Kann man DNS-Spuren fälschen?
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Kann man DNA-Spuren fälschen?

Und wenn ja, kann man gefälschte DNA von echter DNA unterscheiden? Mit diesen für die DNA-Forensik sehr heiklen Fragen befasste sich eine Arbeit von Dan Frumkin aus Israel und beantwortete beide mit: Ja!

Der „Skandal" kommt zuerst, denn in seiner Arbeit verrät Frumkin ziemlich ausführlich, anhand der Beschreibung gleich mehrerer Methoden, wie sich ein DNA-Profil perfekt fälschen lässt. Er erklärt, wie man das DNA-Profil einer existierenden Person kopieren, aber auch, wie man ein völlig neues, künstliches Profil erzeugen und damit typische aber eben gefälschte Tatortspuren herstellen kann, z.B. eine Waffe, auf die die gefälschte DNA aufgetragen wird.
Ich werde seine Anleitungen hier nicht wiedergeben und auch nicht erklären (weniger, weil ich Sorge hätte, Kriminelle zu unterstützen und mehr, weil das ganze in technisches Geschwafel ausarten würde), aber ich zeige, wie gut es Frumkin und seiner Gruppe gelungen ist, ein DNA-Profil zu fälschen.


[Bild: dna%20fake%201.jpg]

Im Bild finden sich fünf DNA-Profile. Das oberste ist das „Original-Profil" einer echten, lebenden, weiblichen Person. Das zweite, dritte und vierte Profil stellt jeweils eine Fälschung mit je einer von drei möglichen Methoden dar. Wie jeder sehen kann, sind die Profile identisch in Bezug auf die Allelverteilung und wer sich mit solchen Elektropherogrammen etwas besser auskennt, wird darüber hinaus feststellen, daß die Fakeprofile allesamt schön balanciert sind und auch die Peakhöhen und -flächen sowie das Peakhöhenverhältnis völlig normal und unverdächtig aussehen. Die dritte Fälschungsmethode ermöglicht, wie bereits angedeutet, die Erzeugung völlig neuer Profile: genau das wird im fünften im Bild gezeigten Profil bewiesen. Wer genau hinsieht, bemerkt, daß im Amelogenin-System (ganz links) beim fünften Profil plötzlich ein Y-Allel auftaucht (schwarzer Pfeil), wodurch das zuvor weibliche Profil zu dem einer männlichen Person wird. Dieses künstliche Profil existiert aller Voraussicht nach auf der ganzen Welt nicht!

Frumkin war das aber noch nicht genug: er erzeugte künstliche Spuren, indem er z.B. aus dem Speichel einer echten Person alle DNA-haltigen Zellen entfernte und einfach seine künstliche DNA zugab. Diesen gefälschten Speichel und auch andere auf ähnliche Weise gefälschte Spuren benutzte er, um typische Tatgegenstände, z.B. eine Skimaske, zu präparieren. Bei der mit ganz normalen Methoden durchgeführten Untersuchung der Skimaske konnte ausschließlich das gefälschte DNA-Profil und nicht dasjeniger der Person, von der der Speichel stammte, nachgewiesen werden! Frumkin ging dann sogar soweit, seine künstlichen Spuren an ein professionelles US-Spurenlabor mit höchsten Qualitätsstandards zur Auswertung zu schicken und selbst diesem Labor fiel nichts auf. Es wertete die Spur ganz normal aus und auch hier wurde nur und eindeutig das gefälschte Profil nachgewiesen.
Frumkin behauptete schließlich noch, daß jeder mit ein bißchen Grundwissen in Molekularbiologie und einer nicht allzu aufwendigen Laborausrüstung solche Spuren erzeugen könne. So weit, so krass...

Versöhnlicherweise lieferte Frumkin gleich eine Methode dazu, wie man solche gefälschten Spuren erkennen kann. Man macht sich dabei die epigenetischen Modifikationen (dazu werde ich sicher einmal einen Basics-Artikel schreiben) zunutze, die sich an „natürlicher" aber eben nicht an gefälschter DNA finden. Um nicht zu weit vom Thema abzuschweifen an dieser Stelle zur Erklärung nur soviel: im natürlichen Zustand trägt die DNA an vielen Stellen und besonders an solchen, an denen sich viele CG-Nukleotidfolgen befinden, den sog. CpG-Inseln, Modifikationen, genauer Methylierungen, an den C-Nukleotiden.


[Bild: dna%20fake%202.jpg]

Diese Modifikationen werden von speziellen Enzymen angebracht und dienen vielen verschiedenen Zwecken, aber ganz besonders wichtig ist die Möglichkeit, durch DNA-Methylierung die Genexpression steuern zu können, also Gene ein- oder auszuschalten und einige Methylierungsmuster sind identisch in allen normalen Zellen. Wichtig ist hierbei, daß die Methylierungscodes einer Zelle bei der Zellteilung kopiert werden, so daß eine neue Tochterzelle gleich die richtigen Methylierungseinstellungen „erbt", um normal funktionieren zu können.

