30.06.12019, 17:46
Ein zusammengekürzter Bericht von 1989 (Spiegel)
Zur Unkrautbekämpfung, die bis in die zwanziger Jahre per Handarbeit und danach mittels großer Mengen Natriumchlorat erledigt wurde, dienen seit 1955 Herbizide. Die Bahn aber wirbt mit dem Werbespruch: "Wo die Bahn fährt, da lebt die Natur"!
Anmerkung: Was für eine Pseudomoral!
Auf ihrem (damals noch) 27 000 km langen Schienennetz läßt die Bahn alljährlich rund 300 Tonnen Unkrautvernichter versprühen.
Experten (z.B. Hartmut Lichtenthaler, Professor am Botanischen Institut der Universität Karlsruhe) kritisieren: "Weshalb die Bahn das 10 bis 15fache gegenüber der in der Landwirtschaft ausgesprühten Dosis verwendet, ist unbegreiflich."
Lichtenthaler vergleicht diese Dosis mit der beim Dschungelkrieg in Vietnam verwendeten Menge durch die US-Invasoren. "Es wurden vergleichbare Mengen eingesetzt, die dazu führten, daß ganze Wälder entlaubten und Agrarflächen über Jahrzehnte hinaus für die landwirtschaftliche Nutzung unbrauchbar gemacht wurden".
Aber nicht nur Anwohne an Bahndämmen bekommen die Folgen der Sprüherei zu spüren! Immer öfter werden Rückstände der Bahn-Herbizide im Grundwasser gefunden.
Allen Protesten setzt die Bahn entgegen, daß noch "keine für die Entkrautung des Gleisbereiches anwendbare Alternative zur Verfügung steht". Um Unfallrisiken auszuschließen, müssen deshalb jedes Jahr erneut Herbizide eingesetzt werden.
Anmerkung: 30 Jahre später immer noch dieselbe Argumentation!
Jedem ist ersichtlich, daß es ausschließlich um Geld dabei geht! Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Gesundheitsschutz werden wider besseren Wissens übergangen, weil der Profit des Unternehmens an erster Stelle steht.
Kritiker der Bahn widersprechen. Die alljährliche Wiederholung der Sprühaktionen halten sie für überzogen. Der Karlsruher Botanikprofessor Lichtenthaler ist der Ansicht, daß "eine Herbizid-Applikation höchstens alle 4 - 5 Jahre notwendig ist".
Damalig bekannte Regreßzahlungen der Bahn:
- Oberlandesgerichtes Karlsruhe: 1987 435.000 DM an die Stadt Frankenthal und an einen ortsansässigen Privatmann (mehrere Dutzend Kastanien und Platanen waren nach Herbizid-Spritzungen erkrankt, zum Teil abgestorben).
- Pforzheim: 87.000 DM Schadensersatz und Sanierungskosten, nachdem Platanen in Bahnhofsnähe durch das Pflanzengift Hexazinon geschädigt worden waren.
- Hannover/Herrenhausen 32.000 DM an eine Kleingartenkolonie, weil das bei Gleisspritzungen verwendete Herbizid Bromacil mehrere Brunnen verseucht hatte.
Taktik der Bahn: Schadensersatzklagen führen zu unendlichen Geschichten vor Gericht, in denen jedes Gutachten ein Gegengutachten nach sich zieht usw.
Ein Gartenbaubetrieb in Radolfzell am Bodensee:
Die Brüder Wilhelm Friedrich und Franz Herbert Gockenbach beziffern ihre Einbußen auf mehr als 700.000 DM. Immense Schäden entdeckten die Gärtner schon 1976: "Tausende von Geranien, Petunien und Gemüsekulturen verdarben über Nacht." In den folgenden Jahren schlugen Neuanpflanzungen fehl, auch der Austausch des Mutterbodens auf den Beeten brachte keinen Erfolg.
Messungen des Wasserwirtschaftsamtes Konstanz ergaben, daß das Brunnenwasser des Gartenbaubetriebs, der nur wenige Meter von einer Bahnlinie entfernt liegt, bis zu 147 Mikrogramm Bromacil pro Liter enthielt – eine Herbizid-Konzentration, die für viele Pflanzen tödlich ist.
