Die neutrale und neutralisierende Natur, u.a.
#1
Zitat:Was mich hier im Forum immer begeistert, ist die Betonung der Neutralität. Es gibt Naturgesetze, ja. Aber sie sind eben „gesetzt“, es sind gesetzte Regeln (ich beharre hier ein wenig darauf, dass Worte in ihrem „ersten Sinn“ dann auch in einer weiter gespannten Verwendung diesen Sinn letztlich noch wiedergeben, ähnlich wie Symbole einen Sinn beinhalten). Auch in der Natur funktioniert das Leben nach Naturgesetzen, und doch ist die Natur selbst neutral. Und sie neutralisiert.
Aus: Georg Heym – Dionysos

Ich habe nun Worte gefunden, so meine ich, die „neutrale und neutralisierende Natur“ wie ich sie meine, näher zu beschreiben.
Unsere Welt kennt Gegensätze, plus minus, hell dunkel, auch gut böse. Gut und Böse gibt es durchaus, individuell betrachtet. Wenn die Antilope ihrem Jäger entkommt, ist es für die Antilope gut, für den Jäger schlecht. Und umgekehrt. Gegensätze sind aber nicht gleichmäßig verteilt, unsere Maßeinheiten sind nicht das Maß ihrer Verteilung. Wenn man z.B. Beutetiere und Beutejäger auf eine Waage (also mit unseren Maßeinheiten messend) stellte, wird die Waage wohl zur Seite der Beutetiere überlastig. Es gibt mehr Beutetiere als Beutejäger. Käme auf jeden Beutejäger aber nur ein Beutetier (Ausgewogenheit nach unseren Maßeinheiten), wären die Beutetiere bald ausgerottet und damit dann auch die Beutejäger. Das Ungleichgewicht (nach unseren Maßeinheiten gemessen) der Gegensätze ist also lebenserhaltend.
Gegensätze sind neutral. Es gibt zwar die individuelle Beurteilung, ob gut oder schlecht, aber es gibt keine generell emotionale Zumessung.

Und dann gibt es die Polarität. Die Polarität bezeichnet nicht einfach den Gegensatz, sondern sie bemisst und bewertet ebendiesen. Damit gibt sie „ihrem“ Pol mehr Gewicht, ebenso wie dem Gegenpol (annicca sagte mal so schön: Ohne den Teufel ist der Priester arbeitslos). Die Polarität ist der emotional und generell bewertete Gegensatz.
Wenn also der Beutejäger seine Position in dieser Weise bewertet, führt es zur Gier. Er tötet dann nicht mehr die Antilope, sondern Antilopen, weit mehr als er essen kann, und läuft Gefahr, sich damit selbst zu richten. Der Antilope als seinem Gegensatz verleiht er durch seine eigene Polarität gleichzeitig mehr Gewicht, sie wird zum emotionalen Gegenpol, er wiederum wird ebenfalls zum generellen Gegenpol, dem „generell Bösen“, das es von der anderen Seite zu bekämpfen gilt, will man überleben (was, wenn Polarität gegeben ist, durchaus ein insofern richtiger Gedanke ist). Im Zustand der Polarität ist also das Überleben nur dann gesichert, wenn zwischen diesen Gegensätzen möglichst ein – emotionales (im Forensinn), generell bewertendes - Gleichgewicht herrscht.

Der eigentliche Inhalt von Gegensatz und Polarität ist das Gleiche bzw. besser: sehr ähnlich. Die Natur kennt keine Polarität, aber sehr wohl Gegensätze, zu welchen sie aber neutral steht. Sie wirkt auf die Polarität des Menschen neutralisierend, indem sie durch ihre Gegensätze ähnlichen Inhaltes die Pole erkennt und sie damit aufzulösen imstande ist. Jeder Hundebesitzer kennt wohl diesen Wirkmechanismus (auch wenn Hunde hier schon fast außerhalb der Natur gesehen werden, so sind sie doch noch ursprünglicher der Natur verhaftet als der Mensch selbst, und damit, so meine ich, schon ein gutes Beispiel). In der Homöopathie ist dies das Wirkprinzip schlechthin. Und es wirkt eben nicht nur, wenn wir es gezielt spezifisch (z.B. als homöopathisches Mittel) einsetzen.
Die Natur wirkt also Polaritäten (und damit letztlich oftmals der Vernichtung des Lebens, ich meine, das kann man so sagen) entgegen, indem sie durch ihre diesen ähnlichen (entsprechenden) Gegensätzen auch immer wieder die P. aufzuheben imstande ist.
Problematisch ist demnach vermutlich, wenn eine Polarität keine Entsprechung in der Natur findet. Die Gentechnik könnte diese Entsprechung zu stark verfälschen, und auch Antimaterie findet wohl wenig Entsprechung. Gemeint ist die Entsprechung, nicht der Gegensatz.

Eine andere Möglichkeit, Polaritäten aufzuheben, ist, diese in ein genau gleiches Verhältnis zu bringen. Das ist, so verstehe ich es, z.B. die Vorgehensweise der Chinesischen Medizin (vielleicht kann Ngyuen das bestätigen, oder auch nicht?).

Eine Polarität ist nach meinen Überlegungen nur möglich durch Emotionalität. Sie wird oftmals zum Selbstläufer, weil sie ihren Gegenpol hervorzubringen imstande ist, diesen nährt und sich selbst gleichzeitig damit erhält. Würde eine Polarität zu stark, und würde ihren Gegenpol vernichten, so würde sie sich gleichzeitig auch selbst vernichten. Der Selbstläufer ist nicht notwendigerweise der Fall, weil Neutralisations- oder Aufhebungsfaktoren eben auch gegeben sind. Das kann nach dem obigen Prinzip die Natur sein, aber auch der freie Wille des Menschen, z.B. zur Neutralität.

Ich weiß, dass dies nun einerseits logisch klingt, und gleichzeitig wieder unlogisch. Bei genauerer Betrachtung ist dies aber m.E. nicht so.
Nochmal mit anderen Worten: 1.Gleichstarke Polaritäten erhalten sich selbst. Und: Gleichstarke Polaritäten heben sich auf.
Das ist ein scheinbarer Widerspruch.
2.Wird eine Polarität zu stark, so stark, dass sie fähig ist, den anderen Pol zu vernichten, so vernichtet sie sich gleichzeitig selbst.
Zu 1.
Eine erzeugte emotionale Polarität kann den Gegenpol hervorbringen. Damit erhält sie sich selbst und nährt gleichzeitig weiterhin den Gegenpol. Solange sie in etwa gleichstark sind, sind beide einerseits vorhanden, andererseits heben sie sich aber in ihrer Wirkung auf. Mal Gut und Böse als Beispiele genommen: Wenn also viel Gutes gleichzeitig viel Schlechtes auf den Plan ruft, ist das im Endergebnis ebenso gut oder schlecht, als wenn es das Gute gleich gar nicht gegeben hätte. Die Wirkung des „guten Pols“ ist dann also letztlich irgendwie gleich Null.
Zu 2.
Ein „zu starker Pol“ vernichtet den Gegenpol und damit sich selbst. Wenn also „das Gute“ seinen Gegenpol „das Schlechte“ vernichtete, so wäre es nicht mehr gut, weil es das Gute nur mit seinem Gegensatz gibt. Es verliert seine Bedeutung, ist damit selbst nicht mehr vorhanden.
Und übertragen auf materielles Leben: Wenn die Antilope den Beutejäger auslöschen könnte, so würde sie überhand nehmen, alles kahl fressen, und damit selbst aussterben.

Man weise mich gerne auf eventuelle Denkfehler, Lücken usw. hin.
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