Unharmonische Gebäude
#8
Umbau Regierungsgebäude Wien
 2014–2023 n. d. Z.

Daß sich im Untergrund des österreichischen Parlaments einiges getan hat, hat Nino bereits in seinem Beitrag erwähnt. Daran möchte ich an dieser Stelle anknüpfen und die meiner Meinung nach noch erwähnenswerten Änderungen vom Untergrund bis hinauf zum Dach des Parlaments zusammentragen.


Untergrund

Eine Auffälligkeit, die sich bei einem kurzen Blick auf die Eckdaten der Umbauarbeiten schnell zeigt, ist, daß das Besucherzentrum, welches sich im Untergrund unter dem Haupteingang befindet, bereits im Jahr 2005 renoviert wurde. Zu dem Zeitpunkt als die Notwendigkeit der erneuten Umbauarbeiten beschlossen wurden (2014), war dieses somit noch keine 10 Jahre alt.
Hier stellt sich die Frage, warum nach so kurzer Zeit ein erneuter Eingriff und eine so große Investition in diesem Bereich notwendig ist.

Nun haben sich die unterirdischen Umbauarbeiten allerdings nicht nur auf den Bereich des Besucherzentrums beschränkt.

     

Auf diesem Plan wird bei genauer Begutachtung sichtbar, daß im Untergrund große Umbauarbeiten über die Fläche des gesamten Parlamentsgebäudes stattgefunden haben.
In beige/ocker ist hier der Abbruch der bestehenden Gebäudeteile und Fundamente ersichtlich.

Ich habe dazu auch Fotos gefunden, auf denen ebenfalls sichtbar ist, daß das Gebäude nach unten hin erweitert wurde. Der in den Plänen ersichtliche „öffentlichkeitstaugliche“ Grund dafür ist der Einbau einer neuen Belüftungsanlage. Daß bei den Erweiterungsarbeiten im Kellerbereich auch andere Orte als die Technik-Räume hergestellt oder verbunden wurden, kann nur vermutet werden.

   

Es ist beispielsweise bekannt, daß der Bunker, in welchem die Abgeordneten im Krisenfall evakuiert werden, sich nahe des Parlaments befindet. Dieser kann vom Parlament aus unterirdisch erreicht werden. Darüber hinaus gibt es auch eine unterirdische Verbindung zwischen Rathaus und Parlament, aber dies nur am Rande (https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Luftschutzstollen).


Innenräume

Bei der Betrachtung der neugestalteten Räumlichkeiten ist zu erkennen, daß an vielen Stellen die historischen, reich verzierten architektonischen Elemente glatten, kühlen Oberflächen weichen mussten.

Die Auswahl der Materialien in den neuen Bereichen beschränkt sich, bis auf wenige Ausnahmen, auf Glas, metallische Oberflächen und Kunststoffe, die gewählten Farben sind hauptsächlich grau und grau-blau. Die Wirkung, die dadurch entsteht, ist kühl, leblos, starr und steril. Selbst die wenigen Massivholz-Elemente, welche innerhalb des Nationalratssaals an den Fronten der Arbeitsplätze angebracht sind, werden grau geölt.

   


In der Vergangenheit baute man mit regionalen Materialien. Diese waren vor Ort erhältlich und stammten zum Großteil von natürlichen Quellen. Holz, Stein, Putze und Farben auf mineralischer Basis (atmungsaktiv) waren hier die gängigen Materialien. Detailreiche Verzierungen schmückten die Gebäude. Oft wurden Darstellungen aus mythologischen Erzählungen als Wandgestaltungen gewählt, die Kraft der Runen genutzt, indem diese als statische oder gestalterische Elemente in die Gebäude eingebaut wurden, wie man es beispielsweise bei Fachwerkhäusern kennt. Die Architektur war detailreich und stets in einer gewissen Ordnung gegliedert, welche sich sowohl im Grundriss als auch in den Ansichten der Gebäude wiederfand.

