19.05.12010, 00:52
Wie Haelvard schon treffend bemerkte, unterhielt Aurelia ein Mietshaus in der Subura und kümmerte sich vollständig um Verwaltung und Finanzen. Sie hätte dafür natürlich jemanden einstellen können, aber da Aurelia sehr gut mit Zahlen umgehen konnte und geschickt im Organisieren war, wollte sie diese Aufgabe unbedingt selbst erledigen. Ihr Ehemann Gaius Julius Cäsar sah dies gar nicht gern und besaß dafür wenig Verständnis, daher verheimlichte sie ihm mehr oder weniger ihre Tätigkeit. Da dieser in seiner Tätigkeit als Quästor oft und sehr lange im Ausland unterwegs war, war dies für Aurelia keine große Sache.
Es gab allerdings, am äußersten Ende ihres Mietshauses, einen Kreuzwegeverein, der ihr ziemliche Kopfschmerzen bereitete...
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Jetzt mußte sich Aurelia aufraffen, um mit den Männern von der Taverne an der Ecke zu verhandeln. Sie hatte sich lange vor dieser Aufgabe gedrückt. Obwohl die Taverne baulich zu ihrer Insula gehörte, konnte sie dort keine Miete kassieren, denn der Ort galt als Treffpunkt einer religiösen Bruderschaft. Die Taverne hatte zwar nicht den Status eines Tempels oder Aedes, war aber immerhin in den Büchern des Stadtprätors offiziell registriert.
Die Taverne war für alle eine Plage. Tag und Nacht wurde dort gelärmt, die Besucher stießen andere Leute vom Bürgersteig, aber keiner hielt es für nötig, den ständig wachsenden Müllberg auf dem Bürgersteig einmal wegzuräumen. Cardixa war die erste, die mit der düsteren Seit der religiösen Bruderschaft in der Taverne in Berührung kam. Als sie den kleinen Laden neben Aurelias Vordertür betrat, fand sie die Besitzerin – eine alte Frau aus Galatien, die sich mit Heilkräutern und Salben, Wundermitteln und Säften auskannte – angstvoll an die Rückwand gedrängt. Zwei niederträchtig aussehende Männer verhandelten darüber, welche der vielen Flaschen und Gläser sie zuerst zerschlagen sollten. Dank Cardixa ging nichts zu Bruch – dafür schlug sie gehörig auf die beiden Übeltäter ein. Mit ziemlichen Nachdruck holte sie die Wahrheit aus der völlig verschüchterten alten Frau heraus. Sie gestand, daß sie ihre Schutzgebühr nicht bezahlen könne und deshalb von den Männern bedroht worden sei.
Jeder Laden muß der Bruderschaft eine Gebühr bezahlen, berichtete Cardixa ihrer Herrin.
Sie behaupten, das Geld sei der Lohn dafür, daß sie die Gegend vor Überfällen und Diebstählen schützten. Dabei sind sie die einzigen, die Geschäftsleute überfallen und ausrauben! Vor allem, wenn die Ladenbesitzer die Gebühr nicht bezahlen. Die arme alte Galaterin hat erst vor kurzem ihren Mann begraben, es war eine schöne Beerdigung, jetzt hat sie keinen Sesterz mehr übrig, Dominilla.
Jetzt reicht's! Komm, Cardixa, denen werden wir es zeigen!
Aurelia wappnete sich zum Kampf.
Energisch marschierte sie zur Tür hinaus und in jeden Laden am Vicus Patricii hinein. Alle Ladenbesitzer mußten ihr sagen, wieviel Schutzgebühr sie an die ominöse Bruderschaft bezahlten. Aus den Berichten schloß sie, daß sich die Geschäfte der Bruderschaft weit über ihre Insula hinaus erstreckten, und nachdem sie schließlich die gesamte Nachbarschaft abgeklappert hatte, kannte sie die ganze Geschichte dieser erstaunlich unverfrorenen Erpressung.
Selbst die beiden Frauen von der öffentlichen Latrine auf der anderen Seite der Subura Minor mußten der Bruderschaft einen gewissen Teil ihrer Einnahmen abtreten. Sie verkauften Schwämme, die an kleinen Stöcken befestigt waren, mit denen sich besser betuchte Römer nach einem Besuch der Latrine den Hintern säuberten. Außerdem holten die Frauen auf Wunsch die Nachttöpfe aus den Wohnungen ab, leerten und reinigten sie. Als die Bruderschaft davon erfuhr, zerschlugen sie alle Nachttöpfe, und die Frauen mußten neue beschaffen. Die Bäder neben der öffentlichen Latrine waren, wie alle Bäder in Rom, in Privatbesitz. Hier erhob die Bruderschaft ihre sogenannten Gebühren dafür, daß die Kunden nicht so lange unter Wasser gehalten wurden, bis sie fast ertrunken wären.
