Starke Frauen
#1
Zwar ein bißchen verspätet, aber dennoch aktuell, möchte ich anläßlich des zurückliegenden Frauentages und des Geburtstages von Königin Luise ein paar Zeilen zu dieser einzigartigen Frau schreiben.

In der preußischen Geschichte gab es wohl nur zwei Frauen, die sich mit Herzblut und treuer Hingabe zum Heimatland engagierten und einen großen Verdienst an der Entwicklung Preußens und dadurch natürlich auch an Deutschland hatten. Beide trugen den Namen Luise.

Einmal Kurfürstin Luise Henriette von Oranien Nassau und Königin Luise Auguste Wilhelmine Amalie von Mecklenburg- Strelitz.
Beiden gebührt unsere Anerkennung. Dennoch möchte ich heute, anläßlich Ihres zurückliegenden 230. Geburtstages, meine Aufmerksamkeit Königin Luise widmen. Als einzige volkstümliche Königin des Hauses Hohenzollern galt Luise Auguste Wilhelmine Amalie, Königin von Preußen (1776-1810) - kurz Königin Luise genannt. Ihr Andenken wurde durch ihr bewegendes Lebensschicksal, ihr anmutig-schlichtes Wesen, ihre menschlich rührenden Züge, ihre Vaterlandsliebe und ihren frühen Tod verklärt.

Luise Auguste Wilhelmine Amalie erblickte am 10. März 1776 in Hannover das Licht der Welt. Ihr Vater, Karl II. Herzog von Mecklenburg-Strelitz (1741-1816), residierte als Gouverneur des englischen Königs in Hannover, das in Personalunion mit England verbunden war. Ihre Mutter, Friederike Prinzessin von Hessen-Darmstadt (1752-1782), starb, als Luise erst sechs Jahre alt war.
Als wenige Jahre danach auch die Stiefmutter starb, kamen Luise sowie ihre Schwestern Charlotte (1769-1818), Therese (1773-1839) und Friederike (1778-1841) im Jahre 1785 zu ihrer Großmutter nach Darmstadt in Hessen. Dort verbrachte Luise ihre Kindheit und Jugend. Sie wird als lebhaft und eigenwillig geschildert, und es heißt, sie habe nicht gerne gelernt. Da man damals keinen großen Wert auf Bildung der Mädchen legte, war ihr Bildungsstand entsprechend.
Im März 1793 begegnete Luise in Frankfurt am Main dem preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm III. (1770-1840). Die beiden verliebten sich ineinander und heirateten am 24. Dezember 1793 in Berlin. Aus der mustergültigen Ehe gingen zwischen 1795 und 1809 neun Kinder hervor, darunter die späteren Herrscher Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) und Wilhelm I. (1797-1888).

1797 bestieg Friedrich Wilhelm III. den preußischen Königsthron. Seine charmante, herzliche und auf natürliche Weise würdevolle Gemahlin übernahm unangenehme Repräsentationspflichten, begleitete ihn auf Inspektionsreisen und eroberte bald die Herzen der Bevölkerung. Luise zeichnete sich immer mehr durch Bildungsstreben aus und sah Ihre Notwendigkeit darin, Ihre Pflichten als Königin bestmöglichst wahrzunehmen. Für diese Zeit eher untypisch, daß eine Frau über soviel Wissen verfügte, wurde Ihr Bildungsstreben von prüden Zeitgenossen oftmals als unpassend angesehen.

Im Februar 1806 schloß das politisch isolierte Preußen ein Bündnis mit Frankreich und tauschte Kleve, Neuburg und Ansbach-Bayreuth für das Kurfürstentum Hannover ein. Als im August 1806 bekannt wurde, daß der französische Kaiser Napoléon I. (1769-1821) England die Rückgabe Hannovers anbot, trat Friedrich Wilhelm III. überstürzt in den Krieg gegen Frankreich ein. Während dieser schwierigen Zeit gab Luise, die eine entschiedene Gegnerin Napoleons war, ihrem unentschlossenen Mann mit ihrer Standhaftigkeit Halt.

