26.07.12002, 14:00
Jeder Katastrophenfilm läuft auf eine solche Szene hinaus: Eine Serie von Explosionen treibt die Welt an den Abgrund, und die Zukunft hängt an einem ausgefaserten Seil. Nur dass in diesem Sommer nicht Hollywood den spannendsten Cliffhanger produziert, sondern die Weltwirtschaft. Und Anfang dieser Woche zerriss wieder eine Faser des Seils.
Der amerikanische Telekommunikationsriese Worldcom meldet den größten Bankrott der Wirtschaftsgeschichte an und lässt die Weltbörsen abstürzen.
Es ist ein Irrtum gewesen zu meinen, mit der Pleite des betrügerischen Energiekonzerns Enron sei das Schlimmste geschehen. Weitere Zusammenbrüche sind zu erwarten. Die Vertrauenskrise des amerikanischen Kapitalismus ist so tief wie der Atlantik - und Präsident George W. Bush, der als Geschäftsmann einst selbst fünf gerade sein ließ, darf als unglücklichste Besetzung gelten, um den Glauben an die Honorigkeit der Wirtschaftsführer wiederherzustellen.
Eine amerikanische Krise bedeutet nichts anderes als eine Weltkrise. Jeder Krach an der Wall Street löst ein Beben an den europäischen und asiatischen Börsen aus. Wenn die Vermögenswerte wie Eiswürfel auf der Heizplatte vergehen, können auch hiesige Lebensversicherer ihre Versprechen nicht mehr halten. Und jede Großpleite in den USA trifft internationale Geldgeber direkt - Worldcom steht allein bei der Deutschen Bank mit einer Viertelmilliarde Euro in der Kreide.
Und doch: Noch hält das Seil. Zwar haben die Standardaktien in den USA ein Drittel ihres Höchstwertes verloren, zwar ging allein mit Worldcom ein Börsenwert von 120 Milliarden Dollar verloren, aber die Konsumenten trotzen dem Börsendesaster.
Ihre Kauflust, gesteigert durch die Aussicht auf Steuergeschenke aus Washington, ließ die Wirtschaft im ersten Quartal 2002 mit einer Jahresrate von mehr als fünf Prozent wachsen. Ein weiteres Zeichen der Ermunterung: Die amerikanische Industrieproduktion ist seit Beginn des Jahres immer weiter gestiegen. Aber wenn kein Ende des Kursrutsches absehbar ist, wenn ein aufgedeckter Skandal auf hundert verborgene zu weisen scheint, dann verlieren auch die kauffreudigsten Verbraucher der Welt die Lust.
In diesem Fall kann es für die USA - und dann auch für Deutschland - nach dem schnell überstandenen Abschwung des vergangenen Jahres zu einer echten Rezession kommen. Nach den Terrorschlägen vom 11. September hat Amerika seine
Wirtschaft ohne Rücksicht auf Verluste aufgepumpt. Bushs Steuersenkungsorgie und gigantische Zusatzausgaben für Wirtschaft und Militär zwingen den Staat, der seit 1997 Überschüsse erzielte, in diesem Jahr mindestens 160 Milliarden Dollar neue Schulden zu machen. Das wäre kein Problem, lebte die Privatwirtschaft nicht schon auf Kredit vom Rest der Welt. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres erreichte das außenwirtschaftliche Defizit Amerikas mehr als 112 Milliarden Dollar - ein Rekord. Wenn Amerika in dieser Lage schwächelt, wird aus dem sanften Abrutschen des Dollar-Kurses schnell ein Absturz. Die US-Wirtschaft geriete in Finanzierungsnöte, und die deutschen Exporteure müssten sich nach neuen Absatzmärkten umschauen.
Nicht eben geringer wird die Gefahr dadurch, dass die optimistischen Amerikaner ihre Immobilienpreise in luftige Höhen getrieben haben. Eine neue Blase? Noch steigen die Preise, weil niedrige Hypothekenzinsen immer neue Hauskäufer anziehen - jedoch wie lange?
