch nur ein Knecht des Wilden Jägers war, so wußte er doch mit allerhand guten Künsten Bescheid.

Wie der Mann nun mitten im Werk war, zog von draußen noch einmal eine furchtbare Sturmböe heran. Und gerade als die Frau sich doch zu fürchten begann und die Tür schließen wollte, sprang sie krachend auf. Der Wilde Jäger trat über die Schwelle und hinter ihm ein allmächtiges Gedränge von hohen Herren und holden und unholden Gesellen. Die lachten dröhnend, als sie den Alten mitten unter den Kindern sahen, das Spielzeug in der Hand. „Was tust du hier?" murrte der Wilde Jäger.
Der Knecht, der eben noch froh gewesen war, den Reitern wiederzubegegnen, merkte erschrocken, daß er sich verantworten sollte. „Ach," sagte er, „das ist schwer zu erklären. Seht, Herr, die Kinder sangen die himmlische Frau herbei. Wie mich dünkt, für uns alle. Man soll solches Singen nicht gering achten und es belohnen." „Er war so gut zu den Kleinen", sagte die Witwe fürbittend und streckte die Hände aus.

Der Wohljäger sah sie an, aber es war sogleich, als schaute er über sie alle hinweg. Dann wandte er sich seufzend dem Reiter zu. „So bleib' noch", befahl er, „und geh auch in die anderen Häuser und laß alle Kinder singen. Vielleicht, daß sie, die wir suchen, sich doch rascher zu uns wendet, wenn sie es hört. "Da freute sich der Knecht - Ruprecht hieß er - und ist dem auch gehorsam gefolgt.
Und er geht noch heute jährlich durch die Häuser, um die guten, singenden Menschen zu beschenken.
Aber auf Griesgrame und Besserwisser, auf Faulpelze und Hagestolze läßt er Ruten und Plagen fallen. Denn er ist ein alter Reiter und fackelt nicht lange."

Aus "Rauhnächte", Sigrid Früh, ISBN 3-926789-24-7
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#4
Cool ich glaub voll an Vampire.....LOL Fettes Grinsen Fettes Grinsen
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