20.07.12010, 22:22
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Außergewöhnliche Menschen ziehen uns magisch an, um so mehr, wenn ihr Schaffen mit einer geheimnisvollen Aura umgeben ist. Zu diesen Menschen gehört zweifellos auch Nikola Tesla. Seine Entdeckungen und Erfindungen haben mittlerweile unseren Alltag erobert, doch vor etwa hundert Jahren mußten seine Ideen als reine Phantastereien gelten. Aber nicht nur seine Ideen, auch sein Werdegang und sein Arbeitsstil waren geheimnisumwittert, genauso wie der Gegenstand seiner Arbeiten – der elektrische Strom. Da Tesla bis heute als Außenseiter gilt, ranken sich viele (teilweise unwahre) Legenden um seine Person. Die folgende Sammlung kleiner Anekdoten aus Teslas Leben soll dem ein wenig Abhilfe schaffen...
Ungeachtet seines (zeitweise) zölibatären Lebens und seiner nahezu einsiedlerischen Existenz in seiner eigenen intellektuellen Sphäre war Tesla im gesellschaftlichen Umgang ein Mann mit großem Charme. Das Jahr, in dem er mit jeder noch so harten Arbeit vorlieb nehmen mußte, hinsichtlich seines Quartiers nicht wählerisch sein konnte und essen mußte, was er gerade bekam, hatten in ihm einen tiefen und nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Darauf deutet schon allein der Umstand hin, daß er selbst in späteren Jahren niemals zu einem Gespräch über diese Zeit bewegt werden konnte. Und doch dürfte all das, war er im Verlauf dieses Jahres hatte durchmachen müssen, einen mildernden Einfluß auf seinen Charakter gehabt haben. Er hatte schwer darunter leiden müssen, allein nach dem Maße nackter Muskelkraft beurteilt zu werden, und diese Situation sollte er niemals vergessen.
Nachdem er durch die Gründung des Laboratoriums und den Verkauf seiner Patente an Westinghouse einige Mittel beisammen hatte, war er stets um ein nahezu fürstliches Auftreten bemüht. Er wußte genau, wie er vermittels der richtigen Kleidung den Eindruck, den seine Erscheinung ohnehin schon machte, noch beträchtlich steigern konnte. Seine Körpergröße (Tesla war ziemlich genau 2 Meter groß) verlieh ihm eine gewisse Überlegenheit über andere Menschen; der Umstand, daß er offenkundig mit großer körperlicher Kraft begabt war, trug ebenfalls zu dem Respekt bei, den man seinem Auftreten allgemein entgegenbrachte. Sein ausgezeichnetes Englisch, bei dem er stets um die korrekte Wortwahl bemüht war, sowie das gute halbe Dutzend weiterer Sprachen, die er außerdem beherrschte, ließen ihn schon als Gelehrten erscheinen. Und die erste Gruppe seiner Wechselstrompatente brachte ihm in der öffentlichen Meinung den Ruf eines außerordentlich befähigten Wissenschaftlers ein. Daß er sich zudem niemals des Wertes seiner eigenen Errungenschaften rühmte, sondern stets deren Bedeutung für die Menschheit betonte, brachte ihm die Zuneigung all jener ein, die ihm jemals begegnet waren.
Als Tesla sich in den neunziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts auf dem Höhepunkt seines Ruhmes befand, neigte er eher dazu, sich von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Trotzdem gelang es einer Reihe von Journalisten immer wieder, diese Barrieren zu überwinden und sich das Material für interessante Reportagen zu sichern. Eine hervorragende Darstellung seiner Persönlichkeit findet sich in einem Artikel, der 1897 im Citizen veröffentlich wurde. Er charakterisiert den Erfinder mit den folgenden Worten:
Was seine Erscheinung betrifft, kann niemand zu ihm emporblicken, ohne seine Macht zu fühlen. Weit über sechs Fuß groß ist er und dabei sehr schlank. Und doch besitzt er enorme körperliche Kraft. Seine Hände sind sehr groß; seine Daumen ungewöhnlich lang – was immer auf eine hohe Intelligenz hindeutet. Das glatte schwarze Haar – ein tieferes, glänzenderes Schwarz ist kaum vorstellbar – trägt er scharf nach hinten gekämmt, was die Kantigkeit seines Gesichtes noch betont.
Die Wangenknochen sind – ein Charakterstikum der Slawen – hoch und ausgeprägt. Die Haut hat den Ton von Marmor, der mit den Jahren den ersten Anflug von gelb aufweist. Seine tiefliegenden Augen sind blau und brennen wie ein Feuer. Es scheint, als funkelten in ihnen die gleichen unheimlichen Blitze, die er auch aus seinen Geräten schleudert. Sein energischer Kopf läuft spitz zu; das Kinn ist fast nur ein Punkt.
Niemals war ein Mann von hochfliegenderen Idealen erfüllt. Niemals hat ein Mann so beständig, so ernsthaft, so selbstlos für das Wohlergehen des gesamten Menschengeschlechts gearbeitet. Geld hat für ihn kaum Bedeutung. Hätte er beschlossen, es Edison gleichzutun, so wäre er heute wohl der reichste Mann dieser Welt - und dabei ist er gerade erst vierzig Jahre alt.
Was am meisten an ihm besticht, ist seine Ernsthaftigkeit. Tesla ist zweifellos der ernsthafteste Mensch in New York. Und doch hat er einen scharfen Sinn für Humor und zudem die wunderbarsten Manieren. An wahrhafter Bescheidenheit kann ihn niemand übertreffen. Jegliche Eifersucht ist ihm fremd. Niemals hat er die Errungenschaften anderer für gering erklärt, niemals mit Anerkennung gespart.
