08.07.12002, 10:38
AMERIKAS ARMY
Hoffen auf die Gehirnwäsche
Hier zu Lande führen solche Thesen zu hitzigen Debatten, in den USA sieht man die Sache so relaxed wie pragmatisch: Ego-Shooter, glaubt man dort, machen Kids heiß aufs Ballern. Eine ideale Art der Nachwuchswerbung, meint die US-Army.
(Americas Army: Spielt man das Rekrutierungsspiel im Netzwerk, sieht man sich selbst immer als GI)
Seit gestern ist es so weit: Die US-Armee hat mit ihrer neuesten Rekrutierungskampagne begonnen. So etwas gibt es regelmäßig, doch interessiert es normalerweise niemanden. Ziemlich uneffektiv sind die Bemühungen von Armeen in aller (reichen) Welt, Nachwuchs für einen Beruf zu bekommen, der gerade heute ganz spezifische Risiken mit sich bringt.
Erschossen oder in die Luft gesprengt zu werden, zum Beispiel: irgendwo in der Welt, wo es gerade brennt. Nato-Soldaten kommen herum, und das gilt ganz besonders für die Soldaten der US Army.
Deren Soldaten standen in der Vergangenheit im wenig schmeichelhaften Ruf, viel Kampfkraft und Muskelmasse, aber wenig Intelligenz mitzubringen. Dabei wünscht sich das die Army durchaus anders: Noch mehr Kampfkraft und Muskelmasse, kombiniert mit Intelligenz, zum Beispiel.
Die hofft man dadurch anzuwerben, dass man direkt an die Computer-Kids geht: Schon Anfang der Achtziger erkannte Alexander Haig, das am Rechner genau die Fähigkeiten trainiert werden, die moderne Soldaten brauchen.
Reaktionsschnelligkeit zum Beispiel, aber auch vernetztes Denken: Der moderne Krieg kennt keine Schlachten mehr, sondern lebt von und tötet mit kleinen, agilen Einsatzteams, die wie weiland nur Guilleros ihre schnellen Attacken vorbringen, gestützt auf allerlei digitales Hilfsgerät. Ganz wie am Rechner, wo sich Terroristen und Soldatentrupps etwa bei Counter Strike auch fast nur noch an Äußerlichkeiten unterscheiden lassen.
Das, entschied man bei der Army, ist doch ideal: Ego-Shooter sind realitätsnah, trainieren die "richtigen" Eigenschaften und Reflexe, wirken auf manche regelrecht suchtbildend und stehen im Ruf, aggressives Verhalten auslösen zu können. Was für ein Instrument der Aus- und Weiterbildung, aber auch der Anwerbung neuer Rekruten.
Beispiellos konsequent pumpt darum die Army in den nächsten Monaten 1,2 Millionen CDs kostenfrei unters Gamervolk in Amerika, und der Rest der Welt darf sich gern am 220 MB-Download delektieren.
Allerdings erst, wenn wieder ein Durchkommen ist: Seit am Donnerstag morgen die Bewohner der US-Ostküste aus dem Bett fielen, stehen die sechs Download-Server unter Volllast. Stau ist angesagt, denn offenbar erfreut sich der kostenlose Egoshooter aus Armeebeständen größter Beliebtheit.
Denn der ist mehr als nur ein weiteres der üblichen kleinen Werbespiele: Nein, hier geht es zur Sache. Kern des Spiels ist die Unreal-Engine, die Freunde des Genres aus "Undying" und anderen Hits kennen. Die kommt allerdings nur im Action-Teil des Spieles zum Einsatz, denn "Americas Army" ist nicht nur Ballerorgie, sondern auch Rollenspiel mit viel Pflicht, aber auch Kameradschaft, die man einsam vor dem Rechner oder im LAN dann auch schon mal üben kann.
Das Ding soll ja schließlich keine Killer trainieren, sondern frische Soldaten gewinnen: Darüber debattiert man in den USA noch nicht einmal. Während hüben sofort die Fähnchen der Empörung in die immer nur für sehr kurze Zeit wehende Empörungs-Böe gehisst werden, herrscht drüben eitel Freude. Cool findet das die Presse fast ohne Ausnahme. "Wired" spöttelt süffisant ein wenig über die "unendlichen Karrieremöglichkeiten", die Americas Army vor dem unbedarften User ausbreite. Der Grund für die ironiegeladene Skepsis sind aber keineswegs Bedenken: "Wired" hält "AA:O" - so der nagelneue Spitzname des Spieles - unter dem Strich für einen etwas lauen Shooter.
Immerhin aber für beachtenswert, und das denkt man anscheinend landesweit. AA:O, schreibt "Wired", sei nicht das erste Spiel, das die Army für ihr Training einsetze, aber "das Erste, das nur zu Propaganda-Zwecken entwickelt wurde". Wow.
