Satirisches zum aktuellen Geschehen
#37
und hier mal wieder was für alle Freunde der Satire, des schwarzen Humors ;-)


Wochenschauer Nr. 185 vom 12. September 2003


Verschwörst du mich,
verschwör ich dich!

Wie bitte? Es hat keine Verschwörung gegeben am 11. September? Die CIA soll vorher von nichts was gewußt haben? Geschweige denn, daß der Terror-Akt von der CIA geplant worden sei oder gar vom amerikanischen Präsidenten selber angeordnet? Daß das Weiße Haus ganz bewußt Tausende von Todesopfern einkalkulierte, um von einem terroristischen Anschlag politisch zu profitieren? Moment mal? Das alles soll ich auf einmal nicht mehr glauben dürfen, obwohl ich es doch ziemlich genau weiß.

Jawohl, ich weiß es. Und zwar deshalb, weil es dafür eindeutige Beweise gibt . Und mit mir wissen es Hunderttausende, ja Millionen von Menschen worldwide - auch wenn die ww.Wahrheit immer wieder verdreht und umgedeutelt wird. Doch jetzt mußte sogar der "Spiegel" in der letzten Ausgabe die Existenz dieser vom Weißen Haus ausgehenden Verschwörung bestätigen.

Wie meinen Sie? Sie hätten da was ganz anderes im letzten "Spiegel" gelesen. Ach, Sie meinen diese Titel-Geschichte über die verschworene Gemeinschaft der Verschwörungs-Theoretiker rund um den 11. September 2001. Davon rede ich hier gar nicht. Ich habe nämlich ein paar Seiten weitergeblättert bis zu dem sehr viel kürzeren Artikel über "den anderen 11. September". Na, dämmert s? Klar: 1973. Chile vor 30 Jahren. Ein terroristischer Angriff auf eine demokratische gewählte Regierung, geplant und finanziert von der CIA, angeordnet vom US-Präsidenten, organisiert und observiert vom US-Außenminister. Einem Mann, der später den Friedens-Nobelpreis bekam.

Im "Spiegel" kann man nun lesen, wie der US-Präsident nach dem Wahlsieg Allendes seinen CIA-Direktor anschnauzt: "In 48 Stunden will ich einen Aktionsplan..." Und: "Zehn Millionen Dollar - mehr wenn nötig... die besten Leute, die wir haben..." Das hat sich der CIA-Direktor hinterher sofort notiert. His Master s voice war ihm noch frisch im Ohr...

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Eine Verschwörung gegen das Volk, gegen die Demokratie, gegen die Freiheit. Heute, wie gesagt, steht s sogar im "Spiegel". Vor 30 Jahren war das etwas anderes. Wer damals im völlig Hirn-vermauerten Westberlin als Journalist nach der Errichtung des Folter-Regimes in Chile so etwas schrieb - und ich tat es in meinen Kommentaren im "Berliner Extra-Dienst" - wurde schlimmerenfalls als "kryptokommunistischer Zonen-Vasall" geoutet, günstigerenfalls als "sozial-radikaler Naiver, der hinter allem eine Verschwörung aus dem Weißen Haus wittert; aber so simpel ist die Weltgeschichte nun einmal nicht zu erklären" (beides Original-Zitate, das erste aus der "Welt", das zweite aus dem "Tagesspiegel").

Wobei die Sache mit dem "kryptokommunistischen Zonen-Vasall" selbst ein Beweis für ein festvernageltes Denken in Verschwörungs-Theorien ist: Jeder Linke war aus dieser Sicht eine Marionette am Gängelband von Honecker. Die APO eine reine Stasi-Inszenierung. Die Studentenbewegung eine ost-finanzierte Veranstaltung. Und der Extra-Dienst als APO-Postille sowieso ferngelenkt. Tscha, so hätten sie s gern, unsere Geschichts-Neuschreiber. Und ich bin sicher: Die Stasi (oder: der Stasi? Manches ist ja bis heute nicht enträtselt) hätt es auch gern so gehabt.