Am Ende ihrer Ermittlungen schäumte Aurelia fast vor Wut. Sie beschloß, erst einmal nach Hause zu gehen und sich zu beruhigen, bevor sie sich in die Höhle des Löwen begab.
Von meinem Haus aus! Meinem Eigentum! empörte sie sich.
Mach Dir keine Sorgen, Aurelia, wir werden ihnen die gerechte Strafe verpassen! beschwichtigte Cardixa.
Aurealia erhob sich. Dann laß uns gehen, damit wir es hinter uns bringen.
Im Innern der Taverne brannte nur ein trübes Licht. Aurelia stand im Türrahmen, von Sonnenlicht umflutet, im vollen Glanz der Schönheit, die sie Ihr Leben lang behalten sollte. Das laute Stimmengewirr in der Taverne brach abrupt ab, setzte aber um so heftiger wieder ein, als Cardixas hünenhafte Gestalt sich hinter Aurelia auftürmte.
Da ist das Ungeheuer, das uns heute morgen verprügelt hat!
ertönte eine Stimme aus dem Hintergrund.
Einige Männer rückten unruhig auf den Bänken hin und her. Aurelia marschierte schnurstracks hinein und blickte sich herausfordernd um, und Cardixa postierte sich wachsam am Eingang.
Wer trägt die Verantwortung für Euch Flegel? fragte Aurelia in schneidendem Ton.
Ein kleiner, dünner Mann um die vierzig mit unverwechselbar römischen Gesichtszügen erhob sich am hintersten Tisch in der Ecke. Ich, sagte er, während er nach vorne kam. Lucius Decumius, zu Deinen Diensten.
Du weißt, wer ich bin?
Er nickte.
Du wohnst – mietfrei! - auf meinem Grund und Boden.
Das hier gehört nicht Dir, sondern dem Staat, Gnädigste!
Das stimmt nicht. Aurelias Augen hatte sich allmählich an die düstere Beleuchtung gewöhnt, und sie blickte sich um. Dieser Ort ist eine Schande. Du kümmerst dich überhaupt nicht darum. Ich kündige Dir hiermit.
Plötzlich hatte es allen die Sprache verschlagen. Lucius Decumius kniff die Augen zusammen. Er war jetzt auf der Hut.
Du kannst uns nicht kündigen.
Das wirst Du schon sehen!
Ich werde mich beim Stadtprätor beschweren.
Tu das ruhig! Er ist ein Vetter von mir.
Dann gehe ich eben zum Pontifex Maximus.
Gut. Er ist auch ein Vetter von mir.
Lucius Decumius ließ ein Schnauben vernehmen, es war schwer zu sagen, ob vor Wut oder vor Lachen. Sie können ja wohl nicht alle deine Vettern sein!
Sie können, und sie sind es. Aurelia zeigte ihre Zähne. Mach keinen Fehler, Lucius Decumius. Du und deine dreckige Bande, ihr werdet verschwinden.
Nachdenklich ließ Lucius Decumius seinen Blick über sie wandern und kratzte sich mit einer Hand am Kinn. Im Winkel seiner klaren blauen Augen meinte Aurelia ein Zwinkern zu entdecken. Er trat zur Seite und wies mit einer galanten Armbewegung zu dem Tisch, von der er gerade aufgestanden war.
Wie wäre es, wenn wir unser kleines Problem in aller Ruhe besprechen? fragte er in butterweichem Ton.
Da ist nichts zu besprechen. Ihr verschwindet.
Ach was! Einen gewissen Verhandlungsspielraum gibt es doch immer. Also, Gnädigste, am besten setzen wir beide uns erstmal hin, schmeichelte Lucius Decumius.
Mit Schrecken bemerkte Aurelia, daß sie diesen Lucius Decumius eigentlich ganz gut leiden konnte! Lächerlich. Aber es war so.
Also gut. Cardixa, stell dich hinter meinen Stuhl.