Keine Zeit für Schadenfreude
Nun ist die Immobilienhausse, die sich vor allem in Metropolen wie New York und San Francisco abspielt, nicht mit den Mondpreisen zu vergleichen, die Ende der achtziger Jahre in Japan herrschten. Schon deshalb können nur missgünstige Stimmen der US-Wirtschaft das gleiche langjährige Siechtum vorhersagen. Der amerikanische Kapitalismus ist mitnichten am Ende. Seine Stärke ist im Gegensatz zum japanischen Konsensmodell gerade die Fähigkeit, auf Krisen radikal zu reagieren. Das bewies er zuletzt in den achtziger Jahren, als Europa und Japan ihn abzuhängen schienen und er zum Champion der Computerrevolution aufstieg.
Erfahrungsgemäß lässt sich die Vernunft in Washington aber Zeit. George W. Bush muss nicht nur vermeiden, dass die Staatsverschuldung unkontrolliert nach oben schießt. Der Präsident kennt auch die üblen Gepflogenheiten von Corporate
America. Er sollte die Regeln verändern, damit der Wettbewerb wieder funktioniert. Neue Bilanzrichtlinien müssen die Unternehmenschefs zu Sorgfalt zwingen. Für die Bosse dürfen nicht allein Aktienoptionen als Anreiz zur Höchstleistung dienen. Die Aufsicht in der Firmenleitung muss stärker werden. Und die Finanzaufsicht muss unabhängig von Lobbys arbeiten können.
Während eines scheinbar endlosen Aufschwungs haben die USA keinen Deut um die europäischen Interessen gegeben. Der Dollar konnte den Amerikanern gar nicht teuer genug sein. Nun brauchen sich beide Seiten wieder. Die Notenbanken
können einen stürzenden Dollar nur auffangen, wenn sie gemeinsam am Markt intervenieren und die Zinsen aufeinander abstimmen. Für Schadenfreude bleibt den schwachen Europäern keine Zeit.
Gerade Deutschland hat die Zeit des amerikanischen Aufschwungs verstreichen
lassen, ohne eigene Kraft zu schöpfen. Die überregulierte und übersubventionierte Volkswirtschaft hängt stärker von der Nachfrage des Auslands ab als jede andere führende Wirtschaftsmacht. Selbst eine Börsenkultur hat sich in der kurzen Zeit des deutschen Aktienzaubers nicht etablieren können. So müssen die Deutschen nun im Cliffhanger der Weltwirtschaft mitbangen, obwohl sie weder größere Skandale noch Spekulationsblasen zu verantworten haben.
Und was hören wir von Kanzler Schröder, was von der EU und der Europäischen Zentralbank?
Der amerikanische Telekommunikationsriese Worldcom meldet den größten Bankrott der Wirtschaftsgeschichte an und lässt die Weltbörsen abstürzen.
Es ist ein Irrtum gewesen zu meinen, mit der Pleite des betrügerischen Energiekonzerns Enron sei das Schlimmste geschehen. Weitere Zusammenbrüche sind zu erwarten. Die Vertrauenskrise des amerikanischen Kapitalismus ist so tief wie der Atlantik - und Präsident George W. Bush, der als Geschäftsmann einst selbst fünf gerade sein ließ, darf als unglücklichste Besetzung gelten, um den Glauben an die Honorigkeit der Wirtschaftsführer wiederherzustellen.
Eine amerikanische Krise bedeutet nichts anderes als eine Weltkrise. Jeder Krach an der Wall Street löst ein Beben an den europäischen und asiatischen Börsen aus. Wenn die Vermögenswerte wie Eiswürfel auf der Heizplatte vergehen, können auch hiesige Lebensversicherer ihre Versprechen nicht mehr halten. Und jede Großpleite in den USA trifft internationale Geldgeber direkt - Worldcom steht allein bei der Deutschen Bank mit einer Viertelmilliarde Euro in der Kreide.
Und doch: Noch hält das Seil. Zwar haben die Standardaktien in den USA ein Drittel ihres Höchstwertes verloren, zwar ging allein mit Worldcom ein Börsenwert von 120 Milliarden Dollar verloren, aber die Konsumenten trotzen dem Börsendesaster.
Ihre Kauflust, gesteigert durch die Aussicht auf Steuergeschenke aus Washington, ließ die Wirtschaft im ersten Quartal 2002 mit einer Jahresrate von mehr als fünf Prozent wachsen. Ein weiteres Zeichen der Ermunterung: Die amerikanische Industrieproduktion ist seit Beginn des Jahres immer weiter gestiegen. Aber wenn kein Ende des Kursrutsches absehbar ist, wenn ein aufgedeckter Skandal auf hundert verborgene zu weisen scheint, dann verlieren auch die kauffreudigsten Verbraucher der Welt die Lust.