   

Dies erkennt man beispielsweise an dem noch bestehenden Sitzungssaal der Bundesversammlung.
Die Regelmäßigkeit und Ordnung ist deutlich zu sehen. Man erkennt hier aber auch eine Richtung, in die die Energie des Saals fließt: Alles läuft zentral zusammen und ist auf die kreisförmige Oberlichte über dem Rednerpult ausgerichtet. Der Giebel der angedeuteten Tempelfront im Hintergrund verstärkt diese Wirkung meiner Meinung nach ebenfalls.

Die „neuen“ Materialien, welche zumeist in der zeitgenössischen Architektur eingesetzt werden, bestehen häufig aus Kunststoff-Verbindungen oder Metallen und Gläsern mit Kunststoff-Einlagen. Diese Baustoffe sind Massenware, welche am Laufband produziert werden. Die Materialien sollen leicht zu reinigen, schnell produzierbar und vor allem günstig sein.
Genau das strahlen sie auch aus.

   


Das Dach

Damit kommen wir zu dem letzten Punkt, den ich an den Umbauarbeiten ebenfalls interessant finde.
Wie Nino bereits erwähnte, wurde der Nationalratssaal nach den Kriegs-Schäden bereits einmal umgebaut und modernisiert, die ursprüngliche Dachform wurde dabei aber wieder hergestellt, so dass die Symmetrie des Gebäudes erhalten blieb.

   

Neu ist bei diesem Umbau, daß sich nicht nur der Innenraum, sondern auch die Dachform verändert. Das neue Dach bildet eine nach außen gebeugte Wölbung (konvex), welche in einen trichterartigen Kegel übergeht, welcher sich nach innen hinwendet. Damit wird der Energiefluss umgekehrt und nach innen gelenkt.

In der Folgenden Darstellung sieht man einen Schnitt quer durch das Parlamentsgebäude nach den erneuten Eingriffen in die Architektur. Auf der linken Seite ist der umgebaute Nationalratssaal zu sehen.

   

Meiner Interpretation nach geht die aussendende Wirkung hiermit verloren, und der Nationalratssaal wird vom Sender zum (Befehls-) Empfänger.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Unharmonische Gebäude - von verdandi - 03.04.12018, 11:06
RE: Unharmonische Gebäude - von Andrea - 03.04.12018, 18:32
RE: Unharmonische Gebäude - von verdandi - 03.04.12018, 21:23
Harmonische Gebäude - von Paganlord - 06.11.12022, 23:10
RE: Unharmonische Gebäude - von THT - 07.11.12022, 00:13
Architektur - von Dancred - 05.12.12022, 10:25
EuFe - von Paganlord - 08.11.12024, 10:00
RE: Architektur - von Nino - 06.12.12022, 21:06
Architektur - von Alva - 07.12.12022, 23:47
RE: Architektur - von THT - 08.12.12022, 22:44
RE: Architektur - von THT - 08.12.12022, 23:50
Architektur - von Paganlord - 29.12.12022, 13:58
RE: Architektur - von Erato - 29.12.12022, 14:33
Architektur - von Dancred - 29.12.12022, 21:39
EuFe - von Hælvard - 19.02.12024, 10:52
RE: EuFe - von Slaskia - 22.02.12024, 22:27
EuFe - von Paganlord - 08.04.12024, 16:49
RE: Architektur - von Munin - 21.02.12024, 12:36
Architektur - von Paganlord - 03.05.12024, 09:32

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 3 Gast/Gäste

Termine

Nächster Vollmond ist in 23 Tagen und 13 Stunden am 15.12.12024, 11:02
Letzter Vollmond war vor 5 Tagen und 22 Stunden
Nächster Neumond ist in 9 Tagen und 10 Stunden am 01.12.12024, 08:22
Letzter Neumond war vor 20 Tagen und 6 Stunden