Lucius Decumius zog einen Stuhl für sie heran und nahm selber auf der Bank Platz.
Einen Schluck Wein, Gnädigste?
Auf keinen Fall.
Hm.
Also?
Also was?, fragte Lucius Decumius.
Du wolltest etwas besprechen.
Ach ja, stimmt, so wars. Lucius Decumius räusperte sich.
Tja, was war es nochmal genau, was Dich stört?
Deine Anwesenheit unter meinen Dach.
Sachte, sachte. Das ist ja vielleicht ein bißchen sehr allgemein gesprochen, oder? Wir werden uns sicher irgendwie einigen können – jetzt erzählst du mir mal, was du auszusetzen hast, und dann kümmere ich mich darum, so gut ich kann.
Wie schäbig und heruntergekommen es hier aussieht. Der Dreck. Der Lärm. Daß ihr glaubt, euch gehört die Straße, das ganze Viertel, alles, und nichts davon stimmt! Aurelia zählte einen Punkt nach dem anderen auf. Vor allem eure kleinen Geschäfte in der Nachbarschaft! Anständige Geschäftsleute in Angst und Schrecken versetzen! Sei auspressen wie Zitronen! Das ist abscheulich, niederträchtig, gemein!
Lucius Decumius blickte sie ernst an und beugte sich ein wenig vor.
Es gibt Wölfe und Schafe auf dieser Welt, Gnädigste. Das ist die Natur. Wir wissen doch alle, daß auf jeden Wolf mindestens tausend Schafe kommen. Wir hier drinnen sind die Wölfe in diesem Revier, so mußt du Dir das vorstellen. Dabei sind wir nicht einmal so böse wie die Wölfe. Wir haben nur kleine Zähne, schnappen mal hier, mal dort zu, aber wir brechen niemanden das Genick.
Dein Vergleich ist abstoßend und kann mich keineswegs umstimmen. Du verschwindest.
Oh, ich armer Kerl! Was bin ich für ein armer Tropf! Lucius Decumius richtete sich auf und warf Aurelia einen schnellen Blick zu. Sind sie wirklich alle Vettern von Dir?
Mein Vater war der Konsul Lucius Aurelius Cotta. Mein Onkel ist der Konsul Publius Rutilius Rufus. Mein anderer Onkel ist der Prätor Marcus Aurelius Cotta. Mein Mann ist der Quästor Gaius Julius Cäsar.
Aurelia lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, neigte den Kopf zur Schulter, schloß die Augen und säuselte süffisant Und Gaius Marius ist mein Schwager.
Ha, ha, und mein Schwager ist der König von Ägypten. Lucius Decumius hatte genug Namen gehört.
Dann gehst Du am besten nach Ägypten zurück, würde ich vorschlagen.
Lucius Decumius kläglicher Versuch sarkastisch zu sein, hatte Aurelia kein bisschen aus der Ruhe gebracht. Der Konsul Gaius Marius ist mein Schwager.
Ja ja, und die Schwägerin von Gaius Marius lebt selbstverständlich in einer Insula im letzten verkommenen Winkel der Subura! gab Lucius Decumius zurück.
Die Insula gehört mir. Das war meine Mitgft, Lucius Decumius. Mein Mann ist nicht der älteste Sohn seines Vaters. Einstweilen wohnen wir hier in meiner Insula, später werden wir sicher woanders leben.
Gaius Marius ist wirklich dein Schwager?
Von Kopf bis Fuß, jawohl.
Lucius Decumius seufzte schwer. Mir gefällt es hier, laß uns also verhandeln.
Ich will, daß du verschwindest.
Schau, Gnädigste, ein paar Rechte habe ich doch immerhin auch. Das hier ist ein Kreuzwegebruderschaft, Gnädigste, so steht es in den amtlichen Büchern des Stadtprätors, wir hüten den heiligen Schrein dieser Kreuzung. Rechtmäßig. Du glaubst vielleicht, bei all deinen Vettern gehört dir der Staat – aber wenn wir ausziehen, werden andere Gauner kommen, stimmts? Soll ich dir ein kleines Geheimnis verraten? Er beugte sich wieder vor.
Alle Brüder der Kreuzwegevereine sind Wölfe! Du und ich wir könnten eine Vereinbarung treffen. Wir halten den Ort hier sauber, klatschen frische Farbe an die Wände, laufe nach Einbruch der Dunkelheit nur noch auf Zehenspitzen, helfen alten Damen über Rinnsteine und Abflußgitter, unterlassen für immer unsere kleinen Geschäfte mit der Nachbarschaft – werden alles in allem, zu tragenden Säulen der Gesellschaft! Wie hört sich das an?