Deshalb sind die Stasi-Mannen wahrscheinlich einst dem Wallraff mit ähnlicher Intensität hinterhergejiepert wie heute die "Welt"-Erklärer auf seiner Spur hecheln. (Wobei sich meine Sympathie mit Wallraff schon immer in ziemlicher Beschränktheit hielt: Diese Mutter Teresa der Linken war mir aus ganz anderen Gründen verdächtig. Ich mag nun mal keine abgehagerten, finster-vermienten Asketen. Ich kann mich an böse Diskussionen mit Wallraff in der "konkret"-Redaktion erinnern. Nischt vonwegen Selbstironie oder Humor. Nur Leiden an dieser Welt und Andere-an-sich-leiden-lassen. Aber das ist mal wieder eine ganz andere Geschichte. Vielleicht erzählt Euch, liebe Kinder, Euer APO-Opa diese Gutenacht-Geschichte ein andermal.)

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Nebenbei: Dieselbe Verbissenheit, dieselbe Humor-Resistenz in der gejagten Pupille haben auch diese Verschwörungs-Propheten, die uns die Geschichte vom 11. September 2001 immer wieder "in echt" vorraunen. (Damit endet dann aber auch der Vergleich mit Wallraff, denn der hat reale Mißstände und soziale Verbrechen im riskanten Eigen-Versuch aufgedeckt und damit zuweilen auch was bewirkt.) Wenn aber diese bestsellernden Ground-Zero-Rumbuddler wie Bülow, Bröckers, Wisnewski & Co. in den diversen Talkshows düsterpupillig und beschwörend in die Kamera stieren, dann schubbert offenbar nur noch die schiere Hirnfinsternis in den zerebralen Anhöhen. Irgendwas muß denen am 11. September ins Oberstübchen reingerast sein: Eine Verschwörung beschwörend, geschwürt da mittlerweile eine Meta-Metastasen-Macke.

Ich geb s ja zu: Ich hab beim Bestsellern mitgeholfen. Als ich vor einem Dreivierteljahr das Buch von Mathias Bröckers bei 2001 erstand, machte es noch Spaß, nach meinen Vorstellungen mit den Kollegen aus der "Wühlmäuse"-Technik am Tresen so n bißchen wild zu phantasieren: Könnte nicht doch...? Oder was wäre, wenn wirklich...? Das war ein Gesellschaftsspiel, das keiner richtig ernst nahm, zumal wir nach dem dritten Bier Verschwörungs-Theorien entwickelten, aus denen Bröckers (erst "Taz"-Feuilleton, dann nur noch Hanf) mindestens drei neue Bestseller hätte zusammenbeweisen können. Immer nach dem Motto: "Es wird sogar in bestimmten Kreisen behauptet..."

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Es wird sogar in bestimmten Kreisen behauptet... Aber falls Sie bislang noch nie einen Tatsachen-Verschwörungs-Real-Krimi gelesen haben sollten, also noch etwas ungeübt wären im üblichen Dechiffrierungs-Debakel von Welt-Katastrophen, sollten Sie sich vielleicht eine gute Flasche Rotwein entkorken (dazu vielleicht noch einen Joint entzünden), weil Sie ohne eine effektive örtliche Betäubung dem Folgenden gewiß nicht mehr folgen könnten. Sie sollten sich auch zuvor vergewissern, ob in der Zimmerdecke ein genügend haltbarer Haken eingedübelt ist und ob ein halbwegs reißfestes Seil zur Verfügung steht, damit Sie sich gegebenenfalls nach der Lektüre der nächsten Absätze schon mal in die suizidale Endposition begeben können. Also, ich hoffe, Sie sind vorbereitet auf die brutale Wahrheit:

Es wird nämlich in bestimmten Kreisen behauptet, daß Elvis Presley hinter all dem stecke. Gleich nach dem Überfall auf Pearl Harbor, den Elvis noch zusammen mit einem gewissen Theodore Roosevelt inszeniert haben soll, kam ihm bei der Aufnahme seines Songs "Do nt be cruel" die Idee, vom CIA trainierte Kamikaze-Piloten in New York einfliegen zu lassen. Roosevelt fiel als Ko-Produzent dann leider aus und die Idee wurde zunächst auf Eis gelegt. Zwischenzeitlich wurde Kennedy ermordet - und zwar von Frank Sinatra im Auftrag von Marilyn Monroe (aus mehr privaten Gründen, die uns hier nicht interessieren sollen). Marilyn Monroe ging dann ein lesbisches Verhältnis mit Lady Di ein, die aber in Wirklichkeit gar nicht Lady Di war, sondern eine Doppelgängerin ihrer selbst und sogar noch (aus Gründen der Tarnung) gleichen Namens.

