27.04.12005, 21:39
Vielleicht interessiert es den ein oder anderen ja auch. Über Ergänzungen freue ich mich.
Das Geschriebene bezieht sich übrigens nicht nur, aber doch in der Hauptsache auf die Hexenverfolgung in Deutschland, speziell im deutschen Südwesten.
Die Hexenverfolgung
Die historische Hexenverfolgung gehört zu den dunkelsten Kapiteln der europäischen Geschichte. An der Tatsache, daß eine unermeßlich scheinende Zahl von Menschen vom 15. bis zum 18. Jahrhundert jenen Verfolgungen zum Opfer fielen, haben sich früh schon, seit der Aufklärung, vielerlei Überlegungen - und Phantasien - entzündet. Manche Irrationalitäten waren dabei entstanden, die sich freilich mit dem changierenden und unterschiedlichen Hexenbild in Volksvorstellungen, Glaubenstraditionen, in Märchen und Literatur verbanden.
Vor etwa zwanzig Jahren setzte eine neue, wissenschaftlich gründlichere historische Erforschung der Hexenverfolgung ein.
Man weiß, daß wenigstens 40 000 Menschen den Verfolgungen zum Opfer fielen und oft genannte weitaus höhere Zahlen wohl einer kritischen Revision bedürfen. Man weiß, daß der Zahl der Opfer, die den Hexereiverdacht mit dem Leben bezahlen mußten, eine weitaus größere Zahl Verfolgter, Verdächtigter, Gefolterter, leichter Bestrafter zu Seite steht. Man weiß, daß die großen Hexenverfolgungen nicht als Phänomen des Mittelalters, wie oft irrig behauptet, sondern vielmehr der frühen Neuzeit anzusprechen sind: Nach den ersten Hexenprozessen im 15. Jahrhundert fanden sie ihren Höhepunkt in der Zeit zwischen 1560 und 1630 und ebbten dann bis ins 18. Jahrhundert hinein ab.
Und es ist klar erkennbar, daß mindestens 80 Prozent der Verfolgten Frauen waren. Anfänglich betraf es vor allem die arme, alte Frau, wie es einem geläufigen Klischee entspricht, später auch zunehmend junge Frauen, Männer und Kinder, einen Personenkreis, der während der großen Massenverfolgungen in einzelnen Gebieten auch der Ober- und Führungsschicht entstammen konnte.
Und doch weiß man bis heute vielleicht immer noch zu wenig. Außerordentlich komplex scheinen die treibenden historischen Kräfte, die im einzelnen oder im Verbund wirkten. Den Bestrebungen der Obrigkeit, der Theologen und Juristen stehen Verfolgungswünsche gegenüber, die aus der Mitte der Bevölkerung, bzw. einzelner Bevölkerungsgemeinschaften vorgebracht wurden. Frauenfeindlichkeit im theologischen und philosophischen Weltbild verband sich unterschiedlich mit der Verbreitung eines Magie- und Zauberglaubens, mit dem viele Menschen Unglück und Schicksalsschläge zu begreifen suchten, mit sozioökonomischen Faktoren, etwa den Hungerkrisen, die nach Ursachen fragen ließen, nach den dafür verantwortlichen `Sündenböcken`, durchaus auch mit gezielten Ausrottungsmechanismen gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Konkurrenz unter dem Deckmantel des Hexenvorwurfs.
Systematische, ausgedehnte Verfolgungen von Hexen sind geographisch auf jenes Europa beschränkt geblieben, das sich mit dem Einflußbereich der abendländischen Kirche, seit der Reformation mit dem der abendländischen Kirchen deckte. Auf das Abendland beschränkte sich aber nicht nur die Hexenverfolgung, sondern - in kausaler Verknüpfung - ebenso die kumulative Hexenvorstellung, der elaborierte Hexenbegriff; diese Vorstellung - um sie in der gebotenen Kürze zu kennzeichnen - bestand im wesentlichen aus fünf Hauptelementen:
1. der Vorstellung, daß die Hexe mit dem Teufel einen Pakt abschließt,
2. sie mit ihm den Geschlechtsverkehr vollzieht,
3. durch die Luft fliegen kann, um
4. zum Hexens*batt zu gelangen, sowie
5., daß die Hexe Schadenszauber auszuüben vermag.
