Cathbad (keltischer Erzdruide) trifft Caesar
#3
»Wenn dir Arvernisch recht ist, kannst du den Dolmetscher wegschicken.«, sagte Caesar mit einem Blick auf den keltischen Erzdruiden.
»Ich habe gehört, daß du einige unserer Sprachen sprichst, aber warum Arvernisch?« fragte der Oberdruide.
»Eine Dienerin meiner Mutter, mit Namen Cardixa, war Arvernerin.«
Die Stirn des Druiden bewölkte sich. »Eine Sklavin.«
»Ursprünglich, aber nur wenige Jahre.«

Caesar musterte den obersten Druiden eingehend. Einen schönen gelbhaarigen Mann Ende vierzig in einer einfachen, langen Tunika aus weißem Leinen; er war glattrasiert und trug keinerlei Schmuck.

»Hast Du einen Namen, Oberdruide?«
»Cathbad.«
»Ich hatte einen älteren Mann erwartet, Cathbad.«
»Ich könnte dasselbe sagen, Caesar.« Cathbad musterte Caesar seinerseits. »Du bist blond wie ein Gallier. Ist das ungewöhnlich?«
»Eigentlich nicht. Ganz schwarze Haare sind im Grunde ungewöhnlich. Mann kann das an unseren dritten Namen ablesen, die sich oft auf ein körperliches Merkmal beziehen. Rufus, ein häufiger Beiname, weist auf rote Haare hin, Flavus und Albinus auf blonde. Jemand mit ganz schwarzen Haaren und Augen heißt Niger.«

»Und du Caesar, bist der Hohepriester der Römer?«
»Ja.«
»Du hast den Titel geerbt?«
»Nein, ich wurde zum Pontifex Maximus gewählt. Es ist ein Amt auf Lebenszeit wie bei allen unseren Priestern und Auguren, die auch alle gewählt werden. Unsere Staatsbeamten werden dagegen nur für eine einjährige Amtszeit gewählt.«
Cathbad sah ihn erstaunt an. »Auch ich wurde gewählt. Und du bist wirklich für die religiösen Rituale deines Volkes zuständig?«
»Wenn ich in Rom bin, ja.«

»Das erstaunt mich. Du warst der oberste Magistrat deines Volkes, und jetzt führst du Caesar eine Armee an. Trotzdem bist du der Hohepriester. Für uns ist das ein Widerspruch.«
»Für den Senat und das römische Volk paßt das durchaus zusammen.«, erwiderte Caesar freundlich. »Ich wiederum habe von den Druiden gehört, daß sie eine gesonderte Gruppe innerhalb des Stammes bilden, so daß man sie Intellektuelle nennen könnte.«
»Wir sind Priester, Ärzte, Anwälte und Dichter in einem.«, sagte Cathbad angestrengt freundlich.
»Aha, die Experten! Spezialisiert ihr euch?«
»Ein wenig, besonders die, die als Ärzte tätig sein wollen. Aber wir kennen alle die Gesetze, die Rituale, die Geschichte und die Lieder unseres Vokes, sonst wären wir keine Druiden. Um das zu lernen, braucht man zwanzig Jahre.«

Sie unterhielten sich im Hauptraum des öffentlichen Gebäudes von Cenabum und waren jetzt, nachdem der Dolmetscher gegangen war, ganz allein. Caesar trug die Toga und Tunika des Pontifex Maximus, ein prächtiges Gewand mit breiten Streifen in Scharlach und Purpur.

»Wie ich höre, schreibt ihr nichts auf.«, sagte Caesar. »Wenn also alle Druiden Galliens am selben Tag getötet würden, würde ihr Wissen mit ihnen sterben. Das wäre unvernünftig. Deshalb habt ihr eure Lehre doch sicher irgendwo auf Bronze, Stein oder Papier festgehalten! Schreiben ist hier doch nicht unbekannt.«
»Unter den Druiden schon, obwohl wir alle lesen und schreiben können. Aber wir schreiben nichts auf, was mit unserem Beruf zu tun hat. Wir lernen alles auswendig, und dazu brauchen wir zwanzig Jahre.«

