27.07.12008, 14:10
Ungefähr fünfhundert von uns machten sich auf den Weg. Die Nacht über ritten wir abwechselnd im Schritt, Trab oder Galopp. Bei Tagesanbruch erreichten wir Europus, das die Einheimischen Karkemisch nennen. Kein einziger Parther lauerte uns auf, und der Euphrat floß so ruhig dahin, daß wir mit Pferden und allem anderen übersetzen konnten. Wir ritten ohne Pause weiter bis Antiochia.
Später erfuhr ich, daß alle, die bei Crassus geblieben waren, dem Pahlawi Surenas in die Hände gefallen waren. Im Morgengrauen des zweiten Tages vor den Iden – als wir gerade in Europus einritten – marschierten sie dank Andromachus noch immer im Kreis herum, ohne Sinnaca auch nur eine Meile näher zu kommen. Dann griffen die Parther erneut an. Die unsrigen versuchten abwechselnd, die Stellung zu halten und sich zurückzuziehen, doch wurden sie von den Parthern niedergemetzelt. Crassus’ Legaten fielen alle.
Der Pahlawi Surenas hatte den Befehl, Marcus Crassus nicht zu töten, sondern nur gefangenzunehmen, denn dieser sollte lebend vor König Orodes treten. Was genau geschah, weiß keiner, nicht einmal Antipater, doch kurz nachdem Crassus gefangengenommen worden war, brach ein Kampf aus, bei dem Marcus Crassus starb.
Sieben Silberadler fielen dem Pahlawi Surenas in Carrhae in die Hände. Wir werden sie niemals wiedersehen. Sie sind mit König Orodes nach Ekbatana verschwunden.
Somit war plötzlich ich ranghöchster Römer in Syrien und für eine am Rande der Panik stehende Provinz verantwortlich. Jeder rechnete mit einem Einmarsch der Parther, und wir hatten nicht einmal eine Armee. Die nächsten beiden Monate verbrachte ich damit, aus Antiochia eine Festung zu machen, die jedem nur denkbaren Angriff standhalten würde, und organisierte ein System von Wachen, Beobachtungsposten und Leuchtfeuern, das es der gesamten Bevölkerung des Orontes-Tales im Notfall ermöglichen sollte, sich rechtzeitig in der Stadt in Sicherheit zu bringen. Dann tauchten plötzlich, ob Du es glaubst oder nicht, versprengte Legionäre auf. Nicht alle waren bei Carrhae gefallen. Alles in allem sammelte ich ungefähr zehntausend Mann ein; das reichte für zwei anständige Legionen. Und meinem unschätzbaren Informanten Antipater zufolge hatte der Pahlawi Surenas zehntausend weitere Legionäre, die die erste Schlacht am Bilechas überlebt hatten, zusammengetrieben und an die Grenze von Baktrien jenseits des kaspischen Meeres geschickt, wo sie die Massageten von Überfällen abhalten sollten. Pfeile verwunden zwar, sind aber nur selten tödlich.
Im November hielt ich es für sicher genug, eine Reise durch meine Provinz zu wagen. Jawohl, meine. Der Senat hatte keinerlei Anstalten gemacht, mich abzulösen. Mit dreißig Jahren ist Gaius Cassius Longinus also Statthalter von Syrien geworden. Eine außerordentliche Verantwortung, allerdings keine, der ich nicht gewachsen wäre.
Als erstes besuchte ich Damaskus und anschließend Tyrus. Weil der Purpur aus Tyrus so schön ist, neigen wir dazu, und Tyrus ebenfalls schön vorzustellen. In Wirklichkeit ist es ein gräßlicher Ort. Es stinkt dermaßen nach toten Schalentieren, daß einem dauernd schlecht wird. Auf der gesamten Länge der ans Landesinnere grenzenden Seite von Tyrus türmen sich riesige Haufen aus Überresten gekochter Purpurschnecken; sie überragen sogar noch die ohnehin schon himmelhohen Gebäude. Wie es die Tyrer auf dieser Insel der Fäulnis und des sagenhaften Reichtums aushalten, ist mir ein Rätsel. Aber egal, als Statthalter von Syrien habe ich das Glück, in der Villa des obersten Ethnarchen Demetrius einquartiert zu sein, einer luxuriösen Residenz an der Seeseite der Stadt, wo eine ständig frische Brise weht, die den Gestank vergessen läßt.