Nach den für Preußen verlorenen Schlachten von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 mußte das Königspaar mit den Kindern im Januar 1807 vor den französischen Truppen nach Königsberg und Memel fliehen. Am 6. Juli 1807 führte die 31jährige Königin in Tilsit eine vergebliche Unterredung mit Napoléon I., bei der sie mildere Friedensbedingungen für Preußen erreichen sollte. Am 5. Juli 1807 kam Kaiser Alexander zu Luise und Friedrich Wilhelm und überbrachte einige Schriftstücke mit Forderungen Napoleons. Napoleons Oberstallmeister Caulaincourt stieß hinzu und überbrachte die Einladung. Kaiser Napoleon könne das neutralisierte Tilsit nicht verlassen, werde aber die Königin, wenn sie nach Tilsit komme besuchen und einladen. In einem Gespräch mit dem schwedischen Gesandten Karl Gustav von Brinckmann äußerte Königin Luise: "Ich bin erst dreißig Jahre, aber ich habe mich schon selbst überlebt."
Am Nachmittag des 6. Juli 1807 fuhr Königin Luise mitten durch russische und französische Truppen zur Memel, setzte mit einer Fähre über und traf sich in Tilsit mit Friedrich Wilhelm, Alexander und August Friedrich Graf von der Goltz, dem neuem Minister des Auswärtigen. Bald darauf wurde der französische Kaiser gemeldet.
Napoleon machte auf sie (wie sie der Gräfin Voß sagte) einen überraschend positiven Eindruck. Friedrich Wilhelm hatte sie vorgewarnt, er habe etwas Gemeines in seinem Aussehen. Die Königin konnte das nicht finden. - Leider hat Luise keine persönlichen Aufzeichnungen über das insgesamt nur 45 Minuten dauernde Gespräch gemacht. Jedoch haben zahlreiche Mitglieder ihrer Umgebung (darunter besonders der schwedische Gesandte von Brinckmann) das notiert, was sie ihnen nach dem Treffen berichtete. Der auf den zeitgenössischen Abbildungen immer wieder im Hintergrund dargestellte französische Außenminister Talleyrand hat an dem Gespräch nicht teilgenommen.
Luise, die selbstverständlich fließend französisch sprach, bedauerte, daß der Kaiser genötigt gewesen sei, eine derart hohe Treppe zu ihr hinaufzusteigen (er war beim Hinaufsteigen leicht gestolpert). Napoleon erwiderte gewandt: "Auf dem Wege zu einem solchen Ziele darf man vor keinem Hindernisse zurückschrecken." Mit einem Anflug von Ironie beklagte sie den für ihn und seine Truppen beschwerlichen Aufenthalt im nordisch kalten Preußen. Napoleon antwortete etwas verlegen mit einem Kompliment.
Dann kam Luise zur Sache. Sie sagte, daß sie sich über die Lage Preußens im klaren sei. Sie sei sich bewußt, daß man Opfer werde bringen müssen. Jedoch möge man Preußen nicht von Provinzen trennen, die seit Jahrhunderten dazu gehörten. Insbesondere machte sie sich wiederholt für Magdeburg stark, das unter allen Umständen bei Preußen bleiben müsse.
Napoleon versuchte auszuweichen und machte Komplimente. "Sie tragen da ein schönes Kleid," bemerkte er. "Wo ist es gearbeitet? in Breslau? Macht man Krepp in Ihren Fabriken?" "Sollen wir jetzt über Putz reden in diesem Augenblicke?" erwiderte die Königin. Verdutzt mußte der Kaiser feststellen, daß seine Scherze nicht fruchteten. Luise war schlagfertig und charmant. Später hat Napoleon gestanden, daß er Luise die Gesprächsführung habe lassen müssen (es finden sich in Napoleons Geschichte keine weiteren Beispiele dafür). Nochmals versuchte sie, seine edleren Gefühle anzusprechen. Sie sagte, seine Siege würden ihm doppelt Ehre machen, wenn er sich auch Rechte auf Dankbarkeit erwerbe. Mit Worten wie Großmut und Hochherzigkeit versuchte sie Mitleid und Menschlichkeit zu bewirken. Sie setzte sich entschieden auch für die Zukunft ihres Gatten und ihrer Kinder ein, wie man es von einer Ehefrau und Mutter nur erwarten konnte.
Napoleon war in die Enge getrieben, aber er konterte mit Höflichkeit. Immerhin konnte sie ihm ein "wir wollen sehen" abringen. - In diesem Augenblick betrat Friedrich Wilhelm III. den Raum. Wäre er nur ein wenig länger im Vorzimmer geblieben! Man weiß nicht, was Luise vielleicht noch erreicht hätte. Napoleon sagte am selben Tag zu Kaiser Alexander: "Er erschien zur rechten Zeit. Eine Viertelstunde später, und ich würde der Königin alles versprochen haben." - Noch einige Komplimente, dann verabschiedete sich Napoleon. Luise blieb hoffnungsfroh zurück.

