04.01.12010, 19:46
Hier eine sehr interessante Filmkritik zu AVATAR:
http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=ku&dig=2009%2F12%2F16%2Fa0024&cHash=c48acfb395
Ein Auszug daraus:
Sogar die Gnade stirbt
Mythos 1: Pandora, der Planet, der Traumleib der "ersten Frau". Ihre Verführungskraft ist ein Werkzeug von Zeus, der sie als Rache für den Raub des Feuers durch Prometheus einsetzt (also für Menschwerdung und Kapitalismus). Und sie, die "Allbeschenkte", besitzt auch in der Tat alle Gaben, die Schönheit, die Poesie, die Musik, sogar die Neugier. Pandora öffnet das Fass mit dem Vorrat, den Zeus ihr mitgegeben hat. Und diese "Büchse der Pandora" verwandelt die Gaben in Plagen. Kurz bevor auch die letzte Gabe entweicht, die Hoffnung, wird das Fass wieder geschlossen. Die Welt also ist ein trostloser Ort, bis Pandora noch einmal ihre Büchse öffnet und auch die Hoffnung wieder in die Welt kommen kann. Aber das Goldene Zeitalter ist vorbei, nun müssen die Menschen mit der Arbeit, der Krankheit und dem Tod leben. Das ist die Geschichte, die noch die biblische Vorstellung von der Vertreibung aus dem Paradies grundiert. "Avatar" erzählt sie erstaunlich genau. Vor allem der Part, in dem die Hoffnung verloren scheint, geht zu Herzen, doch, das tut er. Sogar Grace, sogar die Gnade, musste sterben.
Mythos 2: Captain Smith, der im Dienste der Kolonisatoren unterwegs ist, soll getötet werden. Da wirft sich die schöne Pocahontas vor ihren Vater, sie rettet ihn, sie lehrt ihn. Ein Fieber ist das, wie wir vom Rock 'n' Roll her wissen. Aber die weitere Geschichte von Captain Smith und Pocahontas verliert sich zwischen den Fronten und den Kontinenten; es ist ein Mythos, der stark beginnt und kein Ende findet, wie auch? "Avatar" erzählt ihn zu Ende: Pandora vernichtet die Kolonisatoren. Und Captain Smith alias Sully? Vielleicht vergisst er seine Herkunft, die allein ihn doch befähigte, die Natives zum Widerstand zu führen. Vielleicht aber bleibt er dann einsam, wie Wildtöter, der romantische Fremdling im Paradies.
Psychedelia 1: "Avatar" ist ein ständiges Wechseln zwischen einer Real- und einer Traumebene, und am entscheidenden Plot Point erkennt unser Held, dass sich die Verhältnisse umgekehrt haben: Vom Traum her sieht ihm nun das wirkliche Leben irreal an (ziemlich unerträglich war es schon vorher). Denn genauso gut könnte die Reise nach Pandora der Drogentrip eines kranken Mannes sein. Und dieser Trick ist einer der ästhetischen Glücksfälle von Camerons Film. Der Übergang von der äußeren Wirklichkeit in die Welt des CGI-Wunderlandes hat seine Logik, erzeugt den Sog, dem man sich bereitwillig überlässt. Wenn man vorweg nur Bilder und Ausschnitte von "Avatar" gesehen hat, konnte man argwöhnen, es handele sich um die "übliche" digital aufgebretzelte Fantasy, doch Cameron erklärt sie ganz anders, als Rücksturz in den Mythos, in magisches Kinderdenken, in wildes Träumen, Naturschwärmerei anhand der künstlichsten aller Bilder: Pixelromantik.
Psychedelia 2: Und der 3-D-Effekt? Es ist wohl so, dass es in Filmen wie "Avatar" nicht darum geht, "räumlich zu sehen". Wozu auch? Das haben wir doch in der normalen Wirklichkeit. Nein, es geht wohl vielmehr darum, den Raum zu sehen. Im schlechteren Fall sieht das aus wie ein cineastisches Pop-up-Buch: Räumlich gestaffelte 2-D-Bilder (die paradoxerweise die Zweidimensionalität der Bildelemente nur umso deutlicher machen). Im normalen Fall: Effekte der "Coming At You"-Art. Ganz mag auch Cameron nicht darauf verzichten. Im besten Fall aber, und davon gibt es in Camerons Film reichlich, bekommt Räumlichkeit eine eigene Poesie. Am schönsten ist das nicht so sehr bei den spektakulären Dingen, sondern beim Kleinen, bei Wassertropfen, beim Funkenflug, bei der Bewegung kleiner, zarter Medusen durch die giftig-schöne Atmosphäre von Pandora.
