21.01.12002, 10:43
Wer machte den Super-Deal mit dem Terror?
Kurz vor dem 11. September spekulierten Anleger in den USA im großen Stil auf den Kurssturz von Aktien der betroffenen Fluggesellschaften und Banken aus dem World Trade Center - Geschäfte, die ohne Vorwissen wenig Sinn ergaben. Doch über diesen Ermittlungsstrang wahren die Fahnder strengste Geheimhaltung. Der Ruf einiger Finanzhäuser steht auf dem Spiel.
Berlin - Die Spur war brandheiß. Schon wenige Stunden nachdem die Twin Towers in New York eingestürzt waren, berichteten Branchendienste über vorangegangene Finanztransaktionen, die nur mit dem Wissen über die bevorstehenden Anschläge Sinn ergaben und plötzlich große Gewinne abwarfen. Gleich mehrere US-Börsen meldeten noch in derselben Woche die verdächtigen Geschäfte an die zentrale Aufsichtsbehörde, die Securities and Exchange Commission (SEC), die seitdem die Ermittlungen führt.
Und voller Zuversicht, auf diesem Weg eine Spur zu den Verwaltern der Kriegskasse von Osama Bin Laden zu finden, versprach SEC-Chef Harvey Pitt Ende September 2001 bei einer Anhörung im US-Kongress, seine Behörde werde "die Käufer finden, wo immer sie sind". Gleichwohl konnten oder wollten die Fahnder bis heute keinen der Urheber der Transaktionen ausmachen. Auf Nachfrage teilen die SEC-Beamten nur mit, die Ermittlungen dauerten an. Alles weitere unterliege strikter Geheimhaltung.
Das ist erstaunlich. Denn die Indizien dafür, dass Insider des Terror-Plots mit den Konsequenzen ein Vermögen machen wollten, sind erdrückend. Schon am 19. September veröffentlichte das renommierte israelische Institute for Counter-Terrorism eine Studie, die detailliert die verblüffend zielgerichteten Transaktionen auflistete. Demnach verzeichneten die Händler an der Chicagoer Börse am 6. und 7. September den Kauf von 4744 so genannten Put-Optionen für Aktien der United Airlines (UAL), einer der beiden Fluggesellschaften, deren Maschinen für den Anschlag entführt wurden. Der Umsatz betrug ein Vielfaches der an anderen Tagen gehandelten Menge dieses Kontrakts.
Mit den Put-Optionen spekulierte der Anleger auf den Fall des Aktienkurses, indem er mit dem Verkäufer die Lieferung von Aktien zum Festpreis auf einen späteren Termin vereinbarte. Liegt der tatsächliche Kurs unter dem vereinbarten Wert, erhält der Optionskäufer die Differenz als Gewinn ausgezahlt. Auch für Anteile von American Airlines, der anderen betroffenen Fluggesellschaft kauften Unbekannte noch am 10. September 4516 Put-Scheine. Für einen bevorstehenden Absturz der beiden Aktienwerte gab es zu diesem Zeitpunkt keinen Hinweis.
Nicht minder verdächtig waren die Spekulationen gegen die Aktienwerte der Investment-Bank Morgan Stanley, die auf 22 Etagen große Abteilungen im World Trade Center unterhielt, sowie den Konkurrenten Merill Lynch, der in einem der Nachbargebäude untergebracht war. Für beide Papiere schnellten die Verkäufe von ebensolchen Put-Optionen kurz vor dem 11. September um bis zu 2000 Prozent in die Höhe, obwohl keine negativen Unternehmenszahlen oder Prognosen auf dem Markt waren.
Der Vorteil des Kaufs von Optionen ist, dass sie nur einen vergleichsweise geringem Kapitaleinsatz erfordern, aber im Fall der richtig geratenen Kursentwicklung enorme Gewinne abwerfen. Und raten mussten diese Anleger wohl nicht. Denn die Umstände und Volumina dieser Geschäfte, "entsprachen genau dem, was man gewöhnlich von Insider-Geschäften kennt", erklärt Don Radlauer, Börsenexperte und Autor der israelischen Studie. Nicht nur das Timing der Deals passte allzu gut. Zudem waren sie spezifisch auf die vom Anschlag betroffenen Firmen gemünzt. Es gab vielleicht gute Gründe, auf einen Abwärtstrend der Luftfahrt-Industrie zu wetten, aber es gab keinen vergleichbaren Sprung beim Handel mit den Put-Option auf andere Airline-Aktien. Gleichzeitig war der Umfang der Optionskäufe extrem hoch und nur auf die kurze Zeit der fünf Tage vor den Anschlägen beschränkt. "Das widersprach ganz außerordentlich den üblichen Handelsvolumina", urteilte auch Jon Najarian, Mitinhaber der Firma PTI Securities, die selbst täglich im Optionshandel aktiv ist.