Am Abend fuhr Luise zum Diner zu Napoleon. Er empfing sie auf der Straße und führte sie zum Essen hinauf, an dem außer Napoleon und dem Königspaare Kaiser Alexander I, dessen Bruder Großfürst Konstantin Pawlowitsch, Prinz Heinrich von Preußen, Kronprinz Ludwig von Bayern, Gräfin Voß und Joachim Murat, Napoleons Schwager teilnahmen. Die Stimmung war gut, die Unterhaltung lebhaft. Napoleon fragte, wie nur Preußen mit seiner geringen Macht einen Krieg gegen ihn habe anfangen können. Luise gab darauf die berühmte Antwort: "Sire, der Ruhm Friedrichs des Großen hat uns über unsere Mittel geteuscht." Diese Episode geht auf französische Quellen zurück. Talleyrand berichtete später, dies habe großen Eindruck auf Napoleon gemacht. Napoleon verehrte Friedrich II.
Nach Tisch bearbeitet die Königin Napoleon erneut und legte sich besonders für Magdeburg ins Zeug. Eine Rose, die ihr der Kaiser anbot, wollte sie nur mit dem Versprechen der Rückgabe Magdeburgs annehmen. Später, als die Königin die Tafel bereits verlassen hatte, sagte Napoleon zu Kaiser Alexander: "Die Königin von Preußen ist eine reizende Frau, ihre Seele entspricht ihrer Gestalt; auf Ehre, anstatt ihr eine Krone zu nehmen, möchte man versucht sein, ihr eine zu Füßen zu legen." Nach dem Treffen stieg die Hoffnungsfreude in hohem Maße. Alexander und auch einige Franzosen begückwünschten Luise zu dem Erfolg, den sie errungen habe. - Die Hoffnungsträume währten nur eine kurze Sommernacht.
Am Morgen des 7. Juli 1807 ließ Napoleon den Grafen von der Goltz zu sich rufen, um ihm die Friedensbedingungen zu diktieren. Er sei mit Rußland zu einem Einverständnis gekommen. Der König von Preußen habe es nur Kaiser Alexander zu verdanken, daß man ihn und seine Dynastie nicht davongejagt und seinen Bruder Jerome zum König von Preußen gemacht habe. Bessere Bedingungen seien ein für alle Mal unmöglich. Die Zeit der Verhandlungen sei vorüber. Es folgten Schmähungen gegen Friedrich Wilhelm III. und kritische Bemerkungen über Luise. Schließlich: "Wenn die Rache mir die Vernichtung Preußens als Großmacht diktiert, so werden meine politischen Kombinationen die Interessen Frankreichs sicherzustellen wissen."
Es zeigte sich also nicht die geringste Spur einer Milderung, ganz im Gegenteil. Talleyrand machte in der Zusammenkunft deutlich, daß der Friedensvertrag ohne jede Aussicht auf Milderung binnen zwei Tagen unterschrieben werden müsse. Er ließ dabei Goltz noch nicht einmal Zeit, den Vertragsentwurf, den er bei sich führte und ihm zeigte, zu lesen.