Wenn er redet, kann man nur lauschen. Auch wer nicht weiß, worüber er spricht, muß begeistert zuhören. Auch wer die Tragweite seiner Worte nicht versteht, muß ihre Bedeutung spüren. Er spricht das Englisch eines hochgebildeten Ausländers; akzentlos und fehlerfrei. Zudem beherrscht er noch acht weitere Sprachen.
Bei seiner Arbeit duldet er keine Zuschauer. Über seine Assistenten weiß man nichts. Von Zeit zu Zeit veranstaltet er eine öffentliche Vorführung seiner Experimente, und nicht wenige Menschen würden wohl jedes Opfer bringen, um bei einer solchen Gelegenheit dabeisein zu dürfen.
Für gewöhnlich arbeitet er bis sechs Uhr; doch es kann sein, daß er sich noch länger im Laboratorium aufhält. Dunkelheit ist für ihn kein Hindernis. Er stellt sich sein eigenes Tageslicht her.
Um Punkt acht trifft er in tadelloser Abendgarderobe im Waldorf ein. Im Winter trägt er statt des Abendjacketts stets einen Rock mit Schwalbenschwänzen.
Um Punkt zehn erhebt er sich vom Tisch und begibt sich entweder in sein Hotel, wo er seine Studien vertieft, oder er sucht wieder das Laboratorium auf, um dort die Nacht über weiterzuarbeiten.
Arthur Brisbane veröffentlichte am 22. August 1894 nach einem Interview mit Tesla in The World den längsten Artikel, den er jemals einer berühmten Persönlichkeit gewidmet hat. Darin erklärt er Tesla zu „unserem überragendem Mann auf dem Gebiet der Elektrizität – weit wichtiger als Edison.“ Er beschreibt den Erfinder folgendermaßen:
Seine Augen liegen sehr tief. Sie sind von recht heller Farbe. Ich fragte ihn eimal, warum er als Slawe denn dermaßen helle Augen habe. Er entgegnete mir, sie seien einst wesentlich dunkler gewesen, hätten sich aber durch häufig geistige Anstrengungen aufgehellt. Mir ist schon des öfteren zu Ohren gekommen, daß wiederholtes intensives Denken die Augenfarbe heller werden läßt. Es dürfte also nicht ohne Bedeutung sein, wenn Tesla diese Theorie aus seiner eigenen Erfahrung heraus bestätigt.
Er ist sehr schlank, dabei über sechs Fuß groß und wiegt nicht einmal hundertvierzig Pfund. Er hat sehr große Hände mit bemerkenswert ausgeprägten Daumen. Ein gutes Zeichen: große Daumen weisen auf einen starken Intellekt hin. Affen haben etwa ausgesprochen kleine Daumen. Achten Sie bei ihrem nächsten Besuch im Zoo nur einmal drauf.
Die obere Partie von Teslas Kopf ist besonders stark ausgebildet; nach vorn läuft er fast keilförmig zu. Das Kinn ist spitz; der Mund zu klein. Obwohl das Kinn deutlich hervortritt, wirkt es nicht stark genug. Aber Teslas Gesicht läßt sich nicht wie die Gesichter anderer Menschen studieren und beurteilen, weil dieser Mann in völlig anderen Bereichen zuhause ist. Er lebt sein Leben beständig mit dem Kopf; dort werden seine Ideen geboren, und dort ist ausreichend Raum für sehr viele Ideen. Sein Haar ist pechschwarz und gewellt. Sein Gang ist leicht gebeugt wie der vieler Männer, die frei von Eitelkeit sind. Er lebt vollkommen in sich selbst. Selbstachtung und Selbstbewußtsein – die sich gemeinhin mit dem Erfolg einstellen – besitzt er genug. Doch zwischen ihm und den meisten anderen Menschen, über die viel geredet oder geschrieben wird, gibt es einen grundlegenden Unterschied: Er hat wirklich etwas zu sagen.
Tesla hatte ganz ohne Frage Sinn für Humor und war einem feinsinnigen Scherz niemals abgeneigt. Ehe er zu einem Stammgast des Waldorf-Astoria wurde, pflegte er sein Abendessen regelmäßig bei Delmonico's einzunehmen; dieses Restaurant war damals eine der besten Adressen in New York und ein Treffpunkt der High Society. Unter der berühmten Kundschaft dieses berühmten Lokals war er zweifellos die illusterste Gestalt, doch er nahm seine Mahlzeiten stets alleine ein. Er war nicht dazu zu bewegen, sich einer anderen Gruppe zuzugesellen oder selber Gäste an seinen Tisch zu laden. Nach dem Diner kehrte er grundsätzlich in sein Laboratorium zurück.
