02.04.12002, 18:34
Im Nahen Osten ist der »Point of no return« erreicht.
Gastkommentar (Uri Avnery ist israelischer Publizist und Träger des alternativen Nobelpreises)
Sollte es Ariel Scharon gelingen, Yassir Arafat zu ermorden - was er will -, wird der palästinensische Führer so im kollektiven Gedächtnis seines Volkes und der gesamten arabischen Welt bleiben wie Moses in der jüdischen Erinnerung.
In dem neuen Mythos, der gerade vor unseren Augen geboren wird, ist Scharon der Pharao, und wir sind die alten Ägypter. In der Geschichte das Auszugs aus Ägypten läßt die Bibel G*tt sagen: Ich habe sein (des Pharao) Herz und das seiner Diener hart gemacht. Bei jedem Unglück, das ihn heimsuchte, brach der Pharao sein Versprechen, die Israeliten freizulassen. Warum? Was war Gottes Absicht? Er wollte, daß die Israeliten durch Härte hart werden, bevor sie ihren langen Marsch begannen. Genau das geschieht gegenwärtig den Palästinensern.
Was wird passieren, wenn eine israelische Kugel Arafat jetzt tötet? Der Erbe Arafats wird nicht ein Abu-soundso sein, sondern Bruder Kalaschnikow. Es wird keinen palästinensischen Quisling geben - und sollte ein Kandidat gefunden werden, wäre er am nächsten Tag tot, wie Scharons libanesischer Quisling Bashir Jumail. Dutzende lokaler Guerillaführer werden auftauchen und sie werden eine viele Jahre andauernde Rachekampagne starten - im Land selbst und überall in der Welt. Das Leben jedes Israeli wird zur Hölle, keine israelische Botschaft, kein Flugzeug, kein Tourist wird sicher sein.
Der tote Arafat wird gefährlicher sein als der lebendige Arafat. Der lebendige Arafat ist in der Lage, Frieden zu schließen, und will es. Der tote Arafat kann das nicht. Er wird den Konflikt verewigen.
Heute wundern sich Historiker, welche Torheit das jüdische Volk vor 1930 Jahren veranlaßte, eine hoffnungslose Rebellion gegen das römische Kaiserreich zu beginnen und damit unmäßige Zerstörung über die jüdische Gemeinde in Palästina zu bringen. In hundert Jahren werden sich Historiker fragen, welche Verrücktheit dieses Volk dazu brachte, Scharon zu wählen, eine blutige Person, die nie etwas anderes tat als Blut zu vergießen und Siedlungen zu gründen. Welche Verrücktheit brachte dieses Volk dazu, Siedlungen und etwas Land Frieden und Versöhnung vorzuziehen? Und warum bleibt dieses Volk gleichgültig, wenn die gesamte arabische Welt - vielleicht zum letzten Mal! - ihm wirklichen Frieden und normale Beziehungen anbietet?
Die Geschichte wird an uns erinnern, an die wenigen, die das Volk vor dem Unheil warnten, das uns alle heimsuchen wird, wenn wir Scharon und seiner Gang folgen. Laßt uns hoffen, daß unsere Stimmen rechtzeitig gehört werden, so daß wir einen neuen Weg einschlagen können.
Wenn Arafat ermordet wird, ist das der Moment ohne Rückkehr.
http://www.jungewelt.de/2002/04-02/002.php
Gastkommentar (Uri Avnery ist israelischer Publizist und Träger des alternativen Nobelpreises)
Sollte es Ariel Scharon gelingen, Yassir Arafat zu ermorden - was er will -, wird der palästinensische Führer so im kollektiven Gedächtnis seines Volkes und der gesamten arabischen Welt bleiben wie Moses in der jüdischen Erinnerung.
In dem neuen Mythos, der gerade vor unseren Augen geboren wird, ist Scharon der Pharao, und wir sind die alten Ägypter. In der Geschichte das Auszugs aus Ägypten läßt die Bibel G*tt sagen: Ich habe sein (des Pharao) Herz und das seiner Diener hart gemacht. Bei jedem Unglück, das ihn heimsuchte, brach der Pharao sein Versprechen, die Israeliten freizulassen. Warum? Was war Gottes Absicht? Er wollte, daß die Israeliten durch Härte hart werden, bevor sie ihren langen Marsch begannen. Genau das geschieht gegenwärtig den Palästinensern.
Was wird passieren, wenn eine israelische Kugel Arafat jetzt tötet? Der Erbe Arafats wird nicht ein Abu-soundso sein, sondern Bruder Kalaschnikow. Es wird keinen palästinensischen Quisling geben - und sollte ein Kandidat gefunden werden, wäre er am nächsten Tag tot, wie Scharons libanesischer Quisling Bashir Jumail. Dutzende lokaler Guerillaführer werden auftauchen und sie werden eine viele Jahre andauernde Rachekampagne starten - im Land selbst und überall in der Welt. Das Leben jedes Israeli wird zur Hölle, keine israelische Botschaft, kein Flugzeug, kein Tourist wird sicher sein.
Der tote Arafat wird gefährlicher sein als der lebendige Arafat. Der lebendige Arafat ist in der Lage, Frieden zu schließen, und will es. Der tote Arafat kann das nicht. Er wird den Konflikt verewigen.
Heute wundern sich Historiker, welche Torheit das jüdische Volk vor 1930 Jahren veranlaßte, eine hoffnungslose Rebellion gegen das römische Kaiserreich zu beginnen und damit unmäßige Zerstörung über die jüdische Gemeinde in Palästina zu bringen. In hundert Jahren werden sich Historiker fragen, welche Verrücktheit dieses Volk dazu brachte, Scharon zu wählen, eine blutige Person, die nie etwas anderes tat als Blut zu vergießen und Siedlungen zu gründen. Welche Verrücktheit brachte dieses Volk dazu, Siedlungen und etwas Land Frieden und Versöhnung vorzuziehen? Und warum bleibt dieses Volk gleichgültig, wenn die gesamte arabische Welt - vielleicht zum letzten Mal! - ihm wirklichen Frieden und normale Beziehungen anbietet?
Die Geschichte wird an uns erinnern, an die wenigen, die das Volk vor dem Unheil warnten, das uns alle heimsuchen wird, wenn wir Scharon und seiner Gang folgen. Laßt uns hoffen, daß unsere Stimmen rechtzeitig gehört werden, so daß wir einen neuen Weg einschlagen können.
Wenn Arafat ermordet wird, ist das der Moment ohne Rückkehr.
http://www.jungewelt.de/2002/04-02/002.php
Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!