04.08.12011, 13:38
Das ist mein erster Beitrag hier in diesem Forum, also bitte nicht gleich zerreißen.
Auch ich habe mir die Übertragung per Internet-Stream "gegönnt", und ich war gelinde gesagt enttäuscht.
Zuerst das Sängerische:
Lars Cleveman als Tannhäuser hatte eine unschöne, angestrengte und irgendwie ausdrucklose Stimme; kurzum: wieder kein adäquater Interpret dieser undankbaren Partie.
Auch Camilla Nylunds Elisabeth klang von ihrem ersten Auftritt an angestrengt, atemlos und unsauber. Ab der Mittellage war das Vibrato ihrer Stimme irgendwie unangenehm für mich.
Die Venus war schlicht indiskutabel.
Sehr gut dagegen gefielen mir Lothar Odinius als Walther (lyrisch, wunderbare Textverständlichkeit), Günther Groissböck als Landgraf und besonders Michael Nagy als Wolfram: eine großartige gesangliche Gestaltung, ausdrucksstark und auch bei ihm jedes Wort verständlich.
Auch der Chor konnte mich diesmal nicht ganz überzeugen, auch gesanglich (einzelne Stimmen traten manchmal unschön hervor).
Bezüglich des Dirigats bin ich gespalten: Sicher war Thomas Hengelbrock sehr werktreu, aber man kann ein Werk auch zu Tode analysieren. Die Ouvertüre gefiel mir noch ausgezeichnet, über weite Strecken des ersten Aufzugs zwang mich dann die Venus, wegzuhören. Den dritten Aufzug kann ich ebenfalls großteils positiv vermerken. Dazwischen liegt aber der zweite Akt, und der war meines Erachtens völlig mißglückt. Die Abstimmung mit Sängern und Chor stimmte zeitweise überhaupt nicht, die Tempi waren über Strecken unerträglich gedehnt, und dann gab es gegen Beginn diese unerklärlichen Generalpausen (ich dachte zunächst, der Stream sei unterbrochen), die leider der Spannung wenig dienlich waren.
Insgesamt also ein durchwachsenes Dirigat, so waren auch die Publikumsreaktionen.
Über die Regie kann ich wenig sagen. Nach ein paar Bildern kann man allenfalls ein Teilurteil über Bühnenbild und Kostüme fällen, aber sicher kein Fazit über eine Regiearbeit ziehen. Bei den (übrigens sehr interessanten) Beschreibungen des Bühnengeschehens vor den Akten fiel mir aber eine Wendung auf, die immer wieder kam: "anders als bei Wagner".
In Österreich machen wir gerade eine Diskussion durch, ob wir eine Zeile unserer Bundeshymne im Hinblick auf die Originalschöpfung der Dichterin ändern dürfen. Richard Wagner muß sich bei seinen Festspielen offenbar ganz anderes gefallen lassen...
Noch etwas zur Radioübertragung:
Die versuchte Deutung der Publikumsreaktionen war wirklich grenzwertig, das ist aber nicht ganz neu (ich denke an die "erheblichen Phonstärken" beim Lohengrin letztes Jahr). Vielleicht sollte man das überhaupt bleiben lassen und nur sagen, wer gerade vor den Vorhang tritt, der Rest ist eh zu hören.
Das Pausenprogramm habe ich nur zum Teil mitverfolgt. Das Interview mit Sebastian Baumgarten habe ich nicht lange durchgehalten. Diese Regie-Leute haben irgendwie einen ganz eigenen Akzent und Jargon, daß sich bei mir die Nackenhaare sträuben (tut mir leid, daß ich es nicht professioneller ausdrücken kann). Die Gespräche mit Camilla Nylund und Lars Cleveman fand ich wenig interessant (dass Cleveman Englisch sprach, störte mich noch nicht zu sehr, eher daß er dauernd die Fragen kommentierte "das ist eine gute Frage / das ist eine sehr gute Frage / das ist eine schwierige Frage"). Michael Nagy machte einen sympathischen Eindruck.
Sehr amüsant dagegen die "Kritikerrunde" im Anschluss: Zwei hörbar müde Zeitungsleute und ein hauseigener Schwafler vom BR.
Bemerkenswert war der Versuch der Dame vom Tagesspiegel Berlin, der Regie irgendwie eine Rechtfertigung beizulegen. Dabei drängte sich mir die Bewertung auf, es müsse weniger ein "Kritikerdirigat" als vielmehr eine "Kritikerregie" gewesen sein: Hat Baumgarten so viel Unklarheit hinterlassen, daß den Kritikern reichlich Platz bleibt, ihre eigenen Vorstellung hineinzuprojizieren? Wir Juristen würden so ein Vorgehen "Verfahren in zwei Lesungen" nennen:
Erste Lesung: Der Regisseur liest etwas aus dem Stück, das nicht drinnen ist.
Zweite Lesung: Der Kritiker liest etwas aus der Regie, das nicht drinnen ist.
