14.06.12012, 21:11
11.06.2012
Razzia gegen Regierungsgegner
Putins Vergeltung
Von Benjamin Bidder, Moskau
Kaum ist Russlands Präsident Putin zurück an der Macht, rückt er der Opposition im Land zu Leibe - mit Hausdurchsuchungen, schärferen Gesetzen und Einschüchterung. Nun zeigt sich: Die sanften Töne vor der Wahl waren nur Taktik.
Am Montagmorgen ließ Russlands Ermittlungskomitee Polizisten in der Ljublinskij-Straße im Südosten Moskaus aufmarschieren. Vor dem Eingang des Hauses, in dem der Jurist Alexej Nawalnij wohnt, bezogen Männer des Innenministeriums in schwarzen Kampfanzügen und mit Sturmgewehren Posten, ganz so, als wohnte hier mit Nawalnij nicht Russlands beliebtester Blogger und ein Anführer der Opposition, sondern ein schwerbewaffneter Terrorist.
Sondereinheiten in Sturmhauben blockierten den Zugang zu Nawalnijs Büros. Russlands Ermittlungskomitee meldete mehr als zehn Wohnungen, die am Montagvormittag durchsucht wurden. Betroffen sind neben Nawalnij auch Ex-Vizepremier Boris Nemzow und die TV-Moderatorin Xenija Sobtschak, die seit Dezember zu einer der prominentesten Vertreterin der Protestbewegung gegen Putin geworden war.
Laut Behördenangaben stehen die Durchsuchungen im Zusammenhang mit gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten am 6. Mai, dem Tag vor Wladimir Putins Amtseinführung. Damals wurden Dutzende Demonstranten und Ordnungshüter verletzt.
Die Behörden wählten den Zeitpunkt der konzertierten Aktion mit Bedacht. Für Dienstag hatte die Opposition zur nächsten Anti-Putin-Demonstration aufgerufen. "Das ist eine Operation zur Abschreckung", sagte Nawalnijs Anwältin Olga Michailowa. Zudem begeht das Land am Dienstag den "Tag Russlands", Montag und Dienstag sind deshalb Feiertage. Tageszeitungen erscheinen erst am Mittwoch wieder, Webseiten und Radios arbeiten mit Minimalbesetzung.
Nur der Kreml-kritische Radiosender Echo Moskau widmete sein gesamtes Morgenprogramm den Hausdurchsuchungen - und versuchte über Stunden, Vertreter von Polizei und Ermittlungsbehörden ans Telefon zu bekommen. "Hallo, Staatsmacht? Hört uns da irgendjemand?", rief Moderator Matwei Ganopolskij, nachdem Nawalnijs Anwälten der Kontakt zu ihrem Mandanten verwehrt worden war. Der Sender ist selbst zum Ziel der umfassenden Kampagne geworden, die der Kreml nach Putins gelungener Operation Machterhalt gegen Gegner wie Nawalnij gestartet hat und die konterrevolutionäre Züge trägt.
"Wir müssen dieses Schurkenpack vernichten, das unser Blut trinkt"
Noch Anfang März hatte Putin Chefredakteuren ausländischer Zeitungen versichert, nicht gegen die Opposition vorgehen zu wollen. "Warum sollte ich es nötig haben, das zu tun?" sagte Russlands starker Mann damals. "Ich weiß nicht, woher diese Ängste kommen." Er wolle im Gegenteil einen "Dialog mit jedermann".
Drei Monate später aber müssen die Anführer der winterlichen Massenproteste mit unversöhnlicher Vergeltung rechnen. Dem Abgeordneten Gennadij Gudkow, einem der Organisatoren der Demonstrationen, entzogen die Behörden Lizenzen, die seine Sicherheitsfirma benötigt. TV-Moderatorin Xenija Sobtschak, die als Tochter des ehemaligen St. Petersburger Gouverneurs und Putin-Förderers Anatolij Sobtschak Narrenfreiheit genoss, wurde vor der Verleihung des russischen Fernsehpreises zur Persona non grata erklärt.
Aktivist Nawalnij, der nicht nur über das Charisma eines Anführers verfügt, sondern auch über einen Hang zur martialischen Attacken gegen die Führung ("Wir müssen dieses Schurkenpack vernichten, das unser Blut trinkt"), droht eine Sammelklage von Mitgliedern der Putin-Partei "Einiges Russland", weil er sie konsequent als "Gauner und Diebe" bezeichnet.
Pünktlich zu der für Dienstag geplanten neuen Großdemonstration hat der Kreml zudem das Demonstrationsrecht verschärft. Am Wochenende unterzeichnete Putin ein umstrittenes Versammlungsgesetz mit drakonischen Strafen. Statt bisher 5000 Rubel drohen Demonstrationsteilnehmern bis zu 300.000 Rubel Geldbuße, umgerechnet 7300 Euro - und damit mehr, als ein russischer Arbeitnehmer im Durchschnitt pro Jahr verdient.
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-polizei-macht-razzia-bei-gegnern-von-wladimir-putin-a-838175.html
Es rumort in Rußland.
