01.12.12004, 12:51
Laut der Erzählung einer Begegnung der Mórrigan mit dem Dagda, mit dem sie zu Samhain an einer Furt das Lager teilte, ist dies der Ursprung des Ortsnamen Lige ina Lánomhnou, was soviel bedeutet wie "das Bett des Paares". Später in der gleichen Erzählung wird der Ort auch als "Furt der Zerstörung" - Áth Admillte - benannt, da die Mórrigan Dagda entscheidende Hinweise zum Sieg über die Fomorians gibt, und verspricht, mit magischen Mitteln gegen sie vorzugehen, was sie auch tut.
Diese mythische Erzählung enthält gleich zwei interessante Aspekte. Einmal die Verbindung der Mòrrigan zur Jahreszeit (Samhain) und andererseits zu bestimmten Plätzen/Landschaften, bzw. deren Namen.
An vielen Stellen in der irischen Literatur werden besondere Landschaftsmerkmale, z.B. Hügel, Berge, Flüsse, Wasserfälle, Schluchten, etc. mit weiblichen G*ttheiten bzw. mythischen Gestalten in Beziehung gesetzt. Dabei tauchen auch die Mórrigan und ihre Schwestern immer wieder auf, und besonders fällt dabei auf, daß öfters derselbe Ort einmal nach Mórrigan, dann wieder nach Danu/Anu, der großen Erd- und Muttergöttin des frühen Irlands benannt wird. Besonders im Lebor Gabála Érenn, welches sich u.a. mit den familiären Beziehungen der Götter beschäftigt, wird Danu oft als Schwester oder auch einfach als anderer Name der Mórrigan genannt. So heißt es einmal, daß die Zauberin Ernmas sechs Töchter hatte, "Banba, Fotla und Ériu, und dann Badb und Macha und Mórrigan, deren Name Anand war" - an anderer Stelle wird Anand oder Ana als siebte Tochter genannt, und auch, daß nach ihr die beiden Hügel Cicha Anand in Urluachair "die Brüste Anands" heißen. Diese wiederum heißen auch "die Brüste der Mòrrigan".
Es wird deutlich, daß die Mórrigan eine starke Beziehung zur Erde, zum Land an sich hat, und sich an besonderen Plätzen als fruchtbare Göttin manifestiert.
Im Cath Maig Tuired findet sich noch ein Hinweis, der diese vermutete Beziehung von der Mórrigan zu Danu/Ana auch von der anderen Seite her beleuchtet. Hier fragt der Anführer der Thuatha de Danaan, der G*tt Lug, was die einzelnen zum bevorstehenden Kampf beitragen werden: "Und ihr, Bé Chuille und Danu" fragte Lug seine zwei Zauberinnen (das gälische Wort ist hier bantúathaid, eine gebräuchliche Bezeichnung der Mórrigan-Schwestern), "was könnt ihr in der Schlacht tun?" - "das ist schwer zu sagen", antworten sie. "Wir werden die Bäume und die Steine und Erdbrocken verzaubern, so dass sie ein bewaffneter Gegner für unsere Feinde sein werden; und diese werden erschreckt und zitternd fliehen". Hier benutzt eine Gestalt Danu magische Mittel in einer kriegerischen Situation, wie es von der Mórrigan vertraut ist - und tritt als Herrin über die Natur und die Erde auf, die sie zur Verteidigung bzw. zum Angriff gegen die Feinde aufzubringen weiß. Möglicherweise liegt hier der Schlüssel zum tieferen Verständnis der Mórrigan, die ursprünglich einer der dunkleren, todes- und anderweltorientierten Aspekte der frühkeltischen Erdgöttin gewesen sein mag. In einer veränderten Gesellschaft, in der das Land auch etwas war, um das gekämpft und Blut vergossen wurde, entstand die Vorstellung von düsteren Geistwesen, die aus einer Verbundenheit mit der Erde und naturmagischen Künsten sich in der Kriegssituation manifestierten, und in realistischer Weise auch die dunkle, blutige Seite der Kämpfe, den vielfachen Tod auf dem Schlachtfeld verkörperten.