Der Wirkstoff, so ermittelten die Gockenbachs, gehört zum Arsenal der Gifte, die im Auftrag der Bahn versprüht werden.
Trotz deutlicher Hinweise auf die Spritzungen als Schadensursache wurde 1982 ein erstes Verfahren gegen die Bahn niedergeschlagen. Begründung: Zwar sei ein Zusammenhang zwischen den Herbizid-Aktionen und den Schäden in der Gärtnerei "wahrscheinlich", aber nicht "mit einer zur Verurteilung genügenden Sicherheit nachweisbar".
Anmerkung: Hier erkennt man deutlich, daß eine Unterlassung der Verwendung von Herbiziden staatlicherseits gar nicht erwünscht ist.
Die drei zuständigen Bundesministerien - Verkehr, Landwirtschaft und Umwelt - können sich nicht einigen, weshalb Justizinstanzen klären müssen, ob das Versprühen von Giften durch die Bahn zulässig ist.
Anmerkung: Ist das wirklich rein "zufällig" so, daß sich die Ministerien nicht einigen konnten? Und was hat sich an dieser Vorgehensweise bis heute verändert?
Die Bahn arbeitet aufgrund der Nichteinigung der Ministerien eigenverantwortlich.
In der Praxis bedeutet das: Keine Fachbehörde des Bundes oder der Länder ist befugt, die Spritzaktionen des Staatsunternehmens und seiner Vertragsfirmen zu genehmigen und zu kontrollieren. Die Bahn überwacht sich selbst – ein Usus, der sich auf einen Paragraphen im Bundesbahngesetz stützt.
Anmerkung: Was will man zu solchem Vorsatz noch sagen, außer, daß die entsprechenden Ministerien an der Umweltverschmutzung im großen Stil Mitverantwortung tragen?!
Das war das Thema vor 30 Jahren!
Wenn man heute schaut, was sich verändert hat, dann nur die Kontonummern und die Herbizide, sonst nicht viel!
Zur Unkrautbekämpfung, die bis in die zwanziger Jahre per Handarbeit und danach mittels großer Mengen Natriumchlorat erledigt wurde, dienen seit 1955 Herbizide. Die Bahn aber wirbt mit dem Werbespruch: "Wo die Bahn fährt, da lebt die Natur"!
Anmerkung: Was für eine Pseudomoral!
Auf ihrem (damals noch) 27 000 km langen Schienennetz läßt die Bahn alljährlich rund 300 Tonnen Unkrautvernichter versprühen.
Experten (z.B. Hartmut Lichtenthaler, Professor am Botanischen Institut der Universität Karlsruhe) kritisieren: "Weshalb die Bahn das 10 bis 15fache gegenüber der in der Landwirtschaft ausgesprühten Dosis verwendet, ist unbegreiflich."
Lichtenthaler vergleicht diese Dosis mit der beim Dschungelkrieg in Vietnam verwendeten Menge durch die US-Invasoren. "Es wurden vergleichbare Mengen eingesetzt, die dazu führten, daß ganze Wälder entlaubten und Agrarflächen über Jahrzehnte hinaus für die landwirtschaftliche Nutzung unbrauchbar gemacht wurden".
Aber nicht nur Anwohne an Bahndämmen bekommen die Folgen der Sprüherei zu spüren! Immer öfter werden Rückstände der Bahn-Herbizide im Grundwasser gefunden.
Allen Protesten setzt die Bahn entgegen, daß noch "keine für die Entkrautung des Gleisbereiches anwendbare Alternative zur Verfügung steht". Um Unfallrisiken auszuschließen, müssen deshalb jedes Jahr erneut Herbizide eingesetzt werden.
Anmerkung: 30 Jahre später immer noch dieselbe Argumentation!
Jedem ist ersichtlich, daß es ausschließlich um Geld dabei geht! Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Gesundheitsschutz werden wider besseren Wissens übergangen, weil der Profit des Unternehmens an erster Stelle steht.