Dass die Sache funktioniert, daran zweifelt kaum jemand: Vom Egoshooter hin zur Gewalt, gesellschaftsfreundlich kanalisiert in der Army - das erscheint den Amerikanern als durchaus schlüssig. "Nur daran, was dieses Spiel bei Kindern verursacht", wendet Kimberly Thompson von der Uni Harvard im "Boston Globe" ein, "hat niemand gedacht". Denn nicht alle treten ja am Ende in die Armee ein. "Was für eine Rolle wird dieses Spiel spielen, wenn diese Kinder ihr eigenes Gewaltpotenzial entdecken?"
Keine Sorge, die Army lässt die Kids ja nicht allein. Gamer, so das Kalkül, sind auch online - und damit erreichbar. Noch kann Casey Wardynski, seines Zeichens verantwortlich für die Entwicklung des Army-Egoshooters AA:O, seine Träume nicht alle verwirklichen, doch schon das nächste Army-Trainings- und Propagandaspiel mag da neue Wege ermöglichen: Die Army will die Kids ja gar nicht allein lassen mit dem Shooter.
Wardynski: "Das klappt jetzt noch nicht, aber in der Zukunft: Stellen Sie sich vor, Sie spielen extrem gut, schaffen es, extrem lang im Spiel zu bleiben. Mag sein, dass Sie mit einem Mal eine E-Mail von der Army bekommen, um mal zu sehen, ob Sie nicht gern zusätzliche Informationen hätten."
Na? Extrem interessantes Konzept, oder? Großbritannien findet das schon: das dortige Verteidigungsministerium arbeitet angeblich an einem eigenen Werbe-Egoshooter. Schneller als die Amerikaner werden die Briten aber nicht sein: Die haben mit "C-Force" den Nachfolger für AA:O schon angekündigt. Spannend bleibt, ob das Kalkül aufgeht - und wie lang es wohl dauert, bis die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften ein Produkt der amerikanischen Regierung auf den Index setzt.
so viel zum Thema, das es noch immer Leute gibt, die behaupten das derartige Spiele keine Auswirkungen hätten.... hier wird ÖFFENTLICH zugegeben, das dem so ist, und es wird bewußt eingesetzt!
Quelle:<a href="http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,203945,00.html]spiegel online</a>
Hoffen auf die Gehirnwäsche
Hier zu Lande führen solche Thesen zu hitzigen Debatten, in den USA sieht man die Sache so relaxed wie pragmatisch: Ego-Shooter, glaubt man dort, machen Kids heiß aufs Ballern. Eine ideale Art der Nachwuchswerbung, meint die US-Army.
(Americas Army: Spielt man das Rekrutierungsspiel im Netzwerk, sieht man sich selbst immer als GI)
Seit gestern ist es so weit: Die US-Armee hat mit ihrer neuesten Rekrutierungskampagne begonnen. So etwas gibt es regelmäßig, doch interessiert es normalerweise niemanden. Ziemlich uneffektiv sind die Bemühungen von Armeen in aller (reichen) Welt, Nachwuchs für einen Beruf zu bekommen, der gerade heute ganz spezifische Risiken mit sich bringt.
Erschossen oder in die Luft gesprengt zu werden, zum Beispiel: irgendwo in der Welt, wo es gerade brennt. Nato-Soldaten kommen herum, und das gilt ganz besonders für die Soldaten der US Army.
Deren Soldaten standen in der Vergangenheit im wenig schmeichelhaften Ruf, viel Kampfkraft und Muskelmasse, aber wenig Intelligenz mitzubringen. Dabei wünscht sich das die Army durchaus anders: Noch mehr Kampfkraft und Muskelmasse, kombiniert mit Intelligenz, zum Beispiel.
Die hofft man dadurch anzuwerben, dass man direkt an die Computer-Kids geht: Schon Anfang der Achtziger erkannte Alexander Haig, das am Rechner genau die Fähigkeiten trainiert werden, die moderne Soldaten brauchen.
Reaktionsschnelligkeit zum Beispiel, aber auch vernetztes Denken: Der moderne Krieg kennt keine Schlachten mehr, sondern lebt von und tötet mit kleinen, agilen Einsatzteams, die wie weiland nur Guilleros ihre schnellen Attacken vorbringen, gestützt auf allerlei digitales Hilfsgerät. Ganz wie am Rechner, wo sich Terroristen und Soldatentrupps etwa bei Counter Strike auch fast nur noch an Äußerlichkeiten unterscheiden lassen.