Der zweite Anhaltspunkt in der Erzählung war das genannte Datum, nämlich Samhain. Dies war der Beginn des neuen Jahres und eine "Zeit zwischen den Welten". Der Name bedeutet "Ende des Sommers", denn die Kelten unterteilen das Jahr in grían beag und grían mor, die kleine und die große Sonne. Bis heute ranken sich viele Überlieferungen um dieses Fest, welches ursprünglich die herbstliche Erntezeit endgültig abschloß und den Abstieg ins winterliche Dunkel markierte. Es war ein Fest, an dem die Ahnen geehrt wurden, und die Grenzen zwischen der Anderwelt und der Alltagswirklichkeit verschwommen, deshalb nutzte man es für Weissagungen und Orakel. Früchte, die jetzt noch an den Bäumen hingen, durften nicht berührt werden, sie gehörten den Sidhe, den Ahnen und Erdgeistern. Viele düstere und spukhafte Vorstellungen ranken sich um dieses Fest, denn es führte wie kaum eine andere Zeit des Jahres die Nähe und Allgegenwart des Todes vor Augen. So wird in Irland von dunklen grausamen Vögeln (Raben?) erzählt, die an Samhain aus Felsspalten, oder auch aus dem Ozean auffliegen und Verwüstung über das Land bringen.
In der schottischen Folklore wird die dunkle und rauhe Jahreszeit, an grían beag, durch eine Gestalt verkörpert, die viele Ähnlichkeiten mit der Mórrigan und verwandten Gestalten zeigt: die Cailleach.
Ihr Name wird meist mit dem englischen hag gleichgesetzt. Cailleach bedeutet eigentlich "die Verschleierte" und in den Sagen wird sie meist dementsprechend beschrieben, als alte, in große Tücher gehüllte Frau, die teilweise mit der Figur der Bean Nighe, der Wäscherin, verschwimmt. Sie kann auch als junges Mädchen erscheinen, ebenso sich in einen Vogel oder ein Pferd verwandeln. Sie erscheint mit vielen verschiedenen Beinamen, so heißt sie z.B. Cailleach Dubha, die Schwarze oder Dunkle, was sich auf ihre Kleidung oder auch ihre Hautfarbe bezieht. In manchen Schilderungen ist ihr Rücken hohl, oder ihr Körper zur Hälfte blau, grau oder schwarz, was sie in Nähe ambivalenter Totengöttinnen wie Hel/Holla rückt. In Irland heißt sie meist Cailleach Bheara, nach der Halbinsel Beara, auf der angeblich die ersten menschlichen Siedler irischen Boden betraten.
In den schottischen Highland findet man sie in vielen Ortsbezeichnungen, insbesondere auf den westlichen Inseln. Die Cailleach erscheint in vielen schottischen Geschichten als die Erschafferin des Landes, sie geht als Riesin über die Erde und wirft Steine aus ihrer Schürze hinab, die zu Bergen werden, oder Schluchten und Täler formen. Ursprünglich soll sie in Lochlann gelebt haben (was als Hinweis auf Skandinavien oder auch die Ostseeküste gedeutet wird), doch dort gefiel es ihr nicht mehr - wahlweise waren es die Menschen, die dorthin kamen, die ihr nicht gefielen - und so schleppte sie Erde ins Meer im Westen, und baute sich dort ihr eigenes Reich. Das sind heute die Britischen Inseln.
Im Volksglauben Britanniens hat diese Gestalt sich lange gehalten, im chr*stlichen England hieß sie Carlin oder Cally Berry, auf der Insel Manx kennt man sie als Berrey Dhone, und in Cornwall als Berridraun. Häufig heißt sie auch Black Annis. Ein anderer Name ist Nicnevin, was sich von Nic an Neamhain (=Tochter der Nemain) ableitet und ebenfalls wieder ins Umfeld der Mórrigan deutet. Manchmal wird die Cailleach auch als Bronach (die Sorgenvolle) bezeichnet und dies ist ebenfalls ein Name, der auch als Beiname der Badb in der irischen Literatur erscheint. Diese Namensverwandtschaften sind jedoch nicht die einzigen Querverbindungen zur Mórrigan.
Cailleach verkörpert in Schottland die dunkle Zeit des Jahres, das winterliche kalte Land. Sie erscheint in der Zeit um Samhain, wandert mit einem Stock durch die wilden Berge und Moore und überall wo sie den Boden berührt, gibt es Frost und Schnee. Sie kann Sturm, Gewitter und Sturmfluten heraufbeschwören. Die Gänse, die um diese Zeit nach Süden fliegen, sind ihre Boten. In der jüngeren Schicht der Volkserzählungen im schottischen Hochland erscheint Cailleach auch unter der Bezeichnung Glaistig, in einer mehr und mehr negativen Konnotation. Den Jägern begegnen im Winter in einsamen Gegenden und abgelegenen Hütten weibliche Gestalten ihrer Freundinnen und Ehefrauen, saugen ihnen aber das Blut aus.