Eines Abends überredeten ihn einige Freunde, die der Ansicht waren, er würde zu hart arbeiten und benötige dringend etwas Entspannung, zu einer Partie Billard. Sie waren fest davon überzeugt, daß er in diesem Spiel nicht die geringsten Erfahrungen hatte und erklärtem ihm zunächst einmal ausführlich wie der Queue zu handhaben sei, wie gestoßen wurde und nach welchen Regeln man spielte. Tesla hatte in der Tat schon seit Dutzenden von Jahren nicht mehr am Billardtisch gestanden, aber als er sich seinerzeit in Graz einen Studienvorsprung von einem Jahr erarbeitet hatte, hatte er sein Talent als professioneller Spieler bewiesen. Während die alten Hasen ihn nun bei Delmonico's in die Grundzüge des Spiels einwiesen, stellte er absichtlich ein paar dumme Fragen und machte genauso absichtlich ein paar schlechte Stöße. Dann trat er gegen einen der erfahrenen Spieler an, stellte weiterhin alberne Fragen, handhabte den Queue auf die denkbar komplizierteste Weise, um seine Laienhaftigkeit zu demonstrieren – und zur allgemeinen Verwunderung gelang ihm jeder Stoß. Daß er an jenem Abend auch gegen andere Billardexperten haushohe Gewinne verbuchen konnte, erklärte er mit dem Umstand, das Spiel gebe ihm die Gelegenheit, höchst abstrakte mathematische Theorien praktisch zu erproben. Die Billard Asse von Delmonico's brachten daraufhin das Gerücht in Umlauf, Tesla habe im Verlauf eines einzigen Abends so meisterhafte Fertigkeiten im Billard erworben, daß er die allerbesten Spieler der ganzen Stadt schlagen konnte. Die Geschichte ging sogar durch die Presse. Tesla weigerte sich jedoch, den Queue ein zweites Mal zur Hand zu nehmen und versteckte sich hinter der Behauptung, er fürchte, daß seinen Begeisterung für das Billard anderenfalls seine Forschungsarbeiten gefährden könne.
Der Mann von Welt, die Zierde von Delmonico's und des Waldorf-Astoria, scheute sich allerdings auch keineswegs vor einem gelegentlichen Ausflug in die Bowery, die in der unmittelbaren Nachbarschaft seines Laboratoriums in der Houston Street lag. Als Steve Brodie – ein waschechter Junge aus der Bronx – einen Sprung von der Brooklyn Bridge unbeschadet überstanden hatte (zumindest rühmte er sich dessen), war seine Tat natürlich dort das Tagesgespräch. Kurz nach jenem Ereignis kehrte Tesla dort in eine Kneipe ein, bestellte einen Whiskey und trank das Glas mit den Worten „Wie sagte doch Steve Brodie, ehe er von der Brücke sprang? <Runter damit!>" in einem Zug leer. Sein schön mäßig angetrunkener Tresennachbar hatte diese Bemerkung mitbekommen und aufgrund seiner getrübten Wahrnehmung vollkommen mißverstanden; er glaubte, Steve Brodie persönlich würde dem Barkeeper gerade vom Höhepunkt seiner Großtat berichten. Er wollte dem vermeintlichen Steve einen Drink ausgeben und wurde auf der Stelle von seinen Freunden umringt. Tesla schüttelte die Männer mit einem Lachen ab und verließ das Lokal, während der irritierte Trinker hinter ihm herlief und rief:“ Haltet ihn, 's ist Steve!“
Da der Mann naturgemäß seiner Zunge nicht mehr mächtig war, kam es nun zu einem weiteren Mißverständnis: Einige Passanten glaubten, jemand habe „Haltet den Dieb!“ gerufen und nahmen sofort die Verfolgung auf. Dank seiner langen Beine war es für Tesla kein Problem, in der anschließenden Verfolgungsjagd die Spitzenposition zu behaupten; er bog blitzschnell in eine Seitenstraße ein, sprang über einen Zaun und stieg über die Feuerleiter in eines der rückwärtigen Fenster seines Laborgebäudes ein. Dort warf er sich sicherheitshalber sofort einen schweren Schmiedeschurz um und machte sich daran, auf ein Stück Eisen einzuhämmern; aber seine Verfolger hatten nicht mit ihm mithalten können.
Für die in New York ansässigen Serben war Tesla ein Idol. Nicht wenige von ihnen konnten behaupten, mit dem Tesla- oder dem Mandich-Zweig seiner Familie entfernt verwandt zu sein, und selbst wer keinen Verwandtschaftsgrad nachweisen konnte, bewunderte ihn, obwohl er sich stets weigerte, die eine oder andere Rolle in der serbischen Gemeinschaft zu übernehmen.
Eines Tages wurde er in seinem Appartement im Waldorf-Astoria von einem serbischen Arbeiter aufgesucht. Der Mann war sehr aufgeregt und brauchte dringend Rat, denn er hatte einen seiner Landsleute bei einem Streit verprügelt, woraufhin dieser ein Kopfgeld für seine Verhaftung ausgesetzt hatte. Der Besucher war völlig mittellos, aber er wollte nach Chicago fahren, um sich der Verhaftung zu entziehen. Ob Tesla ihm wohl das Geld für die Fahrkarte vorstrecken könnte?
„Du hast einen Mann übel zugesetzt, und nun willst du vor der gerechten Strafe weglaufen“ entgegnete ihm Tesla. „Vielleicht kannst du vor dem Gesetz fliehen, aber deiner Strafe entgehst du nicht. Die wirst Du nämlich auf der Stelle bekommen!“ Er griff zu einem Rohrstock, packte den Mann am Kragen, zerrte ihn quer durch den Raum und prügelte dabei den Staub aus seinem Hosenboden, bis er um Gnade wimmerte. „Glaubst Du wirklich, du könntest in Chicago zu einem besseren Menschen werden und Schlägereien künftig aus dem Wege gehen?“ fragte er ihn dann. Der Mann bejahte, bekam das Geld für die Fahrkarte und noch ein paar Dollar dazu.
In den neunziger Jahren war Teslas Ruhm so groß, daß viele Gäste allein deshalb im Palm Room des Waldorf speisten, um dort einen Blick auf den Erfinder zu erhaschen.
Ehe dieser allabendlich um sechs sein Büro verließ, teilte er dem dortigen Oberkellner telephonisch seine Anordnungen zur Speisefolge mit; er bestand stets darauf, daß sein Essen von keinem geringeren Hotelbediensteten aufgetragen wurde. Um acht hatte das Diner bereit zu sein; die verbleibende Zeit verwandte Tesla darauf, seine formelle Abendgarderobe – einen weißen Frack mit einer weißen Fliege – anzulegen. Mit Ausnahme der wenigen Gelegenheiten, bei denen er gesellschaftliche Verpflichtungen nachzukommen hatte und Gäste zu Tisch lud, speiste er grundsätzlich allein.