Aurelia versuchte vergeblich ein Lächeln zu unterdrücken. Mit dir fahre ich besser, als wenn ich die Katze im Sack hier einziehen lasse, das willst du mir sagen, oder?
Viel besser! bestätigte Lucius Decumius freundlich.
Ich muß zugeben, daß es keine besonders angenehme Vorstellung ist, dieses ganze Theater noch einmal mit einer solchen Bande wie euch zu veranstalten. Also gut, Lucius Decumius, du bekommst eine Bewährungsfrist von sechs Monaten! Aurelia erhob sich und ging zur Tür, Lucius Decumius begleitete sie. Aber glaub bloß nicht einen Moment lang, ich hätte nicht den Mut, euch rauszuschmeißen und mir die neue Bande zu zähmen! Mit diesen Worten trat sie hinaus auf die Straße.
Lucius Decumius begleitete sie den Vicus Patricii entlang. Auf fast magische Weise traten die Menschen vor ihnen zur Seite. Ich versichere dir, Gnädigste, wir werden Säulen der Gesellschaft sein.
Aber wenn man sich einmal an ein gewisses Einkommen gewöhnt hat, ist es doch schwer, mit weniger auszukommen, sagte Aurelia.
Keine Sorge, Gnädigste! gab Lucius Decumius fröhlich zurück. Rom ist eine große Stadt. Wir werden unsere Geschäfte auf andere Teile der Stadt verlagern, so daß du in keiner Weise belästigt wirst. Der Viminal, der Wall, die Fabrikviertel – es gibt genug Möglichkeiten. Zerbrich dir nicht deinen süßen Kopf über Lucius Decumius und seine Brüder von der heiligen Kreuzwegebruderschaft. Wir kommen schon zurecht.
Das ist keine Antwort! Für mich ist das kein Unterschied, ob ihr hier die Nachbarschaft terrorisiert oder anderswo!
Lucius Decumius war ehrlich überrascht über soviel Beschränktheit. Was du nicht weißt, macht dich nicht heiß. So ist das Leben.
Sie waren vor Aurelias Haustür angekommen. Sie blieb stehen und sah in mitleidig an.
Tu, was Du für richtig hältst, Lucius Decumius. Aber sorge dafür, daß ich nie herausfinde, wohin du deine Geschäfte, wie du das nennst, verlagerst hast.
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Es gab allerdings, am äußersten Ende ihres Mietshauses, einen Kreuzwegeverein, der ihr ziemliche Kopfschmerzen bereitete...
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Jetzt mußte sich Aurelia aufraffen, um mit den Männern von der Taverne an der Ecke zu verhandeln. Sie hatte sich lange vor dieser Aufgabe gedrückt. Obwohl die Taverne baulich zu ihrer Insula gehörte, konnte sie dort keine Miete kassieren, denn der Ort galt als Treffpunkt einer religiösen Bruderschaft. Die Taverne hatte zwar nicht den Status eines Tempels oder Aedes, war aber immerhin in den Büchern des Stadtprätors offiziell registriert.
Die Taverne war für alle eine Plage. Tag und Nacht wurde dort gelärmt, die Besucher stießen andere Leute vom Bürgersteig, aber keiner hielt es für nötig, den ständig wachsenden Müllberg auf dem Bürgersteig einmal wegzuräumen. Cardixa war die erste, die mit der düsteren Seit der religiösen Bruderschaft in der Taverne in Berührung kam. Als sie den kleinen Laden neben Aurelias Vordertür betrat, fand sie die Besitzerin – eine alte Frau aus Galatien, die sich mit Heilkräutern und Salben, Wundermitteln und Säften auskannte – angstvoll an die Rückwand gedrängt. Zwei niederträchtig aussehende Männer verhandelten darüber, welche der vielen Flaschen und Gläser sie zuerst zerschlagen sollten. Dank Cardixa ging nichts zu Bruch – dafür schlug sie gehörig auf die beiden Übeltäter ein. Mit ziemlichen Nachdruck holte sie die Wahrheit aus der völlig verschüchterten alten Frau heraus. Sie gestand, daß sie ihre Schutzgebühr nicht bezahlen könne und deshalb von den Männern bedroht worden sei.