Wie die Bean Nighe wird auch die Gestalt der Glaistig bisweilen als Hausgeist einer Familie bezeichnet, die mit den Kindern und der Geburt zu tun hat, und immer wieder mit den Frauen einer Familie "vererbt" bzw. von der Braut in die Familie des Mannes gebracht wird. Sie weint, wenn der langjährige Besitz einer Familie verkauft wird, und der neue Hausbesitzer tut gut daran, sie durch eine Gabe günstig zu stimmen. Interessanterweise erscheinen all diese Gestalten als wohlwollend und unterstützend gegenüber Kindern, ärmeren alten Menschen, oder Frauen bei der Geburt, während gerade in den neuzeitlicheren Märchen ihre Bedrohlichkeit und Grausamkeit gegenüber männlichen Jägern im Vordergrund steht, was vermutlich auf die veränderte Wahrnehmung der Natur zurückzuführen ist.
Doch der dunkle, wolkenverhangene, stürmische Winter, die Zeit der Rabenfrauen aus der Anderwelt, ist eben letztlich nur die eine Seite der Medaille. Im Frühling, zu Beltaine oder auch schon zu Ám Feill Bride, dem Tag der Göttin Brigid, schlägt die Cailleach mit ihren Stock an einem Holunderbusch auf den Boden und verwandelt sich in einen Stein oder Baum oder verschwindet einfach.
In manchen Sagen verschwindet sie jedoch nicht einfach, sondern verwandelt sich im Frühling in die Erd- und Muttergöttin Brigid.
Brigid steht als dreifache Göttin der Schöpferkraft erstens für die Poesie, zweitens für die Handwerkskünste - insbesondere die Schmiedekunst - und drittens für die Fruchtbarkeit der Erde im Frühling, die Geburt von Menschen und Tierkindern und ebenso für Milch, Heilkräuter und heilkräftiges Wasser, sowie das Wissen der Hebammen. Stellt man ihr Mórrigan gegenüber, ergeben sich erstaunlich passende Verknüpfungspunkte. Mórrigan symbolisiert die spöttische, kämpferische und prophetische Dichtkunst, die Siege und Niederlagen kommentierte. Sie unterstützt die Kämpfer, nicht mit geschmiedeten Waffen, sondern mit der Waffe ihrer magischen Fähigkeiten. Und sie begleitet die Menschen ins Totenreich, sie verkörpert den destruktiven Aspekt der Natur- und Erdenergien, das Wasser des Flusses färbt sie rot.
Sowohl die Wäscherin als auch die Bean Sidhe und Cailleach sind ältere Motive, die nicht pauschal mit der Mórrigan gleichzusetzen sind, ebenso wenig wie die Mórrigan als jüngere Fortsetzung gesehen werden kann, sondern all diese Figuren scheinen unterschiedliche Ausprägungen einer facettenreichen Vorstellung der dunklen, winterlichen und tödlichen Aspekte weiblicher Übernatürlichkeit zu sein, die sich als Winterbringerin, Totenklägerin, Seelenbegleiterin präsentiert. Zunächst und ursprünglich ist sie eine Erdmutter, die Land, Tiere und die Jahreszeiten hütet, aber in Kriegssituationen manifestierte sie sich als Personifikation von Hass und Blutdurst, die über dem Schlachtfeld schwebte.
Während männliche Schutzgötter im indogermanischen Raum zumeist eine glorifizierte Sicht auf Krieg und Kampf verkörperten, wurde die keltische Kriegsgöttin aus der Vereinigung dunkler Erdgeister und Todesbotinnen zur machtvollen Metapher für den düsteren blutigen Horror, für die Realität der Schlachtfelder mit all ihren Konsequenzen.
aus einem Artikel von Claudia W. Striebe
Eigentlich bin ich durch einen Roman aus dem Avalon-Zyklus auf diesen Artikel gestoßen.
Daß ich ihn hier reinsetze hat zwei Gründe;
zum einen hege ich persönlich speziell für Macha ausgesprochen große Symphatien, und das bereits, seit sie mir das erste Mal begegnete.
Zum anderen stimme ich mit der Autorin u.a. in dieser Sache 100%ig überein:
durch die Mórrigan und ihre `Schwestern` aus anderen Kulturen wird ein Aspekt der Göttin beleuchtet, der sonst ganz allgemein nur allzu gerne unter den Teppich gekehrt wird.