Geldangelegenheiten hatte Telsa seit jeher als lästige Nebensachen betrachtet.
Nach 1888 war er gut fünfzehn Jahre lang mit allen Mitteln versehen, um seinen Verpflichtungen nachzukommen, und er führte dabei ein sehr gutes Leben. Als seine finanzielle Situation um das Jahr 1902 allmählich kritisch wurde, war sein Ruhm noch im Wachsen begriffen – und damit gleichfalls die Notwendigkeit, schon um der Zukunft seiner Projekte willen diesen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Er veranstaltete auch weiterhin große Dinnerpartys im Waldorf, um seinem gesellschaftlichen Ansehen gerecht zu werden, und konnte sich nur schwer daran gewöhnen, daß seine Mittel dazu eigentlich nicht mehr ausreichten. Bei einer dieser Gelegenheiten geschah es, daß eine große Tischgesellschaft bereits in einem der privaten Speisesäle versammelt war, als der Oberkellner Tesla zuflüsterte, daß exquisite Menü sei ganz nach seinen Wünschen vorbereitet und könne serviert werden, aber die Buchhaltung bestehe leider auf einer Bezahlung im voraus. Tesla war außer sich. „Teilen Sie dem Geschäftsführer mit, er möge doch Mr. Morgan (J.P. Morgan) anrufen, und ich werde mich gleich in seinem Büro einfinden.“
Innerhalb kürzester Zeit überbrachte ein Bote einen mehr als ausreichenden Scheck. Es sollte noch öfter zu solchen und ähnlichen Zwischenfällen kommen, aber die Unstimmigkeiten konnten in allen Fällen – für gewöhnlich ohne äußere Einmischung – im Büro des Geschäftsführers bereinigt werden.
In den Genuß einer Art Familienleben kam Tesla allein durch die Bekanntschaft mit dem Diplomaten, Dichter und Mitherausgeber des Century-Magazine Robert Underwood Johnson. Johnson wohnte im vornehmen Murray-Hill-Viertel der Madison Avenue; er und Tesla waren sehr eng miteinander befreundet. Einer ihrer vielen Berührungspunkte war die Hingezogenheit zur Dichtkunst. Im April des Jahres 1895 hatte Johnson im Century ein Gedicht über einen Besuch in Teslas Laboratorium veröffentlicht; dieses Gedicht sollte den Auftakt zu einem gemeinschaftlichen Unternehmen bilden, in dessen Verlauf Johnson serbische Poesie auf Grundlage der wörtlichen Übersetzungen Teslas – der Tausende von Versen auswendig hersagen konnte – im Englischen nachdichtete; etwa vierzig dieser Stücke veröffentlichte Johnson nebst einem Geleitwort Teslas in Buchform.
Berühmtheiten aller Gebiete gingen bei Johnson ein und aus, und er veranstaltete häufig festliche Diners, bei denen eine glänzende Tischgesellschaft zusammenkam. Auch Tesla war mitunter als geladener Gast zugegen, obwohl er derartige Diners so weit wie möglich zu meiden suchte. Formlose Besuche stattete er Johnson jedoch sehr oft ab; meist kam er unangemeldet und nicht selten zu ungewöhnlichen Zeiten. So war es etwa nicht außergewöhnlich, daß er noch um Mitternacht erschien, wenn sich die Familie eigentlich schon zurückgezogen hatte, dann saß er noch stundenlang mit „Bob“ und „Nick“ - Johnson und „Willi“ K. Vanderbilt waren die einzigen Männer, die er mit Vornamen anredete - beisammen und genoß den Austausch hochfliegender Gedanken.
Tesla Besuche bei Johnson währten stets viele Stunden. Er fuhr bei diesen Gelegenheiten immer in einem Einspänner vor, der vor dem Haus zu warten hatte, bis er wieder in sein nur wenige Blocks entferntes Hotel zurückkehren wollte. Die Johnson-Kinder wußten bald, sich diesen Umstand zunutze zu machen, denn wenn solch ein Besuch auf die frühen Morgenstunden fiel, durften sie normalerweise während dieser Zeit mit der Kutsche eine Spritztour durch den nahegelegenen Central Park machen.
Tesla fand großes Gefallen an der Oper und besuchte eine Zeitlang die Aufführungen recht regelmäßig. Die Logen von William K. Vanderbilt und vieler weiterer betuchter Abonnenten des Metropolitan Opera House standen ihm stets offen. Gelegentlich besuchte er auch das Theater. Seine Lieblingsschauspielerin war Elsie Ferguson, die - wie er sagte - sich wirklich zu kleiden wußte und überdies von allen Frauen, die er jemals auf der Bühne gesehen hatte, am meisten mit Grazie begabt war. Mit der Zeit ließ sein Interesse an Oper und Schauspiel zugunsten des Films nach, obwohl er eher selten ein Kino aufsuchte; Komödien und leichte Unterhaltung zog er dabei den tragischen Stoffen vor.
Einer seiner engsten Freunde war Konteradmiral Richmond Pearson Hobbson, der Held des spanisch-amerikanischen Krieges. In späteren Jahren sollte Hobson der einzige Mensch sein, der Tesla gelegentlich dazu bringen konnte, eine seiner der intellektuellen Arbeit gewidmeten Nachtwachen für einen Kinobesuch zu unterbrechen.
Wird fortgesetzt...