Am Abend des 7. Juli holte Berthier Luise zum Diner mit Napoleon ab. Die Stimmung war auf dem Nullpunkt. Gleichwohl richtete die Königin, die über die letzten Vorkommnisse im Bilde war, einige bittende Worte an Napoleon. "Wie können Sie mir noch zu guter Letzt etwas abpressen wollen!" war seine Erwiderung. Napoleon und Luise schieden voneinander und sahen sich nicht wieder. Die Schmähungen der französischen Zeitungen waren von Stund an beendet.
Luise war nach dem vergeblichen Gespräch mit Napoleon geistig und körperlich am Ende, wie sie ihrem Bruder Georg schrieb. Welche Konsequenzen der Bittgang auf lange Sicht jedoch haben würde, konnte sie nicht ahnen. Das Echo der Geschichte machte den Moment der tiefsten Erniedrigung im Nachhinein zu einem Triumph von geradezu mythologischer Bedeutung. Der Opfergang hatte die Legende.

Weieterhin unterstütze Luise den neuen Reformenkurs von Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein (1757-1831) und Karl August von Hardenberg (1750-1822). Stein wurde nach dem Frieden von Tilsit am 30. September 1807 als leitender Minister in die preußische Regierung berufen, mußte im November 1808 vor Napoléon flüchten und wurde politischer Berater des russischen Zaren Alexander I. (1777-1825). Hardenberg, den man 1807 nach dem Frieden von Tilsit auf Befehl Napoléons als leitenden Minister entließ, wurde 1810 zum Staatskanzler in Preußen und 1814 zum Fürst ernannt.
Ende 1809 kehrte Königin Luise nach Berlin zurück. Im Sommer 1810 erkrankte sie an einer Lungenentzündung, der sie am 19. Juli 1810 im Alter von nur 34 Jahren in Hohenzieritz bei Neustrelitz (Mecklenburg) erlag. Sie wurde in einem bescheidenen Mausoleum in Berlin-Charlottenburg beigesetzt.

Heinrich von Kleist (1777-1811), Achim von Arnim (1781-1831), Clemens Brentano (1778-1842), Friedrich de la Motte-Fouqué (1777-1843), Theodor Körner (1791-1813), Friedrich Rückert (1788-1866) und François René de Chateaubriand (1768-1848) widmeten der sympathischen Königin lyrische Huldigungen und Totenklagen. Heinrich von Kleist pries Luise mit folgenden Worten: "Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert; Du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert, Wenn er durch finstre Wetterwolken bricht!" Als Napoléon von Luises Tod erfuhr, sagte er, seine größte Feindin sei gestorben.

Das sollte nur ein kurzer Einblick in das Leben von Königin Luise sein. Es zeigt eine der wohl geistig stärksten Frauen der deutschen Geschichte. Sie zeigt, wie man der Rolle als Frau auch in heutiger Zeit gerecht werden kann. In ihr vereinigten sich Schönheit und Anmut mit Klugheit und Geist. Ich denke eine sehr schöne Kombination, dessen Vorbild es nachzueifern gilt. Lächeln

Liebe Grüße Iduna

Froher Sinn bringt Gewinn!
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[Kein Betreff] - von Inara - 17.03.12006, 12:43
RE: Starke Frauen - von Paganlord - 23.11.12011, 00:09
RE: Starke Frauen - von Hælvard - 04.12.12011, 13:24
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Re: Starke Frauen - von Maurynna - 22.08.12010, 09:48

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