Razzia gegen Regierungsgegner
Putins Vergeltung
Von Benjamin Bidder, Moskau
Kaum ist Russlands Präsident Putin zurück an der Macht, rückt er der Opposition im Land zu Leibe - mit Hausdurchsuchungen, schärferen Gesetzen und Einschüchterung. Nun zeigt sich: Die sanften Töne vor der Wahl waren nur Taktik.
Am Montagmorgen ließ Russlands Ermittlungskomitee Polizisten in der Ljublinskij-Straße im Südosten Moskaus aufmarschieren. Vor dem Eingang des Hauses, in dem der Jurist Alexej Nawalnij wohnt, bezogen Männer des Innenministeriums in schwarzen Kampfanzügen und mit Sturmgewehren Posten, ganz so, als wohnte hier mit Nawalnij nicht Russlands beliebtester Blogger und ein Anführer der Opposition, sondern ein schwerbewaffneter Terrorist.
Sondereinheiten in Sturmhauben blockierten den Zugang zu Nawalnijs Büros. Russlands Ermittlungskomitee meldete mehr als zehn Wohnungen, die am Montagvormittag durchsucht wurden. Betroffen sind neben Nawalnij auch Ex-Vizepremier Boris Nemzow und die TV-Moderatorin Xenija Sobtschak, die seit Dezember zu einer der prominentesten Vertreterin der Protestbewegung gegen Putin geworden war.
Laut Behördenangaben stehen die Durchsuchungen im Zusammenhang mit gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten am 6. Mai, dem Tag vor Wladimir Putins Amtseinführung. Damals wurden Dutzende Demonstranten und Ordnungshüter verletzt.
Die Behörden wählten den Zeitpunkt der konzertierten Aktion mit Bedacht. Für Dienstag hatte die Opposition zur nächsten Anti-Putin-Demonstration aufgerufen. "Das ist eine Operation zur Abschreckung", sagte Nawalnijs Anwältin Olga Michailowa. Zudem begeht das Land am Dienstag den "Tag Russlands", Montag und Dienstag sind deshalb Feiertage. Tageszeitungen erscheinen erst am Mittwoch wieder, Webseiten und Radios arbeiten mit Minimalbesetzung.
Nur der Kreml-kritische Radiosender Echo Moskau widmete sein gesamtes Morgenprogramm den Hausdurchsuchungen - und versuchte über Stunden, Vertreter von Polizei und Ermittlungsbehörden ans Telefon zu bekommen. "Hallo, Staatsmacht? Hört uns da irgendjemand?", rief Moderator Matwei Ganopolskij, nachdem Nawalnijs Anwälten der Kontakt zu ihrem Mandanten verwehrt worden war. Der Sender ist selbst zum Ziel der umfassenden Kampagne geworden, die der Kreml nach Putins gelungener Operation Machterhalt gegen Gegner wie Nawalnij gestartet hat und die konterrevolutionäre Züge trägt.
"Wir müssen dieses Schurkenpack vernichten, das unser Blut trinkt"
Noch Anfang März hatte Putin Chefredakteuren ausländischer Zeitungen versichert, nicht gegen die Opposition vorgehen zu wollen. "Warum sollte ich es nötig haben, das zu tun?" sagte Russlands starker Mann damals. "Ich weiß nicht, woher diese Ängste kommen." Er wolle im Gegenteil einen "Dialog mit jedermann".
Drei Monate später aber müssen die Anführer der winterlichen Massenproteste mit unversöhnlicher Vergeltung rechnen. Dem Abgeordneten Gennadij Gudkow, einem der Organisatoren der Demonstrationen, entzogen die Behörden Lizenzen, die seine Sicherheitsfirma benötigt. TV-Moderatorin Xenija Sobtschak, die als Tochter des ehemaligen St. Petersburger Gouverneurs und Putin-Förderers Anatolij Sobtschak Narrenfreiheit genoss, wurde vor der Verleihung des russischen Fernsehpreises zur Persona non grata erklärt.
Aktivist Nawalnij, der nicht nur über das Charisma eines Anführers verfügt, sondern auch über einen Hang zur martialischen Attacken gegen die Führung ("Wir müssen dieses Schurkenpack vernichten, das unser Blut trinkt"), droht eine Sammelklage von Mitgliedern der Putin-Partei "Einiges Russland", weil er sie konsequent als "Gauner und Diebe" bezeichnet.
Pünktlich zu der für Dienstag geplanten neuen Großdemonstration hat der Kreml zudem das Demonstrationsrecht verschärft. Am Wochenende unterzeichnete Putin ein umstrittenes Versammlungsgesetz mit drakonischen Strafen. Statt bisher 5000 Rubel drohen Demonstrationsteilnehmern bis zu 300.000 Rubel Geldbuße, umgerechnet 7300 Euro - und damit mehr, als ein russischer Arbeitnehmer im Durchschnitt pro Jahr verdient.
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-polizei-macht-razzia-bei-gegnern-von-wladimir-putin-a-838175.html
Es rumort in Rußland.