Jeder Laden muß der Bruderschaft eine Gebühr bezahlen, berichtete Cardixa ihrer Herrin.
Sie behaupten, das Geld sei der Lohn dafür, daß sie die Gegend vor Überfällen und Diebstählen schützten. Dabei sind sie die einzigen, die Geschäftsleute überfallen und ausrauben! Vor allem, wenn die Ladenbesitzer die Gebühr nicht bezahlen. Die arme alte Galaterin hat erst vor kurzem ihren Mann begraben, es war eine schöne Beerdigung, jetzt hat sie keinen Sesterz mehr übrig, Dominilla.
Jetzt reicht's! Komm, Cardixa, denen werden wir es zeigen!
Aurelia wappnete sich zum Kampf.
Energisch marschierte sie zur Tür hinaus und in jeden Laden am Vicus Patricii hinein. Alle Ladenbesitzer mußten ihr sagen, wieviel Schutzgebühr sie an die ominöse Bruderschaft bezahlten. Aus den Berichten schloß sie, daß sich die Geschäfte der Bruderschaft weit über ihre Insula hinaus erstreckten, und nachdem sie schließlich die gesamte Nachbarschaft abgeklappert hatte, kannte sie die ganze Geschichte dieser erstaunlich unverfrorenen Erpressung.
Selbst die beiden Frauen von der öffentlichen Latrine auf der anderen Seite der Subura Minor mußten der Bruderschaft einen gewissen Teil ihrer Einnahmen abtreten. Sie verkauften Schwämme, die an kleinen Stöcken befestigt waren, mit denen sich besser betuchte Römer nach einem Besuch der Latrine den Hintern säuberten. Außerdem holten die Frauen auf Wunsch die Nachttöpfe aus den Wohnungen ab, leerten und reinigten sie. Als die Bruderschaft davon erfuhr, zerschlugen sie alle Nachttöpfe, und die Frauen mußten neue beschaffen. Die Bäder neben der öffentlichen Latrine waren, wie alle Bäder in Rom, in Privatbesitz. Hier erhob die Bruderschaft ihre sogenannten Gebühren dafür, daß die Kunden nicht so lange unter Wasser gehalten wurden, bis sie fast ertrunken wären.
Am Ende ihrer Ermittlungen schäumte Aurelia fast vor Wut. Sie beschloß, erst einmal nach Hause zu gehen und sich zu beruhigen, bevor sie sich in die Höhle des Löwen begab.
Von meinem Haus aus! Meinem Eigentum! empörte sie sich.
Mach Dir keine Sorgen, Aurelia, wir werden ihnen die gerechte Strafe verpassen! beschwichtigte Cardixa.
Aurealia erhob sich. Dann laß uns gehen, damit wir es hinter uns bringen.
Im Innern der Taverne brannte nur ein trübes Licht. Aurelia stand im Türrahmen, von Sonnenlicht umflutet, im vollen Glanz der Schönheit, die sie Ihr Leben lang behalten sollte. Das laute Stimmengewirr in der Taverne brach abrupt ab, setzte aber um so heftiger wieder ein, als Cardixas hünenhafte Gestalt sich hinter Aurelia auftürmte.
Da ist das Ungeheuer, das uns heute morgen verprügelt hat!
ertönte eine Stimme aus dem Hintergrund.
Einige Männer rückten unruhig auf den Bänken hin und her. Aurelia marschierte schnurstracks hinein und blickte sich herausfordernd um, und Cardixa postierte sich wachsam am Eingang.
Wer trägt die Verantwortung für Euch Flegel? fragte Aurelia in schneidendem Ton.
Ein kleiner, dünner Mann um die vierzig mit unverwechselbar römischen Gesichtszügen erhob sich am hintersten Tisch in der Ecke. Ich, sagte er, während er nach vorne kam. Lucius Decumius, zu Deinen Diensten.
Du weißt, wer ich bin?
Er nickte.
Du wohnst – mietfrei! - auf meinem Grund und Boden.
Das hier gehört nicht Dir, sondern dem Staat, Gnädigste!
Das stimmt nicht. Aurelias Augen hatte sich allmählich an die düstere Beleuchtung gewöhnt, und sie blickte sich um. Dieser Ort ist eine Schande. Du kümmerst dich überhaupt nicht darum. Ich kündige Dir hiermit.