Wenn aber DNA, wie es bei den Fälschungsmethoden der Fall ist, in einer künstlichen Umgebung mit speziellen Enzymen vervielfältigt wird, dann funktioniert die Kopie des Methylierungsmusters nicht mehr und das Muster geht verloren. Die neue DNA ist dann in ihrer Nukleotidabfolge, also ihrer „Sequenz", zwar identisch mit und nicht unterscheidbar von der ursprünglichen DNA und erzeugt daher auch ein identisches STR-Profil. Sie trägt jedoch nicht mehr das originale Methylierungsmuster und genau daran kann man gefälschte DNA erkennen. Frumkin führt dann auch im Artikel vor, wie sich eine Standardmethode zur Analyse epigenetischer Modifikationen, die Bi-Sulfit-Sequenzierung (hier ein schönes Video dazu ) in den forensischen Arbeitsfluss integrieren lässt, um am Ende durch Vergleich mit den Methylierungsmustern in natürlicher DNA Fälschungen erkennen zu können. Diese Methode zur Erkennung von Fake-DNA funktionierte bei Frumkin recht gut und ließ sich sogar bei Mischungen von echter und gefälschter DNA noch anwenden.

Leider ist die Bi-Sulfit-Sequenzierung aber eine ziemlich aufwendige und komplexe Methode, die forensisch nicht validiert ist und sich keinesfalls „mal eben" in die Routine der meisten forensischen DNA-Labore einbauen lässt. Das weiß Frumkin, der bei der israelischen Biotech-Firma Nucleix Ltd. arbeitet, natürlich und schlägt nonchalant vor, daß Proben zur Authentifizierung doch am besten als „Service" von dafür qualifizierten Labors untersucht werden sollten. Ein Schelm... etc.

Mit seiner Arbeit hat Frumkin eine ziemliche Lawine losgetreten und es gab diverse Reaktionen und Kommentare, die in dem Journal (Forensic Science International: Genetics), in dem auch der Artikel erschienen war, veröffentlicht wurden: einige namhafte DNA-Forensiker waren recht verärgert über Frumkins Artikel. Sie hätten sich einen sensibleren Umgang mit dem Thema gewünscht und warfen ihm vor, einerseits entsprechend geneigten und interessierten Verbrechern ein Rezept zum DNA-Fälschen an die Hand gegeben und andererseits unnötige Bedenken und Unsicherheit ob der Sicherheit und Verlässlichkeit von DNA-Profiling geschürt zu haben.
Aber die von Frumkin erzeugten Wellen schwappten über die Fachjournale hinaus auch in die Mainstream-Presse wie z.B. die große New York Times oder hierzulande die Süddeutsche Zeitung. In der NYT wurden dann auch sogleich Horrorszenarien von „genetischen Paparazzi" entworfen, die von Prominenten weggeworfene Becher oder Zigarettenkippen aufsammeln könnten, um so an deren DNA und damit darin verborgene Informationen zu gelangen. Frau Simoncelli, wissenschaftliche Beraterin der "American Civil Liberties Union" war durch die Ergebnissen sehr besorgt und befand, daß gefälschte DNA viel leichter an Tatorten zu platzieren sei, als Fingerabdrücke und dennoch das Justizsystem sich zunehmend auf DNA-basierte Technologien verlasse.

Meine aktuelle Einschätzung: Panik ist unangebracht. Frumkins Artikel ist 2010 erschienen und hat natürlich nicht zu einer plötzlichen massiven Häufung gefälschter DNA-Profile geführt. Paparazzi benutzen immer noch hauptsächlich Kameras statt Thermocycler und auch vor Gericht werden nun nicht dauernd belastende DNA-Profile mit Verweis auf eine mögliche Fälschung angezweifelt. Erstens ist die Fälschung von DNA-Profilen keineswegs soooo einfach, wie von Frumkin behauptet. Ich z.B. hätte das als einfacher Biostudent damals sicher nicht mal eben hingekriegt, von der dafür nötigen Ausrüstung und den eingsetzten Kits, die ziemlich teuer sind, ganz zu schweigen.
Zweitens: angenommen, ein Verbrecher wäre tatsächlich bereit und in der Lage (was einen Großteil von Straftaten, nämlich die im Affekt begangenen schon 'mal ausschließt), großen Aufwand für die Vorbereitung seiner Tat zu betreiben: wenn es ihm nur darum ginge, nicht geschnappt zu werden, erscheint es doch plausibler, daß er sein Hauptaugenmerk darauf richtet, überhaupt keine statt falsche DNA-Spuren zu hinterlassen, oder? Und wenn es, schließlich, wirklich darum ginge, eine echte, lebende Person fälschlich zu belasten, müßte man erst einmal ihr echtes DNA-Profil kennen, um es fälschen zu können und von den meisten Menschen existiert so etwas überhaupt nicht.

Kleiner Nachtrag am Rande: gerade sehe ich, daß sich auf dem Online-Auftritt der Zeitschrift „Biotechniques" jemand danach erkundigt, wie man das Methylierungsmuster in natürlicher DNA kopieren kann.... was sie wohl im Schilde führt? ;-)

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Literatur

Frumkin D, Wasserstrom A, Davidson A, & Grafit A (2010). Authentication of forensic DNA samples. Forensic science international. Genetics, 4 (2), 95-103 PMID: 20129467

Quelle: http://www.scienceblogs.de/bloodnacid/2012/04/kann-man-dnaspuren-falschen.php


Mein Kommentar:

Zitat:Und wenn es, schließlich, wirklich darum ginge, eine echte, lebende Person fälschlich zu belasten, müßte man erst einmal ihr echtes DNA-Profil kennen, um es fälschen zu können und von den meisten Menschen existiert so etwas überhaupt nicht.

Blödsinn, man müßte ja nur einmal Blut spenden gehen, dann hätte der Arzt die eigene DNS. In einem durch Überwachung kontrollierten Staat würde das ganze dann an den nächsten Geheimdienst gehen, und die hätten sicher Mittel und Wege, die DNS zu genüge zu fälschen. Man stelle sich vor, die DDR hätte so etwas gehabt.
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#2
Sehr interessantes Thema!
Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!
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