Nichtsdestotrotz ist er vorhanden.
Lustig fand ich in diesem Zusammenhang auch die Beziehung zwischen Brunhild und ihrem Raben, wie sie in der Nibelungenverfilmung dargestellt wurde.
Diese mythische Erzählung enthält gleich zwei interessante Aspekte. Einmal die Verbindung der Mòrrigan zur Jahreszeit (Samhain) und andererseits zu bestimmten Plätzen/Landschaften, bzw. deren Namen.
An vielen Stellen in der irischen Literatur werden besondere Landschaftsmerkmale, z.B. Hügel, Berge, Flüsse, Wasserfälle, Schluchten, etc. mit weiblichen G*ttheiten bzw. mythischen Gestalten in Beziehung gesetzt. Dabei tauchen auch die Mórrigan und ihre Schwestern immer wieder auf, und besonders fällt dabei auf, daß öfters derselbe Ort einmal nach Mórrigan, dann wieder nach Danu/Anu, der großen Erd- und Muttergöttin des frühen Irlands benannt wird. Besonders im Lebor Gabála Érenn, welches sich u.a. mit den familiären Beziehungen der Götter beschäftigt, wird Danu oft als Schwester oder auch einfach als anderer Name der Mórrigan genannt. So heißt es einmal, daß die Zauberin Ernmas sechs Töchter hatte, "Banba, Fotla und Ériu, und dann Badb und Macha und Mórrigan, deren Name Anand war" - an anderer Stelle wird Anand oder Ana als siebte Tochter genannt, und auch, daß nach ihr die beiden Hügel Cicha Anand in Urluachair "die Brüste Anands" heißen. Diese wiederum heißen auch "die Brüste der Mòrrigan".
Es wird deutlich, daß die Mórrigan eine starke Beziehung zur Erde, zum Land an sich hat, und sich an besonderen Plätzen als fruchtbare Göttin manifestiert.
Im Cath Maig Tuired findet sich noch ein Hinweis, der diese vermutete Beziehung von der Mórrigan zu Danu/Ana auch von der anderen Seite her beleuchtet. Hier fragt der Anführer der Thuatha de Danaan, der G*tt Lug, was die einzelnen zum bevorstehenden Kampf beitragen werden: "Und ihr, Bé Chuille und Danu" fragte Lug seine zwei Zauberinnen (das gälische Wort ist hier bantúathaid, eine gebräuchliche Bezeichnung der Mórrigan-Schwestern), "was könnt ihr in der Schlacht tun?" - "das ist schwer zu sagen", antworten sie. "Wir werden die Bäume und die Steine und Erdbrocken verzaubern, so dass sie ein bewaffneter Gegner für unsere Feinde sein werden; und diese werden erschreckt und zitternd fliehen". Hier benutzt eine Gestalt Danu magische Mittel in einer kriegerischen Situation, wie es von der Mórrigan vertraut ist - und tritt als Herrin über die Natur und die Erde auf, die sie zur Verteidigung bzw. zum Angriff gegen die Feinde aufzubringen weiß. Möglicherweise liegt hier der Schlüssel zum tieferen Verständnis der Mórrigan, die ursprünglich einer der dunkleren, todes- und anderweltorientierten Aspekte der frühkeltischen Erdgöttin gewesen sein mag. In einer veränderten Gesellschaft, in der das Land auch etwas war, um das gekämpft und Blut vergossen wurde, entstand die Vorstellung von düsteren Geistwesen, die aus einer Verbundenheit mit der Erde und naturmagischen Künsten sich in der Kriegssituation manifestierten, und in realistischer Weise auch die dunkle, blutige Seite der Kämpfe, den vielfachen Tod auf dem Schlachtfeld verkörperten.
Der zweite Anhaltspunkt in der Erzählung war das genannte Datum, nämlich Samhain. Dies war der Beginn des neuen Jahres und eine "Zeit zwischen den Welten". Der Name bedeutet "Ende des Sommers", denn die Kelten unterteilen das Jahr in grían beag und grían mor, die kleine und die große Sonne. Bis heute ranken sich viele Überlieferungen um dieses Fest, welches ursprünglich die herbstliche Erntezeit endgültig abschloß und den Abstieg ins winterliche Dunkel markierte. Es war ein Fest, an dem die Ahnen geehrt wurden, und die Grenzen zwischen der Anderwelt und der Alltagswirklichkeit verschwommen, deshalb nutzte man es für Weissagungen und Orakel. Früchte, die jetzt noch an den Bäumen hingen, durften nicht berührt werden, sie gehörten den Sidhe, den Ahnen und Erdgeistern. Viele düstere und spukhafte Vorstellungen ranken sich um dieses Fest, denn es führte wie kaum eine andere Zeit des Jahres die Nähe und Allgegenwart des Todes vor Augen. So wird in Irland von dunklen grausamen Vögeln (Raben?) erzählt, die an Samhain aus Felsspalten, oder auch aus dem Ozean auffliegen und Verwüstung über das Land bringen.
