Verdimal - das Wertegedicht
#24
Ich frage mich, was der Sinn so eines Gedichtes ist. Es erinnert mich ein wenig an die Liste der "neun edelen Tugenden" von modernen Neoheiden, wo ich mich auch immer fragte, warum man so eine Liste mühevoll aufstellt, anstatt in die heiligen Lieder zu sehen und die dort erhaltenen Lebensregeln zu befolgen.

Wenn nun jemand so ein Gedicht eigens aufstellt, dann scheint es nur vordergründig darum zu gehen, die alten Lebensregeln irgendwie zusammenzufassen und in neuem Gewande zu präsentieren. Tatsächlich geht es darum, moderne Regeln der heutigen, wertelosen Gesellschaft unauffällig mit einzufügen und unter dem Mantel "Ásatrú" zu verkaufen. Wenn ich da etwas etwas von dem Umgang mit dem "Andersartigen" lese, dann ist da eben nicht mehr nur der Fremde Wanderer des eigenen Stammes gemeint (der ist zwar ein Fremder, aber kein Andersartiger, von "anderer Art"), sondern der Einwanderer aus einem anderen Erdteil. Unsere Gesellschaft billigt ja Menschen Asyl zu oder nimmt sogar Hochqualifizierte (Greencard) auf, auch "Gastarbeiter" gehören in unsere Zeit. Aber diese Leute werden nicht aufgenommen, weil das Volk das wünscht, sondern weil die Großkonzerne billige Arbeitskräfte brauchen und längst die Völker nur noch als Zulieferer von Menschenmaterial für sich betrachten. Die Asylgesetzgebung entstand in Folge des verlorenen Weltkrieges; ohne diesen hätte niemand eine Notwendigkeit dafür gesehen. Gut, das ist "heute" und wer will, kann so etwas gut oder schlecht finden, je nach eigenem Gutdünkn.
Aber wie war es früher, im germ. Heidentum? Da hatte man als Mensch einer anderen Kultur hierzulande keine Rechte, im Gegenteil man galt als Eindringling. Die Germanen haben ihre Abstammung auf die Götter zurückgeführt (Germania) und waren der Meinung, daß z. B. Römer nicht von den Göttern abstammten und daher auch nicht dieselben Rechte bekommen sollten. Jede Einwanderung von größeren Mengen von Fremden wurde als der Versuch, uns das eigene Land streitig zu machen und als kriegerische Handlung angesehen. Denn Naturvölker denken nicht im Chr*stlichen Sinne, daß man "seinem Nächsten (aus einem andern Volk) auch noch 'die andere Wange hinhalten' oder sein eigenes Land bereiwillig hingeben sollte, damit man für diese 'gute' Tat im Himmel belohnt wird", Naturvölker trachten vielmehr, sich das Eroberte zu erhalten. Man kämpft für sein eigenes Volk und es interessiert einen nicht, was andere Völker machen oder wie es diesen geht. Wenn ein Volk zu dekadent ist und sein Land nicht mehr verteidigt, dann kann man diese Schwäche nutzen und das Land für den eigenen Stamm gewinnen. Der andere Stamm geht dabei eventuell unter - pech gehabt.

Der andere Wert in diesem Gedicht, bei dem ich arge Zweifel bekomme, ist die Gleichberechtigung. Die gibt es heute und soll auch so sein, aber bei unsern Vorfahren gab es die nicht - gerade vorgestern wurde in der recht mäßigen Sendung "Die Chr*stianisierung der Wikinger" (Arte) klar gesagt, daß Frauen auf dem Thing kein Stimmrecht hatten. Die Frage, warum das so war, will ich hier gar nicht diskutieren, das wäre ein eigenes Thema. Tatsache ist aber, daß es so war. Dann kann man diese Lebensweise, die sicher auch religiös bedingt war, nicht einfach abtun zu Gunsten der heutigen Lebensweise der Gesellschaft. Man muß sich entscheiden: Will man die heute gültigen Gesetze und Regeln der modernen, unreligiösen, materialistischen Gesellschaft, oder ist man bereit, sich den Werten unserer Vorfahren, der spirituellen und naturverbundenen Menschen, zu öffnen, ohne dabei Gerümpel der modernen Welt ihnen im Nachhinein aufzubürden?

Und dann der Wert der Freiheit. Auch hier ganz modern: Sie endet da, wo einem Anderen Leid geschieht. Das Freiheitsideal unserer Vorfahren sah allerdings ganz anders aus. Da war die individuelle Freiheit in die Sippe gebunden. Die Sippe und ihre Ehre kommt zuerst, und dafür muß auf eigene Freiheit und Selbstverwirklichung verzichtet werden. Heute finden wir diese Haltung noch bei Hindus oder Moslems, auch bei vielen Naturvölkern. Deswegen paßt der Satz, daß man "anderen nicht nachstreben" solle, überhaupt nicht. Man hatte die Sippe als Vorbild, hatte die Helden als Vorbilder und natürlich die Götter. Diesen strebte man sehr wohl nach, und jeder, der mal eine Heldensaga gelesen hat, kann das überall sehen. Sogar noch in Texten späterer Zeiten, wo Parzival die Ritter mit ihren strahlenden Rüstungen sieht und sofort auch Ritter werden will - seine Mutter Herzeloyde hatte ihn extra im Verborgenen aufgezogen, damit das nicht passiert.

Diese drei Beispiele zeigen klar auf, wo uns "Werte" als heidnisch untergeschoben werden sollen, die es in Wahrheit gar nicht sind. Das erklärt dann auch, warum ein neues Gedicht gemacht wurde, anstatt auf die eddischen Spruchsammlungen zu verweisen. Man stelle sich einen frommen Hindu vor, der die Lehren der Vedas durch ein eigenes Gedicht ersetzen will.

Ich will dabei nichts gegen moderne Werte gesagt haben, sie haben sicher auch ihre Berechtigung und sind vielleicht nötig, damit die Gesellschaft funktioniert. Aber man soll sie uns nicht in einen heidnischen Mantel packen und als "ásatrú" verkaufen. Das ist nämlich ein Etikettenschwindel. Und offenbar haben das die meisten Schreiber hier auch schon gemerkt, wie anders sind die ablehnenden Reaktionen sonst zu erklären? Man merkt beim Lesen, daß da irgendetwas ist, was einem - warum auch immer - nicht heimelig vorkommt, und man sucht nun rational nach den Gründen.

Lichtgruß,
Geza
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Verdimal - das Wertegedicht - von Freydis Nehelenia - 11.04.12011, 17:01
Re: Verdimal - das Wertegedicht - von Hernes_Son - 11.04.12011, 19:51
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Meine Werte, deine Werte... - von čono - 16.04.12011, 19:52
Re: Meine Werte, deine Werte... - von Freydis Nehelenia - 16.04.12011, 20:11
Re: Meine Werte, deine Werte... - von čono - 16.04.12011, 20:22
Re: Meine Werte, deine Werte... - von Freydis Nehelenia - 16.04.12011, 20:28
Re: Verdimal - das Wertegedicht - von Wolf - 16.04.12011, 21:48
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Re: Verdimal - kein Wertegedicht - von čono - 16.04.12011, 23:25
Re: Verdimal - das Wertegedicht - von Saxorior - 17.04.12011, 10:40
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