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...ich bleib' dabei - 2-D ist wirklich das bessere Kino. Die Kopfschmerzen waren für mich kein gutes Zeichen. Das Auge bzw. das Gehirn versucht, da ihm die gewohnte 3 dimensionale Sicht vorgegaukelt wird, die unscharfen Bereiche im Kinobild scharf zu stellen, was ihm nicht gelingt - durch diese Überanstrengung können natürlich Kopfschmerzen entstehen - bei mir haben die gestern mehrere Stunden nach dem Film angehalten; ich fühlte mich schlapp und kraftlos dazu.
http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=ku&dig=2009%2F12%2F16%2Fa0024&cHash=c48acfb395
Ein Auszug daraus:
Sogar die Gnade stirbt
Mythos 1: Pandora, der Planet, der Traumleib der "ersten Frau". Ihre Verführungskraft ist ein Werkzeug von Zeus, der sie als Rache für den Raub des Feuers durch Prometheus einsetzt (also für Menschwerdung und Kapitalismus). Und sie, die "Allbeschenkte", besitzt auch in der Tat alle Gaben, die Schönheit, die Poesie, die Musik, sogar die Neugier. Pandora öffnet das Fass mit dem Vorrat, den Zeus ihr mitgegeben hat. Und diese "Büchse der Pandora" verwandelt die Gaben in Plagen. Kurz bevor auch die letzte Gabe entweicht, die Hoffnung, wird das Fass wieder geschlossen. Die Welt also ist ein trostloser Ort, bis Pandora noch einmal ihre Büchse öffnet und auch die Hoffnung wieder in die Welt kommen kann. Aber das Goldene Zeitalter ist vorbei, nun müssen die Menschen mit der Arbeit, der Krankheit und dem Tod leben. Das ist die Geschichte, die noch die biblische Vorstellung von der Vertreibung aus dem Paradies grundiert. "Avatar" erzählt sie erstaunlich genau. Vor allem der Part, in dem die Hoffnung verloren scheint, geht zu Herzen, doch, das tut er. Sogar Grace, sogar die Gnade, musste sterben.
Mythos 2: Captain Smith, der im Dienste der Kolonisatoren unterwegs ist, soll getötet werden. Da wirft sich die schöne Pocahontas vor ihren Vater, sie rettet ihn, sie lehrt ihn. Ein Fieber ist das, wie wir vom Rock 'n' Roll her wissen. Aber die weitere Geschichte von Captain Smith und Pocahontas verliert sich zwischen den Fronten und den Kontinenten; es ist ein Mythos, der stark beginnt und kein Ende findet, wie auch? "Avatar" erzählt ihn zu Ende: Pandora vernichtet die Kolonisatoren. Und Captain Smith alias Sully? Vielleicht vergisst er seine Herkunft, die allein ihn doch befähigte, die Natives zum Widerstand zu führen. Vielleicht aber bleibt er dann einsam, wie Wildtöter, der romantische Fremdling im Paradies.
Psychedelia 1: "Avatar" ist ein ständiges Wechseln zwischen einer Real- und einer Traumebene, und am entscheidenden Plot Point erkennt unser Held, dass sich die Verhältnisse umgekehrt haben: Vom Traum her sieht ihm nun das wirkliche Leben irreal an (ziemlich unerträglich war es schon vorher). Denn genauso gut könnte die Reise nach Pandora der Drogentrip eines kranken Mannes sein. Und dieser Trick ist einer der ästhetischen Glücksfälle von Camerons Film. Der Übergang von der äußeren Wirklichkeit in die Welt des CGI-Wunderlandes hat seine Logik, erzeugt den Sog, dem man sich bereitwillig überlässt. Wenn man vorweg nur Bilder und Ausschnitte von "Avatar" gesehen hat, konnte man argwöhnen, es handele sich um die "übliche" digital aufgebretzelte Fantasy, doch Cameron erklärt sie ganz anders, als Rücksturz in den Mythos, in magisches Kinderdenken, in wildes Träumen, Naturschwärmerei anhand der künstlichsten aller Bilder: Pixelromantik.
Psychedelia 2: Und der 3-D-Effekt? Es ist wohl so, dass es in Filmen wie "Avatar" nicht darum geht, "räumlich zu sehen". Wozu auch? Das haben wir doch in der normalen Wirklichkeit. Nein, es geht wohl vielmehr darum, den Raum zu sehen. Im schlechteren Fall sieht das aus wie ein cineastisches Pop-up-Buch: Räumlich gestaffelte 2-D-Bilder (die paradoxerweise die Zweidimensionalität der Bildelemente nur umso deutlicher machen). Im normalen Fall: Effekte der "Coming At You"-Art. Ganz mag auch Cameron nicht darauf verzichten. Im besten Fall aber, und davon gibt es in Camerons Film reichlich, bekommt Räumlichkeit eine eigene Poesie. Am schönsten ist das nicht so sehr bei den spektakulären Dingen, sondern beim Kleinen, bei Wassertropfen, beim Funkenflug, bei der Bewegung kleiner, zarter Medusen durch die giftig-schöne Atmosphäre von Pandora.
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...ich bleib' dabei - 2-D ist wirklich das bessere Kino. Die Kopfschmerzen waren für mich kein gutes Zeichen. Das Auge bzw. das Gehirn versucht, da ihm die gewohnte 3 dimensionale Sicht vorgegaukelt wird, die unscharfen Bereiche im Kinobild scharf zu stellen, was ihm nicht gelingt - durch diese Überanstrengung können natürlich Kopfschmerzen entstehen - bei mir haben die gestern mehrere Stunden nach dem Film angehalten; ich fühlte mich schlapp und kraftlos dazu.