In der schottischen Folklore wird die dunkle und rauhe Jahreszeit, an grían beag, durch eine Gestalt verkörpert, die viele Ähnlichkeiten mit der Mórrigan und verwandten Gestalten zeigt: die Cailleach.
Ihr Name wird meist mit dem englischen hag gleichgesetzt. Cailleach bedeutet eigentlich "die Verschleierte" und in den Sagen wird sie meist dementsprechend beschrieben, als alte, in große Tücher gehüllte Frau, die teilweise mit der Figur der Bean Nighe, der Wäscherin, verschwimmt. Sie kann auch als junges Mädchen erscheinen, ebenso sich in einen Vogel oder ein Pferd verwandeln. Sie erscheint mit vielen verschiedenen Beinamen, so heißt sie z.B. Cailleach Dubha, die Schwarze oder Dunkle, was sich auf ihre Kleidung oder auch ihre Hautfarbe bezieht. In manchen Schilderungen ist ihr Rücken hohl, oder ihr Körper zur Hälfte blau, grau oder schwarz, was sie in Nähe ambivalenter Totengöttinnen wie Hel/Holla rückt. In Irland heißt sie meist Cailleach Bheara, nach der Halbinsel Beara, auf der angeblich die ersten menschlichen Siedler irischen Boden betraten.
In den schottischen Highland findet man sie in vielen Ortsbezeichnungen, insbesondere auf den westlichen Inseln. Die Cailleach erscheint in vielen schottischen Geschichten als die Erschafferin des Landes, sie geht als Riesin über die Erde und wirft Steine aus ihrer Schürze hinab, die zu Bergen werden, oder Schluchten und Täler formen. Ursprünglich soll sie in Lochlann gelebt haben (was als Hinweis auf Skandinavien oder auch die Ostseeküste gedeutet wird), doch dort gefiel es ihr nicht mehr - wahlweise waren es die Menschen, die dorthin kamen, die ihr nicht gefielen - und so schleppte sie Erde ins Meer im Westen, und baute sich dort ihr eigenes Reich. Das sind heute die Britischen Inseln.
Im Volksglauben Britanniens hat diese Gestalt sich lange gehalten, im chr*stlichen England hieß sie Carlin oder Cally Berry, auf der Insel Manx kennt man sie als Berrey Dhone, und in Cornwall als Berridraun. Häufig heißt sie auch Black Annis. Ein anderer Name ist Nicnevin, was sich von Nic an Neamhain (=Tochter der Nemain) ableitet und ebenfalls wieder ins Umfeld der Mórrigan deutet. Manchmal wird die Cailleach auch als Bronach (die Sorgenvolle) bezeichnet und dies ist ebenfalls ein Name, der auch als Beiname der Badb in der irischen Literatur erscheint. Diese Namensverwandtschaften sind jedoch nicht die einzigen Querverbindungen zur Mórrigan.
Cailleach verkörpert in Schottland die dunkle Zeit des Jahres, das winterliche kalte Land. Sie erscheint in der Zeit um Samhain, wandert mit einem Stock durch die wilden Berge und Moore und überall wo sie den Boden berührt, gibt es Frost und Schnee. Sie kann Sturm, Gewitter und Sturmfluten heraufbeschwören. Die Gänse, die um diese Zeit nach Süden fliegen, sind ihre Boten. In der jüngeren Schicht der Volkserzählungen im schottischen Hochland erscheint Cailleach auch unter der Bezeichnung Glaistig, in einer mehr und mehr negativen Konnotation. Den Jägern begegnen im Winter in einsamen Gegenden und abgelegenen Hütten weibliche Gestalten ihrer Freundinnen und Ehefrauen, saugen ihnen aber das Blut aus.