Mit der wirklichen Lady Di war inzwischen Osama bin Laden verlobt, der wiederum ein Zwillingsbruder von George Doubleyou Bush war - nur, daß beide in der Wiege vom CIA vertauscht worden waren, weshalb der echte Doubleyou schon nach kurzer Zeit nicht mehr wußte, wer er war. (Dem unechten erging es nebenbei nicht anders.)

Und hier kommt wieder Elvis Presley in Spiel, der selbstverständlich noch immer lebt (ebenfalls in mehrfachen Ausführungen). Der arrangierte den berüchtigten Pariser Tunnel-Unfall (Sigmund, hilf! Ein Unfall im Tunnel, aber mit Pariser! Sowas kann doch nur getürkt sein, genauer: saudi-arabisiert). Jedenfall steht fest: Osama bin Laden (diesmal sogar im Original) saß besoffen am Steuer. Lady Di allerdings war gedoublet - und zwar raffinierterweise (Mossad!) von sich selbst (was glücklicherweise keinem auffiel). Da nun Osama nicht mehr lebte, mußte sich Doubleyou - wie gesagt, sein Zwillingsbruder - auf Befehl von Elvis Presley sowie des israelischen Geheimdienstes (der bekanntlich inzwischen die CIA übernommen hatte, was eindeutig aus den "Protokollen der Weisen von Zion" hervorgeht) mehrfach klonen lassen, um die verschiedenen Flugzeuge ins World-Trade-Center und ins Pentagon zu steuern.

Ich will hier nicht weiter auf Einzelheiten eingehen: Jedenfalls sitzt Elvis Presley seither in der Maske von George Doubleyou im Weißen Haus und strebt die Weltherrschaft an. Wobei Elvis Presley wiederum eigentlich gar nicht Elvis Presley ist (zumindest nicht der, den Sie zu kennen glauben), sondern ein Alien von der Wega oder aus dem Irak - jedenfalls von ziemlich weit her. Lady Di hatte sich mittlerweile erfolgreich selbst re-inkarniert; allerdings war ihr im etwas verwilderten Jenseits inzwischen ein ziemlich buschiger Damenbart gewachsen, weshalb sie zuweilen mit Saddam Hussein verwechselt wurde. Aus sicherer Quelle ist zu hören, daß Rumsfeld sie bei seinem letzten Bagdad-Besuch dann versehentlich in einem friendly Fire erschossen haben soll.

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Falls Sie da nicht ganz mitgekommen sein sollten, liegt das nicht an der Authenzität der Fakten, sondern nur daran, daß Elvis Presley und der CIA bezeihungsweise der Mossad, vielleicht auch der KGB oder C&A oder IKEA - jedenfalls, daß diese geheimen Organisationen alles tun, um die Sache, die ja an sich ganz klar ist, zu vertuschen. Und anschließend wird das Vertuschte noch mal von Bill Gates auf das Geheimste geheimverschlüsselt (jenem Bill Gates, der immer mal wieder in der Maske von Michael Moore auftritt als Stupid White Micro-Softie).

Allein die Tatsache, daß Sie hier die reine Wahrheit-und-nichts-als-die-Wahrheit zum ersten Mal unverschlüsselt lesen können, zeugt schon davon, daß die Herrschenden diese Wahrheit zu unterdrücken suchen, wo immer sie sei beziehungsweise angeblich nicht sei. Das sollte ihnen Beweis genug sein für den absolut echten Wahrheitsgehalt. Das sind alles absolute, durch Indizien reichlich belegte Fakten - und wenn diese Fakten wie üblich öffentlich bestritten werden sollten, dann ist doch zumindest unbestreitbar, daß sie bisher verschwiegen worden sind. Und dann wird man ja zumindest mal nachfragen dürfen, warum. Die Antwort ist für jeden objektiv und klar denkenden Beobachter eindeutig: Diese Fakten sind zu gefährlich als daß man sie öffentlich benennen dürfte.