Plötzlich hatte es allen die Sprache verschlagen. Lucius Decumius kniff die Augen zusammen. Er war jetzt auf der Hut.
Du kannst uns nicht kündigen.
Das wirst Du schon sehen!
Ich werde mich beim Stadtprätor beschweren.
Tu das ruhig! Er ist ein Vetter von mir.
Dann gehe ich eben zum Pontifex Maximus.
Gut. Er ist auch ein Vetter von mir.
Lucius Decumius ließ ein Schnauben vernehmen, es war schwer zu sagen, ob vor Wut oder vor Lachen. Sie können ja wohl nicht alle deine Vettern sein!
Sie können, und sie sind es. Aurelia zeigte ihre Zähne. Mach keinen Fehler, Lucius Decumius. Du und deine dreckige Bande, ihr werdet verschwinden.
Nachdenklich ließ Lucius Decumius seinen Blick über sie wandern und kratzte sich mit einer Hand am Kinn. Im Winkel seiner klaren blauen Augen meinte Aurelia ein Zwinkern zu entdecken. Er trat zur Seite und wies mit einer galanten Armbewegung zu dem Tisch, von der er gerade aufgestanden war.
Wie wäre es, wenn wir unser kleines Problem in aller Ruhe besprechen? fragte er in butterweichem Ton.
Da ist nichts zu besprechen. Ihr verschwindet.
Ach was! Einen gewissen Verhandlungsspielraum gibt es doch immer. Also, Gnädigste, am besten setzen wir beide uns erstmal hin, schmeichelte Lucius Decumius.
Mit Schrecken bemerkte Aurelia, daß sie diesen Lucius Decumius eigentlich ganz gut leiden konnte! Lächerlich. Aber es war so.
Also gut. Cardixa, stell dich hinter meinen Stuhl.
Lucius Decumius zog einen Stuhl für sie heran und nahm selber auf der Bank Platz.
Einen Schluck Wein, Gnädigste?
Auf keinen Fall.
Hm.
Also?
Also was?, fragte Lucius Decumius.
Du wolltest etwas besprechen.
Ach ja, stimmt, so wars. Lucius Decumius räusperte sich.
Tja, was war es nochmal genau, was Dich stört?
Deine Anwesenheit unter meinen Dach.
Sachte, sachte. Das ist ja vielleicht ein bißchen sehr allgemein gesprochen, oder? Wir werden uns sicher irgendwie einigen können – jetzt erzählst du mir mal, was du auszusetzen hast, und dann kümmere ich mich darum, so gut ich kann.
Wie schäbig und heruntergekommen es hier aussieht. Der Dreck. Der Lärm. Daß ihr glaubt, euch gehört die Straße, das ganze Viertel, alles, und nichts davon stimmt! Aurelia zählte einen Punkt nach dem anderen auf. Vor allem eure kleinen Geschäfte in der Nachbarschaft! Anständige Geschäftsleute in Angst und Schrecken versetzen! Sei auspressen wie Zitronen! Das ist abscheulich, niederträchtig, gemein!
Lucius Decumius blickte sie ernst an und beugte sich ein wenig vor.
Es gibt Wölfe und Schafe auf dieser Welt, Gnädigste. Das ist die Natur. Wir wissen doch alle, daß auf jeden Wolf mindestens tausend Schafe kommen. Wir hier drinnen sind die Wölfe in diesem Revier, so mußt du Dir das vorstellen. Dabei sind wir nicht einmal so böse wie die Wölfe. Wir haben nur kleine Zähne, schnappen mal hier, mal dort zu, aber wir brechen niemanden das Genick.
Dein Vergleich ist abstoßend und kann mich keineswegs umstimmen. Du verschwindest.
Oh, ich armer Kerl! Was bin ich für ein armer Tropf! Lucius Decumius richtete sich auf und warf Aurelia einen schnellen Blick zu. Sind sie wirklich alle Vettern von Dir?
Mein Vater war der Konsul Lucius Aurelius Cotta. Mein Onkel ist der Konsul Publius Rutilius Rufus. Mein anderer Onkel ist der Prätor Marcus Aurelius Cotta. Mein Mann ist der Quästor Gaius Julius Cäsar.
Aurelia lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, neigte den Kopf zur Schulter, schloß die Augen und säuselte süffisant Und Gaius Marius ist mein Schwager.
Ha, ha, und mein Schwager ist der König von Ägypten. Lucius Decumius hatte genug Namen gehört.