In diesem Fall kann es für die USA - und dann auch für Deutschland - nach dem schnell überstandenen Abschwung des vergangenen Jahres zu einer echten Rezession kommen. Nach den Terrorschlägen vom 11. September hat Amerika seine
Wirtschaft ohne Rücksicht auf Verluste aufgepumpt. Bushs Steuersenkungsorgie und gigantische Zusatzausgaben für Wirtschaft und Militär zwingen den Staat, der seit 1997 Überschüsse erzielte, in diesem Jahr mindestens 160 Milliarden Dollar neue Schulden zu machen. Das wäre kein Problem, lebte die Privatwirtschaft nicht schon auf Kredit vom Rest der Welt. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres erreichte das außenwirtschaftliche Defizit Amerikas mehr als 112 Milliarden Dollar - ein Rekord. Wenn Amerika in dieser Lage schwächelt, wird aus dem sanften Abrutschen des Dollar-Kurses schnell ein Absturz. Die US-Wirtschaft geriete in Finanzierungsnöte, und die deutschen Exporteure müssten sich nach neuen Absatzmärkten umschauen.
Nicht eben geringer wird die Gefahr dadurch, dass die optimistischen Amerikaner ihre Immobilienpreise in luftige Höhen getrieben haben. Eine neue Blase? Noch steigen die Preise, weil niedrige Hypothekenzinsen immer neue Hauskäufer anziehen - jedoch wie lange?
Keine Zeit für Schadenfreude
Nun ist die Immobilienhausse, die sich vor allem in Metropolen wie New York und San Francisco abspielt, nicht mit den Mondpreisen zu vergleichen, die Ende der achtziger Jahre in Japan herrschten. Schon deshalb können nur missgünstige Stimmen der US-Wirtschaft das gleiche langjährige Siechtum vorhersagen. Der amerikanische Kapitalismus ist mitnichten am Ende. Seine Stärke ist im Gegensatz zum japanischen Konsensmodell gerade die Fähigkeit, auf Krisen radikal zu reagieren. Das bewies er zuletzt in den achtziger Jahren, als Europa und Japan ihn abzuhängen schienen und er zum Champion der Computerrevolution aufstieg.
Erfahrungsgemäß lässt sich die Vernunft in Washington aber Zeit. George W. Bush muss nicht nur vermeiden, dass die Staatsverschuldung unkontrolliert nach oben schießt. Der Präsident kennt auch die üblen Gepflogenheiten von Corporate
America. Er sollte die Regeln verändern, damit der Wettbewerb wieder funktioniert. Neue Bilanzrichtlinien müssen die Unternehmenschefs zu Sorgfalt zwingen. Für die Bosse dürfen nicht allein Aktienoptionen als Anreiz zur Höchstleistung dienen. Die Aufsicht in der Firmenleitung muss stärker werden. Und die Finanzaufsicht muss unabhängig von Lobbys arbeiten können.
Während eines scheinbar endlosen Aufschwungs haben die USA keinen Deut um die europäischen Interessen gegeben. Der Dollar konnte den Amerikanern gar nicht teuer genug sein. Nun brauchen sich beide Seiten wieder. Die Notenbanken
können einen stürzenden Dollar nur auffangen, wenn sie gemeinsam am Markt intervenieren und die Zinsen aufeinander abstimmen. Für Schadenfreude bleibt den schwachen Europäern keine Zeit.
Gerade Deutschland hat die Zeit des amerikanischen Aufschwungs verstreichen
lassen, ohne eigene Kraft zu schöpfen. Die überregulierte und übersubventionierte Volkswirtschaft hängt stärker von der Nachfrage des Auslands ab als jede andere führende Wirtschaftsmacht. Selbst eine Börsenkultur hat sich in der kurzen Zeit des deutschen Aktienzaubers nicht etablieren können. So müssen die Deutschen nun im Cliffhanger der Weltwirtschaft mitbangen, obwohl sie weder größere Skandale noch Spekulationsblasen zu verantworten haben.
Und was hören wir von Kanzler Schröder, was von der EU und der Europäischen Zentralbank?
Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!