"Die Sache stinkt"
Insgesamt brachten die vermuteten Insider-Deals mit dem Terror nach Radlauers Kalkulationen den Anlegern über 16 Millionen Dollar ein. Denn die Aktienwerte der betroffenen vier Unternehmen stürzten nach den Anschlägen im freien Fall. Dabei machte die beteiligten Händler an der auf den Optionshandel spezialisierten Börse von Chicago allerdings eine verblüffende Erfahrung: Einer der Kunden löste Kontrakte im Wert von 2,5 Millionen Dollar gar nicht ein, die Optionen verfielen.
Insbesondere dieser Umstand stützt den Verdacht, dass es Anleger gab, die vorab von den geplanten Terror-Attacken wussten. Denn nicht vorhersehbar war die Tatsache, dass der Handel für einen Teil der Kontrakte nach den Anschlägen erst einmal ausgesetzt wurde. Zu Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Handels mussten mögliche Insider aber schon mit Verfolgung rechnen. "Normalerweise, wenn jemand einen solchen Profit macht, dann nimmt er das Geld und macht sich aus dem Staub", erklärte einer mit den Transaktionen befassten Ermittler einem Reporter des "San Francisco Chronicle". "Wer immer dies gemacht hat, hat nicht bedacht, dass die Börse für vier Tage schließen würde. Die Sache stinkt."
Das gilt mittlerweile aber auch für die Ermittlungen.
Während Amerikas Fahnder in Sachen Terror bislang noch beinahe jedes Detail und jeden Verdächtigen sogleich der Öffentlichkeit präsentierten, selbst wenn diese sich später als unschuldig erwiesen, wahren die SEC-Fahnder bei der Börsenspur eisernes Schweigen. Zwar hatte SEC-Chef Pitt schon im September erklärt, es könne schwierig werden, "weil die Leute Strohmänner und ausländische Institute nutzen können". Aber, so versprach Pitt, "wir bekommen diese Information".
Daraus wurde allerdings bislang nichts, zumindest nicht für die Öffentlichkeit. Eine Erklärung dafür ist die mögliche Verstrickung renommierter Firmen der US-Finanzindustrie in die Verwaltung von Kapital aus zweifelhaften Quellen.
So wurde bekannt, dass rund die Hälfte der UAL-Optionen über die Investmentbank Alex Brown Bankers Trust geordert wurde, der US-Tochter der Deutschen Bank. Nachfragen bezüglich des dortigen Auftraggebers wehrten Sprecher der Bank mit Verweis auf das Kundengeheimnis ab. Pikant an der Bankers-Trust-Connection ist der Umstand, dass gegen frühere Mitarbeiter der Bank seit langem wegen Verstrickung in Geldwäsche-Delikte ermittelt wird, während gleichzeitig der frühere Chef des Private Banking bei Alex Brown, Alvin Krongrad, heute dem Geheimdienst CIA als Direktor dient.
So mancher amerikanische Verschwörungstheoretiker bastelte daraus bereits die These, CIA-Mitarbeiter hätten womöglich Informationen über bevorstehende Anschläge gehabt und versucht, damit Geld zu machen. Plausibler ist jedoch eine viel einfachere These: Die beteiligten Geldhäuser sind vermutlich nicht in der Lage, die wahre Identität der Gewinner des Deals mit dem Terror auszumachen, weil diese im weltweiten Netz der Offshore-Zentren von Cayman Island bis Liechtenstein und den dort registrierten Briefkastenfirmen erfolgreich ihre Spur verwischen konnten. In diesem Fall hätten die beteiligten Geldhäuser aber gegen die Grundregel der Geldwäsche-Bekämpfung verstoßen: "Know your customer" - handele nur mit Kunden, die du kennst.
Wenn dies die Ursache für den schleppenden Gang der Ermittlungen sei, meint Börsenfachmann Radlauer, gebe es für das Schweigen der SEC über die ursprünglich so heiße Spur zu den Hintermännern des Terrors eine einfache Erklärung: "Sie können nichts sagen, ohne die Reputation der involvierten Banken zu beschädigen."