Hier lernte ich jenen Mann kennen, dessen Name ich bereits erwähnt habe – Antipater. Er ist etwa achtundvierzig Jahre alt und übt erheblichen Einfluß im jüdischen Reich aus. Religiös zählt er sich zu den Juden, obwohl er eigentlich idumäischer Herkunft ist, was offenbar nicht dasselbe ist. Durch seine Heirat mit einer nabatäischen Prinzessin namens Cypros hat er sich mit der Synode, dem obersten religiösen Gremium, überworfen. Da bei den Juden die Staatsangehörigkeit in der mütterlichen Linie vererbt wird, sind die Tochter und die drei Söhne Antipaters keine Juden, was letzten Endes bedeutet, daß weder der sehr ehrgeizige Antipater noch seine Söhne König der Juden werden können. Trotzdem würde sich Antipater um nichts in der Welt von Cypros trennen und läßt sich von ihr überallhin begleiten. Das nenne ich Liebe. Ihre drei Söhne – alle noch in jugendlichem Alter – sind für ihr Alter erstaunlich entwickelt. Der schon ungemein beeindruckende älteste Sohn Phasael wird von Herodes, dem zweitältesten, sogar noch in den Schatten gestellt. Ihn könnte man als perfekte Mischung aus Verschlagenheit und vollkommener Skrupellosigkeit bezeichnen. Ich würde Syrien gern in zehn Jahren noch einmal regieren, nur um zu sehen, was aus Herodes geworden ist.
Antipater unterbreitete mir die parthische Version vom verhängnisvollen Feldzug des armen Marcus Crassus sowie noch einige interessante Neuigkeiten. Und zwar wurde der Pahlawi Surenas von Mesopotamien, der sich am Bilechas so glänzend bewährt hatte, vor den Hof in Ekbatana zitiert. Als Untertan eines parthischen Königs sollte man eben nie versuchen, seinen König zu übertrumpfen. Denn auch wenn Orodes vom Sieg über Crassus begeistert war – über das Feldherrengeschick des Pahlawi Surenas, seines leiblichen Neffen, war er alles andere als erbaut. Also ließ Orodes ihn kurzerhand hinrichten. In Rom feiert man nach einem Sieg Triumphe, in Ekbatana wird man, wie Du siehst, hingerichtet.
Fortsetzung folgt
Später erfuhr ich, daß alle, die bei Crassus geblieben waren, dem Pahlawi Surenas in die Hände gefallen waren. Im Morgengrauen des zweiten Tages vor den Iden – als wir gerade in Europus einritten – marschierten sie dank Andromachus noch immer im Kreis herum, ohne Sinnaca auch nur eine Meile näher zu kommen. Dann griffen die Parther erneut an. Die unsrigen versuchten abwechselnd, die Stellung zu halten und sich zurückzuziehen, doch wurden sie von den Parthern niedergemetzelt. Crassus’ Legaten fielen alle.
Der Pahlawi Surenas hatte den Befehl, Marcus Crassus nicht zu töten, sondern nur gefangenzunehmen, denn dieser sollte lebend vor König Orodes treten. Was genau geschah, weiß keiner, nicht einmal Antipater, doch kurz nachdem Crassus gefangengenommen worden war, brach ein Kampf aus, bei dem Marcus Crassus starb.
Sieben Silberadler fielen dem Pahlawi Surenas in Carrhae in die Hände. Wir werden sie niemals wiedersehen. Sie sind mit König Orodes nach Ekbatana verschwunden.
Somit war plötzlich ich ranghöchster Römer in Syrien und für eine am Rande der Panik stehende Provinz verantwortlich. Jeder rechnete mit einem Einmarsch der Parther, und wir hatten nicht einmal eine Armee. Die nächsten beiden Monate verbrachte ich damit, aus Antiochia eine Festung zu machen, die jedem nur denkbaren Angriff standhalten würde, und organisierte ein System von Wachen, Beobachtungsposten und Leuchtfeuern, das es der gesamten Bevölkerung des Orontes-Tales im Notfall ermöglichen sollte, sich rechtzeitig in der Stadt in Sicherheit zu bringen. Dann tauchten plötzlich, ob Du es glaubst oder nicht, versprengte Legionäre auf. Nicht alle waren bei Carrhae gefallen. Alles in allem sammelte ich ungefähr zehntausend Mann ein; das reichte für zwei anständige Legionen. Und meinem unschätzbaren Informanten Antipater zufolge hatte der Pahlawi Surenas zehntausend weitere Legionäre, die die erste Schlacht am Bilechas überlebt hatten, zusammengetrieben und an die Grenze von Baktrien jenseits des kaspischen Meeres geschickt, wo sie die Massageten von Überfällen abhalten sollten. Pfeile verwunden zwar, sind aber nur selten tödlich.
