Der Tod des Marcus Licinius Crassus
#16
Zu der Zeit, als ich Antipater in Tyrus kennenlernte, verfügte ich zwar über zwei gute, einsatztaugliche Legionen, aber ein Feldzug, bei dem sie sich hätten bewähren können, war nicht in Sicht. Das sollte sich jedoch sehr schnell ändern. Nun, da die Parther keine Bedrohung mehr darstellten, sorgten die Juden für Unruhe. Obwohl Aristobulos und sein Sohn Antigonus nach dem von ihnen angezettelten Aufstand von Gabinius nach Rom ausgeliefert worden waren, hielt ein anderer Sohn des Aristobulos namens Alexander den Zeitpunkt für gekommen, den von Gabinius mit – wie ich ausdrücklich hinzufügen möchte – tatkräftiger Unterstützung des Antipater als Herrscher eingesetzten Hyrcanus vom jüdischen Thron zu stürzen. Na ja, ganz Syrien wußte, daß der Statthalter nur ein einfacher Quästor war; das war natürlich eine einmalige Gelegenheit. Mit Malichus und Peitholaus waren zwei weitere hochrangige Juden an Alexanders Verschwörung beteiligt.

Ich marschierte also in Richtung Hierosolyma, oder auch Jerusalem, wenn Dir dieser Name eher zusagt. Schon bald stieß ich auf die aufständische, über dreißigtausend Mann starke jüdische Armee. Die Schlacht fand an der Stelle statt, wo der Jordan aus dem See Genezareth fließt. Ja, wir waren zahlenmäßig weit unterlegen, aber Peitholaus, der jüdische Oberbefehlshaber, hatte einfach einen militärisch unerfahrenen Haufen aus dem Landesinneren Galiläas zusammengetrieben, den Männern Töpfe auf die Köpfe und Schwerter in die Hände gedrückt und ihnen befohlen, ins Feld zu ziehen und zwei ausgebildete und disziplinierte römische Legionen zu schlagen. Ich besiegte sie haushoch, wodurch meine Legionäre einen Großteil ihres Selbstvertrauens zurückgewannen. Noch auf dem Schlachtfeld feierten sie mich als Imperator, obwohl ich bezweifle, daß der Senat einem einfachen Quästor einen Triumph bewilligt. Antipater riet mir, Peithlaus hinzurichten, und ich zögerte nicht, seinen Rat zu befolgen. Antipater ist kein skenitischer Verräter, obwohl anscheinend viele Juden meine Einschätzung nicht teilen. Sie wollen ihr Land natürlich regieren, ohne daß Rom ihnen dabei ständig über die Schultern guckt. Antipater scheint der einzige Realist unter ihnen zu sein, denn Rom wird bleiben.

Bei der Schlacht waren nicht viele Galiläer ums Leben gekommen. Ich schickte dreißigtausend von ihnen zu den Sklavenmärkten in Antiochia, wodurch ich zum ersten Mal persönlich vom Oberbefehl über eine Armee profitieren konnte. Tertulla wird also einen wesentlich reicheren Mann heiraten!

Antipater ist ein guter Mann. Vernünftig, scharfsinnig und ungeheuer bemüht, Rom zu gefallen und die Juden davon abzuhalten, sich gegenseitig umzubringen. Sie scheinen nicht miteinander auszukommen, wenn kein Außenstehender wie die Römer oder früher die Ägypter sie von ihren Problemen ablenkt.

Hyrcanus sitzt also nach wie vor auf seinem Thron und bekleidet das Amt des Hohepriesters. Und Malichus und Alexander, die überlebenden Rebellen, kuschen mittlerweile, ohne zu murren.

Und nun komme ich zum letzten Abschnitt der ungewöhnlichen Karriere des Marcus Crassus. Obwohl er nach der Schlacht von Carrhae dort gestorben war, stand ihm noch eine letzte Reise bevor. Der Pahlawi Surenas ließ ihm nämlich Kopf und rechte Hand abhacken und schickte beides in einem makabren Umzug von Carrhae in die armenische Hauptstadt Artaxata hoch im Norden, inmitten eines gewaltigen Schneegebirges, von dem der Araxes ins Kaspische Meer hinabfließt. Dort hatten König Orodes und König Artavasdes gerade beschlossen, künftig nicht mehr Feinde, sondern Brüder zu sein und diesen Pakt mit einer Hochzeit zu besiegeln. Pacorus, der Sohn des Orodes, bekam Laodice, die Tochter des Artavasdes, zur Frau. Wie Du siehst, ist dort nicht alles anders als in Rom.