Caesar nickte zustimmend. »Wirklich geschickt!«
Cathbad runzelte die Stirn. »Geschickt?«
»Das ist der beste Schutz für Leib und Leben. Niemand würde wagen, euch etwas zuleide zu tun. Kein Wunder, daß ein Druide furchtlos über ein Schlachtfeld schreiten und den Kampf beenden kann.«
»Aber das ist nicht der Grund!« rief Cathbad.
»Ich weiß, aber klug ist es trotzdem.« Caesar wechselte zu einem anderen heiklen Thema. »Stimmt es, daß Druiden keinerlei Steuern zahlen?«
»Das stimmt, wir zahlen keine Steuern.«, sagte Cathbad, das Gesicht eine steinerne Maske.
»Und nicht als Soldaten dienen?«
»Auch das stimmt.«
»Und keine niedrigen Arbeiten verrichten?«
»Du bist es, der geschickt argumentiert, Caesar. Deine Worte setzen uns ins Unrecht. Aber wir dienen, wir verdienen uns unseren Lohn. Wie ich schon sagte, wir sind Priester, Ärzte, Anwälte und Dichter.«
»Heiratet ihr?«
»Ja.«
»Und die Bevölkerung arbeitet für euch?«
Cathbad bliebt eisern ruhig. »Als Gegenleistung für unsere Dienste, die unersetzlich sind.«
»Ja, verstehe. Wirklich geschickt!«
»Ich hatte dich für taktvoller gehalten, Caesar. Warum willst du uns unbedingt kränken?«
»Ich will euch nicht kränken, Cathbad, mich interessieren nur die Fakten. Wir wissen in Rom sehr wenig über das Leben der gallischen Stämme, die mit uns bisher nicht in Kontakt gekommen sind. Polybios hat einige Worte über euch Druiden geschrieben, und auch einige andere, weniger bedeutende Historiker erwähnen euch. Aber ich muß dem Senat berichten, und man informiert sich am besten durch Fragen.« Caesar lächelte, doch es war kein freundliches Lächeln. Cathbad blieb unbewegt.

»Erzähle mir von den Frauen, gallischer Ober-Druide.«
»Frauen?«
»Ja. Ich habe festgestellt, daß man bei euch Frauen wie Sklaven foltern darf, aber keinen freien Mann, auch nicht den geringsten. Und offenbar ist Polygamie erlaubt.«
Cathbad straffte sich. »Wir kennen zehn verschiedene Stufen der Ehe, Caesar.«, sagte er würdevoll. »Dies ermöglicht, daß ein Mann mehrere Frauen ehelicht. Wir Kelten sind ein kriegerisches Volk. Die Männer sterben in der Schlacht, was bedeutet, daß es bei uns mehr Frauen gibt als Männer. Unsere Gesetze und Sitten wurden für uns geschaffen, nicht für Römer.«
»Vollkommen richtig.«
Cathbad sog den Atem hörbar ein. »Frauen haben ihren Platz. Sie haben wie Männer einen unsterblichen Geist, sie wechseln zwischen dieser Welt und der anderen. Und es gibt Priesterinnen.«
»Weibliche Druiden?«
»Nein, das nicht.«
»Auf jeden Unterschied kommt eine Gemeinsamkeit.«, sagte Caesar, und diesmal erreichte das Lächeln seine Augen. »Gemeinsam ist uns, daß auch wir unsere Priester wählen und Frauen nicht in Priesterämter zulassen, die den Männern wichtig sind. Die Unterschiede betreffen unseren Status als Männer - den Militärdienst, öffentliche Ämter, das Zahlen von Steuern.« Das Lächeln verschwand. »Cathbad, es ist nicht Ziel der Römer, die Götter und religiöse Praktiken anderer Völker zu stören. Du und deinesgleichen, ihr habt von mir oder Rom nichts zu befürchten, mit einer Ausnahme.

Die Menschenopfer müssen aufhören. Die Menschen töten einander überall und in allen Völkern, aber kein Volk an der Küste unseres Meeres tötet Männer - oder Frauen -, um die Götter gnädig zu stimmen. Die Götter verlangen keine Menschenopfer, und Priester, die das glauben, irren.«
»Die Menschen, die wir opfern, sind entweder Kriegsgefangene oder eigens zu diesem Zweck gekaufte Sklaven!« brauste Cathbad auf.
»Trotzdem muß das aufhören. Ihr legt die Opfer mit dem Gesicht auf die Erde und durchtrennt ihnen mit einem Schwerthieb die Wirbelsäule, um aus den Zuckungen des Körpers die Zukunft zu lesen. Das ist barbarisch, das muß aufhören.«
»Du lügst Caesar! Du und Rom, ihr seid eine Bedrohung für Sitten und Bräuche der Gallier! Ihr bedroht die Seele unsere Volkes.«
»Keine Menschenopfer«, wiederholte Caesar unbewegt und unerbitterlich.

....

So sprachen sie noch Stunden und lernten kennen, was der andere dachte. Als die Begegnung endete, war Cathbad zutiefst besorgt. Wenn Rom weiter nach Gallien vordrang, würde alles anders werden, und das Druidentum würde verkümmern und verschwinden. Deshalb mußte man die Römer vertreiben.

nachzulesen bei C. McCullough 1997
Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!
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