Schöne Grüße aus Oberösterreich!
Auch ich habe mir die Übertragung per Internet-Stream "gegönnt", und ich war gelinde gesagt enttäuscht.
Zuerst das Sängerische:
Lars Cleveman als Tannhäuser hatte eine unschöne, angestrengte und irgendwie ausdrucklose Stimme; kurzum: wieder kein adäquater Interpret dieser undankbaren Partie.
Auch Camilla Nylunds Elisabeth klang von ihrem ersten Auftritt an angestrengt, atemlos und unsauber. Ab der Mittellage war das Vibrato ihrer Stimme irgendwie unangenehm für mich.
Die Venus war schlicht indiskutabel.
Sehr gut dagegen gefielen mir Lothar Odinius als Walther (lyrisch, wunderbare Textverständlichkeit), Günther Groissböck als Landgraf und besonders Michael Nagy als Wolfram: eine großartige gesangliche Gestaltung, ausdrucksstark und auch bei ihm jedes Wort verständlich.
Auch der Chor konnte mich diesmal nicht ganz überzeugen, auch gesanglich (einzelne Stimmen traten manchmal unschön hervor).
Bezüglich des Dirigats bin ich gespalten: Sicher war Thomas Hengelbrock sehr werktreu, aber man kann ein Werk auch zu Tode analysieren. Die Ouvertüre gefiel mir noch ausgezeichnet, über weite Strecken des ersten Aufzugs zwang mich dann die Venus, wegzuhören. Den dritten Aufzug kann ich ebenfalls großteils positiv vermerken. Dazwischen liegt aber der zweite Akt, und der war meines Erachtens völlig mißglückt. Die Abstimmung mit Sängern und Chor stimmte zeitweise überhaupt nicht, die Tempi waren über Strecken unerträglich gedehnt, und dann gab es gegen Beginn diese unerklärlichen Generalpausen (ich dachte zunächst, der Stream sei unterbrochen), die leider der Spannung wenig dienlich waren.
Insgesamt also ein durchwachsenes Dirigat, so waren auch die Publikumsreaktionen.
Über die Regie kann ich wenig sagen. Nach ein paar Bildern kann man allenfalls ein Teilurteil über Bühnenbild und Kostüme fällen, aber sicher kein Fazit über eine Regiearbeit ziehen. Bei den (übrigens sehr interessanten) Beschreibungen des Bühnengeschehens vor den Akten fiel mir aber eine Wendung auf, die immer wieder kam: "anders als bei Wagner".
In Österreich machen wir gerade eine Diskussion durch, ob wir eine Zeile unserer Bundeshymne im Hinblick auf die Originalschöpfung der Dichterin ändern dürfen. Richard Wagner muß sich bei seinen Festspielen offenbar ganz anderes gefallen lassen...
Noch etwas zur Radioübertragung:
Die versuchte Deutung der Publikumsreaktionen war wirklich grenzwertig, das ist aber nicht ganz neu (ich denke an die "erheblichen Phonstärken" beim Lohengrin letztes Jahr). Vielleicht sollte man das überhaupt bleiben lassen und nur sagen, wer gerade vor den Vorhang tritt, der Rest ist eh zu hören.
Das Pausenprogramm habe ich nur zum Teil mitverfolgt. Das Interview mit Sebastian Baumgarten habe ich nicht lange durchgehalten. Diese Regie-Leute haben irgendwie einen ganz eigenen Akzent und Jargon, daß sich bei mir die Nackenhaare sträuben (tut mir leid, daß ich es nicht professioneller ausdrücken kann). Die Gespräche mit Camilla Nylund und Lars Cleveman fand ich wenig interessant (dass Cleveman Englisch sprach, störte mich noch nicht zu sehr, eher daß er dauernd die Fragen kommentierte "das ist eine gute Frage / das ist eine sehr gute Frage / das ist eine schwierige Frage"). Michael Nagy machte einen sympathischen Eindruck.
Sehr amüsant dagegen die "Kritikerrunde" im Anschluss: Zwei hörbar müde Zeitungsleute und ein hauseigener Schwafler vom BR.
Bemerkenswert war der Versuch der Dame vom Tagesspiegel Berlin, der Regie irgendwie eine Rechtfertigung beizulegen. Dabei drängte sich mir die Bewertung auf, es müsse weniger ein "Kritikerdirigat" als vielmehr eine "Kritikerregie" gewesen sein: Hat Baumgarten so viel Unklarheit hinterlassen, daß den Kritikern reichlich Platz bleibt, ihre eigenen Vorstellung hineinzuprojizieren? Wir Juristen würden so ein Vorgehen "Verfahren in zwei Lesungen" nennen:
Erste Lesung: Der Regisseur liest etwas aus dem Stück, das nicht drinnen ist.
Zweite Lesung: Der Kritiker liest etwas aus der Regie, das nicht drinnen ist.
Schöne Grüße aus Oberösterreich!