Außergewöhnliche Menschen ziehen uns magisch an, um so mehr, wenn ihr Schaffen mit einer geheimnisvollen Aura umgeben ist. Zu diesen Menschen gehört zweifellos auch Nikola Tesla. Seine Entdeckungen und Erfindungen haben mittlerweile unseren Alltag erobert, doch vor etwa hundert Jahren mußten seine Ideen als reine Phantastereien gelten. Aber nicht nur seine Ideen, auch sein Werdegang und sein Arbeitsstil waren geheimnisumwittert, genauso wie der Gegenstand seiner Arbeiten – der elektrische Strom. Da Tesla bis heute als Außenseiter gilt, ranken sich viele (teilweise unwahre) Legenden um seine Person. Die folgende Sammlung kleiner Anekdoten aus Teslas Leben soll dem ein wenig Abhilfe schaffen...
Ungeachtet seines (zeitweise) zölibatären Lebens und seiner nahezu einsiedlerischen Existenz in seiner eigenen intellektuellen Sphäre war Tesla im gesellschaftlichen Umgang ein Mann mit großem Charme. Das Jahr, in dem er mit jeder noch so harten Arbeit vorlieb nehmen mußte, hinsichtlich seines Quartiers nicht wählerisch sein konnte und essen mußte, was er gerade bekam, hatten in ihm einen tiefen und nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Darauf deutet schon allein der Umstand hin, daß er selbst in späteren Jahren niemals zu einem Gespräch über diese Zeit bewegt werden konnte. Und doch dürfte all das, war er im Verlauf dieses Jahres hatte durchmachen müssen, einen mildernden Einfluß auf seinen Charakter gehabt haben. Er hatte schwer darunter leiden müssen, allein nach dem Maße nackter Muskelkraft beurteilt zu werden, und diese Situation sollte er niemals vergessen.
Nachdem er durch die Gründung des Laboratoriums und den Verkauf seiner Patente an Westinghouse einige Mittel beisammen hatte, war er stets um ein nahezu fürstliches Auftreten bemüht. Er wußte genau, wie er vermittels der richtigen Kleidung den Eindruck, den seine Erscheinung ohnehin schon machte, noch beträchtlich steigern konnte. Seine Körpergröße (Tesla war ziemlich genau 2 Meter groß) verlieh ihm eine gewisse Überlegenheit über andere Menschen; der Umstand, daß er offenkundig mit großer körperlicher Kraft begabt war, trug ebenfalls zu dem Respekt bei, den man seinem Auftreten allgemein entgegenbrachte. Sein ausgezeichnetes Englisch, bei dem er stets um die korrekte Wortwahl bemüht war, sowie das gute halbe Dutzend weiterer Sprachen, die er außerdem beherrschte, ließen ihn schon als Gelehrten erscheinen. Und die erste Gruppe seiner Wechselstrompatente brachte ihm in der öffentlichen Meinung den Ruf eines außerordentlich befähigten Wissenschaftlers ein. Daß er sich zudem niemals des Wertes seiner eigenen Errungenschaften rühmte, sondern stets deren Bedeutung für die Menschheit betonte, brachte ihm die Zuneigung all jener ein, die ihm jemals begegnet waren.
Als Tesla sich in den neunziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts auf dem Höhepunkt seines Ruhmes befand, neigte er eher dazu, sich von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Trotzdem gelang es einer Reihe von Journalisten immer wieder, diese Barrieren zu überwinden und sich das Material für interessante Reportagen zu sichern. Eine hervorragende Darstellung seiner Persönlichkeit findet sich in einem Artikel, der 1897 im Citizen veröffentlich wurde. Er charakterisiert den Erfinder mit den folgenden Worten:
Was seine Erscheinung betrifft, kann niemand zu ihm emporblicken, ohne seine Macht zu fühlen. Weit über sechs Fuß groß ist er und dabei sehr schlank. Und doch besitzt er enorme körperliche Kraft. Seine Hände sind sehr groß; seine Daumen ungewöhnlich lang – was immer auf eine hohe Intelligenz hindeutet. Das glatte schwarze Haar – ein tieferes, glänzenderes Schwarz ist kaum vorstellbar – trägt er scharf nach hinten gekämmt, was die Kantigkeit seines Gesichtes noch betont.
Die Wangenknochen sind – ein Charakterstikum der Slawen – hoch und ausgeprägt. Die Haut hat den Ton von Marmor, der mit den Jahren den ersten Anflug von gelb aufweist. Seine tiefliegenden Augen sind blau und brennen wie ein Feuer. Es scheint, als funkelten in ihnen die gleichen unheimlichen Blitze, die er auch aus seinen Geräten schleudert. Sein energischer Kopf läuft spitz zu; das Kinn ist fast nur ein Punkt.
Niemals war ein Mann von hochfliegenderen Idealen erfüllt. Niemals hat ein Mann so beständig, so ernsthaft, so selbstlos für das Wohlergehen des gesamten Menschengeschlechts gearbeitet. Geld hat für ihn kaum Bedeutung. Hätte er beschlossen, es Edison gleichzutun, so wäre er heute wohl der reichste Mann dieser Welt - und dabei ist er gerade erst vierzig Jahre alt.
Was am meisten an ihm besticht, ist seine Ernsthaftigkeit. Tesla ist zweifellos der ernsthafteste Mensch in New York. Und doch hat er einen scharfen Sinn für Humor und zudem die wunderbarsten Manieren. An wahrhafter Bescheidenheit kann ihn niemand übertreffen. Jegliche Eifersucht ist ihm fremd. Niemals hat er die Errungenschaften anderer für gering erklärt, niemals mit Anerkennung gespart.