Wenn wir schon mal dabei sind, nur so zum Beispiel: Leni Riefenstahl sollte unter dem Pseudonym Muhammed Atta für den "Stern" die "Hitler-Tagebücher" neu bearbeiten, nachdem der Verlag in mühsamer, jahrelanger Expertisen-Recherche herausgefunden hatte, daß Hitler diese Tagebücher tatsächlich geschrieben hat, wenn auch etwas verspätet. Wie man jetzt weiß, hat der israelische Geheimdienst alle früheren Gegen-Gutachter gekauft und weggeschlossen. Kaum wurde das mutige Vorhaben der Leni Riefenstahl durch eine gezielte Indiskretion (!) in Verleger-Kreisen bekannt, verstarb Leni Riefenstahl unter bisher gänzlich ungeklärten, mehr als mysteriösen Umständen in ihrem blühendstem zweiten Jahrhundert. Alice Schwarzer, eine der ver-glühendsten Riefenstahlinistinnen, witterte allerdings hinter diesem völlig unerwarteten Ab-Leben ("Good bye, Leni") sofort eine maskulinistische Weltverschwörung. Adolf Hitler, der sich bekanntlich seit mehreren tausend Jahren in Paraguay aufhält, soll darüb!
er angemessen geschmunzelt haben.

Selbst Matthias Bröckers, der das alles bestimmt schon weiß, will, kann oder darf mit der endgültigen Wahrheit nicht rausrücken. Obwohl ihn sein Verlag lang genug drängelt. Aber der Bröckers ist wahrscheinlich auch von der Mossad gekauft (an die offensichtliche Juden-Frage im Verschwörer-Geschäft traut er sich nur sehr vorsichtig ran), weshalb der von Bülow schon lange nicht mehr mit ihm redet. Es gibt auch reichlich Beweise (allerdings von den Israelis unterdrückt), daß der Bröckers zusammen mit Leni Riefenstahl in den USA den Piloten-Schein gemacht haben soll, ohne je wieder gelandet zu sein. Was ich auch glaube. Allerdings brauchte der gar keinen Pilotenschein. Der ist auch so ständig high. Aber seine Auflage auch. Was ja wohl Beweis genug ist.

Womit ich jetzt allerdings nichts behaupten wollte.

+++

Verstehnse? Man muß nur genügend Blödsinn erzählen - irgendwas wird schon hängen bleiben. Das ist ja das Faszinierende an allen Verschwörungs-Theorien. Und es gibt ein sich anhäufendes gläubiges Idioten-Pack, das sich auch noch links nennt und das besonders anfällig ist: So wird eine veritable Entschuldigung dafür geliefert dafür, daß man selber nichts tut, um den uns umgebenden Sumpf wenigstens ein bißchen zu entsumpfen. Eben, weil man nichts tun kann gegen das Unheimliche. Gegen die dunklen, finsteren Mächte, die sich in ihren obskuren Hinterzimmern verkriechen, um mit ihrem Gift-Atem eine ganze Gesellschaft zu lähmen - gegen die kann man nicht ankämpfen. Wie denn? Ein Gegner, der un-faßbar ist, ist (auch im Wortsinne) un-angreifbar.

Sollte mir irgendwer "beweisen" ("also wirklich, Martin, ich hab da gaaanz eindeutige Indizien"), daß all diese düsteren Märchen-Erzähler vom Schlage Bröckers & Co. uns systematisch das Hirn vernebeln im Auftrage der CIA oder anderer geheimer Dienste, auf daß wir in unbestimmter Angst vor einer unbestimmbaren Allmacht in Ohnmacht erstarren - also, ich würde es zwar nicht glauben...

aaaaaaaaber...


<a href="www.martin-buchholz.de]Martin Buchholz</a>
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Das kleine Propaganda-Lexikon (Satire) - von Sothis - 20.04.12003, 14:14
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