Während also in Artaxata die Hochzeitsfeierlichkeiten begannen, begab sich der schauerliche Umzug auf seinen Weg nach Norden. Die Parther hatten einen Zenturio names Gaius Paccianus in ihre Gewalt gebracht, den sie aufgrund seiner verblüffenden Ähnlichkeit mit Crassus am Leben ließen – beide waren groß, dabei aber so untersetzt, daß sie schon wieder klein wirkten, und von einer gewissen Schwerfälligkeit. Sie zogen ihm die Toga praetexta des Crassus über und ließen als Liktoren verkleidete Spaßmacher vor ihm herumspringen; sie schwenkten Rutenbündel, die mit römischen Eingeweiden zusamengebunden und mit Geldbeuteln sowie Köpfen von Crassus’ Legaten verziert waren. Hinter dem falschen Marcus Crassus stolzierten Huren und Tänzerinnen. Musikanten gaben unflätige Lieder zum besten, und Pornohefte, die man im Gepäck des Tribunen gefunden hatte, wurden herumgezeigt. Als nächstes folgten Kopf und Hand des Crassus und als Nachhut schließlich unsere sieben Adler.

König Artavasdes von Armenien scheint ein fanatischer Liebhaber griechischer Dramas zu sein, und da auch Orodes griechisch spricht, wurden bei der Hochzeit von Pacorus und Laodice unter anderem einige berühmte griechische Stücke aufgeführt. An jenem Abend, an dem der Umzug in Artaxata eintraf, fand eine Aufführung der Bakchen des Euripides statt. Du kennst das Stück ja. Die Rolle der Königin Agaue wurde von Jason von Tralles gespielt, einem berühmten Schauspieler der Stadt. Noch berühmter als für seine glänzende Darstellung weiblicher Rollen ist Jason von Tralles jedoch für seinen Haß auf Römer.

Bekanntlich trägt Agaue bei ihrem Auftritt in der letzten Szene einen Teller mit dem Kopf ihres Sohnes König Pentheus, den sie bei einer bacchantischen Orgie eigenständig enthauptet hat. Als es soweit war, erschien Königin Agaue auf der Bühne. Auf dem Teller, den sie in den Händen hielt, lag der Kopf des Marcus Crassus. Jason von Tralles stellte den Teller hin, riß sich die Maske vom Gesicht und hob Crassus’ Kopf hoch, was nicht schwierig war, da Crassus sich wie viele kahlköpfige Männer die Haare am Hinterkopf hatte lang wachsen lassen, damit er sie nach vorn kämmen konnte. Mit triumphierendem Grinsen ließ der Schauspieler nun den Kopf wie eine Lampe hin- und herschwingen.

„Gesegnet das Opfer, das ich bringe, frisch vom Rumpf getrennt!“ rief er.
„Wer erschlug ihn?“ fragte der Chor im Sprechgesang.
„Mein ist der Ruhm!“ schrie mit gellender Stimme Pomaxarthres, ein hoher Offizier aus dem Heer des Pahlawi Surenas.
Anschließend wurden Kopf und rechte Hand des Crassus auf den Zinnen der Mauern von Artaxata zur Schau gestellt, wo sie, soviel ich weiß, heute noch zu sehen sind, während sein Körper an der Stelle bei Carrhae, wo Crassus den Tod fand, den Geiern zum Fraß überlassen wurde.

Ende
Kein besserer Freund – kein schlimmerer Feind!
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[Kein Betreff] - von Hælvard - 03.05.12007, 23:14
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Re: Der Tod des Marcus Licinius Crassus - von Hælvard - 10.08.12008, 17:46
Re: Der Tod des Marcus Licinius Crassus - von dennis - 22.10.12008, 17:13
Re: Der Tod des Marcus Licinius Crassus - von Benu - 22.10.12008, 17:42
Re: Antike Reden und Legenden - von Hælvard - 22.08.12010, 09:08
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Re: Antike Reden und Legenden - von Paganlord - 22.08.12010, 13:53
Re: Der Tod des Marcus Licinius Crassus - von Maurynna - 22.08.12010, 14:01
Re: Der Tod des Marcus Licinius Crassus - von KATANA - 23.08.12010, 00:18
Re: Der Tod des Marcus Licinius Crassus - von Maurynna - 23.08.12010, 10:21

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