Wenn er redet, kann man nur lauschen. Auch wer nicht weiß, worüber er spricht, muß begeistert zuhören. Auch wer die Tragweite seiner Worte nicht versteht, muß ihre Bedeutung spüren. Er spricht das Englisch eines hochgebildeten Ausländers; akzentlos und fehlerfrei. Zudem beherrscht er noch acht weitere Sprachen.
Bei seiner Arbeit duldet er keine Zuschauer. Über seine Assistenten weiß man nichts. Von Zeit zu Zeit veranstaltet er eine öffentliche Vorführung seiner Experimente, und nicht wenige Menschen würden wohl jedes Opfer bringen, um bei einer solchen Gelegenheit dabeisein zu dürfen.
Für gewöhnlich arbeitet er bis sechs Uhr; doch es kann sein, daß er sich noch länger im Laboratorium aufhält. Dunkelheit ist für ihn kein Hindernis. Er stellt sich sein eigenes Tageslicht her.
Um Punkt acht trifft er in tadelloser Abendgarderobe im Waldorf ein. Im Winter trägt er statt des Abendjacketts stets einen Rock mit Schwalbenschwänzen.
Um Punkt zehn erhebt er sich vom Tisch und begibt sich entweder in sein Hotel, wo er seine Studien vertieft, oder er sucht wieder das Laboratorium auf, um dort die Nacht über weiterzuarbeiten.
Arthur Brisbane veröffentlichte am 22. August 1894 nach einem Interview mit Tesla in The World den längsten Artikel, den er jemals einer berühmten Persönlichkeit gewidmet hat. Darin erklärt er Tesla zu „unserem überragendem Mann auf dem Gebiet der Elektrizität – weit wichtiger als Edison.“ Er beschreibt den Erfinder folgendermaßen:
Seine Augen liegen sehr tief. Sie sind von recht heller Farbe. Ich fragte ihn eimal, warum er als Slawe denn dermaßen helle Augen habe. Er entgegnete mir, sie seien einst wesentlich dunkler gewesen, hätten sich aber durch häufig geistige Anstrengungen aufgehellt. Mir ist schon des öfteren zu Ohren gekommen, daß wiederholtes intensives Denken die Augenfarbe heller werden läßt. Es dürfte also nicht ohne Bedeutung sein, wenn Tesla diese Theorie aus seiner eigenen Erfahrung heraus bestätigt.
Er ist sehr schlank, dabei über sechs Fuß groß und wiegt nicht einmal hundertvierzig Pfund. Er hat sehr große Hände mit bemerkenswert ausgeprägten Daumen. Ein gutes Zeichen: große Daumen weisen auf einen starken Intellekt hin. Affen haben etwa ausgesprochen kleine Daumen. Achten Sie bei ihrem nächsten Besuch im Zoo nur einmal drauf.
Die obere Partie von Teslas Kopf ist besonders stark ausgebildet; nach vorn läuft er fast keilförmig zu. Das Kinn ist spitz; der Mund zu klein. Obwohl das Kinn deutlich hervortritt, wirkt es nicht stark genug. Aber Teslas Gesicht läßt sich nicht wie die Gesichter anderer Menschen studieren und beurteilen, weil dieser Mann in völlig anderen Bereichen zuhause ist. Er lebt sein Leben beständig mit dem Kopf; dort werden seine Ideen geboren, und dort ist ausreichend Raum für sehr viele Ideen. Sein Haar ist pechschwarz und gewellt. Sein Gang ist leicht gebeugt wie der vieler Männer, die frei von Eitelkeit sind. Er lebt vollkommen in sich selbst. Selbstachtung und Selbstbewußtsein – die sich gemeinhin mit dem Erfolg einstellen – besitzt er genug. Doch zwischen ihm und den meisten anderen Menschen, über die viel geredet oder geschrieben wird, gibt es einen grundlegenden Unterschied: Er hat wirklich etwas zu sagen.
Tesla hatte ganz ohne Frage Sinn für Humor und war einem feinsinnigen Scherz niemals abgeneigt. Ehe er zu einem Stammgast des Waldorf-Astoria wurde, pflegte er sein Abendessen regelmäßig bei Delmonico's einzunehmen; dieses Restaurant war damals eine der besten Adressen in New York und ein Treffpunkt der High Society. Unter der berühmten Kundschaft dieses berühmten Lokals war er zweifellos die illusterste Gestalt, doch er nahm seine Mahlzeiten stets alleine ein. Er war nicht dazu zu bewegen, sich einer anderen Gruppe zuzugesellen oder selber Gäste an seinen Tisch zu laden. Nach dem Diner kehrte er grundsätzlich in sein Laboratorium zurück.