Kurz vor dem 11. September spekulierten Anleger in den USA im großen Stil auf den Kurssturz von Aktien der betroffenen Fluggesellschaften und Banken aus dem World Trade Center - Geschäfte, die ohne Vorwissen wenig Sinn ergaben. Doch über diesen Ermittlungsstrang wahren die Fahnder strengste Geheimhaltung. Der Ruf einiger Finanzhäuser steht auf dem Spiel.
Berlin - Die Spur war brandheiß. Schon wenige Stunden nachdem die Twin Towers in New York eingestürzt waren, berichteten Branchendienste über vorangegangene Finanztransaktionen, die nur mit dem Wissen über die bevorstehenden Anschläge Sinn ergaben und plötzlich große Gewinne abwarfen. Gleich mehrere US-Börsen meldeten noch in derselben Woche die verdächtigen Geschäfte an die zentrale Aufsichtsbehörde, die Securities and Exchange Commission (SEC), die seitdem die Ermittlungen führt.
Und voller Zuversicht, auf diesem Weg eine Spur zu den Verwaltern der Kriegskasse von Osama Bin Laden zu finden, versprach SEC-Chef Harvey Pitt Ende September 2001 bei einer Anhörung im US-Kongress, seine Behörde werde "die Käufer finden, wo immer sie sind". Gleichwohl konnten oder wollten die Fahnder bis heute keinen der Urheber der Transaktionen ausmachen. Auf Nachfrage teilen die SEC-Beamten nur mit, die Ermittlungen dauerten an. Alles weitere unterliege strikter Geheimhaltung.
Das ist erstaunlich. Denn die Indizien dafür, dass Insider des Terror-Plots mit den Konsequenzen ein Vermögen machen wollten, sind erdrückend. Schon am 19. September veröffentlichte das renommierte israelische Institute for Counter-Terrorism eine Studie, die detailliert die verblüffend zielgerichteten Transaktionen auflistete. Demnach verzeichneten die Händler an der Chicagoer Börse am 6. und 7. September den Kauf von 4744 so genannten Put-Optionen für Aktien der United Airlines (UAL), einer der beiden Fluggesellschaften, deren Maschinen für den Anschlag entführt wurden. Der Umsatz betrug ein Vielfaches der an anderen Tagen gehandelten Menge dieses Kontrakts.
Mit den Put-Optionen spekulierte der Anleger auf den Fall des Aktienkurses, indem er mit dem Verkäufer die Lieferung von Aktien zum Festpreis auf einen späteren Termin vereinbarte. Liegt der tatsächliche Kurs unter dem vereinbarten Wert, erhält der Optionskäufer die Differenz als Gewinn ausgezahlt. Auch für Anteile von American Airlines, der anderen betroffenen Fluggesellschaft kauften Unbekannte noch am 10. September 4516 Put-Scheine. Für einen bevorstehenden Absturz der beiden Aktienwerte gab es zu diesem Zeitpunkt keinen Hinweis.
Nicht minder verdächtig waren die Spekulationen gegen die Aktienwerte der Investment-Bank Morgan Stanley, die auf 22 Etagen große Abteilungen im World Trade Center unterhielt, sowie den Konkurrenten Merill Lynch, der in einem der Nachbargebäude untergebracht war. Für beide Papiere schnellten die Verkäufe von ebensolchen Put-Optionen kurz vor dem 11. September um bis zu 2000 Prozent in die Höhe, obwohl keine negativen Unternehmenszahlen oder Prognosen auf dem Markt waren.
Der Vorteil des Kaufs von Optionen ist, dass sie nur einen vergleichsweise geringem Kapitaleinsatz erfordern, aber im Fall der richtig geratenen Kursentwicklung enorme Gewinne abwerfen. Und raten mussten diese Anleger wohl nicht. Denn die Umstände und Volumina dieser Geschäfte, "entsprachen genau dem, was man gewöhnlich von Insider-Geschäften kennt", erklärt Don Radlauer, Börsenexperte und Autor der israelischen Studie. Nicht nur das Timing der Deals passte allzu gut. Zudem waren sie spezifisch auf die vom Anschlag betroffenen Firmen gemünzt. Es gab vielleicht gute Gründe, auf einen Abwärtstrend der Luftfahrt-Industrie zu wetten, aber es gab keinen vergleichbaren Sprung beim Handel mit den Put-Option auf andere Airline-Aktien. Gleichzeitig war der Umfang der Optionskäufe extrem hoch und nur auf die kurze Zeit der fünf Tage vor den Anschlägen beschränkt. "Das widersprach ganz außerordentlich den üblichen Handelsvolumina", urteilte auch Jon Najarian, Mitinhaber der Firma PTI Securities, die selbst täglich im Optionshandel aktiv ist.
