Deutschland wird nicht "lead Nation"
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Deutschland wird "definitiv nicht Lead Nation"

Von Holger Kulick

Zumindest im militärischen Bereich wird Deutschland nicht die Führung bei der Friedenssicherung in Afghanistan übernehmen. Das machte am Donnerstag auch Bundeskanzler Schröder seinem Staatsgast aus Kabul deutlich. Stattdessen versprach Schröder Ministerpräsident Hamid Karzai anderweitige Hilfe - und einen Besuch in Kabul.

anderweitige Hilfe? na, das ist ja mal wieder eine Aussage....


Berlin - Der Umgangston kann als respektvoll und locker bezeichnet werden. "Ich lade den Kanzler sehr bald nach Afghanistan ein, wir haben es auch sonniger dort", wandte sich Afghanistans Regierungschef Karzai plötzlich an den Kanzler und bat ihn, "bringen Sie etwas von Ihrem Regen mit." Das werde er gerne versuchen, nahm der Kanzler die Einladung scherzend an, schließlich gebe es in seiner Heimatstadt Hannover "besonders viel davon". Schröder hatte Karzai am Donnerstag in Berlin bei anhaltendem Regenwetter mit militärischen Ehren empfangen.
Die anderen Themen, die Schröder und Karzai zu besprechen hatten, waren ernsterer Natur. Besonders wichtig: Welche wirtschaftliche und militärische Aufbauhilfe kann Deutschland in Afghanistan leisten? "Sicherheit ist wichtig für die Bereitschaft der Investoren", bemerkte auch der Kanzler, zögerte aber, dafür die Zusage zu machen, die Karzai gerne von ihm vernommen hätte. Unter den "objektiven Umständen" sei es für Deutschland nicht möglich, in ganz Afghanistan die "lead nation" unter den 18 Staaten der freiwilligen Uno-Friedenstruppe zu werden, betonte der Kanzler. Nur in Kabul sei die Bundesrepublik zur Fortsetzung ihrer taktischen Führungsrolle bereit. Eine mögliche Ausdehnung über Kabul hinaus, sehe er aber "skeptisch".

 
So lernte Karzai schnell, dass nicht alle Wünsche erfüllbar sind. Schon am Vorabend hatte ihm das Außenminister Fischer unmissverständlich klar gemacht. "Wir sind an der Grenze unserer Möglichkeiten", hatte ihm Fischer vorgerechnet, "so wie uns unser Verteidigungsminister das gesagt hat."

Türkei soll jetzt führen

Denkbar ist, dass nun eine Aufgabenteilung vorgenommen wird. Deutschland behält die Führungsrolle in Kabul, die Türkei wird für Rest-Afghanistan zuständig. Darüber beraten seit Donnerstag hohe Regierungsbeamte aus den USA, England und der Türkei in Ankara. Deutschland hat bereits bis zu 900 Soldaten in Kabul stationiert, die Türkei rund 260. Die türkische Regierung hat aber mehrere Bedingungen für eine Zusage gestellt, dazu gehört auch die Frage der Kostenübernahme.

Im Uno-Weltsicherheitsrat kündigten unterdessen Spitzendiplomaten an, dass über die Ausdehnung des Mandats für die Friedenstruppe sehr bald entschieden werden soll. Generalsekretär Kofi Annan zeigte sich beunruhigt, dass sonst eine gefährliche Sicherheitslücke entstehen könnte, "die Afghanistans Wiederaufbau und die Rückkehr des Landes in die Staaten-Familie bedroht". Vor allem die widerspenstigen Warlords in den afghanischen Provinzen machen Kabuls neuer Zentralregierung das Leben schwer. Gegenwärtig sind zwar bis zu 5000 ausländische Soldaten in Afghanistan stationiert - aber nur für den Einsatz in Kabul. Nun ist in Uno-Kreisen von einer Verdoppelung der Zahl die Rede. Afghanistans Außenminister Abdullah Abdullah hat sich sogar 20.000 Friedenseinsatzkräfte gewünscht.



Karzai nahm die deutschen Absagen gelassen hin. Für ihn sei das kein Problem, dann sei Deutschland eben gern gesehene Führungsmacht Nummer zwei, meinte er. Ohnehin war Afghanistans Premier voll des Lobes für die deutsche Seite. Deutschland sei "ein Freund, der mit uns durch dick und dünn gegangen ist", pries Karzai und erinnerte an die vielseitige Unterstützung seines Landes schon in vorangegangenen Jahrzehnten - sei es im Bildungsbereich, beim Aufbau der Verwaltung oder beim gemeinsamen Nachdenken auf Tagungen über die Zukunft des Landes, als sich noch kaum eine andere westliche Nation mit Afghanistan beschäftigt habe. Erneut kondolierte er auch den Familien der beiden Bundeswehropfer in Kabul.

Wirtschaftshelfer und Drogenfahnder gesucht

Wichtig war ihm nun, die deutsche Wirtschaft für sein Land zu interessieren. Schon am Morgen hatte er vor Unternehmern darum geworben, den "freien Handelsgeist" der Afghanen als Chance zu begreifen, um auf der "Kern-Handelsroute zwischen Indischem Ozean und Zentralasien" Fuß zu fassen. Dafür brauche sein Land auch Hilfe, um ein "effizientes und sauberes" Regierungssystem aufzubauen - mit einer korruptionsfreien Verwaltung. Sein Aufbauminister, Mohammed Amin Farhang, warb zugleich um Spezialisten für das Bankwesen, um eine funktionierende und stabile Währung aufzubauen. "Afghanistan wird ihnen einen gesetzlichen Rahmen anbieten, der ihnen den Schutz ihrer Investitionen garantiert", versprach Karzai den Wirtschaftsvertretern.

Hier kam den Gästen auch Bundeskanzler Schröder entgegen. Deutschland werde auf Kosten der Bundesregierung auch Wirtschaftsexperten nach Afghanistan entsenden, versprach er. Gestern segnete Schröders Kabinett bereits die Entsendung von zwölf Spezialisten für den Aufbau der Polizei in Kabul ab.


Wie sehr Hilfsmaßnahmen aller Art nötig sind, machte etwa zeitgleich in Washington die oberste Drogenbehörde Amerikas deutlich. Afghanistan habe sich unter den Taliban zum Opiumlieferanten Nummer eins der Welt entwickelt, warnte die DEA (Drug Enforcement Administration). Im Jahr 2000 habe Afghanistan zu 75 Prozent Anteil am Welt-Opiumhandel gehabt, aber dafür nur 35 Prozent seiner Ernte verkauft. Der Rest sei noch gehortet. Während die amerikanische Regierung nun auch den Aufbau einer zentralen Drogenfahndung unter US-Regie in Afghanistan fordert, reichen Karzais Wünsche weiter. Er will in seinem Land Handel aufbauen, der ohne Drogen auskommt, betonte er in Interviews. Und besonders dabei soll ihm Deutschland helfen.

Pipelinebau als Lockmittel

Ein besonderes Lockmittel erwähnte Karzai dabei auch in seinem Gespräch mit den deutschen Unternehmern. Besondere Zukunftschancen malte er für die Bereiche Bau, Autos, Maschinenbau, Banken und Kommunikation aus. Besonders wichtig war ihm aber auch die Erwähnung der Felder Öl, Gas und Pipelines. Schließlich soll Afghanistan wieder ein zentrales Land für Energietransfers von Ost nach West werden - mit großen Pipelines auch als Lebensadern für sein Land.

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