Eines Abends überredeten ihn einige Freunde, die der Ansicht waren, er würde zu hart arbeiten und benötige dringend etwas Entspannung, zu einer Partie Billard. Sie waren fest davon überzeugt, daß er in diesem Spiel nicht die geringsten Erfahrungen hatte und erklärtem ihm zunächst einmal ausführlich wie der Queue zu handhaben sei, wie gestoßen wurde und nach welchen Regeln man spielte. Tesla hatte in der Tat schon seit Dutzenden von Jahren nicht mehr am Billardtisch gestanden, aber als er sich seinerzeit in Graz einen Studienvorsprung von einem Jahr erarbeitet hatte, hatte er sein Talent als professioneller Spieler bewiesen. Während die alten Hasen ihn nun bei Delmonico's in die Grundzüge des Spiels einwiesen, stellte er absichtlich ein paar dumme Fragen und machte genauso absichtlich ein paar schlechte Stöße. Dann trat er gegen einen der erfahrenen Spieler an, stellte weiterhin alberne Fragen, handhabte den Queue auf die denkbar komplizierteste Weise, um seine Laienhaftigkeit zu demonstrieren – und zur allgemeinen Verwunderung gelang ihm jeder Stoß. Daß er an jenem Abend auch gegen andere Billardexperten haushohe Gewinne verbuchen konnte, erklärte er mit dem Umstand, das Spiel gebe ihm die Gelegenheit, höchst abstrakte mathematische Theorien praktisch zu erproben. Die Billard Asse von Delmonico's brachten daraufhin das Gerücht in Umlauf, Tesla habe im Verlauf eines einzigen Abends so meisterhafte Fertigkeiten im Billard erworben, daß er die allerbesten Spieler der ganzen Stadt schlagen konnte. Die Geschichte ging sogar durch die Presse. Tesla weigerte sich jedoch, den Queue ein zweites Mal zur Hand zu nehmen und versteckte sich hinter der Behauptung, er fürchte, daß seinen Begeisterung für das Billard anderenfalls seine Forschungsarbeiten gefährden könne.
Der Mann von Welt, die Zierde von Delmonico's und des Waldorf-Astoria, scheute sich allerdings auch keineswegs vor einem gelegentlichen Ausflug in die Bowery, die in der unmittelbaren Nachbarschaft seines Laboratoriums in der Houston Street lag. Als Steve Brodie – ein waschechter Junge aus der Bronx – einen Sprung von der Brooklyn Bridge unbeschadet überstanden hatte (zumindest rühmte er sich dessen), war seine Tat natürlich dort das Tagesgespräch. Kurz nach jenem Ereignis kehrte Tesla dort in eine Kneipe ein, bestellte einen Whiskey und trank das Glas mit den Worten „Wie sagte doch Steve Brodie, ehe er von der Brücke sprang? <Runter damit!>" in einem Zug leer. Sein schön mäßig angetrunkener Tresennachbar hatte diese Bemerkung mitbekommen und aufgrund seiner getrübten Wahrnehmung vollkommen mißverstanden; er glaubte, Steve Brodie persönlich würde dem Barkeeper gerade vom Höhepunkt seiner Großtat berichten. Er wollte dem vermeintlichen Steve einen Drink ausgeben und wurde auf der Stelle von seinen Freunden umringt. Tesla schüttelte die Männer mit einem Lachen ab und verließ das Lokal, während der irritierte Trinker hinter ihm herlief und rief:“ Haltet ihn, 's ist Steve!“
Da der Mann naturgemäß seiner Zunge nicht mehr mächtig war, kam es nun zu einem weiteren Mißverständnis: Einige Passanten glaubten, jemand habe „Haltet den Dieb!“ gerufen und nahmen sofort die Verfolgung auf. Dank seiner langen Beine war es für Tesla kein Problem, in der anschließenden Verfolgungsjagd die Spitzenposition zu behaupten; er bog blitzschnell in eine Seitenstraße ein, sprang über einen Zaun und stieg über die Feuerleiter in eines der rückwärtigen Fenster seines Laborgebäudes ein. Dort warf er sich sicherheitshalber sofort einen schweren Schmiedeschurz um und machte sich daran, auf ein Stück Eisen einzuhämmern; aber seine Verfolger hatten nicht mit ihm mithalten können.
Für die in New York ansässigen Serben war Tesla ein Idol. Nicht wenige von ihnen konnten behaupten, mit dem Tesla- oder dem Mandich-Zweig seiner Familie entfernt verwandt zu sein, und selbst wer keinen Verwandtschaftsgrad nachweisen konnte, bewunderte ihn, obwohl er sich stets weigerte, die eine oder andere Rolle in der serbischen Gemeinschaft zu übernehmen.
Eines Tages wurde er in seinem Appartement im Waldorf-Astoria von einem serbischen Arbeiter aufgesucht. Der Mann war sehr aufgeregt und brauchte dringend Rat, denn er hatte einen seiner Landsleute bei einem Streit verprügelt, woraufhin dieser ein Kopfgeld für seine Verhaftung ausgesetzt hatte. Der Besucher war völlig mittellos, aber er wollte nach Chicago fahren, um sich der Verhaftung zu entziehen. Ob Tesla ihm wohl das Geld für die Fahrkarte vorstrecken könnte?
„Du hast einen Mann übel zugesetzt, und nun willst du vor der gerechten Strafe weglaufen“ entgegnete ihm Tesla. „Vielleicht kannst du vor dem Gesetz fliehen, aber deiner Strafe entgehst du nicht. Die wirst Du nämlich auf der Stelle bekommen!“ Er griff zu einem Rohrstock, packte den Mann am Kragen, zerrte ihn quer durch den Raum und prügelte dabei den Staub aus seinem Hosenboden, bis er um Gnade wimmerte. „Glaubst Du wirklich, du könntest in Chicago zu einem besseren Menschen werden und Schlägereien künftig aus dem Wege gehen?“ fragte er ihn dann. Der Mann bejahte, bekam das Geld für die Fahrkarte und noch ein paar Dollar dazu.
In den neunziger Jahren war Teslas Ruhm so groß, daß viele Gäste allein deshalb im Palm Room des Waldorf speisten, um dort einen Blick auf den Erfinder zu erhaschen.
Ehe dieser allabendlich um sechs sein Büro verließ, teilte er dem dortigen Oberkellner telephonisch seine Anordnungen zur Speisefolge mit; er bestand stets darauf, daß sein Essen von keinem geringeren Hotelbediensteten aufgetragen wurde. Um acht hatte das Diner bereit zu sein; die verbleibende Zeit verwandte Tesla darauf, seine formelle Abendgarderobe – einen weißen Frack mit einer weißen Fliege – anzulegen. Mit Ausnahme der wenigen Gelegenheiten, bei denen er gesellschaftliche Verpflichtungen nachzukommen hatte und Gäste zu Tisch lud, speiste er grundsätzlich allein.