Dieses letzte Element, der Glaube an die Möglichkeit von Zauberei, läßt sich durch das ganze Mittelalter beobachten und war wie die gelegentliche Bestrafung einzelner Zauberer in sehr vielen Kulturen verbreitet. Die kumulative Hexenvorstellung des Abendlandes fand ihren theoretisch begründeten Abschluß und damit vor allem auch die Vereinigung der vordem mehr oder weniger isolierten Elemente erst im 15. Jahrhundert. An diesem Prozess waren maßgeblich die von der päpstlichen Autorität getragene Sondergerichtsbarkeit zur Aufspürung von Häresien - kurz Inquisition genannt - beteiligt, vor allem ihre Vertreter aus dem Dominikanerorden. Die auf die Bekämpfung häretischer Sekten spezialisierten Inquisitoren übertrugen wesentliche Elemente ihres Feindbildes auf die früher in der Regel nur als Einzeltäter eingestuften Zauberer und erfanden auf diese Weise die `neue` Hexensekte.
Die Inquisition ging erstmals in der Schweiz, und zwar seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zur Verfolgug von Zauberern über. In Deutschland sind solche Versuche spätestens seit den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts zu beobachten. Ihr Drahtzieher war zumeist der Inquisitor Heinrich Kramer beziehungsweise Institoris aus dem Dominikanerkonvent von Schlettstadt im Elsaß. Auf ihn gehen die Ravensburger Hexenprozesse der Jahre nach 1484/85 zurück, die erste auf deutschem Boden nachweisbare große Hexenverfolgung. Als Institoris bei seinen Verfolgungen nicht überall die nötige Unterstützung durch den Diöszesanklerus fand, wandte er sich nach Rom und erlangte 1484 von der Kanzlei Innocenz`VIII. die Bulle `Summis desiderantes affectibus`, die sogenannte Hexenbulle.
Damit nicht genug, verfaßte Institoris den `Malleus maleficarum`, den `Hexenhammer`, der 1487 erstmals gedruckt wurde. In dieses Handbuch für Hexenverfolger ließ der Inquisitor sein ganzes theoretisches Wissen und Beispiele aus seiner Verfolgungspraxis einfließen. Im Vergleich mit den anderen, älteren Hexentraktaten erweist sich der Hexenhammer als wenig originell. Besondere Merkmale waren jedoch die Zuspitzung auf das weibliche Geschlecht und die Aufforderung an die weltlichen Gerichte Deutschlands zur eigenständigen Verfolgung.
Die Hexenverfolgungen zwischen dem Erscheinen des Hexenhammers und der Reformation gehen anscheinend noch weitgehend auf das Konto der Inquisition. Bald nach 1500 aber fanden in Deutschland die Hexenprozesse der kirchlichen Sondergerichte ein Ende. Seit etwa 1550 begann die seit längerem stagnierende Zahl von Hexenprozessen vor weltlichen Gerichten wieder zu steigen und erlangte rasch eine völlig neue Dimension, so daß die Historiker mit guten Gründen den Beginn der großen abendländischen Hexenverfolgung in die Jahre um 1560 datieren. Die meisten Hexenprozesse fanden in des Grenzen des Alten Reiches statt. Die Forschung hat lange im Banne aufgeklärten Entsetzens über dem `wüsten Wahnwitz der Hexengreuel` gestanden. Bei dieser von unverkennbarem Fortschrittsoptimismus getragenen Sichtweise blieben die Hintergründe der Prozesse, das soziale Umfeld der Opfer und ihrer Denuzianten nahezu völlig außer Betracht. Insofern verdanken wir der älteren Forschung zwar gründliche Kenntnisse über die Enstehung, Verbreitung und Bekämpfung der Hexenlehre sowie über den Ablauf der Prozesse, das tatsächliche Ausmaß der Verfolgungen aber und deren konkreter sozialgeschichtlicher Hintergrund kamen nicht ins Blickfeld.
Statt dessen setzte sich der Eindruck ständig und überall lodernder Scheiterhaufen fest. Zu der älteren Forschungsphase gehört zeitlich auch noch das von einer antikleralen Einstellung geprägte Interesse des Nationahlsoziealißmus an der Geschichte der Hexenverfolgung. Wie das 1935 eingerichtete `Annenärbe` steht das im gleichen Jahr beim esde etablierte `Hex-Sonderkommando` ebenfalls für den Versuch HHI, die politische Macht der XX auch auf den Bereich des geistigen Lebens auszudehnen. Die Mitarbeiter des `Hex-Sonderkommandos` haben zwischen 1935 und 1944 in großem Stil recherchiert und auf Tausenden von Fragebögen die Hexenprozessakten von nahezu 150 Archiven und Bibliotheken ausgewertet.
Um 1970 setzte eine neue Phase der Hexenforschung ein, die sich in Deutschland erstmals mit der Arbeit von Erik Midelfort bemerkbar machte. Der US-Amerikaner ließ seine Untersuchung 1972 unter dem Titel `Witch Hunting in Southwestern Germany 1562-1684` in Druck gehen. Midelfort bot zum ersten Mal eine territorial übergreifende, sozialgeschichtliche Untersuchung auf quantifizierender Grundlage.