Im November hielt ich es für sicher genug, eine Reise durch meine Provinz zu wagen. Jawohl, meine. Der Senat hatte keinerlei Anstalten gemacht, mich abzulösen. Mit dreißig Jahren ist Gaius Cassius Longinus also Statthalter von Syrien geworden. Eine außerordentliche Verantwortung, allerdings keine, der ich nicht gewachsen wäre.
Als erstes besuchte ich Damaskus und anschließend Tyrus. Weil der Purpur aus Tyrus so schön ist, neigen wir dazu, und Tyrus ebenfalls schön vorzustellen. In Wirklichkeit ist es ein gräßlicher Ort. Es stinkt dermaßen nach toten Schalentieren, daß einem dauernd schlecht wird. Auf der gesamten Länge der ans Landesinnere grenzenden Seite von Tyrus türmen sich riesige Haufen aus Überresten gekochter Purpurschnecken; sie überragen sogar noch die ohnehin schon himmelhohen Gebäude. Wie es die Tyrer auf dieser Insel der Fäulnis und des sagenhaften Reichtums aushalten, ist mir ein Rätsel. Aber egal, als Statthalter von Syrien habe ich das Glück, in der Villa des obersten Ethnarchen Demetrius einquartiert zu sein, einer luxuriösen Residenz an der Seeseite der Stadt, wo eine ständig frische Brise weht, die den Gestank vergessen läßt.
Hier lernte ich jenen Mann kennen, dessen Name ich bereits erwähnt habe – Antipater. Er ist etwa achtundvierzig Jahre alt und übt erheblichen Einfluß im jüdischen Reich aus. Religiös zählt er sich zu den Juden, obwohl er eigentlich idumäischer Herkunft ist, was offenbar nicht dasselbe ist. Durch seine Heirat mit einer nabatäischen Prinzessin namens Cypros hat er sich mit der Synode, dem obersten religiösen Gremium, überworfen. Da bei den Juden die Staatsangehörigkeit in der mütterlichen Linie vererbt wird, sind die Tochter und die drei Söhne Antipaters keine Juden, was letzten Endes bedeutet, daß weder der sehr ehrgeizige Antipater noch seine Söhne König der Juden werden können. Trotzdem würde sich Antipater um nichts in der Welt von Cypros trennen und läßt sich von ihr überallhin begleiten. Das nenne ich Liebe. Ihre drei Söhne – alle noch in jugendlichem Alter – sind für ihr Alter erstaunlich entwickelt. Der schon ungemein beeindruckende älteste Sohn Phasael wird von Herodes, dem zweitältesten, sogar noch in den Schatten gestellt. Ihn könnte man als perfekte Mischung aus Verschlagenheit und vollkommener Skrupellosigkeit bezeichnen. Ich würde Syrien gern in zehn Jahren noch einmal regieren, nur um zu sehen, was aus Herodes geworden ist.
Antipater unterbreitete mir die parthische Version vom verhängnisvollen Feldzug des armen Marcus Crassus sowie noch einige interessante Neuigkeiten. Und zwar wurde der Pahlawi Surenas von Mesopotamien, der sich am Bilechas so glänzend bewährt hatte, vor den Hof in Ekbatana zitiert. Als Untertan eines parthischen Königs sollte man eben nie versuchen, seinen König zu übertrumpfen. Denn auch wenn Orodes vom Sieg über Crassus begeistert war – über das Feldherrengeschick des Pahlawi Surenas, seines leiblichen Neffen, war er alles andere als erbaut. Also ließ Orodes ihn kurzerhand hinrichten. In Rom feiert man nach einem Sieg Triumphe, in Ekbatana wird man, wie Du siehst, hingerichtet.
Fortsetzung folgt
Kein besserer Freund – kein schlimmerer Feind!