Kritiker der Bahn widersprechen. Die alljährliche Wiederholung der Sprühaktionen halten sie für überzogen. Der Karlsruher Botanikprofessor Lichtenthaler ist der Ansicht, daß "eine Herbizid-Applikation höchstens alle 4 - 5 Jahre notwendig ist".
Damalig bekannte Regreßzahlungen der Bahn:
- Oberlandesgerichtes Karlsruhe: 1987 435.000 DM an die Stadt Frankenthal und an einen ortsansässigen Privatmann (mehrere Dutzend Kastanien und Platanen waren nach Herbizid-Spritzungen erkrankt, zum Teil abgestorben).
- Pforzheim: 87.000 DM Schadensersatz und Sanierungskosten, nachdem Platanen in Bahnhofsnähe durch das Pflanzengift Hexazinon geschädigt worden waren.
- Hannover/Herrenhausen 32.000 DM an eine Kleingartenkolonie, weil das bei Gleisspritzungen verwendete Herbizid Bromacil mehrere Brunnen verseucht hatte.
Taktik der Bahn: Schadensersatzklagen führen zu unendlichen Geschichten vor Gericht, in denen jedes Gutachten ein Gegengutachten nach sich zieht usw.
Ein Gartenbaubetrieb in Radolfzell am Bodensee:
Die Brüder Wilhelm Friedrich und Franz Herbert Gockenbach beziffern ihre Einbußen auf mehr als 700.000 DM. Immense Schäden entdeckten die Gärtner schon 1976: "Tausende von Geranien, Petunien und Gemüsekulturen verdarben über Nacht." In den folgenden Jahren schlugen Neuanpflanzungen fehl, auch der Austausch des Mutterbodens auf den Beeten brachte keinen Erfolg.
Messungen des Wasserwirtschaftsamtes Konstanz ergaben, daß das Brunnenwasser des Gartenbaubetriebs, der nur wenige Meter von einer Bahnlinie entfernt liegt, bis zu 147 Mikrogramm Bromacil pro Liter enthielt – eine Herbizid-Konzentration, die für viele Pflanzen tödlich ist.
Der Wirkstoff, so ermittelten die Gockenbachs, gehört zum Arsenal der Gifte, die im Auftrag der Bahn versprüht werden.
Trotz deutlicher Hinweise auf die Spritzungen als Schadensursache wurde 1982 ein erstes Verfahren gegen die Bahn niedergeschlagen. Begründung: Zwar sei ein Zusammenhang zwischen den Herbizid-Aktionen und den Schäden in der Gärtnerei "wahrscheinlich", aber nicht "mit einer zur Verurteilung genügenden Sicherheit nachweisbar".
Anmerkung: Hier erkennt man deutlich, daß eine Unterlassung der Verwendung von Herbiziden staatlicherseits gar nicht erwünscht ist.
Die drei zuständigen Bundesministerien - Verkehr, Landwirtschaft und Umwelt - können sich nicht einigen, weshalb Justizinstanzen klären müssen, ob das Versprühen von Giften durch die Bahn zulässig ist.
Anmerkung: Ist das wirklich rein "zufällig" so, daß sich die Ministerien nicht einigen konnten? Und was hat sich an dieser Vorgehensweise bis heute verändert?
Die Bahn arbeitet aufgrund der Nichteinigung der Ministerien eigenverantwortlich.
In der Praxis bedeutet das: Keine Fachbehörde des Bundes oder der Länder ist befugt, die Spritzaktionen des Staatsunternehmens und seiner Vertragsfirmen zu genehmigen und zu kontrollieren. Die Bahn überwacht sich selbst – ein Usus, der sich auf einen Paragraphen im Bundesbahngesetz stützt.
Anmerkung: Was will man zu solchem Vorsatz noch sagen, außer, daß die entsprechenden Ministerien an der Umweltverschmutzung im großen Stil Mitverantwortung tragen?!
Das war das Thema vor 30 Jahren!
Wenn man heute schaut, was sich verändert hat, dann nur die Kontonummern und die Herbizide, sonst nicht viel!
Kein besserer Freund – kein schlimmerer Feind!