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Das Geschriebene bezieht sich übrigens nicht nur, aber doch in der Hauptsache auf die Hexenverfolgung in Deutschland, speziell im deutschen Südwesten.
Die Hexenverfolgung
Die historische Hexenverfolgung gehört zu den dunkelsten Kapiteln der europäischen Geschichte. An der Tatsache, daß eine unermeßlich scheinende Zahl von Menschen vom 15. bis zum 18. Jahrhundert jenen Verfolgungen zum Opfer fielen, haben sich früh schon, seit der Aufklärung, vielerlei Überlegungen - und Phantasien - entzündet. Manche Irrationalitäten waren dabei entstanden, die sich freilich mit dem changierenden und unterschiedlichen Hexenbild in Volksvorstellungen, Glaubenstraditionen, in Märchen und Literatur verbanden.
Vor etwa zwanzig Jahren setzte eine neue, wissenschaftlich gründlichere historische Erforschung der Hexenverfolgung ein.
Man weiß, daß wenigstens 40 000 Menschen den Verfolgungen zum Opfer fielen und oft genannte weitaus höhere Zahlen wohl einer kritischen Revision bedürfen. Man weiß, daß der Zahl der Opfer, die den Hexereiverdacht mit dem Leben bezahlen mußten, eine weitaus größere Zahl Verfolgter, Verdächtigter, Gefolterter, leichter Bestrafter zu Seite steht. Man weiß, daß die großen Hexenverfolgungen nicht als Phänomen des Mittelalters, wie oft irrig behauptet, sondern vielmehr der frühen Neuzeit anzusprechen sind: Nach den ersten Hexenprozessen im 15. Jahrhundert fanden sie ihren Höhepunkt in der Zeit zwischen 1560 und 1630 und ebbten dann bis ins 18. Jahrhundert hinein ab.
Und es ist klar erkennbar, daß mindestens 80 Prozent der Verfolgten Frauen waren. Anfänglich betraf es vor allem die arme, alte Frau, wie es einem geläufigen Klischee entspricht, später auch zunehmend junge Frauen, Männer und Kinder, einen Personenkreis, der während der großen Massenverfolgungen in einzelnen Gebieten auch der Ober- und Führungsschicht entstammen konnte.
Und doch weiß man bis heute vielleicht immer noch zu wenig. Außerordentlich komplex scheinen die treibenden historischen Kräfte, die im einzelnen oder im Verbund wirkten. Den Bestrebungen der Obrigkeit, der Theologen und Juristen stehen Verfolgungswünsche gegenüber, die aus der Mitte der Bevölkerung, bzw. einzelner Bevölkerungsgemeinschaften vorgebracht wurden. Frauenfeindlichkeit im theologischen und philosophischen Weltbild verband sich unterschiedlich mit der Verbreitung eines Magie- und Zauberglaubens, mit dem viele Menschen Unglück und Schicksalsschläge zu begreifen suchten, mit sozioökonomischen Faktoren, etwa den Hungerkrisen, die nach Ursachen fragen ließen, nach den dafür verantwortlichen `Sündenböcken`, durchaus auch mit gezielten Ausrottungsmechanismen gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Konkurrenz unter dem Deckmantel des Hexenvorwurfs.
Systematische, ausgedehnte Verfolgungen von Hexen sind geographisch auf jenes Europa beschränkt geblieben, das sich mit dem Einflußbereich der abendländischen Kirche, seit der Reformation mit dem der abendländischen Kirchen deckte. Auf das Abendland beschränkte sich aber nicht nur die Hexenverfolgung, sondern - in kausaler Verknüpfung - ebenso die kumulative Hexenvorstellung, der elaborierte Hexenbegriff; diese Vorstellung - um sie in der gebotenen Kürze zu kennzeichnen - bestand im wesentlichen aus fünf Hauptelementen:
1. der Vorstellung, daß die Hexe mit dem Teufel einen Pakt abschließt,
2. sie mit ihm den Geschlechtsverkehr vollzieht,
3. durch die Luft fliegen kann, um
4. zum Hexens*batt zu gelangen, sowie
5., daß die Hexe Schadenszauber auszuüben vermag.