Geldangelegenheiten hatte Telsa seit jeher als lästige Nebensachen betrachtet.
Nach 1888 war er gut fünfzehn Jahre lang mit allen Mitteln versehen, um seinen Verpflichtungen nachzukommen, und er führte dabei ein sehr gutes Leben. Als seine finanzielle Situation um das Jahr 1902 allmählich kritisch wurde, war sein Ruhm noch im Wachsen begriffen – und damit gleichfalls die Notwendigkeit, schon um der Zukunft seiner Projekte willen diesen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Er veranstaltete auch weiterhin große Dinnerpartys im Waldorf, um seinem gesellschaftlichen Ansehen gerecht zu werden, und konnte sich nur schwer daran gewöhnen, daß seine Mittel dazu eigentlich nicht mehr ausreichten. Bei einer dieser Gelegenheiten geschah es, daß eine große Tischgesellschaft bereits in einem der privaten Speisesäle versammelt war, als der Oberkellner Tesla zuflüsterte, daß exquisite Menü sei ganz nach seinen Wünschen vorbereitet und könne serviert werden, aber die Buchhaltung bestehe leider auf einer Bezahlung im voraus. Tesla war außer sich. „Teilen Sie dem Geschäftsführer mit, er möge doch Mr. Morgan (J.P. Morgan) anrufen, und ich werde mich gleich in seinem Büro einfinden.“
Innerhalb kürzester Zeit überbrachte ein Bote einen mehr als ausreichenden Scheck. Es sollte noch öfter zu solchen und ähnlichen Zwischenfällen kommen, aber die Unstimmigkeiten konnten in allen Fällen – für gewöhnlich ohne äußere Einmischung – im Büro des Geschäftsführers bereinigt werden.
In den Genuß einer Art Familienleben kam Tesla allein durch die Bekanntschaft mit dem Diplomaten, Dichter und Mitherausgeber des Century-Magazine Robert Underwood Johnson. Johnson wohnte im vornehmen Murray-Hill-Viertel der Madison Avenue; er und Tesla waren sehr eng miteinander befreundet. Einer ihrer vielen Berührungspunkte war die Hingezogenheit zur Dichtkunst. Im April des Jahres 1895 hatte Johnson im Century ein Gedicht über einen Besuch in Teslas Laboratorium veröffentlicht; dieses Gedicht sollte den Auftakt zu einem gemeinschaftlichen Unternehmen bilden, in dessen Verlauf Johnson serbische Poesie auf Grundlage der wörtlichen Übersetzungen Teslas – der Tausende von Versen auswendig hersagen konnte – im Englischen nachdichtete; etwa vierzig dieser Stücke veröffentlichte Johnson nebst einem Geleitwort Teslas in Buchform.
Berühmtheiten aller Gebiete gingen bei Johnson ein und aus, und er veranstaltete häufig festliche Diners, bei denen eine glänzende Tischgesellschaft zusammenkam. Auch Tesla war mitunter als geladener Gast zugegen, obwohl er derartige Diners so weit wie möglich zu meiden suchte. Formlose Besuche stattete er Johnson jedoch sehr oft ab; meist kam er unangemeldet und nicht selten zu ungewöhnlichen Zeiten. So war es etwa nicht außergewöhnlich, daß er noch um Mitternacht erschien, wenn sich die Familie eigentlich schon zurückgezogen hatte, dann saß er noch stundenlang mit „Bob“ und „Nick“ - Johnson und „Willi“ K. Vanderbilt waren die einzigen Männer, die er mit Vornamen anredete - beisammen und genoß den Austausch hochfliegender Gedanken.
Tesla Besuche bei Johnson währten stets viele Stunden. Er fuhr bei diesen Gelegenheiten immer in einem Einspänner vor, der vor dem Haus zu warten hatte, bis er wieder in sein nur wenige Blocks entferntes Hotel zurückkehren wollte. Die Johnson-Kinder wußten bald, sich diesen Umstand zunutze zu machen, denn wenn solch ein Besuch auf die frühen Morgenstunden fiel, durften sie normalerweise während dieser Zeit mit der Kutsche eine Spritztour durch den nahegelegenen Central Park machen.
Tesla fand großes Gefallen an der Oper und besuchte eine Zeitlang die Aufführungen recht regelmäßig. Die Logen von William K. Vanderbilt und vieler weiterer betuchter Abonnenten des Metropolitan Opera House standen ihm stets offen. Gelegentlich besuchte er auch das Theater. Seine Lieblingsschauspielerin war Elsie Ferguson, die - wie er sagte - sich wirklich zu kleiden wußte und überdies von allen Frauen, die er jemals auf der Bühne gesehen hatte, am meisten mit Grazie begabt war. Mit der Zeit ließ sein Interesse an Oper und Schauspiel zugunsten des Films nach, obwohl er eher selten ein Kino aufsuchte; Komödien und leichte Unterhaltung zog er dabei den tragischen Stoffen vor.
Einer seiner engsten Freunde war Konteradmiral Richmond Pearson Hobbson, der Held des spanisch-amerikanischen Krieges. In späteren Jahren sollte Hobson der einzige Mensch sein, der Tesla gelegentlich dazu bringen konnte, eine seiner der intellektuellen Arbeit gewidmeten Nachtwachen für einen Kinobesuch zu unterbrechen.
Wird fortgesetzt...
Im A & O das Geheimnis liegt - Omega siegt!