16.12.12010, 14:28
Ansprache Alexanders des Großen vor der Schlacht bei Issos
aufgeschrieben von General Ptolemaios; überliefert in Arrianus, Anabasis Buch II, 7.
Alexander rief nun die Oberanführer, die Führer der Reiterscharen und die Befehlshaber der Bundesgenossen zusammen und redete ihnen zu, Mut zu fassen:
Sie haben ja die bisherigen Kämpfe rühmlich bestanden und jetzt als Sieger es nur noch mit schon Besiegten zu tun. Auch streite Amun-Zeus selbst für sie, da dieser es dem Darius in den Sinn gegeben habe, seine Streitkräfte aus einer weiten Ebene her in die Engpässe zusammenzudrängen, wo für die Griechen immerhin Raum genug vorhanden sei, die Reihen ihres Fußvolkes zu entfalten, für den Feind dagegen, der ihnen weder körperlich noch geistig gleichkomme, seine Massen im Gefechte ganz unbrauchbar sein werden. Denn Makedonier, an Kriegsarbeiten und –gefahren längst schon gewöhnt, werden mit Persern und Medern, seit alten Tagen verweichlichten Menschen, und zumal freie Männer mit Sklaven handgemein werden. Auch soweit hier Griechen gegen Griechen zu kämpfen haben werden, handle es sich nicht um denselben Preis; vielmehr fechten die Griechen auf Darius Seite für Lohn und zwar keinen großen, dagegen verteidigen die in ihren Reihen Streitenden freiwillig die Sache Griechenlands. Hinwiederum seien es von Ausländern: Thrakern, Päoniern, Illyrierern, Kelten, Sachsen und Agrianern die in Europa kräftigsten und streitbarsten Völkerschaften, welche den am meisten verzärtelten und verweichlichten Stämme Asiens entgegentreten werden. Zudem führe Alexander den Oberbefehl gegen einen Darius.
Dies alles zählte er zum Beleg für ihre zu hoffende Überlegenheit im Waffenstreite auf; dann wies er ihnen nach, daß auch der Lohn des Kampfes groß sein werde. Denn nicht die Satrapen des Darius würden sie jetzt besiegen, noch die am Granikos aufgestellte Reiterei, auch nicht die zwanzigtausend fremden Mietstruppen, sondern was nur bei den Persern und Medern zu den Kerntruppen gehöre, und alle übrigen, den Persern und Medern unterworfenen Völker, welche Asien bewohnen, und den persönlich anwesenden großen König selbst. Und endlich nach diesem Kampfe sei nichts mehr für sie zu tun übrig, als von ganz Asien Besitz zu ergreifen und ihren vielen Mühseligkeiten ein Ziel zu setzen.
Überdies erinnerte Alexander nicht nur an ihre im ganzen mit Ruhmesglanz vollbrachten Taten, sondern rief auch noch einen jeden, der etwa im einzelnen bei einem rühmlichen Wagnis sich ausgezeichnet hatte, unter Anführung seiner Verdienste namentlich auf, indem er zugleich den Umstand, daß er selbst in Schlachten Gefahren nicht gescheut habe, so wenig als möglich verletzend berührte.
Auch hat Alexander Xenophons und seiner Zehntausend Erwähnung getan, wie dieselben mit ihnen weder an Zahl noch an sonstiger Geltung zu vergleichen seien, da jenen weder Thessalier noch Böotier, noch Peloponnesier, weder Makedonier, noch Thrakier, noch was sonst an Reiterei in ihren Reihen fechte angehörte und auch keine Bogenschützen noch Schleuderer zu Gebot gestanden haben, außer einigen wenigen Kretern und Rhodiern: eine Waffe, welche von Xenophon zudem erst im Augenblicke der Gefahr aus dem Stegreif gebildet worden sei. Und doch habe jener Xenophon den persischen Großkönig mit dessen ganzer Heeresmacht fast unter Babylons Mauern in die Flucht schlagen können und sich durch alle Völkerschaften, welche ihnen auf ihrem Rückzug nach dem euxinischen Meere entgegentraten, siegreich einen Weg gebahnt.
Dies und anderes der Art sprach Alexander, was sonst noch in solch einem Augenblick vor Bestehung gefahrvoller Kämpfe ein tapferer Heerführer tapferen Männern zu ihrer Ermutigung ans Herz legen mag. Da ergriff nun einer von ihnen nach dem anderen des Königs Hand, und indem sie durch ihre Worte Alexanders Zuversicht noch steigerten, verlangten sie von ihm, unverzüglich gegen den Feind geführt zu werden.
Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!