Das, entschied man bei der Army, ist doch ideal: Ego-Shooter sind realitätsnah, trainieren die "richtigen" Eigenschaften und Reflexe, wirken auf manche regelrecht suchtbildend und stehen im Ruf, aggressives Verhalten auslösen zu können. Was für ein Instrument der Aus- und Weiterbildung, aber auch der Anwerbung neuer Rekruten.
Beispiellos konsequent pumpt darum die Army in den nächsten Monaten 1,2 Millionen CDs kostenfrei unters Gamervolk in Amerika, und der Rest der Welt darf sich gern am 220 MB-Download delektieren.
Allerdings erst, wenn wieder ein Durchkommen ist: Seit am Donnerstag morgen die Bewohner der US-Ostküste aus dem Bett fielen, stehen die sechs Download-Server unter Volllast. Stau ist angesagt, denn offenbar erfreut sich der kostenlose Egoshooter aus Armeebeständen größter Beliebtheit.
Denn der ist mehr als nur ein weiteres der üblichen kleinen Werbespiele: Nein, hier geht es zur Sache. Kern des Spiels ist die Unreal-Engine, die Freunde des Genres aus "Undying" und anderen Hits kennen. Die kommt allerdings nur im Action-Teil des Spieles zum Einsatz, denn "Americas Army" ist nicht nur Ballerorgie, sondern auch Rollenspiel mit viel Pflicht, aber auch Kameradschaft, die man einsam vor dem Rechner oder im LAN dann auch schon mal üben kann.
Das Ding soll ja schließlich keine Killer trainieren, sondern frische Soldaten gewinnen: Darüber debattiert man in den USA noch nicht einmal. Während hüben sofort die Fähnchen der Empörung in die immer nur für sehr kurze Zeit wehende Empörungs-Böe gehisst werden, herrscht drüben eitel Freude. Cool findet das die Presse fast ohne Ausnahme. "Wired" spöttelt süffisant ein wenig über die "unendlichen Karrieremöglichkeiten", die Americas Army vor dem unbedarften User ausbreite. Der Grund für die ironiegeladene Skepsis sind aber keineswegs Bedenken: "Wired" hält "AA:O" - so der nagelneue Spitzname des Spieles - unter dem Strich für einen etwas lauen Shooter.
Immerhin aber für beachtenswert, und das denkt man anscheinend landesweit. AA:O, schreibt "Wired", sei nicht das erste Spiel, das die Army für ihr Training einsetze, aber "das Erste, das nur zu Propaganda-Zwecken entwickelt wurde". Wow.
Dass die Sache funktioniert, daran zweifelt kaum jemand: Vom Egoshooter hin zur Gewalt, gesellschaftsfreundlich kanalisiert in der Army - das erscheint den Amerikanern als durchaus schlüssig. "Nur daran, was dieses Spiel bei Kindern verursacht", wendet Kimberly Thompson von der Uni Harvard im "Boston Globe" ein, "hat niemand gedacht". Denn nicht alle treten ja am Ende in die Armee ein. "Was für eine Rolle wird dieses Spiel spielen, wenn diese Kinder ihr eigenes Gewaltpotenzial entdecken?"
Keine Sorge, die Army lässt die Kids ja nicht allein. Gamer, so das Kalkül, sind auch online - und damit erreichbar. Noch kann Casey Wardynski, seines Zeichens verantwortlich für die Entwicklung des Army-Egoshooters AA:O, seine Träume nicht alle verwirklichen, doch schon das nächste Army-Trainings- und Propagandaspiel mag da neue Wege ermöglichen: Die Army will die Kids ja gar nicht allein lassen mit dem Shooter.
Wardynski: "Das klappt jetzt noch nicht, aber in der Zukunft: Stellen Sie sich vor, Sie spielen extrem gut, schaffen es, extrem lang im Spiel zu bleiben. Mag sein, dass Sie mit einem Mal eine E-Mail von der Army bekommen, um mal zu sehen, ob Sie nicht gern zusätzliche Informationen hätten."
Na? Extrem interessantes Konzept, oder? Großbritannien findet das schon: das dortige Verteidigungsministerium arbeitet angeblich an einem eigenen Werbe-Egoshooter. Schneller als die Amerikaner werden die Briten aber nicht sein: Die haben mit "C-Force" den Nachfolger für AA:O schon angekündigt. Spannend bleibt, ob das Kalkül aufgeht - und wie lang es wohl dauert, bis die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften ein Produkt der amerikanischen Regierung auf den Index setzt.
so viel zum Thema, das es noch immer Leute gibt, die behaupten das derartige Spiele keine Auswirkungen hätten.... hier wird ÖFFENTLICH zugegeben, das dem so ist, und es wird bewußt eingesetzt!
Quelle:<a href="http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,203945,00.html]spiegel online</a>