Dann gehst Du am besten nach Ägypten zurück, würde ich vorschlagen.
Lucius Decumius kläglicher Versuch sarkastisch zu sein, hatte Aurelia kein bisschen aus der Ruhe gebracht. Der Konsul Gaius Marius ist mein Schwager.
Ja ja, und die Schwägerin von Gaius Marius lebt selbstverständlich in einer Insula im letzten verkommenen Winkel der Subura! gab Lucius Decumius zurück.
Die Insula gehört mir. Das war meine Mitgft, Lucius Decumius. Mein Mann ist nicht der älteste Sohn seines Vaters. Einstweilen wohnen wir hier in meiner Insula, später werden wir sicher woanders leben.
Gaius Marius ist wirklich dein Schwager?
Von Kopf bis Fuß, jawohl.
Lucius Decumius seufzte schwer. Mir gefällt es hier, laß uns also verhandeln.
Ich will, daß du verschwindest.
Schau, Gnädigste, ein paar Rechte habe ich doch immerhin auch. Das hier ist ein Kreuzwegebruderschaft, Gnädigste, so steht es in den amtlichen Büchern des Stadtprätors, wir hüten den heiligen Schrein dieser Kreuzung. Rechtmäßig. Du glaubst vielleicht, bei all deinen Vettern gehört dir der Staat – aber wenn wir ausziehen, werden andere Gauner kommen, stimmts? Soll ich dir ein kleines Geheimnis verraten? Er beugte sich wieder vor.
Alle Brüder der Kreuzwegevereine sind Wölfe! Du und ich wir könnten eine Vereinbarung treffen. Wir halten den Ort hier sauber, klatschen frische Farbe an die Wände, laufe nach Einbruch der Dunkelheit nur noch auf Zehenspitzen, helfen alten Damen über Rinnsteine und Abflußgitter, unterlassen für immer unsere kleinen Geschäfte mit der Nachbarschaft – werden alles in allem, zu tragenden Säulen der Gesellschaft! Wie hört sich das an?
Aurelia versuchte vergeblich ein Lächeln zu unterdrücken. Mit dir fahre ich besser, als wenn ich die Katze im Sack hier einziehen lasse, das willst du mir sagen, oder?
Viel besser! bestätigte Lucius Decumius freundlich.
Ich muß zugeben, daß es keine besonders angenehme Vorstellung ist, dieses ganze Theater noch einmal mit einer solchen Bande wie euch zu veranstalten. Also gut, Lucius Decumius, du bekommst eine Bewährungsfrist von sechs Monaten! Aurelia erhob sich und ging zur Tür, Lucius Decumius begleitete sie. Aber glaub bloß nicht einen Moment lang, ich hätte nicht den Mut, euch rauszuschmeißen und mir die neue Bande zu zähmen! Mit diesen Worten trat sie hinaus auf die Straße.
Lucius Decumius begleitete sie den Vicus Patricii entlang. Auf fast magische Weise traten die Menschen vor ihnen zur Seite. Ich versichere dir, Gnädigste, wir werden Säulen der Gesellschaft sein.
Aber wenn man sich einmal an ein gewisses Einkommen gewöhnt hat, ist es doch schwer, mit weniger auszukommen, sagte Aurelia.
Keine Sorge, Gnädigste! gab Lucius Decumius fröhlich zurück. Rom ist eine große Stadt. Wir werden unsere Geschäfte auf andere Teile der Stadt verlagern, so daß du in keiner Weise belästigt wirst. Der Viminal, der Wall, die Fabrikviertel – es gibt genug Möglichkeiten. Zerbrich dir nicht deinen süßen Kopf über Lucius Decumius und seine Brüder von der heiligen Kreuzwegebruderschaft. Wir kommen schon zurecht.
Das ist keine Antwort! Für mich ist das kein Unterschied, ob ihr hier die Nachbarschaft terrorisiert oder anderswo!
Lucius Decumius war ehrlich überrascht über soviel Beschränktheit. Was du nicht weißt, macht dich nicht heiß. So ist das Leben.
Sie waren vor Aurelias Haustür angekommen. Sie blieb stehen und sah in mitleidig an.
Tu, was Du für richtig hältst, Lucius Decumius. Aber sorge dafür, daß ich nie herausfinde, wohin du deine Geschäfte, wie du das nennst, verlagerst hast.
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Im A & O das Geheimnis liegt - Omega siegt!