Dieses letzte Element, der Glaube an die Möglichkeit von Zauberei, läßt sich durch das ganze Mittelalter beobachten und war wie die gelegentliche Bestrafung einzelner Zauberer in sehr vielen Kulturen verbreitet. Die kumulative Hexenvorstellung des Abendlandes fand ihren theoretisch begründeten Abschluß und damit vor allem auch die Vereinigung der vordem mehr oder weniger isolierten Elemente erst im 15. Jahrhundert. An diesem Prozess waren maßgeblich die von der päpstlichen Autorität getragene Sondergerichtsbarkeit zur Aufspürung von Häresien - kurz Inquisition genannt - beteiligt, vor allem ihre Vertreter aus dem Dominikanerorden. Die auf die Bekämpfung häretischer Sekten spezialisierten Inquisitoren übertrugen wesentliche Elemente ihres Feindbildes auf die früher in der Regel nur als Einzeltäter eingestuften Zauberer und erfanden auf diese Weise die `neue` Hexensekte.
Die Inquisition ging erstmals in der Schweiz, und zwar seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zur Verfolgug von Zauberern über. In Deutschland sind solche Versuche spätestens seit den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts zu beobachten. Ihr Drahtzieher war zumeist der Inquisitor Heinrich Kramer beziehungsweise Institoris aus dem Dominikanerkonvent von Schlettstadt im Elsaß. Auf ihn gehen die Ravensburger Hexenprozesse der Jahre nach 1484/85 zurück, die erste auf deutschem Boden nachweisbare große Hexenverfolgung. Als Institoris bei seinen Verfolgungen nicht überall die nötige Unterstützung durch den Diöszesanklerus fand, wandte er sich nach Rom und erlangte 1484 von der Kanzlei Innocenz`VIII. die Bulle `Summis desiderantes affectibus`, die sogenannte Hexenbulle.
Damit nicht genug, verfaßte Institoris den `Malleus maleficarum`, den `Hexenhammer`, der 1487 erstmals gedruckt wurde. In dieses Handbuch für Hexenverfolger ließ der Inquisitor sein ganzes theoretisches Wissen und Beispiele aus seiner Verfolgungspraxis einfließen. Im Vergleich mit den anderen, älteren Hexentraktaten erweist sich der Hexenhammer als wenig originell. Besondere Merkmale waren jedoch die Zuspitzung auf das weibliche Geschlecht und die Aufforderung an die weltlichen Gerichte Deutschlands zur eigenständigen Verfolgung.
Die Hexenverfolgungen zwischen dem Erscheinen des Hexenhammers und der Reformation gehen anscheinend noch weitgehend auf das Konto der Inquisition. Bald nach 1500 aber fanden in Deutschland die Hexenprozesse der kirchlichen Sondergerichte ein Ende. Seit etwa 1550 begann die seit längerem stagnierende Zahl von Hexenprozessen vor weltlichen Gerichten wieder zu steigen und erlangte rasch eine völlig neue Dimension, so daß die Historiker mit guten Gründen den Beginn der großen abendländischen Hexenverfolgung in die Jahre um 1560 datieren. Die meisten Hexenprozesse fanden in des Grenzen des Alten Reiches statt. Die Forschung hat lange im Banne aufgeklärten Entsetzens über dem `wüsten Wahnwitz der Hexengreuel` gestanden. Bei dieser von unverkennbarem Fortschrittsoptimismus getragenen Sichtweise blieben die Hintergründe der Prozesse, das soziale Umfeld der Opfer und ihrer Denuzianten nahezu völlig außer Betracht. Insofern verdanken wir der älteren Forschung zwar gründliche Kenntnisse über die Enstehung, Verbreitung und Bekämpfung der Hexenlehre sowie über den Ablauf der Prozesse, das tatsächliche Ausmaß der Verfolgungen aber und deren konkreter sozialgeschichtlicher Hintergrund kamen nicht ins Blickfeld.
Statt dessen setzte sich der Eindruck ständig und überall lodernder Scheiterhaufen fest. Zu der älteren Forschungsphase gehört zeitlich auch noch das von einer antikleralen Einstellung geprägte Interesse des Nationahlsoziealißmus an der Geschichte der Hexenverfolgung. Wie das 1935 eingerichtete `Annenärbe` steht das im gleichen Jahr beim esde etablierte `Hex-Sonderkommando` ebenfalls für den Versuch HHI, die politische Macht der XX auch auf den Bereich des geistigen Lebens auszudehnen. Die Mitarbeiter des `Hex-Sonderkommandos` haben zwischen 1935 und 1944 in großem Stil recherchiert und auf Tausenden von Fragebögen die Hexenprozessakten von nahezu 150 Archiven und Bibliotheken ausgewertet.
Um 1970 setzte eine neue Phase der Hexenforschung ein, die sich in Deutschland erstmals mit der Arbeit von Erik Midelfort bemerkbar machte. Der US-Amerikaner ließ seine Untersuchung 1972 unter dem Titel `Witch Hunting in Southwestern Germany 1562-1684` in Druck gehen. Midelfort bot zum ersten Mal eine territorial übergreifende, sozialgeschichtliche Untersuchung auf quantifizierender Grundlage.
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