"Die Sache stinkt"
Insgesamt brachten die vermuteten Insider-Deals mit dem Terror nach Radlauers Kalkulationen den Anlegern über 16 Millionen Dollar ein. Denn die Aktienwerte der betroffenen vier Unternehmen stürzten nach den Anschlägen im freien Fall. Dabei machte die beteiligten Händler an der auf den Optionshandel spezialisierten Börse von Chicago allerdings eine verblüffende Erfahrung: Einer der Kunden löste Kontrakte im Wert von 2,5 Millionen Dollar gar nicht ein, die Optionen verfielen.
Insbesondere dieser Umstand stützt den Verdacht, dass es Anleger gab, die vorab von den geplanten Terror-Attacken wussten. Denn nicht vorhersehbar war die Tatsache, dass der Handel für einen Teil der Kontrakte nach den Anschlägen erst einmal ausgesetzt wurde. Zu Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Handels mussten mögliche Insider aber schon mit Verfolgung rechnen. "Normalerweise, wenn jemand einen solchen Profit macht, dann nimmt er das Geld und macht sich aus dem Staub", erklärte einer mit den Transaktionen befassten Ermittler einem Reporter des "San Francisco Chronicle". "Wer immer dies gemacht hat, hat nicht bedacht, dass die Börse für vier Tage schließen würde. Die Sache stinkt."
Das gilt mittlerweile aber auch für die Ermittlungen.
Während Amerikas Fahnder in Sachen Terror bislang noch beinahe jedes Detail und jeden Verdächtigen sogleich der Öffentlichkeit präsentierten, selbst wenn diese sich später als unschuldig erwiesen, wahren die SEC-Fahnder bei der Börsenspur eisernes Schweigen. Zwar hatte SEC-Chef Pitt schon im September erklärt, es könne schwierig werden, "weil die Leute Strohmänner und ausländische Institute nutzen können". Aber, so versprach Pitt, "wir bekommen diese Information".
Daraus wurde allerdings bislang nichts, zumindest nicht für die Öffentlichkeit. Eine Erklärung dafür ist die mögliche Verstrickung renommierter Firmen der US-Finanzindustrie in die Verwaltung von Kapital aus zweifelhaften Quellen.
So wurde bekannt, dass rund die Hälfte der UAL-Optionen über die Investmentbank Alex Brown Bankers Trust geordert wurde, der US-Tochter der Deutschen Bank. Nachfragen bezüglich des dortigen Auftraggebers wehrten Sprecher der Bank mit Verweis auf das Kundengeheimnis ab. Pikant an der Bankers-Trust-Connection ist der Umstand, dass gegen frühere Mitarbeiter der Bank seit langem wegen Verstrickung in Geldwäsche-Delikte ermittelt wird, während gleichzeitig der frühere Chef des Private Banking bei Alex Brown, Alvin Krongrad, heute dem Geheimdienst CIA als Direktor dient.
So mancher amerikanische Verschwörungstheoretiker bastelte daraus bereits die These, CIA-Mitarbeiter hätten womöglich Informationen über bevorstehende Anschläge gehabt und versucht, damit Geld zu machen. Plausibler ist jedoch eine viel einfachere These: Die beteiligten Geldhäuser sind vermutlich nicht in der Lage, die wahre Identität der Gewinner des Deals mit dem Terror auszumachen, weil diese im weltweiten Netz der Offshore-Zentren von Cayman Island bis Liechtenstein und den dort registrierten Briefkastenfirmen erfolgreich ihre Spur verwischen konnten. In diesem Fall hätten die beteiligten Geldhäuser aber gegen die Grundregel der Geldwäsche-Bekämpfung verstoßen: "Know your customer" - handele nur mit Kunden, die du kennst.
Wenn dies die Ursache für den schleppenden Gang der Ermittlungen sei, meint Börsenfachmann Radlauer, gebe es für das Schweigen der SEC über die ursprünglich so heiße Spur zu den Hintermännern des Terrors eine einfache Erklärung: "Sie können nichts sagen, ohne die Reputation der involvierten Banken zu beschädigen."
Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!