Wie die Bean Nighe wird auch die Gestalt der Glaistig bisweilen als Hausgeist einer Familie bezeichnet, die mit den Kindern und der Geburt zu tun hat, und immer wieder mit den Frauen einer Familie "vererbt" bzw. von der Braut in die Familie des Mannes gebracht wird. Sie weint, wenn der langjährige Besitz einer Familie verkauft wird, und der neue Hausbesitzer tut gut daran, sie durch eine Gabe günstig zu stimmen. Interessanterweise erscheinen all diese Gestalten als wohlwollend und unterstützend gegenüber Kindern, ärmeren alten Menschen, oder Frauen bei der Geburt, während gerade in den neuzeitlicheren Märchen ihre Bedrohlichkeit und Grausamkeit gegenüber männlichen Jägern im Vordergrund steht, was vermutlich auf die veränderte Wahrnehmung der Natur zurückzuführen ist.
Doch der dunkle, wolkenverhangene, stürmische Winter, die Zeit der Rabenfrauen aus der Anderwelt, ist eben letztlich nur die eine Seite der Medaille. Im Frühling, zu Beltaine oder auch schon zu Ám Feill Bride, dem Tag der Göttin Brigid, schlägt die Cailleach mit ihren Stock an einem Holunderbusch auf den Boden und verwandelt sich in einen Stein oder Baum oder verschwindet einfach.
In manchen Sagen verschwindet sie jedoch nicht einfach, sondern verwandelt sich im Frühling in die Erd- und Muttergöttin Brigid.
Brigid steht als dreifache Göttin der Schöpferkraft erstens für die Poesie, zweitens für die Handwerkskünste - insbesondere die Schmiedekunst - und drittens für die Fruchtbarkeit der Erde im Frühling, die Geburt von Menschen und Tierkindern und ebenso für Milch, Heilkräuter und heilkräftiges Wasser, sowie das Wissen der Hebammen. Stellt man ihr Mórrigan gegenüber, ergeben sich erstaunlich passende Verknüpfungspunkte. Mórrigan symbolisiert die spöttische, kämpferische und prophetische Dichtkunst, die Siege und Niederlagen kommentierte. Sie unterstützt die Kämpfer, nicht mit geschmiedeten Waffen, sondern mit der Waffe ihrer magischen Fähigkeiten. Und sie begleitet die Menschen ins Totenreich, sie verkörpert den destruktiven Aspekt der Natur- und Erdenergien, das Wasser des Flusses färbt sie rot.
Sowohl die Wäscherin als auch die Bean Sidhe und Cailleach sind ältere Motive, die nicht pauschal mit der Mórrigan gleichzusetzen sind, ebenso wenig wie die Mórrigan als jüngere Fortsetzung gesehen werden kann, sondern all diese Figuren scheinen unterschiedliche Ausprägungen einer facettenreichen Vorstellung der dunklen, winterlichen und tödlichen Aspekte weiblicher Übernatürlichkeit zu sein, die sich als Winterbringerin, Totenklägerin, Seelenbegleiterin präsentiert. Zunächst und ursprünglich ist sie eine Erdmutter, die Land, Tiere und die Jahreszeiten hütet, aber in Kriegssituationen manifestierte sie sich als Personifikation von Hass und Blutdurst, die über dem Schlachtfeld schwebte.
Während männliche Schutzgötter im indogermanischen Raum zumeist eine glorifizierte Sicht auf Krieg und Kampf verkörperten, wurde die keltische Kriegsgöttin aus der Vereinigung dunkler Erdgeister und Todesbotinnen zur machtvollen Metapher für den düsteren blutigen Horror, für die Realität der Schlachtfelder mit all ihren Konsequenzen.
aus einem Artikel von Claudia W. Striebe
Eigentlich bin ich durch einen Roman aus dem Avalon-Zyklus auf diesen Artikel gestoßen.
Daß ich ihn hier reinsetze hat zwei Gründe;
zum einen hege ich persönlich speziell für Macha ausgesprochen große Symphatien, und das bereits, seit sie mir das erste Mal begegnete.
Zum anderen stimme ich mit der Autorin u.a. in dieser Sache 100%ig überein:
durch die Mórrigan und ihre `Schwestern` aus anderen Kulturen wird ein Aspekt der Göttin beleuchtet, der sonst ganz allgemein nur allzu gerne unter den Teppich gekehrt wird.
Nichtsdestotrotz ist er vorhanden.
Lustig fand ich in diesem Zusammenhang auch die Beziehung zwischen Brunhild und ihrem Raben, wie sie in der Nibelungenverfilmung dargestellt wurde.